Ein Dutzend großer Denker der Neuzeit

René Descartes (1596 – 1650)

Descartes Philosophie beginnt mit dem methodischen Zweifel. Die Möglichkeit, dass sich Verstand und Sinne täuschen, veranlasste ihn dazu, nichts als gesichert gegeben anzunehmen. Er möchte das Gebäude der Philosophie auf einem zweifelsfreien, unumstößlichen Fundament neu errichten. Im Labyrinth des Irrtums findet Descartes endlich einen Anhaltspunkt: Unbezweifelbar bleibt das Faktum des Zweifelns als einer Art des Denkens. Es kann an der Tatsache, dass ich zweifle, nicht gezweifelt werden. So findet Descartes sein Wahrheitskriterium im berühmten Satz „Cogito ergo sum“ (Ich denke, also bin ich) und macht diesen zum Ausgangspunkt seines Systems. Es ist unmöglich zu denken, ohne gleichzeitig zu sein. Das Denken ist also ausschließliches Erkenntnismittel – auch für Aussagen über die Natur. Descartes ist somit der erkenntnistheoretische Antipode zu Francis Bacon und der Begründer und maßgeblichste Vertreter des Rationalismus. Geistesgeschichtlich bedeutsam ist die Überzeugung, dass alle Naturerscheinungen rational erfassbar und erklärbar sind.

Gegenüber dem auf Tradition und göttliche Offenbarung gestützten geistigen Herrschaftsanspruch der Kirche betont er das Primat der Vernunft, der ratio. Die Philosophie emanzipierte sich damit von der Theologie („Cartesische Zäsur“).

Von der im „cogito ergo sum“ gefundenen Basis schließt Descartes auf die Existenz Gottes und weiter auf die Existenz der Welt. Der Mensch hat die eingeborene Idee eines vollkommensten Wesens und das nennen wir Gott. Und da ein solches Wesen uns nicht täuschen und betrügen kann, existiert auch die Welt. Diese ist geschieden in die denkende Substanz (res cogitans) und die körperliche Substanz (res extensa). Beide Substanzen sind voneinander völlig unabhängig. Das Denken hat keine Ausdehnung und die körperlichen Dinge denken nicht. Die Jahrhunderte alte, bis heute einflussreiche Denkfigur des Dualismus wird damit dem neuzeitlichen Denken aufgeprägt. Hier taucht die Platonische Trennung in Idee und Abbild und die aristotelische Scheidung in Form und Stoff wieder auf. Das unselige Zerreißen der Welt (und des Menschen) in zwei Teile ermöglicht es Descartes, eine dem menschlichen Denken gegenüberstehende entseelte, versachlichte Natur entgegenzustellen, die sich mit mathematischer Exaktheit vermessen, berechnen und beherrschen lässt. Auch Tiere sind für ihn empfindungslose „Automaten“ ohne eigene Rechte.

Francis Bacon (1561 – 1626)

Der englische Philosoph, Naturforscher, Historiker und Staatsmann kritisierte die mittelalterliche Logik und nannte sie eine leere Beschäftigung. Als Politiker wurde er wegen Bestechlichkeit gestürzt.

Da vor der Wissenschaft die Aufgabe steht, Neues zu entdecken und zu erfinden, muss die Logik nach Bacon zu einer Logik der Erfindungen und Entdeckungen werden.

Die aristotelische Logik erfülle diese Aufgabe nicht. Daher schrieb Bacon ein Novum organum, welches das aristotelische Organon ersetzen sollte.

Der berühmteste Teil der Philosophie Bacons ist die Lehre von den Idolen (Trugbildern oder Vorurteilen), die die richtige Erkenntnis der Welt verhindern. In ihr analysiert er die menschlichen Irrtümer und ihre Quellen. Vier Arten von Idolen werden unterschieden: die Idole des Stammes, der Höhle, des Marktes und des Theaters.

Die Idole des menschlichen Stammes (idola tribus) kommen nach Bacon allen Menschen zu. Zu ihnen verführt uns die menschliche Natur. Sie entstellen die Widerspiegelung der Dinge im Bewusstsein des Menschen.

Die Idole der Höhle (idola specus) bringen nach Bacon in die Widerspiegelung der Dinge individuelle Besonderheiten jedes Menschen hinein.

(Zu dieser Bezeichnung gelangt Bacon in Anlehnung an Platons Höhlengleichnis.) Es handelt sich um Irrtümer, die aus der Beschaffenheit und Lage des einzelnen Individuums entständen, also natürliche Konstitution, Sozialisation, Lebenslage, Einstellungen, Überzeugungen, Lieblingsideen und Gewohnheiten.

Die Trugbilder des Marktes (idola fori) sind Irrtümer, die aus der Gesellschaftsordnung hervorgehen. Eine besondere Rolle spielt hier die Sprache als wichtigstes Instrument des zwischenmenschlichen Verkehrs. Zu leicht wird das bloße Wort für die Sache genommen. Diese Idole sind also das Ergebnis der fehlerhaften Verwendung der Wörter.

Die Idole des Theaters (idola theatri) sind falsche Lehren, die den Menschen vom richtigen Weg abbringen. Es sind Irrtümer, die aus der Tradition, aus überlieferten Lehrsätzen entständen. Diese Lehrsätze, mit denen man die Wahrheit zu erkennen glaubte, glichen in Wirklichkeit mehr erfundenen Theaterstücken.

Will man dem verderblichen Einfluss der Idole entgehen, muss man sich nach Francis Bacon der Empirie zuwenden. Man muss dem Menschen Werkzeuge zur Unterstützung geben, die zur Wahrheit führen. Eine solche Methode ist die Induktion, die lehrt, wie man allmählich von einzelnen Fakten zu allgemeinen Sätzen aufsteigt. Der Weg der Erkenntnis beginnt bei der sinnlichen Wahrnehmung und steigt dann zu allgemeinen Grundsätzen auf, die wiederum auf das Material der Erfahrung angewendet werden sollen.

Unter dem Einfluss des Novum Organum übernahm die Wissenschaft die Methode der genauen Beobachtung und des Experiments. Bacon verkannte allerdings die Bedeutung der Mathematik für die Naturerkenntnis.

Das Ziel des wissenschaftlichen Erkennens werde von der Philosophie festgelegt, die auch die allgemein verbindliche Methode der Wissenschaft finden müsse. Ziel der Wissenschaft sei die Naturbeherrschung im Interesse des Fortschritts. Der Mensch könne die Natur aber nur soweit beherrschen, wie er sie kenne: „Wissen ist Macht“. Bacon ist durch sein Programm ein Wortführer der beginnenden Neuzeit geworden.

David Hume (1711 – 1776)

Die skeptisch-toleranten Auffassungen des Schotten nahmen klerikale Kreise zum Vorwand, um eine Bewerbung des Freidenkers Hume an der Edinburgher Universität abzulehnen. 1748 veröffentlichte er sein Hauptwerk Enquiry Concerning Human Understanding (Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand).

Seine ethischen Anschauungen legte er 1751 in der Schrift An Enquiry concerning the Principles of Moral (Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral) dar.

Hume vertritt eine Philosophie des gesunden Menschenverstandes. Er wendet sich gegen die traditionelle Metaphysik, die er als Quelle des Irrtums ansieht, da sie durch die Suche nach Prinzipien den Menschen von den mannigfaltigen Bedürfnissen des menschlichen Lebens ablenke.

Hume ist der Hauptvertreter des englischen Empirismus. Als Sensualist und Empiriker sieht er die Quelle des Wissens in der Erfahrung. Sie besteht lediglich als ein Strom von Eindrücken (Empfindungen, Erlebnissen und Emotionen), die sich in Vorstellungen (Gedanken, Ideen) niederschlagen.

Das Denken ist von sekundärer Bedeutung und hat nur die Fähigkeit der Verbindung, Umstellung, Vermehrung oder Verminderung des Stoffes zu leisten, den uns Sinne und Erfahrung liefern. So etwas wie abstrakte und allgemeine Vorstellungen im eigentlichen Sinne gibt es nicht.

Die Einbildungskraft (Imagination) verknüpft die Vorstellungen nach dem Prinzip der Assoziation, welches auf die ganze Menschheit den gleichen Einfluss ausübt.

Hume behauptet die intuitive und demonstrative Gewissheit des mathematisch-logischen Wissens, das unabhängig von der Erfahrung existiere. Diese Erkenntnisse sind durch die reine Tätigkeit des Denkens zu entdecken, ohne von irgendeinem Dasein in der Welt abhängig zu sein.

Ein wichtiger Aspekt der Philosophie Humes ist seine Erörterung des Begriffs „Kausalität“ Die Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung beruhen nur auf Erfahrung, d. h. auf der gewohnheitsmäßig feststellbaren Abfolge bestimmter Ereignisse. Die Ursache der Ursache anzugeben ist nicht möglich. Alle Ableitungen aus Erfahrung sind daher Wirkungen der Gewohnheit, aber nicht der Vernunfttätigkeit. Hume führt die Induktion auf Gewohnheit zurück.

Er lehnt jede positive Religion ab. Ihre Entstehung schreibt er der Furcht und dem Hoffnungsglauben der Menschen zu. Er lehnt sowohl die religiösen Wunder, da sie jeglicher Erfahrung widersprechen, als auch den rationalistischen Gottesbeweis ab. Das Dasein Gottes hat Hume nie bestritten; nur wendet er sich gegen de Anspruch, hier mit der Vernunft etwas auszurichten, denn Unerfahrbares kann höchstens geglaubt werden.

Er fordert Toleranz für die verschiedenen religiösen Lehren. Metaphysik ist absolut undurchführbar. Es gibt keine Erkenntnis außer der Erfahrung (mit Ausnahme der Mathematik). Die Grenze des Erfahrbaren ist für ihn zugleich die Grenze des Erkennbaren.

Hume misstraut nicht nur der Denknotwendigkeit des Kausalzusammenhanges, sondern legt die Sonde der Kritik auch an den Substanzbegriff. Ein den Dingen zugrunde liegendes etwas ohne Eigenschaften ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Unding“. So gibt es auch keine Seelensubstanz: Das, was wir „Seele“ nennen ist die Summe der psychischen Erscheinungen. Daher gibt es auch keine Unkörperlichkeit und keine Unsterblichkeit.

In seiner Ethik vertritt Hume, im Gegensatz zu dem in den klassischen Naturrechtstheorien verkündeten Egoismus, einen Utilitarismus, der in der unveränderlichen, natürlichen Neigung der Menschen zur Lust bzw. Unlust die Ursache und Triebkraft aller Handlungen sieht. Das Nützliche ist mit dem Streben nach dem Angenehmen für das Individuum verbunden und fördert das Wohlwollen gegenüber den Mitmenschen. Hume nennt eine Handlung tugendhaft, wenn sie in uns das angenehme Gefühl der Billigung hervorruft.

Hume bestreitet die Existenz einer objektiven Grundlage für das Schöne. Das Schöne ist keine Eigenschaft der Dinge. Das Schöne existiert nur im Bewusstsein des Betrachters. Jedes Bewusstsein nimmt eine besondere Schönheit wahr.

Immanuel Kant (1724 – 1804)

Kant ist der wohl bedeutendste deutsche Philosoph. Er hat nicht nur entscheidende Durchbrüche geleistet, sondern wirkt bis heute nach. In den Natur- und Rechtswissenschaften, aber auch in der Politik und selbstverständlich insbesondere in Wissenschaftstheorie und Philosophie ist das Werk Kants so aktuell, dass eine ernsthafte Beschäftigung mit diesen Themen immer zu Kant führt.

Kant schreibt seine ersten Werke in lateinischer Sprache, wie es damals üblich war. Dann geht er allerdings zur deutschen Sprache über, was erheblich dazu beiträgt, dass sich Deutsch als Wissenschaftssprache durchsetzt. Kant war Professor für Metaphysik und Logik an der Universität in Königsberg. Später wird er Rektor der Universität. Über den engeren Umkreis von Königsberg (heute Kaliningrad) ist er nie hinausgekommen, hielt aber dennoch fesselnde Vorlesungen über Geografie und Völkerkunde.

Seine größte Bedeutung erlangte Kant durch die drei Kritiken, nämlich die „Kritik der reinen Vernunft“, die „Kritik der praktischen Vernunft“ und die „Kritik der Urteilskraft“. Das Wort „Kritik“ verstand Kant dabei in seiner ursprünglichen (griechischen) Bedeutung, nämlich als Prüfung. Mit heutigen „Kritiken“ (Theaterkritik, Buchkritik usw.) hat dies nichts zu tun. Wer neu auf Kant zugeht, tut also gut daran, sich zu vergegenwärtigen, dass Kant „Prüfung der reinen Vernunft“, „Prüfung der Urteilskraft“ und „Prüfung der praktischen Vernunft“, und nicht etwa deren Ablehnung meint.

Berühmt geworden sind zwei kleinere Schriften, die sich auch gut als Anfangslektüre eignen, nämlich „Was ist Aufklärung? und „Zum ewigen Frieden“. Die Aufklärungsschrift definiert die Aufklärung als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ ist für Kant der Schlachtruf der Aufklärung.

DieKritik der reinen Vernunft (KrV) beendete den Rationalismus. Der Glaube an die Allmacht der Vernunft ist seit Kant dahin. So bedeutsam die KrV ist, so schwer ist der Zugang zu ihr. Die Kantische Eigenart, bandwurmartige Sätze zu bilden, die sich oft über mehrere Seiten hinziehen, macht das Lesen manchmal mühsam. Allerdings erzieht Kant – insbesondere die KrV-Lektüre – zu präzisem Denken.

Kants Absicht ist es (unter dem Einfluss Humes, der ihn aus seinem „dogmatischen Schlummer“ geweckt hat), die menschliche Erkenntnisweise kritisch zu untersuchen (Kritizismus) und die Fragen nach ihrer Struktur und Reichweite zu beantworten, die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Vernunft abzumessen.

Nach Kants Auffassung setzt das Erkennen sowohl Wahrnehmung als auch Denken voraus: Während der Inhalt der Erkenntnisse durch Erfahrung gegeben ist, entstammt die Form der Erkenntnis dem Verstand. Die angeborenen Anschauungsformen Raum und Zeit sowie die Denkformen (Kategorien, wie z.B. Kausalität) verwandeln die Empfindungen in eine geordnete Erfahrungswelt. Gegen den radikalen Empirismus wendet Kant ein, dass „Anschauungen ohne Begriffe blind“, gegen die rationalistische Metaphysik, dass „Gedanken ohne Inhalt leer“ seien. Da die Form der Erkenntnisse eine Schöpfung des Bewusstseins ist, muss zwischen dem erkannten Gegenstand und dem „Ding an sich“ unterschieden werden. Was immer erkannt wird, ist vom erkennenden Bewusstsein mitgestaltet und daher nicht mehr die „Wirklichkeit an sich“ sondern eine vom Menschen erkannte Wirklichkeit. Wir erkennen die Gegenstände nicht so, wie sie an und für sich sind, sondern so, wie sie unserem menschlichen Bewusstsein „erscheinen“. Erkennen können wir nur die Welt der Erscheinungen. Die hinter den Erscheinungen verborgene Welt des „Dinges an sich“ bleibt unzugänglich. Daher hält Kant es für unmöglich, metaphysische Erkenntnisse zu gewinnen. Die Hauptprobleme der überlieferten Metaphysik, nämliche die Fragen nach dem Dasein Gottes, der Einheit der Welt, der Unsterblichkeit der Seele und der Freiheit des Willens können nach Kant auf wissenschaftlichem Wege nicht beantwortet werden; doch ebenso wenig kann der Glaube an sie durch wissenschaftliche Einwände widerlegt werden. Die „Ideen“ Gott, Welt, unsterbliche Seele und ein freier Wille können jedoch als methodische Leitbilder oder Postulate (Forderungen) der praktischen Vernunft angesehen werden: Wir sollen die seelischen Vorgänge so ansehen, als ob sie aus der Einheit der Seele erklärbar wären. Wir sollen die Welt der Erscheinungen so ansehen, als ob diese durchgängig gesetzmäßig miteinander verknüpft wären. Auch ein Wissen von Gott kann es unmöglich geben. Die Gottesbeweise werden von ihm als irrig entlarvt. Wir sollen aber so tun, als gebe es Gott, denn es muss in einem jenseitigen Leben einen Ausgleich irdischer Ungerechtigkeit geben.

Für das menschliche Handeln gilt der Kategorische Imperativ: „Handle so, dass die Maxime (=Richtschnur) deines Tuns zum Gesetz für alle Menschen gemacht werden könnte!“

Karl Marx (1818 – 1883)

Als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts (später Justizrat) in Trier geboren, studierte Marx in Bonn und Berlin Rechtswissenschaft und Philosophie, versuchte sich dann als Journalist. Dauernde Zensuren zwangen ihn, den Posten aufzugeben. Er emigrierte nach Paris, wo er Friedrich Engels kennen lernte. Dieser führte den Stubengelehrten Marx in Arbeiterkneipen. Von da an wurde der Arbeiter zur Zentralfigur der Marx’schen Philosophie. Marx kam dann nach Brüssel und Köln. Nach Zusammenbruch der Revolution wurde er vor Gericht gestellt, freigesprochen, aber erneut ausgewiesen. Er ging wieder nach Paris und dann nach London, wo er – trotz finanzieller Unterstützung durch seinen Freund Engels unter zum Teil erbärmlichen Umständen – sein weiteres Leben verbrachte, starb und auch begraben liegt.

Marxens Philosophie hatte drei Wurzeln:

(1) der deutsche Materialismus des 19. Jahrhundert und die Dialektik Hegels,

(2) die englische Ökonomie (Volkswirtschaftslehre) und

(3) den französischen utopischen Sozialismus von Proudhon.

Den Königsgedanken hatte Marx mit 28 Jahren: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.

Tatsächlich hat Marx die Welt verändert – durch Philosophie. Marx verstand seine Lehren als durchaus wissenschaftlich, doch sind sie aus heutiger Sicht überwiegend unwissenschaftliche Weltanschauung, eine Ideologie. Nachdem die Ideologie des Marxismus sich in weiten Teilen der Welt etablieren konnte und in den Jahrzehnten der Herrschaft des Kommunismus viel Leid über zahlreiche Völker gebracht hatte, hat er heute in den meisten Staaten er Welt abgewirtschaftet. Die Diktaturen, die sich heute noch auf Marx berufen, haben mit dem ursprünglichen Marxismus nur noch wenig zu tun.

Der Marxismus unterscheidet zwei Bereiche, auf die er die Methode der Dialektik anwendet: Natur und Gesellschaft. Dialektik ist durch den Marxismus bekannt geworden, doch ist sie keine Erfindung von Karl Marx. „Dialektik“ hängt zusammen mit „Dialog“. Schon Heraklit lehrte, dass sich alle Dinge in Gegensätzen entwickeln: „Kampf ist Vater aller Dinge.“ Nach Hegel entwickelt sich sowohl die absolute Weltvernunft (Gott) als auch der Begriff dialektisch. Der Begriff (Thesis) entzweit sich und schlägt um in sein Gegenteil (Antithesis). In der Synthesis vereinen sich die beiden wieder. Insbesondere entwickelt sich die Geschichte dialektisch: Gott (These) entzweit sich, setzt als Antithese die Natur, um Menschen, speziell im Philosophen Hegel wieder zu sich selbst zu finden und zu erkennen, dass das Entfremdete (die Natur) auch er selbst ist.

Marx verstand unter „Dialektik“ zunächst nur eine Darstellungsmethode der Ideologiekritik. Erst sein Freund Friedrich Engels, hat daraus eine Realdialektik gemacht: Die Wirklichkeit (Natur und menschliche Gesellschaft) entwickelt sich dialektisch. Der Dialektische Materialismus (DIAMAT) beschreibt die Entwicklung der Natur, der Historische Materialismus (HISTOMAT) die Entwicklung der Gesellschaft.

Die historische Entwicklung der Menschheit verläuft nach Auffassung des HISTOMAT von einer „Urgesellschaft“ zur Sklavenhaltergesellschaft, von hier zum Feudalismus und Kapitalismus. Danach gelangt die Gesellschaft entweder zum Sozialismus (Kommunismus) oder geht in Barbarei unter. Die Geschichte ist eine Geschichte des Klassenkampfes. Die Behauptung, Geschichte schreite nach einem dialektischen Automatismus voran, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als schlichtweg falsch. Die Dialektik kann aus heutiger Sicht nicht als brauchbares Schema der Beschreibung oder gar Prognose historischer Prozesse gesehen werden.

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)

„Gott ist tot“ oder „Du gehst zum Weibe? Vergiss die Peitsche nicht!“ – aus dem Zusammenhang gerissene Zitate Nietzsches, deren Popularität darüber hinweg täuscht, dass es sich um einen Außenseiter der deutschen Philosophie des 19. Jahrhundert handelt. Sein Werk mit seiner eigenen bildhaften Sprach voller Aphorismen hat nichts gemein mit der üblichen Begriffswelt der Philosophie und blieb daher in philosophischen Kreisen lange ohne Resonanz. Nietzsche sucht nicht nach (objektiver) Wahrheit, sondern nach seiner (subjektiven) Wahrheit. „Die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind.“

Als Sohn eines protestantischen Pfarrers studierte Nietzsche ein Semester Theologie, um sich dann der Klassischen Philologie zuzuwenden. Noch vor seiner Promotion zum Doktor erhielt er, 24-jährig, eine Professur in Basel. 1878 gab er aus Gesundheitsgründen das Lehramt auf. 1889 brach seine Geisteskrankheit (eine Schizophrenie mit paranoiden und hysterischen Zügen) aus, wahrscheinlich in Folge einer Syphilis-Infektion, an deren Folgen er nach elf Jahren in geistiger Umnachtung starb.

Nietzsches Hauptwerke sind: MenschlichesAllzumenschliches, Morgenröte, Die fröhliche Wissenschaft, Jenseits von Gut und Böse, Ecce homo und vor allem Also sprach Zarathustra. Aus dem Nachlass herausgegeben wurde Der Wille zur Macht.

Die Leitmotive seines Werks lassen sich in Schlagworten fassen: „Wille zur Macht“, „Nihilismus“, „Umwertung aller Werte“, „Übermensch“, „Gott ist tot“ und „ewige Wiederkehr“.

Nietzsche bekämpft Metaphysik, Religion (insbesondere das Christentum und dessen Moral), die er für Zeichen der Dekadenz, des Niedergangs hält.

Das Christentum ist für ihn die geistesgeschichtlich mächtigste Erscheinung einer Instinktverirrung des europäischen Menschen, die sich als die Erfindung einer idealen Hinterwelt und damit als die Abwertung der wirklichen irdischen Welt darstellt. Christentum ist ihm eine Form dessen, was er als „Platonismus“ bekämpft. Der abendländische Mensch entstellt die Erde durch idealistische Fehlinterpretationen. Die „Hinterwelt“ ist bei Nietzsche jene Meta-Welt eitler Wahnideen und düsteren Jenseits-Ängste, in der die Menschen seit Jahrtausenden gefangen und befangen waren.

An Gottes Stelle und des Platonischen Ideenreiches setzt er die Erde. Der „Tod Gottes“ bedeutet das Ende aller Idealität in der Form eines Jenseits des Menschen. Zarathustra lässt er sagen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.“

Nietzsche wendet sich also in bitterer Schärfe gegen die Erlösungsidee des Christentums und gegen die Abkehr vom Diesseits und stellt ihr seine Erlösung des Menschen durch den Übermenschen entgegen.

Geradezu das Gegenteil einer christlichen Sittenlehre bildet die Morallehre Nietzsches. Christliche Moral beruht auf Liebe und Verzeihung. Dieser Auffassung wirft er sklavische Gesinnung vor. Das Christentum preise Güte, Mitleid, Armut, Schwäche, verherrliche das Leiden und trachte nach Gleichberechtigung der Menschen. Eine solche Moral komme hauptsächlich den Schwachen, Unglücklichen und Mittelmäßigen zugute. Diese versuchten den „Starken”, (den „Herren”), einzureden, dass sie in Wirklichkeit ja Schwache, sie aber, die Mittelmäßigen, die wahrhaft Starken seien, vor denen man sich beugen müsse. Angesichts dieser Einstellung, die Nietzsche als verweichlicht und dekadent bezeichnet, errichtet er eine „Herrenmoral”, die, wie er sagt, eine „Umwertung aller Werte” bedeutet. Höchster Wert ist das mächtige und fröhliche Leben. Der stärkste und höchste Lebenswille findet seinen Ausdruck nicht in einem kümmerlichen Kampf ums tägliche Brot, sondern im Macht- und Herrscherwillen. Die eigentlichen moralischen Tugenden sind aristokratisch und kriegerisch: Kraft, Mut, Machtwille, Hochmut, Härte, Grausamkeit. Die vom Christentum gepriesenen falschen Tugenden, die Sklavengesinnung verraten, sind ihnen genau entgegengesetzt: Gerechtigkeit, Klugheit, Ergebenheit, Demut, Mitleid, Barmherzigkeit.

Nietzsche ersehnt die Ankunft des Übermenschen, der als geborener Herrscher zu sich selbst und zu den anderen hart ist und der sich selbst seinen eigenen Maßstab moralischer Werte schafft. Gut ist allein der Wille zur Macht. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Nationalsozialisten auf eine solche Moralideologie beriefen, obwohl er weder Antisemit noch Nationalist war.

Nietzsche ist auch heute noch allgegenwärtig, zumal seine bildhafte Sprache mit ihrer ungenauen Begriffen Deutungen aller Art Tür und Tor öffnet.

Martin Heidegger (1889 – 1976)

Geboren als Sohn einfacher Leute in Meßkirch studierte er Philosophie und Theologie in Freiburg. Sein Hauptwerk Sein und Zeit zählt unbestritten zu den zentralen philosophischen Abhandlungen dieses Jahrhunderts.

Seinen Hauptgegner sah Heidegger im Rationalismus. „Das Denken beginnt erst dann“ – so schrieb er – „wenn wir erfahren haben, dass die seit Jahrhunderten verherrlichte Vernunft die hartnäckigste Widersacherin des Denkens ist.“ Heidegger spricht in diesem Zusammenhang von der Seinsvergessenheit der akademischen Philosophie. Das heißt, dass die „Frage nach dem Sinn von Sein“, die das menschliche Dasein betrifft, mindestens seit dem Beginn des neuzeitlichen Denkens nicht mehr gestellt wurde. Vielmehr wurde die Berechenbarkeit des Menschen verherrlicht. Nicht das Unbewusste, die Triebe oder Emotionen waren wichtig, sondern die Ratio, die die Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens garantierte.

Heidegger lehnte die seit der Aufklärung angestrebte Universalherrschaft der instrumentellen Vernunft ab; er beschrieb die Ausgesetztheit des Menschen, der von Stimmungen wie Angst oder Todesfurcht bestimmt wird. Diese grundlegenden Stimmungen reißen den Menschen aus seiner Geworfenheit in den Alltag heraus.

Mit dem Ausdruck „Geworfenheit“ bezeichnet Heidegger die Eingebundenheit in Familie, Kultur, Religion und Gesellschaftsform, die mehr oder weniger zufällig ist. Er stellt dieser Verfallenheit an den Alltag, die er als Uneigentlichkeit versteht, das Leben im „Eigentlichen“, die „Lichtung“ gegenüber.

Diese „Lichtung“ – die Dezentrierung der Vernunft – wie es die französische Postmoderne nannte – glaubte Heidegger im Nationalsozialismus zu finden. 1933 plädierte er dafür, Philosophie und Wissenschaft in den Dienst des Führers zu stellen und „das Schicksal des deutschen Volkes in das Gepräge seiner Geschichte zu zwingen“. 1933 war er vorübergehend Rektor der Universität und Mitglied der NSDAP. 1945 – 1951 hatte er auf Befehl der alliierten Besatzungsmächte Unterrichtsverbot.

In seiner Existenzialontologie ging Heidegger vom menschlichen Dasein aus, vom Existieren in der Welt, das weit über das bloße Denken hinausgeht. Faktoren wie Angst, Langeweile und vor allem die Todesverfallenheit des Menschen faszinierten ihn.

Die Grundbefindlichkeit des Menschen ist die Angst. Das Wovor der Angst ist das geworfene In-der-Welt-Sein. Ungefragt ist der Mensch ins Dasein gesetzt. Diese Unausweichlichkeit des Daseins wird durch das Gerede des Man (der Masse) verdeckt, durch das Man wird auch der Tod bagatellisiert. Unser Dasein ist ein Sein zum Tode. Der Tod ist nicht nur ein plötzliches Ereignis am Ende des Lebens, sondern als Möglichkeit immer schon anwesend. Es kommt für den Menschen jedoch darauf an, den Tod nicht zu verdrängen, indem man sich mit einem Leben nach dem Tode befasst.

Der Mensch hat seine Existenz bewusst auf sich zu nehmen, ohne zu versuchen, hinter dem Tod nach einem Sinn zu suchen.

Der aus der unheimlichen Grundstimmung der Angst stammende „Ruf des Gewissens” mahnt den Menschen, nicht einfach das, was so allgemein gilt, das, was „man” tut, zum Leitfaden seines Handelns zu nehmen, sondern als „er selbst” zu existieren, sich selbst zu verwirklichen.

Heideggers Opposition gegen den Geist der aufklärenden Vernunft beeindruckte vor allem die Philosophen der Postmoderne. Jacques Derrida, Michel Foucault, Jean -Francois Lyotard, Gianni Vattimo und Richard Rorty bezogen sich in ihren unterschiedlichen Werken ausdrücklich auf Heidegger.

Bertrand Russell (1872 – 1970)

ist der berühmteste Philosoph und Logiker Großbritanniens des 20. Jahrhunderts, aber auch ein großer Mathematiker, Pädagoge, Pazifist, Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, der „Voltaire unseres Jahrhunderts“ (Golo Mann). Seine Arbeit galt nicht nur der Philosophie im engeren Sinne, er hat auch immer wieder mit Leidenschaft über gesellschaftspolitische Themen geschrieben und sich in Auseinandersetzungen der Tagespolitik vorbehaltlos engagiert.

In seinen zwischenmenschlichen Beziehungen von vielen Enttäuschungen getroffen, ist Russell der wohl bekannteste und meistgelesene Philosoph der westlichen Welt. Viele seiner Werke liegen in deutscher, französischer und spanischer Übersetzung vor. Seinen großen Erfolg als Autor verdankt er nicht zuletzt seiner Sprache, die auch da einfach bleibt, wo der Gegenstand der Abhandlung äußerst kompliziert ist. Neben seinem Kollegen G. E. Moore und seinem Schüler L. Wittgenstein hat Russell die angelsächsische Philosophie in eine „analytische“ Richtung gelenkt und nachhaltig beeinflusst.

Der bedeutendste Beitrag Russells zur Philosophie liegt auf dem Gebiet der mathematischen Logik und der Philosophie der Mathematik. Seine Gedanken hierzu erschienen in The Principles of Mathematics (1900) und in dem gemeinsam mit seinem Lehrer Alfred North Whitehead verfassten dreibändigen Werk Principia Mathematica (1910-1913), eines der wichtigsten Werke der modernen Logik und mathematischen Grundlagenforschung.

In der Mengenlehre wurde Russell durch das nach ihm benannte Paradoxon (Russell’sche Antinomie) berühmt. Es tritt auf, wenn man die Menge aller Mengen betrachtet, die nicht Element ihrer selbst sind. Solch eine Menge scheint nur dann ein Element ihrer selbst zu sein, wenn sie nicht Element ihrer selbst ist. Eine populäre Version des Paradoxons, ist die Geschichte des Friseurs in einem Ort, der von sich selbst behauptet, er rasiere alle Männer in dem Ort, die sich nicht selbst rasieren. Was macht er dann aber mit sich selbst? Rasiert er sich selbst oder rasiert er sich nicht selbst? Hier tritt ein Widerspruch auf. Solche Antinomien in der Mengenlehre können nach Russell durch einen „typentheoretischen“ Aufbau vermieden werden, der Selbstanwendungen ausschaltet.

In der Theorie der Erkenntnis vertritt Russell die „Philosophie des logischen Atomismus“: Komplexe „molekulare“ Aussagen werden auf einfache „atomare“ zurückgeführt. Die Wirklichkeit kann bis in ihre kleinsten Elemente erkannt und benannt werden. Aufgabe der Philosophie als logischer Atomismus ist die Erkenntnis der Wirklichkeit aus ihren Grundbestandteilen. Methode ist die logische Analyse. Das einzige leistungsfähige Erkenntnismittel ist die Naturwissenschaft. Sie erkennt Sinnesdaten und weiter nichts. Für einen Glauben an Gott oder Unsterblichkeit liefert sie keine Stütze. Die Religion ist auch entbehrlich, ja ein Übel. Sie ist kennzeichnend für noch nicht ganz erwachsene Menschen.

In der Morallehre anerkennt Russell eine Ordnung der Werte. Aber eine richtige Moral müsste ganz anders aussehen als die bisherige, die zum größten Teil auf abergläubischen Vorstellungen beruht. Als Lebensideal genügt ein von Liebe geleitetes und mit Hilfe des Wissens geführtes Leben.

Als politische Verantwortung tragender Bürger war er sein Leben lang ein für viele unbequemer, aber nichtsdestoweniger vorbildhafter Zeitgenosse. Er setzte sich für das Frauenstimmrecht ein und war ein vehementer Gegner des 1. Weltkrieges. Sein unbeugsames Eintreten für seine Überzeugungen führt zu seiner Entlassung und 1918 sogar zu einer Gefängnisstrafe. Seine Grundhaltung ist pazifistisch, gleichwohl lehnt er den Krieg gegen die Nazis als letztes verbleibendes Mittel nicht ab.

Ludwig Wittgenstein (1889 - 1951)

Der österreichische Philosoph und Logiker Ludwig Josef Johann Wittgenstein, Sohn eines reichen Stahlindustriellen jüdischer Herkunft, studierte Ingenieurwissenschaft in Berlin und danach in Manchester. Hier wurde er mit Russells Schriften über die Grundlagen der Mathematik bekannt, die ihn so sehr beeindruckten, dass er 1912 sein Ingenieurstudium aufgab, um in Cambridge unter Russells Anleitung Mathematik und Logik zu studieren.

Im ersten Weltkrieg meldete er sich freiwillig als Artillerist an die Ostfront. Den ganzen Krieg hindurch trug er seine philosophischen Überlegungen in Notizhefte ein. Als er bei Kriegsende in italienische Gefangenschaft geriet, hatte er seinen später berühmt gewordenen „Logisch-Philosophischen Traktat“ als fertiges Manuskript im Rucksack. 1921 erschien der Tractatus Logico-Philosophicus, in den Annalen der Naturphilosophie, 1922 auf Englisch. Mit dem Verfassen dieses Werks hielt Wittgenstein seine philosophische Aufgabe für beendet. Fest davon überzeugt, dass er alle Probleme der Philosophie gelöst hatte, schenkte Wittgenstein 1920 den älteren Geschwistern sein gesamtes – erhebliches – Vermögen. Er machte die Ausbildung zum Volksschullehrer und unterrichtete von 1920 bis 1926 in Trattenbach (NÖ). Der mürrische Eigenbrötler war oft ungehalten und galt als zu strenger Lehrer, was immer wieder zu Konflikten mit den Eltern führte. Schließlich gab er den Beruf auf und verpflichtete sich als Gärtner in einem Kloster bei Wien. Er spielte sogar mit dem Gedanken, Mönch zu werden. Doch dann bekam er einen Auftrag von seiner Schwester: Er sollte ihr eine Villa in Wien entwerfen und bauen. WittgensteinMoritz Schlick und dem Wiener KreisTractatus mit größtem Interesse studiert wurde. Wittgenstein war aber nie Mitglied des Wiener Kreises. 1929 kehrte er nach Cambridge zurück, um dort seine philosophischen Arbeiten fortzusetzen.

Seine Vorlesungen und Notizen aus den Jahren 1930-1936 zeigen die Entwicklung neuer Gedanken, die er seit 1936 zu den Philosophischen Untersuchungen zusammenstellte. 1939 erhielt Wittgenstein eine Professur in Cambridge, beschäftigte sich vor allem mit Problemen der Bedeutungsanalyse und wurde dadurch zu einem der Begründer der sprachanalytischen Philosophie. Während des zweiten Weltkrieges arbeitete er als Hilfskraft in Krankenhäusern in London und Newcastle. 1944 nahm er seine Vorlesungen in Cambridge wieder auf, entwickelte jedoch so großen Widerwillen gegen die Lehrtätigkeit und das akademische Leben überhaupt, dass er 1947 seinen Abschied einreichte, um fortan in ländlicher Abgeschiedenheit in Irland zu leben und zu arbeiten. Seine Arbeitsfähigkeit litt jedoch unter einer 1950 festgestellten, weit fortgeschrittenen Krebserkrankung. Nach Besuchen bei Verwandten und Freunden in Wien und Oxford sowie einem kurzen Aufenthalt in Norwegen starb Wittgenstein 1951 in Cambridge. Anja Weiberg formuliert in einem Buch: „Für Ludwig Wittgenstein sind Philosophie und Leben untrennbar miteinander verbunden, und an beide werden ethische Anforderungen gestellt: die Forderung nach Wahrhaftigkeit im Denken wie im Handeln.“

Wie kein anderer Denker hat Wittgenstein dazu beigetragen, dass Sprache in den Mittelpunkt der Philosophie gerückt ist. Sein Denken vor allem hat dazu geführt, dass man von einer linguistischen Wende („linguistic turn“) spricht.

Wittgenstein verwendete in seinem Tractatus logico-philosophicus wohl als erster die heute üblichen Wahrheitswerttafeln der Aussagenlogik.

Die üblichen Fragen wie „Was ist die Wirklichkeit?“ und „Was ist Wissen?“ hielt er für irreführend. Um die Probleme der Philosophie zu lösen, so Wittgenstein, bedürfe es nur der Logik des Gedankens und einer Sprache, die diese Logik zum Ausdruck bringe. „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen“, behauptete er im Vorwort seines Traktats. Denken und Sprechen sind nach seiner Auffassung ein Abbild der Welt. In scharf formulierten Lehrsätzen versuchte er, die Philosophie in eine Wissenschaft von der Sprache zu verwandeln. Er beendete seinen Traktat mit dem oft zitierten Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

Später warf der Philosoph sein Jugendwerk über Bord. Es enthalte, so meinte er jetzt, „schwere Irrtümer“. Die Sprache sei weniger zuverlässig, als er gedacht habe. Zunehmend behauptete er, man könne keinen klaren Gedanken anhand der Sprache ausdrücken – eine radikale Abkehr von seinem Frühwerk! Ganz im Gegensatz zum Tractatus sind in seinen Philosophischen Untersuchungen der Gedanke und die Sprache nicht mehr das Abbild der Welt. Das ursprünglich postulierte Ideal der Exaktheit verwirft er total. Die Einsicht des späten Wittgenstein klingt völlig anders: Jetzt erscheinen ihm Worte als mehrdeutig und vage. Die Bedeutung eines Wortes lässt sich nach seiner Meinung keineswegs durch Logik herausfinden – sondern nur dadurch, dass man erkennt, in welchem Sinn es im alltäglichen „Sprachspiel“ verwendet wird.

Ziel der Philosophie ist die vollkommene Klarheit. Philosophische Probleme sind Scheinprobleme, die man nicht lösen, die man aber zum Verschwinden bringen kann.

Wittgensteins Werk ist epochemachend. Am Tractatus anknüpfend hat sich der logische Empirismus entwickelt, von den PhilosophischenUntersuchungen ausgehend, hat sich die sprachanalytische Philosophie (die Philosophie der normalen Sprache) herausgebildet. Manches, das heute als „modern“ gilt, hat Wittgenstein vorweggenommen.

Rudolf Carnap (1891-1970)

hatte ursprünglich an der deutschen Universität in Prag gelehrt und gehörte dem „Wiener Kreis“ an. Seine jüdische Herkunft zwang ihn, vor dem zweiten Weltkrieg Europa zu verlassen; er hat dann in Chicago und Los Angeles gewirkt.

Carnap nimmt dadurch einen besonderen Platz in der Philosophie ein, dass er versuchte, das Spannungsverhältnis von philosophischen Problemen und wissenschaftlichen Begriffen durch strenge Formalisierungen zu analysieren. Schon in seiner Dissertation rühmt er die Vorteile formaler Herangehensweisen, und bis zum Ende seines Lebens betrachtet er die Formulierung von Aussagen in einer konstruierten Sprache als wesentlichen Beitrag zu einem besseren Verständnis. Carnap beschäftigte sich vor allem mit allgemeinen Fragen der empirischen Wissenschaften. So untersuchte er zum Beispiel den Zusammenhang von theoretischen Begriffen und Begriffen der Wahrnehmung oder die Überprüfbarkeit naturwissenschaftlicher Aussagen im Allgemeinen und in Verbindung mit induktiven Methoden. Ein weiterer Forschungsbereich war die Formalisierung bestimmter wissenschaftlicher Theorien, die er insbesondere in seinen Werken über die symbolische Logik ausgearbeitet hat.

Die ersten Publikationen Carnaps widmen sich der physikalischen Grundlagenforschung. Hier vertritt er die These, alle physikalischen Aussagen seien voraussetzungsreiche Aussagen, wie etwa die folgende: „Strahlt man den Körper X mit weißem Licht an. so wird rotes Licht reflektiert.“ In physikalischen Aussagen, so Carnap, wird mehr behauptet als wahrgenommen oder überhaupt wahrgenommen werden kann. Die Aussagen werden ohne formal-logische Rechtfertigung durch Induktion aus der Erfahrung abgeleitet. Sie können also empirisch begründet werden, haben aber auf Grund der Unerschöpflichkeit der Vorbehalte nur Anspruch auf Wahrscheinlichkeit, nicht auf absolute Gültigkeit. Wahrscheinlichkeit und Induktion spielen schon früh eine wichtige Rolle in Carnaps Wissenschaftsphilosophie. In seinen späteren Arbeiten ging er diesen Fragen systematisch nach.

Von 1922 bis 1928 arbeitete Carnap an einem ausgesprochen ehrgeizigen Projekt: der Entwicklung einer logisch aufgebauten Erkenntnistheorie, die sämtliche Objekte und Begriffe erfassen sollte, ohne sich auf metaphysische Spekulation zu stützen. Einige seiner Ergebnisse veröffentlichte er 1928 in Der logische Aufbau der Welt und in Scheinprobleme der Philosophie. Im letztgenannten Werk vertritt Carnap die für einen Philosophen überraschende Auffassung, metaphysische Thesen über die Wirklichkeit, wie sie Realisten und Idealisten vertreten, hätten keine wissenschaftliche Relevanz, da sie nicht auf Erfahrung basierten. Die Wahl einer bestimmten Sprache für eine allumfassende „Rekonstruktion“ jeder Erkenntnis ist für Carnap ein methodologisches Problem. In seiner Abhandlung Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft (1932) entscheidet er sich für eine physikalistische Sprache. Er verteidigt hier die These, jede exakt bestimmte wissenschaftliche Terminologie gehe auf physikalische Festlegungen zurück.

Später widmet sich Carnap erneut diesem Problem. Er muss feststellen, dass wissenschaftliche Theorien oft in einer so genannten Theoriesprache formuliert sind, deren Begrifflichkeit nicht auf die reine Beobachtung „reduziert“ werden kann. Gibt es ein Kriterium (ein „Sinnkriterium“), das sinnvolle von sinnlosen Sätzen zu unterscheiden erlaubt und zugleich den Ansprüchen der Empiristen genügt, jede theoretische Betrachtung mit der „Erfahrungswelt“ konfrontieren zu können? Carnap schlägt vor, einen theoretischen Begriff als „sinnvoll“ zu betrachten, sofern es möglich ist, mit ihm eine Hypothese zu formulieren, ohne die deren experimentelle Konsequenzen nicht gefolgert werden können.

Anders als der späte Wittgenstein und die Philosophen der normalen Sprache setzt Carnap seine Hoffnung auf die Entwicklung einer formalen, der Logik so weit wie möglich angenäherten idealen Sprache.

Die Fragen, mit denen Carnap sich befasst hat, sind immer noch aktuell, doch sein Ansatz ist inzwischen überholt. Carnap reduziert das Problem in so weitgehendem Maße auf ein sprachliches Problem, dass die philosophische Relevanz seiner Erklärungen zweifelhaft wird. Eine neue Generation Philosophen richtet nun ihr Interesse auf die grundlegende Frage, was wissenschaftliche Theorien an Erklärung und Beschreibung zu leisten haben.

Karl Raimund Popper (1902-1994)

Der in Altösterreich geborene und in Englang geadelte Denker jüdischer Herkunft gilt als der bedeutendste Wissenschaftsphilosoph des 20. Jahrhunderts. Er ist Schöpfer des Kritischen Rationalismus, dem sich auch prominente Politiker verpflichtet fühlen.

Popper mochte nicht als Philosoph bezeichnet werden, da in der Philosophie mehr verzapft worden sei, für das man sich schämen müsse, als auf was man stolz sein könne. (Das ändert aber natürlich nichts an der Tatsache, dass Popper ein Philosoph war.)

In seinem grundlegenden Werk Logik der Forschung (1934) fordert er im Gegensatz zu den Positivisten: Eine Theorie kann nur dann den ohnehin nur vorläufigen Anspruch einer wissenschaftlichen Theorie erheben, wenn gleichzeitig gezeigt wird, auf welche Weise sie falsifizierbar ist. Alle Erfahrungswissenschaft hat nur hypothetischen Charakter. Denn Theorien können sich nie direkt an der Erfahrung bewahrheiten, ihr logischer Status ist der von Allaussagen (z.B. physikalische Gesetze), die über das direkt Beobachtbare hinausgehen. Aber sie müssen mit der Wirklichkeit zu tun haben. Sie gelten, so lange sie nicht widerlegt sind. Deshalb sollten wir versuchen, unsere Theorien zu falsifizieren, nicht zu verifizieren. Fehlersuche wird damit zum Prinzip erhoben. Wenn wir eine Theorie widerlegt haben, verändern wir sie. Damit erreichen wir zwar nie endgültige Wahrheiten – denn wir würden auch die neue bzw. modifizierte Theorie zu widerlegen suchen – aber wir nähern uns der Wahrheit an. Die Wahrheit sei ein regulatives Prinzip. (Ähnliche Auffassungen findet man bereits bei Francis Bacon oder Hume.) Auf die Idee einer absoluten Wahrheit und einer Letztbegründung der Erkenntnis müssen wir verzichten.

Erkenntnisfortschritt erfolgt durch die Methode von Versuch und Irrtum. (durch Vermutungen und Widerlegungen).

Im Gegensatz zu den Positivisten, die meinen: „Sätze, die nicht verifizierbar sind, sind sinnlos“, sagt Popper: „Sätze, die sich nicht falsifizieren lassen, sind unwissenschaftlich, aber deshalb nicht gleich unsinnig.“ Viele heutige Wissenschaften seien aus vorwissenschaftlicher Mystik hervorgegangen. Außerdem bestehe das Leben nicht nur aus Wissenschaft. Die von Popper festgestellte prinzipielle Fehlbarkeit der Vernunft in Verbindung mit dem hypothetischer Charakter jeglicher Erkenntnis nennt man Fallibilismus.

Die Falsifikationstheorie ist auch in die politische und gesellschaftliche Praxis übertragbar. Popper entwickelt das Konzept einer schrittweisen Gesellschaftsveränderung durch ständige Fehlersuche und anschließende vorsichtige Reformen (Stückwerktechnik statt Revolutionen).

In seinem Werk Das Elend des Historizismus kritisiert er die Auffassung, geschichtliche Entwicklung verlaufe zielgerichtet (wie Hegel oder Marx glaubten). Wie unsere Zukunft aussehen wird, hängt davon ab, wofür wir uns einsetzen oder genauer: welche Gruppen von Menschen sich mit ihren Vorstellungen durchsetzen werden.

Der geschlossenen totalitären Gesellschaft stellt Popper das Ideal der offenen (kritisierbaren) Gesellschaft gegenüber. Sein Werk dazu: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde.

Popper war 1937 vor den Nazis nach Neuseeland geflohen, wo er die beiden genannten Bücher schrieb – eigentlich gegen Hitler und Stalin – aber er hasste die beiden zu sehr, um ihre Namen zu erwähnen.

Gewalt sei nur gerechtfertigt zur Beseitigung oder Verhinderung einer Tyrannei. Dabei hat Popper aber die faktische „Tyrannei“ bzw. mangelnde Demokratie auch in freien Gesellschaften nicht gesehen bzw. nicht deutlich genug berücksichtigt. (Der Macht großer Firmen und Institutionen ist friedlich oft nichts entgegenzusetzen.) Besonders wohl wegen seiner liberalen Grundhaltung wurde er von der englischen Königin geadelt.

Willard Van Orman Quine (1908-2000)

hat die Philosophie des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgestaltet und ist einer der einflussreichsten Logiker und Wissenschaftstheoretiker unserer Zeit.

Früher als Nur-Logiker eingestuft, wurde er schon bald als Philosoph im umfassenden Sinn dieses Wortes anerkannt – zunächst als Fachmann auf dem Gebiet der Philosophie der Logik und als Sprachphilosoph, schließlich als Metaphysiker, dessen grundlegende Ideen über Ontologie, Erkenntnistheorie und Kommunikation sich auf alle wichtigen Gebiete der Philosophie ausgewirkt haben.

Quines logische Arbeiten waren von allem Anfang an philosophisch motiviert, und er hat sich zunehmend immer mehr auf philosophische Themen konzentriert.

In seinem Hauptwerk Wort und Gegenstand (Word and Object) geht es um das „was ist“, um Ontologie also, wie sie im Wort zutage tritt: Es gibt physikalische Gegenstände und Klassen von physikalischen Gegenständen. Quine hat eine physikalistische Weltsicht, er lehnt die Zweiteilung der Welt in Materie und Geist ab, es gibt nur eine Welt als alles, was der Fall ist. Und dieses Ganze alles Seienden ist rein körperlich.

Dazu passt seine naturalistische Erkenntnistheorie: Nichts ist im Geist, was nicht vorher in den Sinnen war. Informationen über die Welt können nur durch kausale Einwirkung auf unsere Sinnesrezeptoren in uns hineingelangen. Würde es unerwartete Indizien für die Existenz von Hellseherei geben, müsste dieses Grundprinzip aufgegeben werden. Wir müssten dann das wissenschaftliche Sprachspiel berichtigen und als Verifikationsinstanzen neben Reizeingaben noch telepatische Eingaben und göttliche Eingebungen zulassen.

Ob einem Satz der Stellenwert eines wissenschaftlichen Satzes zusteht, muss jederzeit von seinem Beitrag zu einer Theorie abhängen, deren Prüfstein in ihren Voraussagen besteht.

In Bezug auf das Kant’sche Problem, ob es erfahrungsunabhängige synthetische Sätze a priori gibt (die eine Metaphysik erst möglich machten) hat sich Quine zur Auffassung durchgerungen, dass die Einteilung aller Aussagen in analytische und synthetische unbrauchbar ist, weil es Übergänge und daher unklare Fälle gibt. Man sollte daher diese Termini nur noch gleichsam in pragmatischer Verflüssigung anwenden. Ob eine Aussage als analytisch angesehen wird, ist demnach eine Frage des Standpunktes und der Definition. Ein Satz, der für einen Fachmann oder Lehrer analytisch (weil selbstverständlich) ist, kann für den Schüler durchaus synthetisch (etwas Neues besagend) sein. Die Aussage „Vitamin C verhindert Skorbut“ ist für jemanden, der dies das erste Mal erfährt, durchaus informativ und daher synthetisch. Ob ein Satz als analytisch oder synthetisch angesehen wird, hängt also von unserem Wissen ab und ist eine Sache der Definition und Konvention.

Bezüglich Freiheit unseres Willens vertritt Quine die Auffassung, dass diese mit dem Determinismus gar nichts zu tun hat. Frei ist unser Verhalten vielmehr gerade, wenn es von unseren inneren Motiven verursacht wird, seien diese Beweggründe nun Ideale, seien sie Wünsche. Dass solche inneren Antriebe ihrerseits wieder verursacht sind, steht der Freiheit in keiner Weise entgegen.

Die Hypothese von einem Gott ist nach Quine nichts als Wunschdenken, doch ist der Theismus ein ergiebiger Quell des Trostes. Er hängt mit dem Traum von einem Leben nach dem Tode zusammen und von künftigem Lohn für hienieden unvergoltene Tugend. So hat die Religion mit ihrer Androhung des Höllenfeuers auch gute Dienste geleistet, soweit es ihr gelang, menschliche Barmherzigkeit zu steigern und von Verbrechen abzuschrecken. Wohltaten für die Gesellschaft wie diese sind es, woraus im Gegensatz zum bloßen Wunschdenken ein gültiger Grund für die Verbreitung der religiösen Lehre hervorgeht.

Bemerkenswert ist Quines Sicht der Naturwissenschaft: Er kommt in seinen Analysen nämlich zu dem irritierenden Ergebnis, dass Metaphysik und Wissenschaft prinzipiell nicht zu unterscheiden seien. Die Objekte der Wissenschaft seien nichts anderes als kulturelle Erfindungen, die als solche an die Überzeugungen der jeweiligen Epoche gebunden sind. Sie bilden eine brauchbare Möglichkeit der Welterklärung, so lange nicht andere an ihre Stelle treten, die Erfahrungsdaten erfolgreicher wiederzugeben scheinen. Grundsätzlich jedoch ist das Vokabular der modernen Physik gleichwertig mit dem Götterhimmel Homers. Dies bedeutet keine Abkehr vom Glauben an die Gültigkeit der Wissenschaft. Aber es könnte durchaus sein, dass künftige Generationen unsere Sicht von der Natur einmal für ebenso absurd halten werden, wie wir das Vertrauen in die Kraft von Göttern. Unsere physikalischen Theorien bestehen aus einem begrenzten Begriffsschema und unterscheiden sich von der Götterlehre nur graduell und nicht prinzipiell. Beide Arten von Wesenheiten kommen nur aus kulturellen Setzungen in unser Denken. Dennoch ist unsere Wissenschaft das weitaus beste Erklärungsmodell, das es gibt.