Freitag, 25. August 1989
RA. Nottuln - "Ich brachte gerade die Äpfel in den Keller, als ich einen Schuß hörte! Anschließend dann laute Hilferufe." Ohne dies zunächst zu ahnen, sind zwei Bewohnerinnen des Hauses Alst in Laer wahrscheinlich Zeugen des Mordes an einem Nottulner Autohändler geworden. Gestern sagten die Frauen vor dem münsterschen Schwurgericht aus.
Während der Vernehmung der 42jährigen Hausfrau mußte der angeklagte Schlosser den Verhandlungsraum verlassen; es lag ein Attest vor, das der Zeugin bei der Konfrontation mit dem Mann einen Rückschritt bei der Behandlung Ihrer Herzkrankheit voraussagte. Doch dann kam die Aussage zügig und im Zusammenhang. "Am besagten 4. November hörte ich den Schuß im Garten. Kurze Zeit später rief jemand jämmerlich um Hilfe."
Gemeinsam mit der Nachbarin sei sie dann vor die Haustür getreten, nachdem sie vorher den Rettungswagen bestellt hatte. Auf der Brücke über die Grachten sei ihnen dann der Angeklagte entgegengekommen. "Aber so ein Gesicht habe ich noch nie gesehen", berichtete die Hausfrau. Sie beschreibt den mutmaßlichen Täter als "zitternd wie Espenlaub mit fürchterlich eingefallenem Gesicht".
"Er behauptete dann, selbst geschrien zu haben, erzählte, daß er sich in einer Kaninchenfalle verletzt habe". Als dann aber der bestellte Rettungswagen zur Sprache kam, sei der Mann "völlig verzweifelt und entsetzt auf die Knie gefallen". Zu diesem Zeitpunkt lag dem späteren Geständnis zufolge die Leiche bereits in der nur hundert Meter entfernten Fasanenvoliere.
"Es darf doch niemand wissen, daß ich auf das Tier geschossen habe, ich habe doch keinen Jagdschein", bat der 24jährige händeringend. Die Frauen bestellten den Wagen daraufhin wieder ab. "Tja, wenn wir auch nur im entferntesten gewußt hätten, was tatsächlich Sache war..."
Als weiterer Zeuge sagte gestern der 61jährige Schloßherr von Haus Alst aus. Er hatte den Angeklagten im September letzten Jahres als Jagdgehilfen eingestellt, "ohne Gehalt allerdings, das wirft eine Jagd nicht ab". Dennoch habe der Mann sich schnell heimisch gefühlt im ihm übertragenen Aufgabenbereich. Er versorgte die Fasanenzucht, stellte Fallen und fütterte die Enten.
Das einzige, was den Grafen störte, war das "übersteigerte Geltungsbewußtsein" seines Angestellten. So fuhr dieser zum Beispiel mit einem überdimensionierten Schild "Jagdaufsicht" in der Heckscheibe seines silbergrauen Kadett durchs Revier, legte sich auch mal mit Nachbarn an.
Bei dem Begriff "Geltungsbewußtsein" blickt der Psychiater, der der gesamten Verhandlung beiwohnt, kurz auf - hat doch Staatsanwalt Rolf Juschka als Mordsmotiv nackte Habgier ausgemacht. Der Prozeß geht Montag weiter.