Philosophinnen und Frauen in der Philosophie

Feminismus und feministische Philosophie

Feminismus ist eine gegen die Vorherrschaft des Mannes kämpfende Frauenbewegung.

Philosophinnen sind meist auch Feministinnen.

Die feministische Philosophie hat ihren Ausgangspunkt in der Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen. Diese wurde von der ersten Frauenbewegung im 18. und 19. Jahrhundert aufgestellt. Die früheste Repräsentantin der Frauenbewegung nach dem zweiten Weltkrieg war Simone de Beauvoir, die 1949 ihre Untersuchung Das andere Geschlecht veröffentlichte. Einen entscheidenden Anstoß erhielt die feministische Theorie später durch die studentischen Unruhen der sechziger Jahre. Hat feministische Philosophie ihren Ausgangspunkt im Faktum der Diskriminierung von Frauen, dann liegt es auf der Hand, dass ihr zentrales Anliegen dahin geht, zur Klärung der theoretischen Grundlagen feministischer Politik beizutragen.

Im Feminismus lassen sich 3 Standpunkte unterscheiden:

1. die radikalen Feministinnen sehen die Unterdrückung der Frau in der patriarchalen (vom Vater beherrschten) Familie und anderen hierarchischen Lebensformen. Sie plädieren für eine grundlegende Neustrukturierung der Gesellschaft und die Beseitigung von patriarchalen Mechanismen. Der ursprüngliche extreme Feminismus war aus heutiger Sicht zweifellos eine Überreaktion.

2. der marxistische oder sozialistische Feminismus sieht die Ursachen der Unterdrückung der Frau in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Gleichberechtigung ist innerhalb der herrschenden Klassengesellschaft nicht möglich.

3. der liberale Feminismus geht davon aus, dass unterdrückende Faktoren, wie ungleicher Ausbildung und die Beschränkung der Frauen auf den Haushalt, geändert werden könnten, ohne die gesamte soziale Organisation umzustrukturieren. Ziel ist, den Frauen eine Position in der Gesellschaft einzuräumen, die der männlichen vergleichbar ist, und ihnen damit eine Teilhabe an der Macht zu sichern.

Im philosophischen Kontext versuchen die liberalen Feministinnen in erster Linie die patriarchalen Grenzen zu beseitigen, durch welche die Frauen von der Philosophie ausgeschlossen werden.

In jeder dieser drei Theorien wird das Verhältnis der Frau zur Vernunft in erster Linie vom männlichen Vorbild abgeleitet. Aufgrund ihres Geschlechts wird sie als minderwertiges Wesen klassifiziert, dessen einzige Chance, sich aufzuwerten, darin besteht, sich als Ergänzung des Mannes zu begreifen und durch ihn und seine Person zu leben. Damit unterwirft sie sich einer männlichen Rationalität und stimmt ihrem eigenen Ausschluss aus der Vernunft zu.

Feministische Grundsatztheorien

(nach Gerhard Wanner)

radikal-feministisch

Neustrukturierung der Gesellschaft

Bevorzugung der Frau

partielle autonome Frauenmacht

Sturz des Patriarchats

marxistisch-sozialistisch

Sturz des Kapitalismus

Sieg der Arbeiterklasse

Teilhabe am Kommunismus

Auflösung des Patriarchats

liberal-humanistisch

Erhaltung des Systems

Gleichbehandlung der Frau

Teilhabe an Männermacht

Rückdrängung des Patriarchats

Wir können heute auf eine rund dreitausendjährige Geschichte der Philosophie zurückblicken. In dieser Geschichte kommen Frauen nicht vor. Nie hat man von einer Philosophin, einer anerkannt großen Denkerin gehört. Das Denken war seit jeher eine Domäne der Männer, die sie nicht nur mit größter Selbstverständlichkeit für sich reklamiert, sondern durch diskriminierende Ausgrenzung des anderen Geschlechts für dieses unzugänglich gemacht haben. Reden über die Frauen als das kopflose, dafür aber schöne Geschlecht sind Legion.

Natürlich gab und gibt es dumme Frauen, wie immer man im Einzelfall den Intelligenzquotienten ermitteln mag. Aber es gab und gibt wohl ebenso unbestreitbar auch dumme Männer sonder Zahl.

Ein zweites Argument bezieht sich darauf, dass die Frau Sklavin ihrer Gefühle sei und überschießende Emotionen sie daran hinderten, klar zu denken. Des weiteren wurde behauptet, die Frau sei von Natur aus passiv wie die Materie, die eines formenden Verstandes bedürfe, um ihre Trägheit zu überwinden. Die christliche Sündenfall-Lehre schließlich tat ein übriges, um die Frau als ein unreines, zügelloses, sinnlichen Lüsten verfallenes Wesen zu desavouieren, das es mittels sexueller Reize sogar fertig gebracht habe, den Mann zu Fall zu bringen und damit den Geist zu erniedrigen, ja zu beschmutzen.

Feministische Philosophie will

    • die Geschichte des Geschlechterverhältnisses rekonstruieren und analysieren.
    • „geschlechtsneutrale“ philosophische Aussagen auf ihre latent frauenfeindlichen Gehalte hin untersuchen;
    • die Leistungen von Frauen in der Geschichte sichtbar machen;
    • das „Andere“ im Gegensatz zum Mann bestimmen;
    • eine bessere weibliche Gegenwelt darstellen;
    • die Selbstausgrenzung der Frau zurücknehmen, ja bekämpfen.

Zielsetzungen der feministischen Philosophie sind

    • Kritik an patriarchalen Denk- und Lebensformen;
    • frauenzentrierte, gynozentrische Philosophie;
    • Emanzipation der Frau;
    • humanere Welt, Rettung der Welt.

Das Vorurteil der geistigen Minderwertigkeit der Frau

kann als Prunkstück aus dem Arsenal der Dummheit gelten. Die Frau als dummes, geistloses, irrationales, schwatzhaftes, hysterisches Geschöpf, das ohne die Anleitung eines männlichen Verstandes auf der Stufe des Tieres stehen bliebe – diese Vorstellung ist seit jeher die „herr“schende.

Eine Kirchensynode in Avignon im 14. Jahrhundert erwog allen Ernstes die Frage, ob die Frau auch eine Seele habe oder ob sie des Teufels sei. Bei Abstimmung wurde mit knapper Mehrheit das erstere beschlossen. Nicht nur geistliche, auch weltliche Vorkämpfer der patriarchalischen Vorurteile haben die Frauen verunglimpft und auf deren Kosten billiges Selbstlob ausgesprochen. Schopenhauer bescheinigt den Frauen in seiner berühmten Abhandlung „Über die Weiber“ (1851), dass sie infantil, hässlich, dumm und gemein seien. Sie seien nur in der Jugend annehmbar, sozusagen als „Knalleffekt der Natur“, die den Mann zur Zeugung von Nachkommen verleiten wolle. Der Zweck des Frauenlebens sei das Kind. Kaum seien die Kinder geboren, verblühe der weibliche Organismus; menschliche und geistige Entwicklung seien der Frau „naturgemäß“ versagt. (nach Rattner 1976)

Haarsträubendes über die Frau und ihren Intellekt finden wir auch in der berühmt-berüchtigten antifeministischen Dissertation von Otto WeinigerGeschlecht und Charakter“ (1903). Hier findet sich folgender Katalog von Bestimmungen:

- das Weib ist alogisch

- das Weib ist amoralisch

- das Weib kennt keinen Begriff

- das Weib hat keine Seele

- das Weib hat kein Ich

- der Mann hat Grenzen – das Weib hat keine Ich-Grenze

- der Mann ist Wert – das Weib ist Lust ( = wertlos)

- der Mann ist etwas – das Weib ist nichts

- der Mann ist Wille – das Weib ist Trieb

- es gilt die Gleichung: Subjekt – Objekt = Form – Materie = Mann – Frau

- das Weib ist Geschlechtswesen – der Mann ist Geschlechtswesen, aber: „noch etwas darüber“, denn „das Weib ist fortwährend, der Mann ist nur intermittierend sexuell.“

1906 publizierte der deutsche Psychiater Möbius seine Abhandlung „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“. Unwidersprochen wurde darin die Auffassung vertreten, dass zwischen Weiblichkeit und Debilität enge Beziehungen obwalten, dass Dummheit ein Vorrecht des „schwachen Geschlechts“ sei. Mit dieser Behauptung gab Möbius unfreiwillig ein schönes Beispiel für eine psychische Projektion: Je dümmer wir sind, desto leichter beschuldigen wir die anderen der Dummheit.

Zweifellos spuken ähnliche lächerlich-dumme (zum Teil aus dem Zeitgeist erklärbare) Vorstellung noch in vielen Machoköpfen herum.

Macho-Worte „großer“ Männer

Das Frauenbild in der Geistesgeschichte

„Das Weibchen ist gleichsam ein verstümmeltes Männchen und der Monatsfluss Samen, der aber nicht rein ist; denn es fehlt ihm nur noch eines, das Prinzip der Seele.“

Aristoteles 380 – 322 v.Chr.

„Der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist.“

Paulus 10 – 64 n.Chr.

„Die Frau ist von schwachem Verstande und leicht dazu geneigt, der Leidenschaft und dem Zorn zu gehorchen.“

Avicenna 980 – 1037

„Weiber, die aber fruchtbar sind, sind gesünder, reinlicher und lustiger, ob sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadt nicht, lass nur tot tragen, sie sind darum da.“

Luther 1483 – 1546

„Die Frau ist ein menschliches Wesen, das sich anzieht, schwatzt und sich auszieht.“

Voltaire 1694 – 1778

„Die Frauen sind silberne Schalen, in die wir goldene Äpfel legen.“

Goethe 1749 – 1832

„Frauen können wohl gebildet sein, aber für die höheren Wissenschaften, wie Philosophie und für gewisse Produktionen der Kunst, die ein Allgemeines fordern, sind sie nicht gemacht.“

Hegel 1770 – 1831

„Die Frau liebt im allgemeinen die Künste nicht, versteht sich auf keine einzige, und an Genie fehlt es ihr ganz und gar.“

Rousseau 1712 - 1778

„Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt.“

Schopenhauer 1788 – 1860

„Unverstand schaden bei Weibern nicht: eher noch könnte überwiegende Geisteskraft, oder gar Genie, als eine Abnormität, ungünstig wirken.“

Schopenhauer 1788 – 1860

„Ob tiefe Gedanken gefragt sind, Vernunft oder Fantasie oder einfach nur die Benutzung von Sinnen und Händen, der Mann wird eine höhere Überlegenheit erringen als die Frau.“

Darwin 1809 – 1882

„Das Glück des Mannes heißt: Ich will; das Glück des Weibes heißt: Er will.“

Nietzsche 1844 – 1900

„Alles am Weibe ist ein Rätsel, und alles am Weibe hat eine Lösung: Sie heißt Schwangerschaft.“

Nietzsche 1844 – 1900

„Wenn eine Jungfrau fällt, fällt sie auf den Rücken.“

Freud 1856 – 1939

„Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: Was will eine Frau?“

Freud 1856 – 1939

Heute schlägt die Einschätzung „schwaches Geschlecht“ mitunter ins Gegenteil um: Es gibt jetzt „Frauen-Kolumnen, die, wären sie von Männern geschrieben, als krasser Sexismus verschrien wären und die Internationale der Frauenbeauftragten auf den Plan riefen. Aber da sie von Frauen geschrieben sind, dürfen Männer als entwicklungsgeschichtlich schwachsinnig gebrandmarkt werden. Womit wir wieder am Anfang des Jahrhunderts wären, als seltsame Theorien über den ‚physiologischen Schwachsinn des Weibes‘ im Umlauf waren. Heute stützen sich diese seltsamen Inferioritätstheorien nicht mehr auf Mutmaßungen, sondern auf gen-wissenschaftliche Forschungsergebnisse.“ (Rust 1999) Die Emanzipation der Frau ist (zumindest in den westlich geprägten Industrienationen) unaufhaltsam auf dem Vormarsch, und das ist gut so, auch wenn gelegentliche Auswüchse der Sache der Frauen nicht immer dienlich sind.

Dass es Geschlechtsunterschiede bei verschiedenen Intelligenzleistungen gibt, ist nicht zu bezweifeln. Dass Frauen und Männer teilweise verschieden denken und Probleme lösen, hängt offenbar mit den durch Geschlechtshormone unterschiedlich geprägten Hirnstrukturen zusammen. So sind Frauen häufig sprachlich besser, Männer haben oft ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen. Daraus kann jedoch keinesfalls eine Unfähigkeit der Frau für philosophisches (oder allgemein wissenschaftliches) Denken abgeleitet werden.

In der traditionellen Philosophie herrscht eine mannbezogene (androzentrische) Rationalitätsauffassung und sie unterstellt wie selbstverständlich, es sei eine allgemeinmenschliche und als solche geschlechterübergreifende Perspektive, aus welcher philosophische Überlegungen erfolgen. Bestimmte Aussagen werden mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit vorgetragen, obwohl sie de facto nur für Männer Gültigkeit haben. Diese Position nennt man Androzentrismus.

Androzentrismus

Unter „Androzentrismus“ wird eine Weltanschauung verstanden, die Männer als Zentrum, respektive als Maßstab und Norm versteht. Es könnte also der Androzentrismus als gesellschaftliche Fixierung auf den Mann oder das „Männliche“ verstanden werden. Ein androzentristisches Weltbild versteht den Mann als die Norm, die Frau als Abweichung von dieser Norm.

Androzentrismus unterscheidet sich vom Sexismus dadurch, dass er das Weibliche nicht zwangsläufig als Minderwertig bezeichnet, sondern einfach als „das Andere“, „das von der Norm abweichende“. Stillschweigend wird dabei Mensch = Mann und die männliche Sicht der Dinge als die Allgemeingültige gesetzt.

Da die Gleichsetzung von Mensch mit Mann weitgehend unbewusst geschieht, ist Androzentrismus nur schwer zu erkennen und sehr oft auch von Frauen tief verinnerlicht.

Demgegenüber versucht der feministischer Ansatz den Nachweis zu erbringen, dass der männliche Blick es ist, der in die philosophischen Theorien mit eingeht. Dies lässt die behauptete geschlechtsunabhängige Argumentation vom Standpunkt „des Verstandes“ als eine unzulässige Verallgemeinerung erscheinen.

Ein wichtiges Element der Frauenunterdrückung ist die patriarchale Philosophie als Legitimierung der gesellschaftlichen Strukturen. Sie unterstützt das gesellschaftliche Frauenbild, legitimiert die bestehenden Geschlechterrollen. Dadurch ist sie mitverantwortlich für die Ausgrenzung der Frauen aus allen relevanten Bereichen der Politik und Öffentlichkeit und somit Gegenstand feministischer Kritik im Allgemeinen.

Aus dem natürlichen Geschlechtsunterschied werden Differenzen kognitiver und psychischer Art hergeleitet, die rechtfertigen sollen, warum Frauen zu xy nicht geeignet und daher zu Recht aus diesen Bereichen auszuschließen seien.

Voraussetzung für die Diskussion der Geschlechterdifferenz ist die Unterscheidung zwischen dem natürlichen oder biologischen Geschlecht sex und dem sozialen Geschlecht gender.

Bereits Simone de Beauvoir operierte mit dieser Unterscheidung: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Dies ist nicht so zu verstehen, als sollten die biologischen Gegebenheiten des weiblichen Körpers in Abrede gestellt werden. Sie erläutert vielmehr die traditionelle normative Deutung dieser Gegebenheiten sowie die verhängnisvollen Konsequenzen für diejenigen Frauen, denen diese Normen von klein auf übergestülpt werden.

Auf der Grundlage dieser Unterscheidung rückt vor allem die Bestimmung des Geschlechts als Ergebnis der Sozialisation in den Mittelpunkt des feministischen Denkens.

Die Zweideutigkeit der Begriffe „Frau“ und „Mann“ rührt daher, dass die Unterscheidung zwischen weiblichen und männlichen Körpern mit sozialen Normen verknüpft wird. Dass wir mit einem weiblichen oder männlichen Körper zur Welt gekommen sind, sollte für uns nicht zur Folge haben, mit einem jeweils spezifischen Verhaltenskodex konfrontiert zu sein. Wird die Unterscheidung von „sex“ und „gender“ ernsthaft durchdacht, so resultiert die Forderung, dass „Mann“ und „Frau“ künftig keine Kategorie der sozialen Ordnung mehr bilden sollten.

Daher wird heute die Unterscheidung von „sex“ und „gender“ oft abgelehnt.

Die feministische Philosophie

beschäftigt sich mit der Leistung von Frauen im Rahmen der Wissenschafts- und Philosophiegeschichte und setzt sich kritisch mit den weitgehend von Männern geprägten Denktraditionen und –mustern auseinander.

Die radikalen Philosophinnen sehen in der Philosophie ein patriarchales Unternehmen, dessen Ziel es ist, die Frauen auszugrenzen und zu unterdrücken. Die liberalen Philosophinnen versuchen, die bestehende Philosophie auf die Frauen auszudehnen. Während erstere die herrschende patriarchale Philosophie völlig verwerfen, übernimmt letztere Gruppe traditionelle Methoden und formt diese unter feministischen Gesichtspunkten um. Nach ihrer Meinung ist die Unterdrückungsfunktion in der Philosophie auf die Vergangenheit beschränkt und bildet keinen notwendigen Bestandteil der Philosophie. Diese Philosophinnen sehen die Möglichkeit, aus der männlichen eine menschliche Philosophie zu machen, in der Zufügungen von speziellen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Erfahrungen von Frauen.

Nach Meinung feministischer Philosophinnen muss in der Philosophie deren patriarchaler und androzentrischer Charakter sichtbar gemacht werden. Gefordert wird ein feministisches Bewusstsein, das eine neue Sichtweise des konventionellen Umfeldes bewirkt und zu einer grundsätzlichen Veränderung des Verhaltens führt.

Anliegen der feministischen Philosophie ist die Thematisierung der Erfahrung der Geschlechtlichkeit. Damit verbunden ist auch die Forderung, das Geschlecht als Kategorie in die Selbstreflexion der Philosophie aufzunehmen.

Feministische Philosophie akzentuiert Form und Inhalt der Philosophie unter dem Gesichtspunkt des Denkens und Handeln von Frauen.

Die feministische Philosophie ist keine neue philosophische Disziplin, sondern setzt sich mit allen Bereichen der traditionellen Philosophie auseinander. Innerhalb von Erkenntnistheorie und Metaphysik kritisiert sie die patriarchalen Dualismen (z.B. Vernunft ist männlich – Gefühl weiblich). Außerdem beschäftigt sich das feministische Denken schwerpunktmäßig mit den Bereichen der ethischen und politischen Theorie sowie Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie.

Feministinnen kritisieren nicht nur „schlechte“ Wissenschaft, sondern auch die Problemstellungen, Programme, Ethiken, Konsequenzen und den Status der sogenannten „science as usual“. Diese Kritiken stehen im Zusammenhang mit der Forderung nach besserer Wissenschaft: Wichtige feministische Ansätze versprechen, empirisch adäquatere und theoretisch weniger voreingenommene und verzerrte Beschreibungen und Erklärungen von Frauen, Männern, Geschlechterverhältnissen und allen sonstigen sozialen und natürlichen Welten bereitzustellen. Wir können heute ein wachsendes Interesse an der Kritik der etablierten Wissenschaften feststellen, und zwar zunächst als Kritik an einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen und dann als Kritik an den androzentrischen Prämissen des traditionellen Vernunftverständnisses und der modernen Kultur der Rationalität.

Weibliches Denken in der Forschung?

(aus Lauxmann, Frieder: Der philosophische Garten, 19952

Goethes Faust kann als der Inbegriff des männlichen Forschers, angesehen werden. Faust wurde von Mephisto darüber hinaus noch in einen genusssüchtigen Supermacho verwandelt. Dies führte zum Konflikt. Und die Erlösung? Nicht das himmlische Gretchen selbst führte zur Erlösung, sondern das Wesen der Frau in allem: „Jungfrau, Mutter, Königin, Göttin ...“ Und dann die letzten Worte der Tragödie: „... Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.“ Weiblichkeit als Alternative zum einseitig männlichen Forschen? Könnte sich eine Forschung entwickeln, die die körperliche Empfindung höher wertete als die objektive Messung? Vielleicht müsste sich die männliche Naturwissenschaft, auch soweit sie von Frauen betrieben wird, dazu durchringen, nach anderen Leitbildern zu suchen. Man könnte im Übrigen darüber nachdenken, ob Goethes Vision vom „Ewig-Weiblichen“ nicht etwas anderes war als die hektisch betriebene Anpassung der Frau an die herkömmliche Männerwelt. Vielleicht bietet sich hier ein neuer Ansatz für eine Forschung in der Welt des Unbeweisbaren. Vielleicht wäre Faust manches erspart geblieben, wenn er eine andere Partnerin gefunden hätte als Gretchen. Aber die hatte ihm ja bekanntlich Mephisto zugeschanzt.

Feministische Ethik

(v.a. nach Annemarie Pieper: Gibt es eine feministische Ethik? München 1998)

Die feministische Ethik versteht sich also als kritisches Instrument und damit als Korrektiv der traditionellen Ethik.

Herlinde Pauer-Studer: Feministische Ethik ist ein neuer Denkansatz, aber keine neue ethische Theorie. Vielmehr definiert sie einen bestimmten Blickwinkel auf diese Theorien und auf die Moralphilosophie in ihrer ganzen Breite.

Catharine McKinnon fasst die durch die männliche Ideologie umrissene Lebensform bündig zusammen: Die Physiologie der Männer definiert die meisten Sportarten, ihre Bedürfnisse definieren Kraftfahrzeug- und Krankenversicherungen, ihre gesellschaftliche entworfenen Biografien definieren Arbeitsplatzerwartungen und erfolgreiche Karrieremuster, ihre Perspektiven und Anliegen definieren wissenschaftliche Qualität, ihre Erfahrungen und Obsessionen definieren Leistung, ihre Objektivierungen des Lebens definieren die Kunst, ihr Militärdienst definiert Staatsbürgerschaft, ihre Gegenwart definiert die Familie, ihre Unfähigkeit miteinander umzugehen – ihre Kriege und Regierungsformen – definiert die Geschichte, ihr Bild definiert Gott und ihre Genitalien definieren Sex.

Nach Marylin Friedman (1993) ist Moral „geschlechtsmarkiert“, und die beiden Geschlechter werden auf unterschiedliche Weise „moralisiert“. Während zum Geschlechtstereotyp von Frauen gemeinschaftsorientierte Eigenschaften (eben: Fürsorglichkeit) gehört, gelten die Normen des männlichen Stereotyps als prinzipienorientiert und handlungsbezogen.

Eine auf dem Sorgen aufbauende Ethik ist nach Friedman dem Charakter nach wesentlich feminin – was selbstverständlich nicht heißt, dass eine solche Ethik nicht auch von Männern geteilt werden kann.

A. Maierhofer (1988) lässt es offen, ob nicht eigentlich von zwei Begriffen menschlicher Würde die Rede sein müsste, die nicht in einem gemeinsamen Dritten aufzuheben wären, so dass der Frau anstelle einer Würde von Gnaden des Mannes eine ihr als Frau eigene Würde zugeschrieben wird, kraft derer sie einen unveräußerlichen Selbstwert besitzt, auf dem echte Gleichberechtigung beruht. Es geht somit um die Anerkennung nicht einer formalen Gleichheit, sondern einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit des weiblichen Wesens als solchen, das den Maßstab seines moralischen Selbstwertverständnisses in sich selbst hat bzw. ausbildet, und zwar nach Maßgabe der seine Identität begründenden Andersheit.

Die Gender-Perspektive würde überflüssig, wenn es gelänge, jenseits von männlicher und weiblicher Moral eine geschlechtsunspezifische, allgemeinmenschliche Ethik zu etablieren. Warum sollte es nicht auch in Zukunft sinnvoll sein, zwischen verschiedenen, aber gleichberechtigten und gleichwertigen Normensystemen zu unterscheiden? Doch davon abgesehen sollte die Gender-Perspektive als kritischer Standpunkt zum festen Bestandteil der Ethik werden, um

zu verhindern, dass geschlechtsspezifische Denk- und Handlungsmuster in unzulässiger Weise verallgemeinert und verabsolutiert werden.

Eine Entmoralisierung der Geschlechter soll den Weg bereiten nicht für eine morallose Form des Miteinanderumgehens, sondern für eine neue Moral, in welcher weder männliche noch weibliche Denk- und Handlungsgewohnheiten zur allgemeinen Regel erhoben werden, sondern gemeinsam anerkannte und als solche wirklich menschliche normative Muster von Kommunikation und Praxis.

Doch bevor eine solche geschlechterübergreifende, nicht-androzentrische, postfeministische Ethik in Angriff genommen werden kann, müsste eine Ethik der geschlechtsspezifischen Moral ausgeführt werden.

Es gilt zu lernen, das jeweils „Andere“ als es selbst zu respektieren. Nur unter dieser Voraussetzung können Frauen daran gehen, die Prinzipien einer „weiblichen“ Moral zu entwickeln, die ihrem Selbstverständnis sowie ihrer Selbsterfahrung als Frau gerecht werden.

Die Frau in der Philosophiegeschichte

In kaum einem Buch über Philosophiegeschichte kommen Frauen als Denkerinnen vor. Aber es gab und es gibt sehr wohl Frauen in der Philosophie, nicht nur als Schülerinnen berühmter Männer, sondern als eigenständig denkende und forschende Personen – angefangen mit den antiken Pythagoreerinnen, über mittelalterliche Mystikerinnen und die aufgeklärten Denkerinnen der Neuzeit, bis zu den feministischen Philosophinnen der Gegenwart.

Die Geschichte der abendländischen Philosophie war indes über weite Strecken für Frauen herabwürdigend und diskriminierend und diente vor allem der Legitimation für die jeweils herrschende gesellschaftliche Wirklichkeit.

Philosophinnen hatten meist große Kämpfe auszutragen, um ihrem Umfeld und sich selbst zu beweisen, dass sie zu philosophischem Denken in der Lage sind, trotzdem haben es zahlreiche Frauen geschafft, eigenständige philosophische Gedanken zu entwickeln und zu publizieren. Bedingt durch die weibliche Sozialisation und Lebenssituation, Familie, Kinder, mangelnde Anerkennung, sind die Lebensgeschichten dieser Philosophinnen oft verschlungene Wege. Deshalb ist auch ihre Bildung und ihr philosophisches Denken nicht geradlinig akademisch, wie bei den meisten männlichen Kollegen, sondern getarnt unter literarischen Ambitionen oder versteckt in ihrem regen Briefwechsel; viele dieser Philosophinnen bewegen sich in Grauzonen und Nischen, da ihnen aufgrund ihres Geschlechts der akademische Weg oft versperrt war.

Aus diesem Grund lassen sich auch die Philosophinnen in der Geschichte häufig nicht in das starre Denkschema der männlich geprägten philosophischen Wissenschaft einordnen. Sie benötigen einen weiter gefassten Philosophiehegriff, der ihre ethischen Überlegungen zu typischen Frauenthemen oder die Auseinandersetzung mit Frauen-Wahlrecht und der weiblichen Selbstverwirklichung einschließt.

Philosophie hat es an sich mit dem Menschen als solchem zu tun und mithin selbstverständlich auch mit dem Menschen jenseits der Geschlechtlichkeit. Doch fand dieses vorgeblich geschlechtsneutrale Menschenbild sein Maß und Ziel so gut wie ausschließlich am Mann. Die Historiker haben die Gesellschaft als eine Gesellschaft von Männern vorgestellt und damit der Geschichte immer schon eine (einseitige) sexuelle Dimension gegeben.

Die verschiedenen philosophischen Bestimmungen des weiblichen „Wesens“ nehmen keineswegs eine marginale Stellung in der europäischen Philosophie ein, sondern sich von deren Beginn an im Zentrum befinden – freilich verschwiegen und unsichtbar gemacht.

Aus der griechischen Antike sind die Namen von fast 100 Philosophinnen überliefert. Ob diese „große Systeme“ erdacht haben, wissen wir nicht, da ihre teils namentlich bekannten Werke verloren gingen.

Hier einige Beispiele:

    • Pythagoras hatte Schülerinnen, z.B. Theano, Hestia.
    • In der klassischen antiken Philosophie war Diotima Lehrmeisterin des Sokrates;
    • Aspasia von Milet (2. Gattin des Perikles) brachte die milesische Aufklärungsphilosophie nach Athen.
    • Zu den Kynikern, die gegen bürgerliche Normen auftraten, zählt die Philosophin Hipparchia.
    • Die Epikureer lehrten die Gleichwertigkeit der Geschlechter, Philosophin war z.B. Leontion (3. Jahrhundert. v. Chr.).
    • Bei den Neuplatonikern war Hypathia (370 – 415) eine angesehene Philosophin und sie war sogar Vorsteherin der neuplatonischen Schule in Alexandria.

Immerhin gab es auch etliche männliche Philosophen, die frauenfreundlich eingestellt waren. Bei MusoniusRufus (Stoiker, 1. Jahrhundert. n. Chr.) lesen wir von der Gleichwertigkeit der Geschlechter, er fordert gleiche Erziehung beider Geschlechter und eine Frauenphilosophie.

Zu Beginn der Neuzeit lehrte HeinrichCornelius = Agrippa von Nettesheim (1486 – 1535) die Gleichheit von Frau und Mann: Die Frau ist der vollendetste Mensch. Der Zeugungsakt geschieht durch die Frau, die Erbsünde entstand durch den Sündenfall des Mannes. Die „Unterlegenheit“ der Frau ist die Folge eines ungerechten Bildungssystems, der Unterdrückung durch den Mann und einer Fehlinterpretation der Bibel.

Giordano Bruno (1548 – 1600): kritisiert den sexistischen Humanismus und die unkritisch abwertende Pseudoanthropologie.

Eine ganz entsetzliche Abwertung überhaupt erfuhr die Frau im 17. Jahrhundert mit der Hochblüte des Hexenwahns.

Bernard Fontenelle (1657 – 1757) vertrat die damals mutige Auffassung, die Frau habe sehr wohl Intellekt. Daher fordert er Bildung für Frauen und eine Philosophie für Frauen („Damenphilosophie“).

Warum also ist die Philosophin in der ganzen abendländischen Philosophiegeschichte eine Randerscheinung oder nicht existent?

Bis ins 20. Jahrhundert prägten Platon und Aristoteles das frauenfeindliche Rollenbild der Antike, das vom Christentum übernommen wurde. Die antike Philosophie definiert die Frau als verstümmelten, unfertigen und minderwertigen Mann. Das weibliche Geschlecht ist bei Platon in jeder Hinsicht das Schwächere, sowohl körperlich als auch geistig unterlegen. Ähnlich werden die Frauen auch bei Aristoteles eingestuft. Er setzt das Weibliche mit dem Hässlichen und das Männliche mit dem Schönen gleich, wobei er die Frau als einen zeugungsunfähigen Mann definiert. Dadurch kann er behaupten, die Frau sei sogar in der Fruchtbarkeit zweitrangig und deshalb dem Mann unterlegen. Gemäß der platonischen Metaphysik fällt es dem Mann vermöge seiner Verstandeskräfte leichter, in Bezug auf seine leiblich-sinnlichen Bedürfnisse Askese zu üben und bereits im irdischen Leben sterben zu lernen. Für die Frau ist dies nach Platon ein aussichtsloses Unterfangen. Von Natur aus sinnlicher veranlagt als der Mann, klammere sie sich an das Materielle, außerstande, sich in Theorie und Praxis auf die Ansprüche von Verstand und Vernunft zu konzentrieren.

Diese Einschätzung der Frau als Geschlechtswesen wurde dann in der christlichen Metaphysik durch die Sündenfall-Lehre noch zementiert. Eva verfiel als erste den Verführungskünsten der Schlange und aß vom Baum der Erkenntnis, wodurch sie zu verstehen gab, dass sie fleischlich-sinnlichen Genüssen den Vorzug vor dem göttlichen Anspruch gab, außerstande, ihr Handeln an Geboten auszurichten. Die im Gefolge des Sündenfallmythos zunehmende Leibfeindlichkeit des Christentums führte schließlich zur Gleichsetzung der Frau mit Materie. Materie als bloßer formloser Stoff ist Unbegriff des schlechthin Unvollkommenen, Unerhellten, Unreinen, Passiven, Trägen, und diese Zuschreibungen wurden auf die Frau übertragen, deren Sinnlichkeit ihre Verwandtschaft mit der Materie nahe legte. So wie die Materie nur als geformte einen Wert hat, bedürfe auch die Frau der Formung durch einen Verstand, um als Mensch gelten zu können, und da das einzige Lebewesen, das von sich selbst her über eine geistige Potenz und entsprechend über einen formgebenden Verstand verfüge, der Mann sei, waren damit die Rollen im Geschlechterverhältnis verteilt und metaphysisch festgeschrieben – von Männern, die ihr eigenes sinnliche Begehren verleugneten und in die Frau hineinprojizierten, die zugleich als Sündenbock herhalten musste für die Triebunterdrückung der Männer.

    • Ausnahmen, wie frauenfreundliche Atomisten, Epikureer und Sophisten fanden kaum Anerkennung.
    • Die Frau wurde fasst ausschließlich in ihrer gesellschaftlichen Funktion als Fortpflanzungsmedium und nicht als individueller Mensch mit Selbstbestimmungsrechten angesehen.
    • Die Fähigkeit eigenständigen Denkens auch Frauen zuzugestehen, scheint für die philosophierenden Männer, mit wenigen Ausnahmen (wie Sokrates, Leibniz, Erasmus vonRotterdam) unvorstellbar gewesen zu sein. Denn jene identifizierten das „Geistige“ mit dem Männlichen und das „Sinnliche“ mit dem Weiblichen.
    • Bis ins Zeitalter der Aufklärung sprachen Philosophen zwar vom Menschen, meinten jedoch stets den männlichen Menschen.
    • In der Aufklärung gilt die Frau als Ergänzung und Gegenstück des Mannes.
    • Nur wenige Sozialisten und Liberale, wie der Franzose Fourier und der Engländer Mill, vertraten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert die Selbstbestimmung des weiblichen Menschen.
    • Die bürgerlich-liberale Gesellschaft des 19. Jahrhundert, vor allem im deutschen Kulturraum, führte zum Rückschritt der Ansätze weiblicher Emanzipation. Es scheint, als gäbe es klare „natürliche Wesensunterschiede“ zwischen den Geschlechtern. Niemand untersuchte sie näher, niemand kritisierte grundsätzlich die dogmatisierten „Wesensunterschiede“.
    • Frauenfreundliche Philosophen interpretieren die bisher negativ besetzten Charakterunterschiede lediglich positiv. Selbst feministische Bewegungen übernahmen alte Beurteilungskriterien.
    • Eine „aristotelische Rennaissance“ erfuhren im 20. Jahrhundert Rollenklischees durch Katholizismus, Faschismus, Nationalsozialismus und die konservative Nachkriegsgesellschaft.
    • Im Zuge der gesellschaftlichen und philosophischen Gleichsetzung von Mensch mit Mann ist die männliche Form verabsolutiert worden, wobei allerdings die Geschlechtlichkeit völlig ausgeblendet ist. Die Differenz, in der das Neutrum Mensch eigentlich besteht, wird ignoriert. Der universale Begriff Mensch steht im Prinzip für den geschlechtlichen Mann.

Die Philosophie der Frauen

(Aus Lauxmann, Frieder: Der philosophische Garten, 19952)

„Hast du nicht gemerkt, dass es ein Mittelding zwischen Wissen und Nichtwissen gibt?“

Diotima aus Mantineia

Statt einer einseitigen Betrachtung wollen wir das heikle Problem der weiblichen Philosophie dialektisch zur Kenntnis nehmen, als Dialog zwischen Anna und Bert.

Anna: Warum haben eigentlich die Philosophen alle miteinander Unrecht?

Bert: Wer sagt denn, dass sie Unrecht hätten? Das höre ich zum ersten Mal.

Anna: Wenn sie recht hätten, dann müssten sie die Wahrheit übereinstimmend sehen. Die Mathematiker streiten sich doch schließlich auch nicht darüber, was 2x3 ist.

Bert: Glaubst du, für die Mathematiker gäbe es nichts, worüber sie streiten könnten?

Anna: Na ja, sie haben doch vieles, wovon sie gemeinsam ausgehen können. Aber bei den Philosophen konstruiert jeder seine Welt für sich allein. Sie denken, leben und schreiben vollkommen aneinander vorbei. Irgendwann einmal müssten sie doch anfangen, einer neutralen Wahrheit auf die Spur zu kommen, so dass der andere dort weitergehen kann, wo der eine stehen geblieben ist. Aber die Herren fangen doch alle immer wieder ganz von vorn an. Ich glaube, das liegt an der männlichen Eitelkeit und Herrschsucht. Die Denker sind richtige Kampfböcke, sie verteidigen ihr Denkrevier ohne Rücksicht auf Verluste. Man hätte also uns Frauen solche Sachen denken lassen sollen, dann wäre die Welt anders geworden.

Bert: Aber die Frauen durften doch denken.

Anna: Ach was, man nahm unser Denken nicht ernst. Das ging doch spätestens bei den alten Griechen schon los. Die Männer diskutierten, die Frauen waren nur zum Kinderkriegen da. Selbst in punkto Erotik hielt man sich zu Platons Zeiten anscheinend mehr an die schönen Knaben.

Bert: Dann hätten die Frauen eben ihre eigene Philosophie aufbauen müssen. Es gab ja schließlich auch Dichterinnen, und zwar schon bei den alten Griechen. Und übrigens war Sappho auf Lesbos vermutlich ebenfalls mehr an ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen interessiert als an starken Männern.

Anna: Das mag sein, aber ich glaube, eine weibliche Philosophie würde ganz anders aussehen als die handelsübliche männliche. Wer weiß, was der Menschheit da alles entgangen ist.

Bert: Ich glaube zwar auch, dass das weibliche Denken anders sein kann, aber dieses Denken ist doch allezeit vorhanden, es wurde nur nicht zu philosophischen Systemen verarbeitet, und das hat seinen guten Grund. Wenn Frauen denken, dann denken sie nicht gleich in Feder und Tinte. Sie theoretisieren nicht für die Nachwelt, sondern sie fühlen und handeln für die Mitwelt. Dies ist schließlich auch eine Liebe zur „Weisheit“, zur „Sophia“. In der Erziehung eines Kindes kann mehr Weisheitsliebe stecken als in Schopenhauers sämtlichen Werken. Nur bleibt eben der Unterschied, dass man den Schopenhauer in Leder gebunden in den Bücherschrank stellen kann, wo er dann, gelesen oder ungelesen, die Jahrzehnte überdauern kann, während das Kind nach ein paar Jahren das Haus verlässt und kaum ahnt, welches Maß an Weisheit es von zu Hause mitbekommen hat.

Anna: Ist das nicht eine männliche Beschönigung des Problems und billiger Trost für die Frauen?

Bert: Ich glaube nicht, dass man auf der Suche nach weiblicher Denkarbeit jetzt noch auf geniale aber unterdrückte und daher ungedruckte philosophische Manuskripte stoßen wird.

Anna: Schade!

Bert: Meinst du?

Anna: Ja, weil das ein ganz anderes Denken wäre.

Bert: Das ist es ja. Es ist ein Denken, das sich nicht zum Aufschreiben eignet, ein Denken, über das man keine formale Rechenschaft ablegen kann, kein perfektes Entweder-Oder, ein Denken, das einfach da ist, es zeigt sich im Handeln, es ist intuitiv, spontan, von Liebe getragen.

Anna: Wie schön du das sagst, ist das wirklich dein Ernst? Meinst du das etwa so: Die Männer schreiben die Sätze und die Frauen leben das, was zwischen den Zeilen steht.

Bert: Danke. So gut hätte ich das nicht sagen können, obwohl du zugeben musst, dass dieser Satz eigentlich eher männlich formuliert ist.

Anna: Du bist unverbesserlich!

Bert: Damit hast du vermutlich Recht. Dass Männer unverbesserlich sind, ist vielleicht der Grund dafür, dass sie meinen, ihr Denken aufschreiben zu müssen, denn ...

Anna: ... wenn sie überzeugt davon wären, dass alles stimmt, was sie sagen, dann brauchten sie es nicht aufzuschreiben.

Bert: Jetzt wissen wir, warum die Damen unter den Klassikern so schwach vertreten sind, ihre Logik ist nicht so eng.

Anna: Willst du damit sagen, die Frauen seien unlogisch, dies Gerede kenne ich.

Bert: Ach nein, im Gegenteil, sie sind allenfalls manchmal unlogisch im Sinne der männlichen Logik, aber Blaise Pascal sprach ja von einer Herzenslogik im Gegensatz dazu.

Anna: Aber auch Pascal war ein Mann.

Bert: Wenn dich das in diesem Zusammenhang stört, dann denkst du selbst zu männlich, liebe Anna. Der Weg zur Wahrheit führt durch einen riesigen Irrgarten. Und die Denker schreiben alle nur mehr oder weniger über ihre Abenteuer, die sie auf

diesem Weg erlebt haben. Jeder macht da seine eigenen Erfahrungen. Ankommen tut ja doch keiner.

Anna: Mich stört eben, dass sie so tun, als wüssten sie und nur sie allein den Weg.

Bert: Das ist es vielleicht. Dort, wo die Rechnungen stimmen, geht die Wirklichkeit nicht auf – und umgekehrt. Für uns Männer scheinen die Rechnungen manchmal wichtiger zu sein als die Wirklichkeit.

Anna: Also halten wir Frauen die Wirklichkeit für wichtiger als die Rechnungen.

Bert: Das Problem ist, dass man aus diesen entgegengesetzten Weisheiten keine umfassende Wahrheit bilden kann. Sie bleibt immer unvollkommen. Aber da fällt mir gerade ein, dass es vielleicht doch einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt, und zwar eine tiefe philosophische Erkenntnis.

Anna: Wenn es die Aussage eines Mannes ist, dann ist es auch wieder eine männlich einseitige Lösung.

Bert: Diesmal kann ich dich beruhigen, sie stammt offensichtlich von einer Frau. Was sie gesagt hat, ist, richtig bedacht, vielleicht wichtiger und wesentlicher als das, was Hunderte anderer geschrieben haben. Anna: Und woher kennt man sie?

Bert: Die, von der ich etwas sagen will, hat vor rund zweitausendfünfhundert Jahren gelebt. Es ist die weise Priesterin Diotima. Wenn man Platon das, was er in seinem Gastmahl geschrieben hat, glauben darf, hat Sokrates vieles von ihr gelernt.

Anna: Sokrates als Schüler einer Philosophin, willst du das sagen?

Bert: Genau das. Und noch mehr. Sokrates sagt, Diotima habe ihn auch in den Dingen der Liebe unterrichtet. Anna: Oh! Wie darf ich das verstehen?

Bert: Platonisch vermutlich, liebe Anna, denn schließlich war es Platon, der darüber berichtet hat.

Anna: Und Ihre Lehre? Bert: Diotima sagte etwas, was jeden strammen Denker und natürlich auch Sokrates zunächst schockieren musste. Sie behauptete, es gebe etwas Mittleres zwischen Wissen und Nichtwissen, zwischen Weisheit und Unwissenheit. Dieses sei das „Meinen des Richtigen, ohne Rechenschaft darüber abgeben zu können“. Anna: Ich verstehe. Wer so denkt wie Diotima, der braucht sich nicht auf eindeutiges, beweisbares Wissen festlegen zu lassen, der steht darüber.

Bert: Die steht darüber! Und dies ist wohl die Grundlage jeder weiblichen Weisheit. Sie besteht darin, dass man sie zwar mit dem Herzen oder sogar mit dem ganzen Körper erfassen kann, dass es über sie aber nichts Eindeutiges zu schreiben gibt. Wenn Diotima sagte, der Eros sei etwas Mittleres, ein Vermittler zwischen Göttlichem und Menschlichem, so gilt dies gerade für das „ewig Weibliche“ im Denken, von dem ja auch Goethe so fasziniert war, dass er seinen Faust-Mythos damit gekrönt hat.

Die Musen waren Frauen, sie wussten, was die Künstler, die sie inspirierten, stammelnd zu verwirklichen suchten. Daran hat sich nichts geändert seit Diotima.

Anna: Aber es ist trotzdem schade, dass man die Weisheit der Frauen nicht in Leinen oder Leder gebunden erhalten hat.

Bert: Euch selbst haben wir in Leinen, kostbare Pelze und in feines Leder eingebunden, nicht eure Werke.

Anna: Und unsere literarischen Werke waren volkstümlicher als eure Denkelaborate.

Bert: Was meinst du damit?

Anna: Sind denn nicht wir Frauen die klassischen Märchenerzählerinnen. Scheherezade konnte tausendundeine Nacht lang erzählen. Selbst die Gebrüder Grimm haben auf Frauen gehört. In den Märchen kommen Weisheit und Erfahrung unmittelbar allen zugute, verschlüsselt, aber wirksam. Das ist unsere Stärke.

Bert: Du hast Recht. Die Märchen haben zu allen Zeiten das Denken vermutlich unmittelbarer beeinflusst als die Philosophen, die ja nur von einigen wenigen gelesen wurden.

Anna: Es ist ein verheerender Irrtum, den Begriff Märchen mit »Lügenmärchen« gleichzusetzen. Wo die Märchenerzählerin schon die ganze Wett in ihrem Körper erkannt und gefühlt hat, basteln die Philosophen noch mühsam an ihren Definitionen herum. Können wir also daraus schließen: Die wahren Philosophinnen sind die erzählenden Mütter?

Bert: Ein solcher Schluss wäre mir zu männlich. Ich lasse dir das letzte Wort.

Anna: Ich brauche keine Antwort. Die Wahrheit ist ja auch ein Mittelding, eine Mitteilerin, eine Mittlerin.

Einige Philosophinnen

Aspasia von Milet

(ca. 470 – 410 v. Chr.)

Lernte in Athen Perikles kennen und wurde dessen 2. Frau. Die Ehe wurde nicht als vollgültig anerkannt, da sie keine athenische Staatsbürgerin war. Neben dem eigenartigen weiblichen Esprit wurde ihr ein feines Verständnis und Urteil für rednerische und philosophische Probleme aus ihrer ionischen Heimat zugestanden. Vielleicht brachte sie die Aufklärungsphilosophie nach Athen. Sie hat so manchen Athener – unter ihnen Sokrates – in Rhetorik ausgebildet. Mit Sokrates führte sie auch häufig Dialoge.

Hypatia von Alexandria

(ca. 370 – 415 n.Chr.)

H. war die Tochter des Mathematikers und Astronomen Theon von Alexandria. Durch ihre außerordentliche Begabung war sie bald schon ihrem Vater in seinen Wissenschaften überlegen. Sie wurde in Alexandria schnell bekannt und erhielt die Leitung der neuplatonischen Schule. Sie verfügte über ein breites philosophisches Wissen auf allen Gebieten der Philosophie, wozu damals auch die Mathematik, Mechanik und Astronomie gehörte. Ihre Schülerzahl war sehr groß und alle bewunderten ihre Weisheit und Eloquenz.

Von christlichen Fanatikern wurde sie in eine Kirche verschleppt, entkleidet, ermordet und verbrannt – eine Art früher Hexenverfolgung.

Hildegard von Bingen

(1098 – 1179)

Hildegard war eine der mächtigsten Äbtissinnen des Mittelalters, mehr Theologin als Philosophin, aber ihr Gottes- und Menschenbild sind auch philosophisch von Belang und korrigieren des öfteren Vorstellungen der zeitgenössischen Theologen. In ihrem ersten großen Werk Scivias (Wisse die Wege) beschreibt sie die Geschichte der Menschheit als Heilsgeschichte, in der sie „dunkle“ und „helle“ Phasen annimmt. Im kosmischen Endkampf zwischen guten und bösen Mächten versöhnen sich Juden, Christen und nichtchristliche Völker. In der Weltallvision verwendet H. die Vorstellung vom Weltenei, dessen Dotter die Erde als Ort des Menschen ist. Gegen einen übertriebenen materiefeindlichen Neuplatonismus schätzt H. die Materie hoch ein. Im Unterschied zur Scholastik betont sie die Zugehörigkeit des Leibes zum Bild Gottes und die Gleichrangigkeit von weiblicher und männlicher Gottesebenbildlichkeit.

Heute haben wir eine Renaissance der „Hildegard-Medizin“, deren Vorstellungen allerdings nur teilweise gut und richtig sind.

Pizan, Christine de

(1365 – 1430)

Geboren in Venedig, lebte sie später in Paris, wo sie ihren Lebensunterhalt mit Schreiben verdiente. Sie hinterließ ein umfangreiches Gesamtwerk. Ihr Hauptwerk ist „Die Stadt derFrauen“. Es ist das erste Werk, das in erster Linie auf die Verteidigung der Frau angelegt war. P. will damit das Selbstbewusstsein ihrer Geschlechtsgenossinnen stärken und ihnen Argumente gegen die männlichen Vorurteile an die Hand geben. In ihrem Buch berichtet P. aus weiblicher Perspektive vom Leben herausragender, weiser, erfinderischer und mächtiger Frauen, die den Leserinnen als Vorbild dienen können. Die Bedeutung des Werks liegt nicht nur in der Verteidigung der Frauen, sondern auch in seinem dokumentarischen Charakter, der Einblick in die Wirklichkeit der mittelalterlichen Frau gibt und Themen wie Krieg, Zivilisation und Ehe diskutiert. P. fordert Gerechtigkeit für die Frauen und kritisiert frauenfeindliche Philosophen und die „angeborene“ Geschlechterrollen.

Cavendish, Margaret, Duchess of Newcastle

(1623 – 1673)

Die in Essex geborene Naturphilosophin gehört zur kleinen Zahl derer, die Kritik an der mechanistischen Naturkonzeption und den Methoden der „Neuen Wissenschaft“ übten. Sie entwickelte ein Gegenmodell, in dem die Natur durch eine Komplexität charakterisiert ist, die das menschliche Vorstellungsvermögen bei weitem überschreitet und sich nicht auf mechanische Gesetze reduzieren lässt. In Anschluss an Epikur gibt es nach C. im Universum nur unvergängliche Materie und leeren Raum. Die Materie besteht aus kleinsten unteilbaren Teilchen, den Atomen, die durch Kontakt zueinander die Gegenstände unserer sinnlich wahrnehmbaren Welt bilden. Die Entstehung der Welt als einmaliger Schöpfungsvorgang wird aufgelöst in einen ewigen Weltprozess. Mit der Konzeption einer aktiven beseelten Materie, die den Werdeprozess aus eigener Kraft, ohne Eingreifen Gottes nach ihrer innewohnenden Gesetzlichkeit vollzieht, steht C. im Gegensatz zu den mechanistischen Naturphilosophen ihrer Zeit und diese Thesen brachten ihr auch den Vorwurf des Atheismus. C. gilt heute als erste einer ganzen Reihe von „scientific ladies“, die im 18. Jahrhundert Interesse an der „Neuen Wissenschaft“ bekundeten und Beiträge leisteten.

Suttner, Bertha von

(1843 – 1914)

Sie wurde als Bertha Gräfin von Kinsky in Prag geboren. Sie beschäftigte sich vor allem mit der Friedensbewegung. „Die Waffen nieder“ (1889) wurde ein Welterfolg. 1905 erhielt sie als erste Frau den Friedensnobelpreis zuerkannt. Obwohl ihre Texte meist in Romanform vorliegen, hat sie doch maßgeblich an der Theorienbildung des Pazifismus mitgewirkt.

Für S. ist Krieg eine Folge menschlichen „Irrwahns“, Frieden dagegen naturrechtlich verbürgt. Dadurch wird Frieden einerseits als erreichbar dargestellt, andererseits innerhalb des bürgerlichen Diskurses einforderbar. Für die Einlösung des Naturrechts auf Frieden greift S. auf die dynamische Geschichtsauffassung der damals neuen Evolutionstheorie zurück. Wie die meisten Sozialdarwinisten nimmt sie eine stete Höherentwicklung der Menschheit an, vorangetrieben durch deren „Selbsterhaltungstrieb“. „Höherentwicklung“ versteht sie jedoch nicht als Auslese der egoistischsten Stärksten, sondern als Selektion der altruistischsten „Edelsten“.

S. sympathisiert auch mit der Frauenbewegung. Sie schließt sich dem Kampf für die materielle Absicherung und gegen die „Unbildung der Frau“ an, die sie für die Hauptursache der Unfreiheit hält. Sie beschäftigt sich mit der „sozialen Frage“ und solidarisiert sich mit dem „Arbeitervolk“. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten will sie aber keinen Klassenkampf, sondern einen Reformkurs.

Druskowitz, Helene

(1856 – 1918)

Für die gebürtige Wienerin bedeutet Philosophie wesentlich Religionskritik verbunden mit der Aufgabe, der Religion die Begründung einer (nicht-religiösen) Weltanschauung entgegenzusetzen. Die Religion sei „ein erbärmliches männliches Machwerk, voll von Schädlichkeit, insbesondere für die Frauenwelt“ und „die gesamte Historie ist, mit wenigen Ausnahmen, einfach ‚Männergeschichte’ und deshalb roh bis zum äußersten…“ Ihren Optimismus, dass der Mensch sich in Anlehnung an den Darwin’schen Evolutionsgedanken, auch psychisch wie geistig weiterentwickeln könne und wolle, revidierte sie zugunsten eines von ihr ehemals heftig attackierten Pessimismus.

Die Aufgabe des in ihren Augen in jeder Hinsicht höher entwickelten, „adeligen“ Geschlechts der Frauen bestehe darin, „dass sie als Führerinnen in den Tod erscheinen, indem sie das Endesende (der Menschheit) vorbereiten.

Den Männern empfiehlt sie, Selbstkritik zu üben und die Unwürdigkeit ihres Geschlechts zu erkennen. Als Lohn verspricht sie ihnen ein reines Gewissen und einen klaren Himmel. Den Frauen rät sie „die Teilung der Städte nach Geschlechtern“, die Ehelosigkeit, den Kampf für Gleichberechtigung, die Männer zu hassen und „in Sympathie für das eigene Geschlecht“ zu leben.

Andreas-Salomé, Lou

(1861 – 1937)

Die in St. Petersburg geborene Louise von Salomé kannte zahlreiche berühmte Persönlichkeiten der literarischen und künstlerischen Welt wie z.B. August Strindberg, GerhardHauptmann und Frank Wedekind, aber auch die Dichter Rilke, Pasternak und Tolstoi. Mit Freud stand sie zeitlebens in Briefwechsel und widmete ihre geistigen Energien der Psychoanalyse in Theorie und Praxis.

In der Philosophie betont sie das Zusammenwirken von Denken und Fühlen im menschlichen Erkennen – ein Philosophieverständnis, das der rationalistischen Ausrichtung in der abendländischen Philosophietradition entgegensteht.

Stöcker, Helene

1869 – 1943)

Die deutsche Philosophin war auch politisch sehr aktiv und war eine der ersten deutschen Frauen mit philosophischem Doktorat. Ihre Dissertation belegt den erfolgreichen Umgang mit männlicher Wissenschaft und ist trotzdem das Ende ihrer akademischen Karriere. Innerhalb der Universität gab es für Frauen keine Aufstiegsmöglichkeit.

Ihr Aufruf zu weiblicher Selbstbestimmung zielt nicht auf Nachahmung männlichen Verhaltens, sondern lautet „Werde, die Du bist“. S. erwartet neben der kulturellen auch eine spezifisch weibliche „Höherentwicklung“, die sie auf Nietzsche und die Entwicklungslehre gründet.

Den populären Liebesbegriff kritisiert sie als allein männlichen Sexual- und Herrschaftsansprüchen dienlich. Sie formuliert auch weibliche Sexualansprüche und greift damit ein in den lebhaften Diskurs des Kaiserreichs über Sexualität. Die Forderung nach selbstbestimmter weiblicher Sexualität wird die Grundlage ihrer „lebensbejahenden neuen Ethik“ des Geschlechterverhältnisses – ein radikal neuer Ansatz zum Thema Emanzipation. Sexualität ermöglicht erst eine „Durchgeistigung“ der Liebe. S.s Ethik ist nicht „genusssüchtig“, sondern strebt nach Vervollkommnung von Individuum und Gesellschaft. Körperliche und geistige Liebe, Erotik und Altruismus sind verknüpft.

Pazifismus ist für S. die konsequente Fortsetzung ihres Engagements.

Luxemburg, Rosa

1871 – 1919

wurde in Zamosc (Polen) geboren und war eine bedeutende sozialistische Theoretikerin und Politikerin. Wie Marx geht auch L. davon aus, dass die kapitalistische Entwicklung zwangsläufig zum ökonomischen und politischen Zusammenbruch führen müsse. In ihrem theoretischen Hauptwerk „Die Akkumulation des Kapitals“ zeigt L. im Marxschen System den Mangel auf, dass es seinen Ursprung in der Annahme hat, es gebe nur zwei gesellschaftliche Klassen, nämlich Kapitalisten und Arbeiter. „Wir wissen jedoch, dass der Kapitalismus auch in seiner vollen Reife in jeder Beziehung auf die gleichzeitige Existenz nichtkapitalistischer Schichten und Gesellschaften angewiesen ist.“ Revolutionäre Prozesse können nicht von einer Minderheit geleitet werden, sondern müssen sich aus Massenstreiks und -bewegungen ergeben. Die sozialistische Demokratie muss der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen.

Stebbing, Lizzie Susan

(1885 – 1943)

Das Fachgebiet dieser englischen Philosophin ist die Logik und die Verbindung von Naturwissenschaften und Philosophie. Sie war mit Ludwig Wittgenstein befreundet und übernahm viele seiner Lehrsätze. 1930 erschien ihre erste Publikation „A Modern Introduction to Logic“. Es ist dies nicht nur eine Einführung in die Grundlagen der Logik, sondern zeigt auch Verflechtungen, z.B. zwischen der aristotelischen und der symbolischen Logik. Für S. ist Logik keine „Spielerei“ mit Grundsätzen oder Formeln, sondern als praktische Disziplin ein wesentlicher Bestandteil der Philosophie.

Die Kriegszeit bildet den Ausgangspunkt der Analysen in „Ideals and Illusions“. Es bietet eine Untersuchung der Grundfesten der modernen Gesellschaft unter Anwendung der Logik. Sie verteidigt die Demokratie und die Grundlagen der Moral und betont die bestehenden ethischen Prinzipien. S. macht deutlich, dass Ideale nicht an sich Utopien sein müssen, sondern dass auch „Realisten“ wie Hitler oder Mussolini Ideale haben, mit denen sie die Welt in ihre Richtung verändern wollen.

Stein, Edith

(1891 – 1942)

Die deutsche Phänomenologin war Schülerin Husserls. In ihrer Dissertation „Zum Problem der Einfühlung“ beschreibt sie die Empathie als eine spezifische Form des Wissens.

1934 trat S. in den Kölner Karmelitinnenkloster ein. Basierend auf dem Ansatz von Thomas von Aquin stellt sie die Frage nach dem Sein. Sie will einen Grundriss der Seinslehre liefern, die allerdings unter den Vorzeichen des katholischen Glaubens gesehen werden muss.

Ziel der Philosophie ist es, die Welt zu verstehen. Aufgabe der Naturphilosophie ist es, Fragen und Begründungen zu erörtern, die die Naturwissenschaften unhinterfragt voraussetzen. Diese können nicht durch Experimente, sondern nur denkerisch geklärt werden; sie betreffen Begriffe wie Natur, Ding, Raum, Zeit oder Bewegung, die nur wesensmäßig erfassbar seien. Ihre Analyse mündet in die Untersuchung der Naturerkenntnis als philosophisches Problem, in der sich S. mit den Problemen der Wahrnehmung und der Erkenntnis befasst.

Langer, Susanne Katharina

(1895 – 1985)

wurde als Tochter deutscher Eltern als Susanne Knauth in New York geboren. Ihre originäre philosophische Leistung besteht darin, nicht nur die organische Natur, sondern auch Entstehungsprozesse von Kulturformen, insbesondere die Symbolbildungen, unter der neuen Sichtweise des Prozessdenkens zu untersuchen. Langer bemühte sich um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Natur und Bewusstsein. Sie wandte sich sowohl gegen eine positivistische Sichtweise, die geistigen Phänomene kausal-mechanistisch erklärt, als auch gegen eine subjektivistische, die alles durch das reine Bewusstsein zu begreifen sucht. Die in ihrem Buch „Philosophie auf neuem Wege“ entwickelte Theorie des Symbolismus erweiterte sie zu einer philosophischen Kritik der Kunst.

Arendt, Hannah

(1906 – 1975)

A. wurde in Hannover geboren, hörte Theologie bei Romano Guardini, der über Kierkegaard las. Sie studierte dann beim Philosophen Heidegger und dem Theologen Bultmann. 1951 (dt. 1955) erschien ihr politisch-historisches Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, das die Konzentrationslager begreift als Institution eines ideologisierten Staates, dessen Macht mittels Terror aufrecht erhalten wird.

1961 ist sie Berichterstatterin beim Eichmann-Prozess. Eichmanns Gewissenlosigkeit beruhe auf einem völligen Fehlen von Denken und Urteilskraft.

Beauvoir, Simone Bertrande de

(1908 – 1986)

In Paris geboren wuchs sie in großbürgerlichen Verhältnissen auf und studierte an der Sorbonne. Hier lernte sie auch ihren späteren Lebensgefährten Jean-Paul Sartre kennen. In ihrem bekanntesten Werk „Das andere Geschlecht“ stellt sie umfassend die Lage der Frau in unserer Gesellschaft dar. Die Frau bleibt hier vom eigentlichen Menschsein, das sie mit Aktivität gleichsetzt, ausgeschlossen. Mit ihrer Feststellung „Wir werden nicht als Frauen geboren, wir werden dazu gemacht“ deckt sie die patriarchalische Falschmeldung auf, die Frau müsse aufgrund ihrer biologischen Fähigkeiten auch ihre Unterdrückung in Kauf nehmen. Sie definiert die geschlechtliche Arbeitsteilung als patriarchalisches Dogma und thematisiert die Differenz zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht. Ein wesentliches Moment der Unterdrückung sieht sie neben der typisch weiblichen Sozialisation in Mutterschaft und Hausfrauendasein. Beide gelten nicht als schöpferisch, sondern unterstützen die passive Rolle der Frau. Die patriarchalische Verherrlichung der Mutterrolle und die damit einhergehende Annahme eines Mutterinstinktes bei alle Frauen lehnt B. strikt ab.

Ihr philosophisches Werk fußt auf den Inhalten des französischen Existenzialismus. In ihren Aufsätzen behandelt sie vor allem Fragen der Moral. Menschsein bedeutet für sie in erster Linie Handlung und das Ziel der Handlung ist die Freiheit. Jeder einzelne muss dieser einen konkreten Inhalt geben. Aufgabe aller ist es, die Freiheit der anderen zu sichern und jede Unterdrückung radikal abzulehnen.

Weil, Simone Adolphine

(1909 – 1943)

Sie wurde in Paris geboren. Ihre erste Publikation erschien 1929. Alle veröffentlichten Arbeiten, aber auch ihre Tagebuchaufzeichnungen und Briefe spiegeln sehr direkt ihre jeweilige Lebensphase. In ihren Arbeiten ist die Entwicklung von der radikalen kommunistischen Kämpferin zur mystischen Gläubigen ebenso nachzuvollziehen wie in ihrem Leben.

Neben ihrem Interesse an der Situation der Arbeiter und Arbeiterinnen befasste sich W. sehr intensiv mit der europäischen Politik. Die Entwicklung des Faschismus war Thema vieler Diskussionen mit ihren Freunden und Bekannten. Ihre Kritik am kommunistischen Manifest ähnelt der Trotzkis, der das sowjetische System in Frage stellt und dessen offizielle Zielsetzung kritisiert.

Später steigert sich W. in einen religiösen Mystizismus. 1942 erschien ihre „Geistliche Autobiografie“, in der sie auch die gesellschaftliche Funktion der Kirche kritisiert. Für sie kommt vor allem dem diesseitigen Leben Bedeutung zu und sie sieht es als Ziel, die Welt lebenswerter zu gestalten. Sie spricht sich für eine, das ganze

Universum umfassende Liebe aus, die sich nicht in Emotionen, sondern in Freundschaft äußern sollte.

Tielsch, Elfriede Walesca

(1910 – 1993)

Sie gilt als eine der profiliertesten Philosophinnen Deutschlands des 20. Jahrhunderts. 1964 veröffentlichte sie „Kierkegaards Glaube“, wo sie herausarbeitet, dass Kierkegaard den in der Aufklärung festgefahrenen Streit zwischen „Glauben und Wissen“ beiderseits positiv und haltbar überwindet.

1970 erschien „Die Platonischen Versionen der griechischen Doxalehre“, 1980 gab T. die politischen Hauptschriften John Miltons heraus.

Hersch, Jeanne

(*1910)

In Genf geboren, begegnete sie beim Studium in Heidelberg Heidegger und Jaspers, dem sie bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden blieb. In ihrem Philosophieren blieb sie dem Existenzialismus und dem Kantianismus treu.

In ihrem ersten, 1936 veröffentlichten Buch „Die Illusion. Der Weg der Philosophie“ versucht sie, das Wesen eines philosophischen Problems im Unterschied zu einem wissenschaftlichen oder praktischen zu klären und das Wesen der Philosophie zu bestimmen. Ihr Anliegen ist es, den von der zeitgenössischen Philosophie vergessenen Fragen der philosophia perennis (der „ewigen Philosophie“) wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Die Philosophin war bekennende Sozialistin, kämpft aber auch für die Atomkraft und eine starke Armee.

Mit großem sozial-politischen Engagement trat sie für die Verteidigung der Menschenrechte ein und äußerte sich in zeit- und gesellschaftskritischen Essays auch über Fragen der Angst, des Todes, des Judentums, der Dritten Welt und so provokativen Themen wie Euthanasie, Behindertenintegration und die Rolle der Frau.

Ströker, Elisabeth

(*1928)

Die deutsche Philosophin wurde in Dortmund geboren, studierte in Bonn Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie. In diesem Fach habilitierte sie sich auch 1963. Eine bekannte Buchveröffentlichung ist die „Einführung in die Wissenschaftstheorie“ (1973), in der sie die moderne analytische Wissenschaftstheorie seit dem Logischen Positivismus behandelt. In „Wissenschaftstheorie als Herausforderung“ (1979) geht es um die wissenschaftstheoretische Kontroverse zwischen Thomas Kuhn und Karl Popper. Später bezog sie auch die Wissenschaftsethik in die Wissenschaftsphilosophie mit ein „Ich und die anderen. Zur Frage der Mitverantwortung“ (1983). Hier geht es vor allem und die Klärung der allgemeinen Struktur des Verantwortungsbegriffs.

Irigaray, Luce

(*1932)

ist eine in Belgien geborene feministische Theoretikerin und Psychoanlytikerin und war Mitglied der Freud’schen Pariser Schule. Sie überprüfte den Gebrauch und Missbrauch der Sprache in Bezug auf die Frau. Ihre Kritik wendet sich nicht primär auf die Naturwissenschaften sondern gegen die erkenntnistheoretischen Grundlagen unseres Denkens. Ausgehend von einer Platon-, Freud- und Lacan-Kritik führt sie in ihrem Buch „Speculum“ und in der Textsammlung „Das Geschlecht das nicht eins ist“ mit einer radikalisierten literarischen Praxis aus, welche impliziten geschlechtsspezifischen Setzungen dem Denken in der Moderne unbewusst zu Grunde liegen. Sie lässt dabei durch eine zugespitzte Zitierweise die Originaltexte (Platon, Lacan, Freud) selbst sprechen.

Mit dem Ziel, ein neues Denken und eine neue private und politische Praxis der sexuellen Differenz auszuarbeiten, hat Luce Irigaray eine Kritik der patriarchalen Kultur vorgenommen und den Horizont einer anderen Kultur entworfen, in dem das eine Geschlecht weder dem anderen unterstellt noch von ihm ausgebeutet wird. Das hat sie, wie auch viele Philosophen, dahin geführt, die verschiedenen Dimensionen des individuellen und kollektiven Lebens erneut zu defininieren: die Beziehungen zur (mikro- und makrokosmischen) Natur, zur soziopolitischen und symbolischen Organisation, insbesondere zur Sprache, zum Recht, zur Religion. Der Ausdruck ihrer Forschung nimmt einmal mehr spekulative, einmal mehr wissenschaftliche, einmal mehr unmittelbar politisch-ethische, einmal mehr literarische Formen an. Irigaray hat mit zahlreichen Frauengruppen aus unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Kulturen gearbeitet, eine theoretische Arbeit, auch eine politische Arbeit, die immer die Befreiung zum Ziel hatte. Aber diese Arbeit wurde stets begleitet von Bündnissen mit gemischtgeschlechtlichen theoretischen und politischen Kreisen: Teilnahme an Werkstattarbeiten, Organisation von Kolloquien und Forschungsgruppen, Vorträgen und Diskussionen in politischen Versammlungen mit Frauen und Männern.

Sontag, Susan

1933 – 2004

In New York geboren studierte sie in Berkeley, Chicago und Havard. Sie war eine der bekanntesten zeitgenössischen Autorinnen. Weltruhm erlangte sie vor allem durch ihre kunst-, kultur- und zeitkritischen Essays, aber auch durch ihren politischen Aktivismus. Sie selbst verstand sich als Moralistin und Philosophin, aber mehr noch als Schriftstellerin. Sie wurde „das moralische Gewissen Amerikas“ genannt. Auch nach den 9/11-Anschlägen nahm sie sich kein Blatt vor dem Mund. Das brachte ihr Schelte als „Vaterlandsverräterin“ ein. Doch auch von links war Sontag heftiger Kritik ausgesetzt.

Der linksliberale britische „Guardian“ bezeichnete sie in einem Nachruf als mutige Frau und eine „Kämpferin, deren Waffe der Schreibstift war.“

Bei der Verleihung des Friedenspreises im Oktober 2003 in Frankfurt am Main hatte sie das „imperiale Programm“ des US-Präsidenten George W. Bush scharf kritisiert.

Millet, Kate

(*1934)

Die amerikanische Feministin und Philosophin wurde in Minnesota in einer bürgerlichen irisch-katholischen Familie geboren. Sie ist eine der Schlüsselfiguren des neuen amerikanischen Feminismus der siebziger Jahre. Das Thema der „sexuellen Revolution“ definiert sie als die Abschaffung der sexuellen Rollen und der sexuellen Ideologien. Das bekannteste Werk Millets und eines der wichtigsten Werke in der gegenwärtigen feministischen Theorie ist „Sexual Politics“, das sie als Doktorarbeit an der Universität Columbia vorlegt. Darin benutzt sie den Begriff „Patriarchat“, um die universelle unterdrückte Lage der Frauen zu bezeichnen, die von den Männern verursacht wird. „Unsere Zivilisation wie jede historische Zivilisation ist ein Patriarchat. Dies ist eine klare Tatsache, wenn wir überlegen, dass die Industrie, die Technologie, die Universität, die Wissenschaft, die Politik und die Wirtschaft absolut in den Händen der Männer sind.“ Das Patriarchat ist ein politisches System, eine Frage der Macht, durch welche die Männer, entweder mit Gewalt, oder mit Hilfe von Ideologien, Sitten oder Traditionen bestimmen, welche Rollen die Frauen spielen sollen und welche Stellung in der Gesellschaft ihnen zugestanden werden, wobei diese immer dem Mann unterlegen sein muss. Das Patriarchat kommt in allen Aspekten und Erfahrungen des menschlichen Lebens zum Ausdruck, auch in den so genannten „Liebesbeziehungen“ und in den sexuellen Beziehungen. „Sexual Politics“ zeigt die historischen Wurzeln der „sexuellen Revolution“ und der Gegenrevolution und vertritt eine authentische sexuelle Revolution, die ohne die Abschaffung des Patriarchats nicht möglich sein wird.

Haraway, Donna

(* 1944)

Die in Denver geborene US-Amerikanerin ist Naturwissen-

schaftshistorikerin, Biologin, und Professorin für feministische Theorien und Technoscience. Sie lehrte an der University of Hawaii und an der Johns-Hopkins-Universität, und unterrichtet jetzt als Professorin und ehemalige Dekanin des History of Consciousness Programms an der University of California, Santa Cruz und an der European Graduate School in Saas-Fee, Schweiz. Im Jahr 2000 wurde Haraway die höchste Anerkennung der Society for Social Studies of Science, der J.D. Bernal Award, für ihr Lebenswerk verliehen.

Donna Haraway geht von dem Verständnis aus, naturwissenschaftliche Texte als Erzählungen zu begreifen, die ebenso wie andere Erzählungen eine Wahrheit konstruieren. Auf der einen Seite geht es ihr darum, die in die Erzählung eingeflossenen patriarchalen oder sonstigen Stereotype aufzuzeigen, und auf der anderen Seite, will sie den Überschuss, der ihrer Meinung nach in diesen Erzählungen steckt, gegen die bestehenden strukturellen Machtverhältnisse wenden. Sie geht dabei als Marxistin davon aus, dass die Produktivkräfte (also in ihrem Fall die Naturwissenschaften, insbesondere die Genetik und Informationstechnologie) einen Überschuss enthalten, der letztendlich zum Sprengen der gesellschaftlichen Verhältnisse verwendet werden kann. Sie spricht sich deshalb für die Cyborgisierung der Gesellschaft aus, da sie hofft, dass die enstehenden Mischwesen, Monstren, Chimären das humanistische männliche Subjektkonzept unterminieren. Grundlegende Texte von ihr in diesem Sinn sind „Das Manifest für Cyborgs“ und der Text „Anspruchsloser Zeuge@ Zweites Jahrtausend. FrauMannc trifft OncoMausTM“.

Nagl-Docekal, Herta

(*1944)

Diese österreichische feministische Philosophin ist Professorin für Philosophie an der Universität Wien und arbeitet im Vorstand der „Internationalen Assoziation von Philosophinnen“.

Ein Hauptthema ist die Beschäftigung mit den Geschichtswissenschaften. In ihrem Buch „Die Objektivität der Geschichtswissenschaft“ setzt sie sich mit dem erzählenden Art der Geschichtswissenschaft auseinander und mit dem Problem, wie Geschichte objektiv vermittelt werden kann.

In ihren feministischen Veröffentlichungen kritisiert sie innerhalb der Diskussion der Geschlechterdifferenz vor allem die Position einiger Autorinnen, die eine weibliche Wesensart unterstellen, die im Gegensatz zur männlichen stehe und auf der anderen Seite die Position von Theoretikerinnen, die sich auf Unterschiede zwischen Frauen konzentrieren und damit der Differenz „Frau/Mann“ Differenzen unter den Frauen in den Mittelpunkt rücken.

In ihrem Werk „Feministische Philosophie“ sieht N. die unterschiedlichsten Richtungen im Feminismus als Bestandteile einer einzigen Debatte. Alle Ansätze aber haben letztlich dasselbe Ziel. Daher plädiert N. für eine umfassende philosophische Auseinandersetzung und gegen die Profilierung einzelner Strömungen.

List, Elisabeth

(* 1946 )

Geboren in St .Veit an der Glan (Kärnten) studierte sie Philosophie, Geschichte und Soziologie in Graz, Konstanz und Berlin, habilitierte sich 1981 in Philosophie und ist Professorin am Institut für Philosophie der Universität Graz. Gastprofessuren hatte sie in Bergen, Norwegen, Klagenfurt und Innsbruck.

Die Grazer Philosophin ist mit folgenden Arbeitsschwerpunkten befasst:

• Wissenschaftstheorie und Gesellschaftstheorie

• Feministische Theorie und Wissenschaftskritik

• Theorien des Körpers im kulturellen Kontext

• Theorien des Lebendigen.

Einige Publikationen:

(Hg.), Denkverhältnisse. Feminismus und Kritik, Frankfurt 1989

Die Präsenz des Anderen. Theorie und Geschlechterpolitik. Frankfurt 1993

(Hg.), Leib/Maschine/Bild. Körperdiskurse der Moderne und der Postmoderne. Wien 1997

(Hg.), Themenschwerpunkt „Dimensionen des Schmerzes“, in: Dt.e Zeitschrift für Philosophie (1999)

Grenzen der Verfügbarkeit. Die Technik, das Subjekt und das Lebendige. Wien 2001.

Nemeth, Elisabeth

(*1951)

In Wien geboren, studierte sie 1969 – 1974 Philosophie, Psychologie, Pädagogik und katholischen Theologie an der Universität Wien.

1974/75 Philosophiestudium an den Universitäten München und Oxford.

1981 Dissertation: „Wissenschaftlichkeit als politischer Anspruch. Am Beispiel der Stellung Otto Neuraths im Wiener Kreis: Revolutionäre Wissenschaft nach dem Scheitern der gesellschaftlichen Revolution

N. hielt auch Vorlesungen zum Thema „Wittgenstein und der Wiener Kreis” an der Universität von Constantine in Algerien.

Heute ist N. a.o.Prof. am Institut für Philosophie der Universität Wien.

Forschungs- und Interessensschwerpunkte sind Philosophie und Geschichte des Wiener Kreises mit dem Schwerpunkt Otto Neurath, Edgar Zilsel, Philipp Frank.

Erkenntnistheoretische Aspekte der Sozial- und Kulturwissenschaften (Schwerpunkte: Ernst Cassirer, Pierre Bourdieu).

Hauptwerk: „Otto Neurath und der Wiener Kreis. Revolutionäre Wissenschaftlichkeit als politischer Anspruch“ (1981).

N. ist Mitherausgeberin zahlreicher Werke v.a. über den Wiener Kreis und hat viele Aufsätze und Rezensionen verfasst.

Pauer-Studer, Herlinde

(*1953)

Die geborene Österreicherin (Bürs, Vorarlberg) studierte an den Universitäten Salzburg und Toronto und habilitierte sich an der Universität Wien für Philosophie, wo sie seit 1998 als außerordentliche Professorin arbeitet. Von besonderem Interesse ist für sie die Ethik, vor allem die Beziehung zwischen Moral und Gesetz.

Wichtigste Buchpublikationen sind „Das Andere der Gerechtigkeit – Moraltheorie im Kontext der Geschlechterdifferenz“ (1996); „Autonom leben – Reflexionen über Freiheit und Gleichheit“ (2000) und „Einführung in die Ethik“ (2003). Daneben veröffentlichte Pauer-Studer viele Aufsätze und ist Mitherausgeberin zahlreicher Werke der feministischen Philosophie.

Klinger, Cornelia

(*1953)

studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Köln und habilitierte sich 1992 an der Universität Tübingen, wo sie seit 2003 Professorin am philosophischen Seminar ist. Sie lehrte als Gastprofessorin an den Universitäten von Zürich, Luzern, Bielefeld, Frankfurt, München, Berlin, Wien, Klagenfurt und Innsbruck.

Sie beschäftigt sich vor allem mit Gender-Studien und politischer Philosophie.

1994 begann sie mit einer Vorlesungsreihe zum Thema

„Dualismen des abendländischen Denkens in feministischer Perspektive“.

Wichtige Buchpublikationen: „Flucht - Trost - Revolte. Die Moderne und ihre ästhetischen Gegenwelten“. München 1995.

Die Erfindung des Subjekts. Frankfurt: 2005

Darüber hinaus hat Klinger zahlreiche Aufsätze veröffentlicht.

Sonderegger, Ruth Maria

(*1967)

Die geborene Österreicherin (Bludenz, Vorarlberg) war bis 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin und ist seit 2001 Assistant Professor an der Universität Amsterdam.

Hauptwerk: Für eine Ästhetik des Spiels – Hermeneutik, Dekonstruktion und der Eigensinn der Kunst

Philosophen stilisieren bis heute das ästhetische Objekt als Gegenstand der Erkenntnis und löschen damit den „Eigensinn“ der Kunst aus. S. zeigt, wie eine „Ästhetik des Spiels“ der Kunst gerecht werden kann.

S. publizierte auch zahlreiche Aufsätze und ist Mitherausgeberin vieler Sammelbände.

Außer mit Ästhetik beschäftigt sie sich mit politischer Philosophie und der Frage, ob es in der Gegenwart noch einen Ort für die Metaphysik geben könne und was man dann darunter zu verstehen hätte. Sie lehrt aber auch Geschichte der Philosophie (von Parmenides bis Nietzsche) und diskutiert Fragen der theoretischen Philosophie – hier vor allem Wahrheitstheorien.

Siegetsleitner, Anne

(*1968)

Studierte 1987 bis 2001 an der Universität Salzburg Rechtswissenschaften, Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Dt. Philologie. Ihre Dissertation hatte zum Thema die Privatheitsrechte: Begriff, Begründung und ihre Relevanz für Email.

Ein Interessensschwerpunkt ist die Ethik (Cyberethik, Feministische Ethik) ein anderer die Geschichte der Philosophie (Philosophinnen des 20. Jahrhunderts).

1999-2002 war sie Forschungsassistentin am Forschungsinstitut für angewandte Ethik an der Universität Salzburg, Projekt „Individuelle Privatsphäre im Internet“.

Cyberethik lehrt sie v.a. an der Donau-Universität Krems. Seit 2002 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für angewandte Ethik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland. Dort seit 2005 Leiterin der Projektgruppe "Würde in der Gentechnologie".

Auch war sie Teaching Assistant für moralische Probleme der Gegenwart am Institut für Philosophie an der Universität of California, Irvine.

Ihre Interessensschwerpunkte liegen auf den Gebieten der Ethik (Medien- und Informationsethik, Bioethik, Feministische Ethik, Metaethik) und der Geschichte der Philosophie (Philosophie des 20. Jahrhunderts).

Eines ihrer wichtigsten Werke ist „E-Mail im Internet und Privatheitsrechte“. Freiburg – München 2001.

Daneben hielt sie zahlreiche Vorträge und hat viele Aufsätze in Sammelwerken publiziert.