Ein Dutzend großer Fragen

1. Ist die Philosophie praktisch?

Die endlosen Diskurse der Philosophen scheinen nahezulegen, dass sie Fragen zu lösen versuchen, für die es keine letztgültige Lösungsmöglichkeit gibt. Schopenhauer, Jaspers und Russell haben die Ansicht vertreten, Philosophie sei ein Sammelbegriff für Probleme, die noch nicht wissenschaftlich behandelt werden kann. Ein philosophisches Problem hört auf es zu sein, sobald die Wissenschaft es zu lösen vermag.

Wenn X behauptet „Vor dem Haus steht ein rotes Auto.“ und Y ist der gegenteiligen Meinung, so können die beiden nach draußen gehen und nachschauen, wer von beiden Recht hat. Wenn X aber behauptet, es gebe einen Gott und Y verneint dies, dann gibt es keinen so einfachen Weg herauszufinden, wer Recht hat. Spielen Philosophen nur mit Wörtern herum und bemühen sich, Fragen zu lösen, die sich nicht wirklich beantworten lassen? Wenn dem so wäre, ist die Philosophie eine unpraktische und müßige Veranstaltung.

Viele Leute ziehen denn auch den Nutzen der Philosophie in Zweifel und halten sie für sinnloses Spekulieren und die Philosophen für schrullige, absonderliche, lebensuntüchtige und weltferne Phantasten. Wenn wir den praktischen Wert der Philosophie bestimmen wollen, müssen wir uns daher zunächst von den Vorurteilen jener befreien, die zu Unrecht „praktische Menschen“ genannt werden. Der „praktische Mensch“ ist einer, der nur materielle Bedürfnisse anerkennt, der weiß, dass die Menschen Nahrung für ihren Körper brauchen, der aber vergisst, dass es ebenso wichtig ist, dass „der Geist“ Nahrung bekommt. Austeda: „Echte Philosophie ist nicht lebensfremd, sondern wurzelt im Leben und bereichert das Leben.“

Was ist nun eigentlich „praktisch“? Etwas ist dann praktisch, wenn es einem dabei hilft, die eigenen Ziele zu erreichen. Wenn eines der Ziele, die man sich gesteckt hat, ist, zu wissen, wer man wirklich ist, worum es im Leben überhaupt geht oder was für einen Sinn unsere Existenz hat, dann erweist sich die Philosophie als durchaus wichtig, bedeutsam und praktisch.

Selbst für Fragen und Probleme, für welche es im strengen Sinne keine „Beweise“ gibt, mit deren Hilfe man entscheiden könnte, welche der angebotenen Lösungen denn nun jeweils richtig ist, lassen sich vernünftige Aussagen und Argumente zusammentragen, die dem Menschen insgesamt ein Wissen mit auf den Weg geben, das ihm dabei helfen kann, sein Leben zu bestreiten und ihm einen tieferen Sinn zu verleihen. Die Philosophie ist die Suche nach genau diesem Wissen.

2. Kann der Mensch jemals wirkliches Wissen erlangen?

Wir wissen eine Menge über unser tägliches Leben. Wir wissen, wie wir behandelt werden wollen. Wir wissen, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist. Wir wissen, was es heißt zu leiden. Die Philosophie

versucht, aufbauend auf solch gewöhnlichen Dingen außergewöhnliche Schlüsse und Folgerungen über grundlegende Fragen abzuleiten, über die wir in der Hektik des Alltags meist nicht nachdenken. Wir sind jedoch durchaus fähig, mehr als nur triviales Wissen zu erlangen. Wissen erfordert nicht, alles verstehen können. So können die meisten von uns mit den abstrakten Formeln der theoretischen Physik nichts anfangen. Und nur wenige verstehen die Fachsprache der verschiedenen weit fortgeschrittenen (mathematisierten) Wissenschaften. Dennoch zweifeln wir nicht, dass die Fachleute etwas über die Welt wissen – schließlich vermögen sie ihr Wissen ja auch in der Technik praktisch anzuwenden und zutreffende Prognosen zu stellen.

Es gibt allerdings auch ein behauptetes Wissen, das in Wahrheit nur ein eingebildetes Wissen ist. Es sind dies die oft abstrusen Behauptungen von Esoterikern, die meist in Widerspruch zu gut bewährten wissenschaftlichen Theorien stehen. Die „Eingeweihten“ eines solchen esoterischen Zirkels (z.B. Wahrsager, Astrologen, Sektierer usw.) bemitleiden die armen außenstehenden Zweifler, die (noch) nicht in der Lage sind, ihre „höheren Wahrheiten“ und „eigentliches Wissen“ zu erfassen.

Mit eingefleischten Sektierern rational diskutieren zu wollen, ist aussichtslos. Kritik prallt an ihnen wie an einem Panzer ab. Während Wissenschaft mühsam menschliche Erkenntnis ausweitet, behaupten die „Auserwählten“, die unabänderliche absolute Wahrheit schon zu besitzen. Selbst gut bestätigte wissenschaftliche Theorien (wie etwa die Evolutionstheorie) werden aus weltanschaulichen Glaubensgründen angezweifelt und mit allen möglichen, auch unlauteren Mitteln bekämpft.

Eines steht freilich auch außer Zweifel: Es gibt grundsätzliche Grenzen unseres Wissens. Es gibt Fragen, welche die Wissenschaft (vermutlich) nie wird lösen können, wie z. B. „Warum gibt es überhaupt etwas?“ oder „Was ist Bewusstsein“.

3. Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Wenn ein Baum im Wald fällt und es niemanden gibt, der ihn fallen hören kann, macht er dann überhaupt ein Geräusch? Und weiter: Ist ein Geräusch ein Phänomen, das wesentlich vom Wahrnehmenden abhängt, so dass es nicht unabhängig von diesem existieren kann, oder ist es so, dass ihm ein objektives, von unserem Wahrnehmen unabhängiges Sein zukommt?

Letztlich ist dies die Frage, ob die Welt unabhängig von unserem Bewusstsein überhaupt existiert (Standpunkt des Realismus) oder ob sie nur in unserer Vorstellung vorhanden ist, wie dies der Idealismus in der Extremform des Solipsismus (nur mein Bewusstsein existiert) annimmt. Dieser – bei genauerer Betrachtung unsinnige – Standpunkt wurde in der Philosophiegeschichte kaum vertreten.

Russell: „Die Annahme, dass das ganze Leben ein Traum sei, in dem wir uns selber alle unsere Gegenstände schaffen, ist logisch nicht unmöglich. Aber es spricht nicht das mindeste dafür, dass diese Annahme wahr wäre.“

Was wir z.B. optisch wahrnehmen, ist sicher kein Abbild von den Dingen, sondern eher ein symbolisches Bild. Kant sprach vom „Ding an sich“, das im Gegensatz zur von uns erlebten Erscheinung unerkennbar sei. Und in der Tat: Es hat keinen Sinn zu fragen, wie die Dinge unabhängig von unserer Wahrnehmung „aussehen“. In der Wirklichkeit existieren ja keine Farben, sondern nur Lichtwellen bestimmter Länge, aus denen unser Sinnes- und Nervensystem (speziell das Gehirn), subjektive Empfindungen aufbaut. Aber gerade dies setzt ja eine von uns unabhängige Welt voraus. Ganz abgesehen davon ist der Solipsismus außerstande, unser einfaches Dasein zu erklären.

4. Was ist Zeit?

Das Problem der Zeit ist eines der schwierigsten erkenntnistheoretischen Probleme überhaupt. Die Rätselhaftigkeit der Zeit betonte schon Augustinus von Hippo: „Was ist Zeit? Wenn niemand mich fragt, weiß ich es; wenn ich es dem Fragenden erklären möchte, weiß ich es nicht.“

Zeit ist jedenfalls keine selbständige Realität, sondern zunächst eine Erlebnisform, und zwar die Dimension des Geschehens, die Möglichkeit von Veränderungen. Die „leere Zeit“ ist also nichts Wirkliches, sondern eine Ordnungsform, abstrahiert von realen Geschehnissen.

Einstein unterschied drei Zeitarten: 1. die subjektive Zeit des erlebenden Menschen, 2. die objektive Eigenzeit physikalischer Gebilde, seien es Galaxien oder Atome, deren Geschichte nach ihren eigenen Uhren abläuft und 3. die relativen Zeiten mehrerer (z.B. weit voneinander entfernter) Beobachter.

Kant hatte behauptet, die zeit sei nichts, was für sich selbst bestünde oder den Dingen anhinge. Vielmehr sei sie nur eine „Anschauungsform“ des Menschen, welche die Wahrnehmungsinhalte zu ordnen habe.

Dass Zeit aber nicht nur eine Idee des Subjekts sein kann, geht schon daraus hervor, dass das Zeiterleben auf der Veränderlichkeit der Dinge beruht und ihm selbst Gehirnprozesse zugrunde liegen. Zeit ist Ausdruck der Veränderlichkeit der Materie. Was existiert, sind das Erleben der Dauer einerseits und objektive Ereignisse andererseits.

Wir sagen „die Zeit verrinnt“. Aber wir nehmen sie nur wahr, weil sie zugleich in unserer Erinnerung gerinnt. Ohne Erinnerung kein Zeitgefühl. Unser Gehirn archiviert die Zeit und rettet Ereignisse vor dem Vergessen – eine Zeitlang. Wir sagen auch, die Zeit verfließe rasch, wenn sie mit intensiver Beschäftigung oder Spannung ausgefüllt ist. Und sie scheint uns langsam zu vergehen, wenn wir auf etwas warten oder uns langweilig ist. Dies betrifft also das subjektive Zeiterleben und nicht die von der Uhr gemessene objektive Zeit. Dass diese „gleichmäßig“ oder „ungleichmäßig dahinfließt“, bezieht sich auf die Messung der Zeit durch periodische Vorgänge.

Gelegentlich wird auch diskutiert, ob die Zeit wohl umkehrbar sei, die Ereignisse sozusagen rückwärts ablaufen könnten. Doch ist die Zeit immer eine Form der Anordnung in der Aufeinanderfolge. Auch wenn das Geschehene sich wieder aufheben würde, wenn es sich rückläufig als ungeschehen ergäbe, würde das keine Umkehr der Zeit bedeuten, sondern nur einen weiteren Ablauf.

Obwohl Zeit nicht für sich existiert, die Vergangenheit existiert nicht mehr die Zukunft existiert noch nicht. Die Gegenwart ist nur ein kontinuierliches Umschlagen der Zukunft in die Vergangenheit, eine gedachte Linie zwischen Erwartung und Erinnerung. So stellen wir fest: Die Vergangenheit ist nicht, die Zukunft ist nicht und die Gegenwart eigentlich auch nicht – psychologisch gesehen aber doch: Die Gegenwart umfasst keinen Zeitraum –: Es ist das psychische Moment, beim Menschen etwa 1/16 Sekunde bei der Weinbergschnecke hingegen ¼ Sekunde. Und die Gegenwart können wir definieren als jene Zeitspanne, innerhalb deren uns einen Satz merken oder Glockentöne aus der Erinnerung nachzählen können.

Doch trotz aller Vernunftüberlegungen bleibt das Phänomen der Zeit ein Geheimnis. Für Heidegger ist das ganze menschliche Dasein, das In-der-Welt-Sein immer auch ein In-der-Zeit-Sein.

Bleibt mir Horaz zu fordern: „Missgünstig flieht, während wir sprechen, die Zeit. Vertrau deshalb nicht auf das Morgen, genieße den heutigen Tag!“

5. Welche Kraft spielt im Leben die größere Rolle: Vernunft oder Unvernunft?

Keine Frage: Das Irrationale, die Unvernunft ist meistens stärker als rationales, vernünftiges Denken. Sie verleitet uns oft dazu, sehr unvernünftige Dinge zu tun. Nicht-rationale Entscheidungen müssen nicht von vornherein irrational sein. Gefühle sind oft mächtiger als die Vernunft. Fantasie ist sehr viel stärker als der Verstand. Die meisten Dummheiten werden von Menschen nicht aus Mangel an Verstand begangenen, sondern weil die Emotionen (vor allem Triebgefühle) stärker sind als Vernunftsüberlegungen. Gerade deshalb meinen viele Philosophie, wir sollten Triebe und Gefühle durch den Verstand zu zügeln versuchen. Schon der englische Empirist John Locke meinte: „Die Vernunft soll uns Führer und letzte Richtschnur in allem sein.“ Ein Pferd aber kann stärker sein als sein Zaumzeug, ein Hund stärker als seine Leine.

Die Logik kann uns im Denken anleiten. Die Vernunft kann uns im Leben führen. Nur die nicht rationalen Kräfte in uns aber sind letzten Endes in der Lage, unser Denken und Handeln zu motivieren, zu inspirieren und den Antrieb zu liefern, mit dessen Hilfe wir schöpferisch (z.B. künstlerisch) unser Leben gestalten können. Ohne die Zügel und Kontrolle durch die Vernunft aber können dieselben Kräfte, die Gutes bewirken, auch zu schrecklichen Tragödien führen. Das Leben ohne das Vermögen zum logischen Denken und vernünftigen Handeln wäre nichts als ein Herumirren in finsterer Nacht.

Nur die Vernunft kann unseren Weg erhellen. Mit unseren emotionalen Kräften müssen wir versuchen, im Leben Ziele zu setzen, die über das hinausgehen, was der Verstand allein in den Blick bekommen kann.

Oft obsiegt die Unvernunft im menschlichen Leben. Das ist jedoch kein Grund zu verzweifeln. Es sollte vielmehr Ansporn für uns sein, dafür zu sorgen, dass wir in unserem täglichen Leben ein Beispiel geben, indem wir als „vernunftbegabte Wesen“ die Vernunft den ihr gebührenden Platz im Zentrum unserer Existenz einnehmen lassen.

6. Können wir frei handeln?

Unter »Freiheit« versteht man einfach die Möglichkeit Wahl zwischen verschiedenen Arten des Verhaltens in einer bestimmten Situation. Doch wird der Begriff auch in anderem Zusammenhang verwendet. So sprechen wir von einer politischen, rechtlichen, sittlichen oder psychologischen Freiheit. Hier geht es nur um die (psychologische) Wahlfreiheit oder Willensfreiheit. Die Antwort auf die Frage, ob der Mensch in seinen Entscheidungen und Handlungen frei sei, ist insbesondere auch für die Rechtssprechung von enormer Bedeutung. Denn wenn jemand nicht aus freien Stücken ein Verbrechen begangen hat, kann man ihn dann überhaupt bestrafen?

Die Frage, ob der Mensch frei entscheiden kann und damit für sein Tun verantwortlich sei, ist genauer formuliert die Frage, ob der Mensch in einer gegebenen Wahlsituation sich für jede Wahlmöglichkeit entscheiden kann oder nicht. Könnte er es, so wäre er frei; kann er es nicht, so ist er nicht frei. Die Antwort ist nach Rohracher einfach. Sie lautet: Nein. Der Mensch kann in einer gegebenen Wahlsituation nicht jede beliebige Verhaltensmöglichkeit wählen. Triebe, Interessen und Gefühle, die in ihm in dieser Situation auftauchen, bestimmen ihn, ein bestimmtes Verhalten allen anderen Möglichkeiten vorzuziehen. Hätte er sich aber nicht für eine andere entscheiden können? Nur dann, wenn in ihm andere Motive aufgetreten wären. Und jede Handlung entspringt einem Motiv (Beweggrund).

Ein strenger Freiheitsbegriff – in jeder Wahlsituation jede beliebige Verhaltensmöglichkeit wählen zu können – ist unsinnig. Wir wählen vielmehr das, was unserer Persönlichkeit, unseren Wünschen und Trieben am besten entspricht. Zwischen ihnen haben wir abzuwägen und entsprechend unseren Zielvorstellungen verantwortungsvoll zu entscheiden. Und Verantwortung tragen wir, weil wir ja die Ursache unserer Handlungen sind. Freiheit besteht in dem Sinne, dass wir nur durch uns selbst, nicht durch äußere Umstände determiniert sind – außer wir werden durch physische oder psychische Gewalt (Manipulation) zu einem Verhalten gezwungen, das nicht unserer Persönlichkeit entspricht. Unfrei wird meine Entscheidung also durch äußere Umstände, die sie wesentlich beeinflussen. Je größer der Druck von außen ist, desto größer wird meine Unfreiheit, und je mehr ich gelernt habe, meine Anlagen, Triebe und Bedürfnisse sowie den Einfluss der Umwelt zu erkennen und damit auch Möglichkeiten zu finden, sie zu neutralisieren und auszuschalten, desto größer wird meine

Freiheit bei Entscheidungen. Der physikalische Begriff des Indeterminismus darf nicht mit dem Freiheitsbegriff der Ethik identifiziert werden.

Rechtsbrecher werden aus dieser Sicht eines wohlverstandenen ethischen Determinismus nicht aus Rache bestraft. Sinn der Bestrafung ist vielmehr der Schutz der Gesellschaft, Wiedergutmachung und die Hoffnung auf einen Lernprozess und die daraus resultierenden Möglichkeit einer Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft. Diese Hoffnung wird freilich immer wieder enttäuscht, weil der angeborene Charakter und frühere Lernprozesse einer Besserung entgegenstehen.

7. Kann Moral objektiv begründet werden?

Menschen verschiedener Kulturen und verschiedener Epochen hatten und haben unterschiedliche Wertvorstellungen und Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich ihrer ethisch-moralischen Urteile. Doch trotz etlicher Unterschiede gibt es auch zahlreiche Übereinstimmungen. Diese scheinen mit der psychobiologischen Ausstattung des Menschen zusammenzuhängen und ein evolutives Erbe zu sein, zumal wir auch bei höheren Tieren moralanaloges Verhalten finden, das offensichtlich arterhaltend wirkt. Der Katalog der allgemeinen Menschenrecht berücksichtigt diese Tatsache oder sollte es zumindest. Auch die Gesetzgebung sollte sich zum Wohl der Gemeinschaft daran orientieren, wobei als Grundsatz zu gelten hätte: so viel Freiheit wie möglich, so wenig Verbote wie notwendig. Die Freiheit des Individuums endet dort, wo der Mitmensch von unserem Handeln mit betroffen ist. Es gilt dann abzuwägen, welche Interessen höher zu bewerten sind, z.B. ökonomische oder ökologische und gesundheitliche Interessen. Hier sind Wertentscheidungen gefragt, die auf möglichst breiter Basis auf demokratische Weise getroffen werden müssen.

8. Können wir wirklich glücklich werden?

Leid und Böses, das wir erfahren, scheint unmöglich zu machen, dass wir glücklich sind. Zahlreiche Philosophen haben nach den Bedingungen eines glücklichen und guten Lebens gesucht, so die Anhänger des Epikur und die Stoiker. Gut zu leben und glücklich zu sein besteht nicht in erster Linie im Erwerb von Gütern, Luxus, Macht, Status oder gar in hemmungslosen Ausschweifungen.

Ein gutes Leben muss sich auf einer Haltung und Einstellung gründen, die durch Achtung vor dem anderen und seinen Bedürfnissen geprägt ist. Ein gutes Leben beinhaltet Freiheit, Liebe, Freundschaft, Gemeinschaftsgeist, Herausforderungen, Arbeit, Vergnügen und das Vermögen, sich schöpferisch auszudrücken. Wo diese Dinge verwirklicht sind, gesellt sich auch das Glück hinzu, denn glücklich kann der Menschen letztlich nur zusammen mit anderen sein. Neid, Groll, Verbitterung, Boshaftigkeit, Verlogenheit Vorurteile, Geiz und Habgier hingegen sind Feinde eines guten und glücklichen Lebens.

Es ist auch unmöglich, ständig glücklich zu sein. Zu viele negative Dinge des Lebens verhindern dies. Daher ist es notwendig, sich nicht in widrige Kleinigkeiten zu verbeißen, sondern die doch – glücklicherweise – zahlreichen kleinen Glücksmomente dankbar zu genießen: Carpe diem!Genieße den Augenblick! (wörtlich: Fange den Tag!)

9. Warum gibt es so viel Leid auf der Welt?

Vieles was in unserem Leben geschieht, können wir nicht beeinflussen. Manches Ereignis macht uns betroffen, traurig und mitunter hoffnungslos. Wir sind eben empfindsame Lebewesen, die nicht nur körperlichen, sondern auch seelischen Schmerz zu empfinden vermögen. Wir sind ungeheuer leidensempfänglich. Auch das Mitleid mit anderen Menschen oder gar tierischen Mitgeschöpfen kann uns traurig stimmen. Je klüger ein Mensch ist, um so mehr kann er auch leiden. Erst wenn wir genügend Lebenserfahrung gesammelt haben, wird es uns möglich, die Dinge in einem größeren Zusammenhang zu sehen und zu erdulden, was uns vorher unerträglich schien.

Dennoch bleibt die Frage, warum es so viel Leid gibt. Unsere Freiheit des Handelns ist so groß, dass wir anderen sehr großes Leid zufügen können. Gründe für menschliches Leid ist in vielerlei begründet: In den bösen Absichten anderer Menschen oder in deren Dummheit; anderes Leid geschieht von niemandem gewollt und unabhängig von Bosheit und Gedankenlosigkeit, z.B. bei Unfällen durch menschliches oder technisches Versagen oder aber einfach durch Naturkatastrophen. Natur und Evolution „kümmern“ sich nicht um das Schicksal des Menschen.

Nicht immer können wir verstehen, warum das Leid, das wir um uns herum sehen, existiert. Und wenn wir selbst von großem Leid betroffen sind, z.B. durch den Tod eines Angehörigen oder eine schwere Krankheit, so fragen wir „Warum gerade ich?“ Was wir tun können, ist zu versuchen, dem Leid auf bessere Weise zu begegnen als wir dies normalerweise tun. Das Verschieben der Ursache auf „die unerforschlichen Wege Gottes“ ist der verzweifelter Versuch, „unverdientes“ Leid zu erklären und damit erträglicher zu machen.

10. Was ist der Sinn des Leben?

Sinn muss das Leben für uns Menschen haben. Das ist offenbar ein Grundbedürfnis. Weit weniger wichtig scheint, welchen Sinn es hat. Durch Jahrtausende vermochten die Religionen die Frage nach einem Lebenssinn zu beantworten. Heute haben für viele Menschen die traditionellen religiösen Modelle ihre Überzeugungskraft eingebüßt. An ihre Stelle sind andere Sinnstifter getreten, die zum Teil aber die alten religiösen Funktionen und Strukturen übernommen haben. Neue Propheten versprechen einen neuen, gewöhnlich tieferen Sinn. Gegen die Entzauberung der Welt propagieren sie eine Wiederverzauberung, und so blüht das Sektenwesen und die Esoterik – wobei man gerne Anleihen bei anderen Kulturen macht, sei es nun Indien, Tibet oder das indianische Amerika. Menschen, die bei der Sinnsuche nicht sehr anspruchsvoll oder (v.a. wissenschaftlich) wenig gebildet sind, nehmen diese neue Sinnstiftung begierig auf.

Für Menschen freilich, für die alle Werte relativ und jeder Sinn und Zweck nichts als Fiktionen sind, wird das Leben letztlich sinnlos. Der französische Philosoph Albert Camus empfahl die heroische Trotzhaltung der Revolte. Doch diese Haltung setzt dieselbe Sicherheit in der Annahme der Sinnlosigkeit des Lebens voraus, die den Hauptmangel bei der Behauptung seiner Sinnhaftigkeit ausmacht. Üblicher ist ohnehin der andere Weg, sich in immer neue Ablenkungen zu flüchten, sei es die Arbeit, der Konsum oder die Betäubung durch wechselnde Vergnügungen. Doch Menschen, die sich nicht betrügen wollen, ist dieser Ausweg versperrt, ihnen bleibt scheinbar nur die Verzweiflung an der absurden Welt. Guter pessimistischer Brauch war es immer schon, vom Leben nicht viel zu halten. Die Griechen waren davon überzeugt, es sei das Beste, gar nicht erst geboren zu werden, das Zweitbeste aber sei, möglichst früh zu sterben. Aber gerade der Tod, der ja mit zum Leben gehört, ist für den Menschen absurd und lässt ihn immer wieder die Frage nach dem Sinn dieses kurzen und oft leidvollen Leben stellen. Epikur hat den Tod bagatellisiert: „Das schauerlichste aller Übel, der Tod, geht uns nichts an, weil, solange wir sind, der Tod nicht da ist; ist er aber da, so sind wir nicht mehr.“ (Dabei wird freilich außer Acht gelassen, dass wir uns ja nicht so sehr vor dem Totsein, als vor den Umständen des Sterbens fürchten.)

Wenn uns die Religion einen allgemeinen, für alle Menschen gültigen äußeren Sinn des Lebens vorgibt, so zeigen Vernunftüberlegungen, dass ein verbindlicher höherer Sinn nicht erkennbar sein kann – es sei denn, er wäre uns „geoffenbart“. Dann aber bleibt, wenn wir die Absurdität des Daseins nicht akzeptieren wollen, nur der Ausweg, unserem Leben selbst einen Sinn zu geben. Und dieser liegt für jeden woanders. Anstatt nach einem ohnedies unerreichbaren endgültigen Sinn und großen Glück zu suchen, sollten wir individuelle Ziele suchen, uns an kleinen Dingen freuen und das Leben so „mit Sinn anreichern“ (wie Frankl sich ausdrückt). Jeder von uns hat es in der Hand, sein Leben Tag für Tag sinnvoll zu gestalten.

11. Was ist Bewusstsein?

Eine vielleicht grundsätzlich unlösbare Grundfrage der Philosophie ist die nach dem Bewusstsein und seiner Beziehung zur Materie. Früher sprach man auch vom „Leib-Seele-Problem“. Heute spricht man eher vom Problem der Beziehung zwischen Gehirn und Bewusstsein, da wir inzwischen wissen, dass bewusstes Erleben im Gehirn entsteht.

Wie konnte es überhaupt kommen, dass die körperlich-seelische Einheit Mensch in zwei grundverschiedene „Dinge” zerlegt wurde? Vielleicht hat in vorphilosophischer Zeit der Mensch – bewogen durch die unheimliche Beobachtung des bewegungslosen Körpers eines eben Verstorbenen – als Ursache der Lebendigkeit eine „Seele” angenommen, die man sich als eine Art unsichtbarer Bewohner des Körpers vorstellte, der die Lebensäußerungen veranlasst und steuert. Dem leblosen Körper musste also „etwas” entflohen sein – die Seele. Vielfach findet man auch heute noch bei „primitiven” Völkern die Vorstellung, dass im Schlaf die Seele zeitweilig vom Körper abwesend sei. Im Traum verlässt die Seele den Körper, besucht andere Orte und Personen und führt Handlungen aus, von denen der Schläfer träumt.

Von dieser Vorstellung ausgehend dürfte sich dann die andere vom Leben der Seele nach dem Tod gebildet haben. Demnach trennt sich beim Tod die Seele vom Körper endgültig, lässt ihn leblos zurück, und existiert in einem unsichtbaren, übernatürlichen „Jenseits” weiter.

Was für die Menschheit vergangener Jahrtausende eine (die einzige) sinnvolle Lösung war, kann aus heutiger Sicht höchstens als unbeholfener Versuch verstanden werden, das psychophysische Problem zu knacken.

Für die Existenz eines platonischen Geistsubstrats, einer Seele, gibt es aus heutiger wissenschaftlicher Sicht keinerlei Hinweis. Und durch die Fortschritte der Neurobiologie wird der als eigenständige Substanz verstandene „Geist“ oder die unsterbliche „Seele“ noch mehr in Wohnungsnot geraten. Eine vom Körper unabhängig existierendes Etwas – eine „Geistseele“ – könnte übrigens auf die stoffliche Welt gar nicht einwirken. Es würde ein Grundgesetz der Physik, der Energieerhaltungssatz verletzt.

Die meisten traditionellen Lösungsversuche des Leib-Seele-Problems basieren auf der (oft gar nicht bewussten) Voraussetzung, dass die Seele als unstoffliche und unsterbliche Substanz existiere. Hat man aber den Menschen einma1 in zwei Teile (Körper und Geist) zerlegt, so darf man sich nicht wundern, dass man diese nicht mehr „zusammenbringt”.

Zur Annahme zweier Substanzen werden wir unter anderem durch das Erleben der Kontinuität des Ichs verführt. Und tatsächlich sind Körperliches und Seelisches zweierlei. Aussagen über Körperliches sind nicht Aussagen über ein seelisches Äquivalent, und diese sind nicht auf jene reduzierbar. Was dem Erleben erwiesenermaßen zugrunde liegt, sind Erregungsprozesse im Gehirn. Dualismus von Substanzen nein, Dualität ja.

Aufgrund dieser unbezweifelbaren Dualität von Erleben und Erregungsgeschehen muss auch die Annahme einer qualitativen Identität beider Prozesse abgelehnt werden. Die Gleichung „Erleben = Erregungen” ist in dieser Form unsinnig. Vertreter einer Identitätshypothese, die glauben, das Leib-Seele-Problem lösen zu können, indem sie Psychisches mit physikalischen (Erregungs)Prozessen identifizieren, unterliegen einer Selbsttäuschung, da Erleben eine neue Qualität darstellt und nicht auf neuronale Vorgänge reduziert werden kann. Zwischen Materie und Bewusstsein besteht ein unleugbarer qualitativer Unterschied, und unterschiedliche Qualitäten kann man weder identisch setzen noch logisch auseinander ableiten. Dazu ein Beispiel: eine physikalische (elektromagnetische) Wellenlänge kann nicht logisch äquivalent einer Farbe sein, die man erlebt. Denn das eine hat nur Längenqualität, das andere nur (subjektiv erlebte) Farbqualität. Man kann nicht sagen, die Farbe Rot hat etwas „Langwelliges”. Die Kluft zwischen Physis und Psyche scheint also unüberbrückbar, das Verhältnis ein irrationales, alogisches.

Manche Philosophen glaubten, das Problem auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Geist und Körper reduzieren zu können, ohne zu bemerken, dass damit ja von vornherein Substanzen angenommen werden, die bereits Hume vernichtend kritisiert hat: Eine Substanz als Ding ohne jede Eigenschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Un-Ding.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Erleben ohne Erregungen für möglich gehalten werden könnte oder dass gar zwei Substanzen angenommen werden müssten. Young (1989): „Wenn alle geistigen Vorgänge von körperlichen Vorgängen begleitet werden, gibt es keine Notwendigkeit, eine separate Entität, genannt »der Geist«, zu fordern.“

Es sei auch angemerkt, dass die Dualitätshypothese in der Psychologie überflüssig ist, da mit ihrer Hilfe keinerlei Erklärungen gegeben oder Prognosen gemacht werden können. Es ist aber ein Prinzip der Wissenschaft, nicht ohne unbedingte Notwendigkeit neue Faktoren in eine Theorie einzuführen.

Was wir »Bewusstsein« nennen, ist ein Konstrukt des Gehirns, das aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Gehirnzentren entsteht.

Wenn wir das Bewusstsein als Informationsphänomen – als dynamisches System von Informationen – betrachten, so wäre das (bewusste) Erleben der Informationsaspekt des Erregungsgeschehens. Warum dieser Informationsaspekt subjektiv erlebbar ist, was Erlebnisse ihrem „Wesen” nach sind, diese Frage lässt sich nicht beantworten.

Da Qualitäten – in unserem Fall Erlebnisse – nicht reduzierbar sind, handelt es sich um eine prinzipiell unbeantwortbare Frage. Wir können zwar feststellen, dass es sich beim Bewusstsein bzw. Erleben um ein Informationsphänomen handelt, doch bleibt ein unauflösbarer Rest: Die erlebte Dualität von körperlichen Vorgängen und Erleben ist unaufhebbar, die Existenz des Bewusstseins bleibt (wohl für immer?) ein Welträtsel. An diesem scheitert der menschliche Verstand grundsätzlich. Unsere konstitutionelle Dummheit verhindert eine Lösung.

Zimen (1973): „Bewusstsein gehört zu den Prämissen unseres bewussten Daseins und kann nicht durch sich selbst erklärt werden, ebenso wenig wie es möglich ist, über den eigenen Schatten zu springen.”

12. Gibt es einen Gott?

Viele Religionen (außer dem ursprünglichen Buddhismus) sind mit dem Glauben an Götter oder einen Gott verbunden. Auch zahlreiche Philosophen gehen davon aus, dass die Welt von einem Schöpfergott geschaffen wurde. Das heißt »Gott« ist ein zentraler Begriff nicht nur der meisten Religionen, sondern auch der Metaphysik. Da nun ein höchstes Wesen (definitionsgemäß) nicht empirisch erfassbar ist, haben viele Denker versucht, Beweise für das Dasein eines Gottes zu finden. Aristoteles, Thomas von Aquin sind bekannte Namen. Anselm von Canterbury oder Descartes wollten gar aus dem Begriff eines vollkommensten Wesens auf dessen Existenz schließen. Kant hat alle „Gottesbeweise“ auf diesen „ontologischen Beweis“ zurück und damit ad absurdum geführt. Letztendlich kann die Existenz Gottes nur geglaubt, nicht aber rational bewiesen werden. Allerdings versteht gerade etwa Thomas von Aquin seine „quinque viae“, seine fünf Wege zu Gott nicht als logische Beweise, sondern lediglich als Plausibilitätsgründe, die es vernünftig erscheinen lassen, ein höchstes Wesen zu postulieren. Kant sieht in der Annahme eines Gottes eine Garantie für eine ausgleichende Gerechtigkeit und nur diesen praktischen Hinweis lässt er als „Beweis“ für die Idee Gottes gelten.

Der Philosoph kann naturgemäß Gott nur als erste Ursache „erschließen“, wohingegen er in der Religion als Person gesehen wird, dem allerdings menschliche Eigenschaften in Vollendung (menschlichen Eigenschaften analog) zugeschrieben werden. Letztlich können wir ein solches Wesen, auch wenn es ein höchstes und unkörperliches sein soll, uns doch immer nur mit menschlichen Eigenschaften (Bewusstsein, Denken, Fühlen, Wollen, Bedürfnisse) behaftet vorstellen.

Der Gegenstandpunkt zum Glauben an Gott, dem Theismus ist der Atheismus, der die Existenz Gottes verneint. Der Agnostizismus bezweifelt, dass wir ein höchstes Wesen erkennen können. Der deutsche Wissenschaftsphilosoph Gerhard Vollmer hält diese Position schlichtweg für eine Ausrede, um sich nicht deklarieren zu müssen.

I. M. Bochenski meint zum Problem eines letzten (absoluten) Grund der Welt: „Warum, so fragt man, ist eine Welt überhaupt und gerade diese Welt und nicht eine andere? Denn in ihr gibt es keinen Grund dazu. Nur dann würde sie sich sozusagen selbst begründen, wenn sie das Absolute wäre. Dann wäre aber auch das Absolute gegeben. Wir sind also in jedem Fall gezwungen, ein solches anzunehmen.“

Russell hingegen argumentiert: „Wenn alles eine Ursache haben muss, dann muss auch Gott eine Ursache haben. Wenn es etwas geben kann, das keine Ursache hat, kann das ebenso gut die Welt wie Gott sein, so dass das Argument bedeutungslos wird. Es liegt genau auf der gleichen Linie wie die Ansicht des Hindus, die Welt ruhe auf einem Elefanten und der Elefant steht auf einer Schildkröte; als man ihn fragte: ,Und was ist mit der Schildkröte?’, sagte der Inder: ,Sprechen wir von etwas anderem!’ Das Argument ist wirklich um keinen Deut besser. Es gibt weder einen Grund dafür, warum die Welt nicht auch ohne eine Ursache begonnen haben könnte, noch, warum sie nicht schon immer existiert haben sollte. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass die Welt überhaupt einen Anfang hatte. Die Idee, dass alles einen Anfang haben müsse, entspringt nur der Armut unserer Vorstellungskraft.”

So bleibt die Frage nach dem Ursprung des Kosmos, nach einem Schöpfergott (der immer nur anthropomorph gedacht werden kann), letzten Endes eine rational unentscheidbare Glaubensfrage.