Zwischen Himmel und Erde oder: Die Dummen sterben nicht aus

(von Alois Reutterer)

„Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt.“ Dieser Spruch aus Shakespeare's Hamlet muss häufig als Argument von Außenseitern des Wissenschaftsbetriebs herhalten, um ihre oft abstrusen Vorstellungen scheinbar zu rechtfertigen. Und im Rahmen von „New Age“ spricht man dann von einem neuen Paradigma, das der klassischen Wissenschaft in wesentlichen Bereichen überlegen sei und welches den Horizont derselben hinter sich gelassen habe und daher von den „Wissenschaftsgläubigen“ gar nicht begriffen werden könne. Die Welt und insbesondere der Mensch seien eben komplexer als analytisches Denken zu erkennen vermöge und gingen deshalb rational nicht auf. Ganzheitliches Denken ist angesagt.

Unter dem Mantel einer solchen Immunisierungsstrategie wird dann in volksverdummenden Fernsehshows und einer Unzahl von Büchern der verrückteste Unsinn – oft wissenschaftlich verbrämt - angeboten und von einem gläubigen Publikum begierig inhaliert.

Der Aberglaube – also der Glaube an Dinge und Vorgänge, die von der heutigen Wissenschaft eindeutig als inexistent oder falsch gedeutet erwiesen wurden – ist die größte Fundgrube bei der Suche nach menschlicher Dummheit. Hier zeigt sich ganz besonders, wie unendlich dumm der Mensch - meist unverschuldet (!) – sein kann. Hier mangelt es einfach oft an entsprechender Aufklärung und Bildung. Und da hätten Schule, Volkshochschule, Fernsehen und Printmedien eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Leider wirken sie häufig in entgegengesetzter Richtung.

Es gibt nichts so Unsinniges, als dass es nicht von - oft sogar sonst sehr intelligenten - Menschen geglaubt würde. Dabei erstaunt der Erfindungsreichtum, mit dem immer wieder neue „Phänomene“ behauptet werden, die real gar nicht existieren. Nur ein im Menschen zutiefst verwurzeltes magisches Bedürfnis vermag diese unheimliche Glaubensbereitschaft im Bereich des Esoterischen zu erklären. Einmal auf ein abergläubisches Paradigma fixiert (z. B. Astrologie, Okkultismus, Pseudomedizin aber auch religiöser Glaube), lässt sich besonders ein erwachsener Mensch auch durch noch so gute Argumente nicht mehr von seinen liebgewordenen Vorstellungen abbringen. Er schottet sich ab und ist rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich. Daher ist es meist völlig sinnlos, jemandem seine abergläubischen Vorstellungen ausreden zu wollen.

Gewiss, wir sind vorsichtig geworden mit der Etikettierung „unmöglich“, denn vieles was man sich früher nicht vorstellen konnte, ist heute möglich. Man denke nur an die Technik des Fernsehens. Aber auch in der Wissenschaft gibt es theoretische Modelle, die „unvorstellbare“ Sachverhalte in mathematischer Form rational beschreiben, z.B. das Universum oder Vorgänge in der Quantenwelt.

Es ist außerordentlich schwierig, Pseudowissenschaften als solche zu entlarven. Ein wichtiges Kriterium einer Wissenschaft ist jedoch ihre Kritisierbarkeit, d.h. sie muss mit logischen und empirischen Argumenten kritisiert werden können. Sie darf keine logischen Gesetze verletzen und sollte keinen gut gesicherten Erfahrungen widersprechen.

Der Wissenschaftsphilosoph Mario Bunge weist darauf hin, dass bei Wissenschaftlern mitunter die Angst besteht, dass in Pseudowissenschaften ein Körnchen Wahrheit liegen könnte, dass sie nichts anderes als eine Vorstufe von Wissenschaft seien. Während jedoch eine solche Protowissenschaft fortschreitet und schließlich zu einer echten Wissenschaft wird, sind Pseudowissenschaften stagnierende Tümpel abseits der rasch fortschreitenden wissenschaftlichen Forschung.

Ein Beispiel dafür, dass Pseudowissenschaften oft nur möglich sind, weil von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird, liefert die Astrologie, die auf einem völlig überholten Weltbild beruht. Ein anderes Exempel ist die Parapsychologie. Ihre Behauptungen von Hellsehen oder Psychokinese sind deshalb unsinnig, weil sie etwas Unmögliches voraussetzen, nämlich körperunabhängige Geister. Geister sehen, hören, sprechen wie ein Mensch mit Gehirn, Sinnesorganen und Sprechwerkzeug. Hier handelt es sich um nicht zu Ende gedachte Analogien. Würde man sie nämlich zu Ende denken, - so kritisierte schon Hume – müsste man die Unsinnigkeit einer solchen Annahme selbständiger geistiger „Substanzen“ einsehen. So aber wird ernsthaft diskutiert und untersucht, ob „der“ menschliche Geist mit anderen Gehirnen direkt Kontakt zu treten vermöge, ob wir „hellsehen“ oder gar mit „Geisteskraft“ Gegenstände bewegen könnten. Das bedeutet: Die von der Parapsychologie behaupteten Phänomene setzen einen Dualismus von Körper und Geist voraus und damit eine Lösung des Bewusstseins-Gehirn-Problems („Leib-Seele-Problems“), das dem naturalistischen biologisch-psychologischen Paradigma moderner Wissenschaft völlig widerspricht. Der Glaube vieler Menschen an Paraphänomene ist antirational, entspringt nicht Vernunftüberlegungen und harten empirischen Daten, sondern einem psychologisch verständlichen Wunschdenken oder falsch interpretierten Erfahrungen.

Aber mit dem Aberglauben werden wir wohl für immer leben müssen, nicht nur weil die Dummen nicht aussterben, sondern auch weil der Mensch – wie die Vertreter des „Neuen Zeitalters des Wassermanns“ (an sich zu Recht) betonen – nicht nur ein rationales, sondern ein emotionales und oft sogar irrationales Wesen ist.