Freitag, 25. August 1989
-whi-/cas-Münster (Eig. Ber.). Von "rötlichen Anhaftungen" spricht der Zeuge, ein Kripo-Beamter. Der Vorsitzende Richter übersetzt es gleich, benutzt das Wort "Blutspuren". Von "daumennagelgroßen, roten mit Luft gefüllten Sekretspuren an einem Baum" ist die Rede. Aus dem Verfahren um einen enthaupteten Autoverkäufer aus Nottuln vor dem Schwurgericht in Münster ist ein Indizienprozeß geworden. Kaum ein Detail, das nicht von Gericht oder Verteidigung unter die Lupe genommen wird. Vor dem Haftrichter hatte der Angeklagte im November vorigen Jahres zwar ein Geständnis unterzeichnet. Doch in dem Prozeß, der am Montag - wie berichtet - begonnen hat, schwieg sich der 23jährige Schlosser aus Laer auch gestern aus.
Stattdessen haben seine beiden Verteidiger reichlich Fragen, die darauf abzielen, die vorgelegten Beweise zu erschüttern. Ihr Mandant sitzt auf dem grün-melierten Stuhl. drückt sich in die schwingende Polsterlehne, hält den Kopf starr, bewegt nur die Augen. Über Stunden. Wortlos. Mit den kurzen Haaren, der blauen Blazer-Strickjacke und der schmalen, gelben Lederkrawatte wirkt der Angeklagte ernst. Meist blickt er auf die Bank vor sich.
Die große Frage bei diesem Prozeß: War die Tat Mord? Oder Totschlag, wie es zunächst im Haftbefehlt stand? Wurde sie von dem Schlosser geplant, der sich ein Auto kaufen wollte, aber das Geld nicht für den Gebrauchtwagen hatte? Sein Netto-Einkommen: 1400 Mark im Monat. Staatsanwalt Rolf Juschka setzt auf Mord aus Habgier und wegen des Versuchs, die Erpressung zu vertuschen: "Beides niedere Beweggründe."
Der Angeklagte scheint nach allem, was Kripo und Gericht bislang vorgetragen haben, ein Waffen- und Jagdfanatiker zu sein. Mit 15 Jahren stand er erstmals vor dem Amtsrichter. Er hatte ein Luftgewehr gestohlen. Noch im selben Jahr klaute er sich grüne Baumwollkleidung von einer Wäscheleine. Mit Ermahnungen des Richters und gemeinnütziger Arbeit kam er auch beim dritten Mal davon. In Altenberge hatte er zusammen mit einem Bekannten, dessen Vater das Gewehr besaß, in der Gegend herumgeballert.
Auf Haus Alst, wo er in seiner Freizeit seit 1987 in der Landwirtschaft half, durfte er mit einem Gewehr auf Rattenjagd in der Gräfte gehen. Dem Besitzer, der gestern als Zeuge aussagte, war der Angeklagte 1987 als guter Wildfallensteller vorgestellt worden.
Der Schlosser kannte sich in und um Haus Alst recht gut aus. Zu gut, bedauert heute die Besitzerin im Zeugenstand. Denn nachdem er sich mit dem Verkäufer in Horstmar getroffen hatte, fuhren die beiden nach Haus Alst, so die Anklage. Mit deinem von ihm dort bereitgestellten Gewehr zwang er den Verkäufer, den Kaufvertrag auszuschreiben, eine Quittung auszustellen. Zusammen rauchten Opfer und Täter noch Zigaretten; dann soll sich ein Schuß gelöst haben. Tatort: das Innere einer Fasanenvoliere, in den das Opfer gesperrt worden war. Der Käfig war dort auf Vorschlag des Schlossers gebaut worden, erzählte der Hausherr.
"In Panik", so der Schlosser beim Verhör, habe er noch zwei Mal geschossen. Um die Tat zu vertuschen, so die Anklage, enthauptete der Schütze sein Opfer, vergrub den Kopf in einem Wäldchen. Aus den an die zwanzig verschiedenen Geständnis-Versionen des Angeklagten schälte sich diese heraus, die dann Anklagegrundlage wurde.
Der 23jährige verriet der Mordkommission den Ort, an dem er den Kopf vergraben hatte. Der Rumpf der Leiche wurde neben dem Vorführwagen in einem Waldweg bei Horstmar gefunden. Der Haus Alst-Besitzer über seinen Ex-Jagdgehilfen: "Er war sehr pflichtbewußt, aber auch sehr geltungsbedürftig."
Der Prozeß wird fortgesetzt
(Quelle: Westfälische Nachrichten, Freitag, 25. August 1989)