Text und Fotos von Tobias J. Hauke
Vogelspinnen als Nahrungsmittel
Seit Kambodscha zu einem beliebten Reiseziel für viele ausländische Touristen wurde, finden sich zahlreiche Berichte im Internet und anderen Medien (z.B. Weigt, 2014) über das Essen von Vogelspinnen. Als Zentrum für den Handel mit den Vogelspinnen gilt die Ortschaft Skun, etwa 80 km nördlich der Hauptstadt Phnom Penh gelegen. Hier sollen täglich bis zu 1500 Spinnen verkauft werden (Yen & Ro, 2013). Aber auch an anderen Orten, wie bspw. in der Hauptstadt Phnom Penh oder in Siem Reap, von wo aus man die Tempelruinen Ankors besichtigen kann, werden Vogelspinnen zum Essen angeboten.
Die Spinnen werden mit einem Spaten bzw. improvisiertem Werkzeug aus ihren Röhren ausgegraben, fixiert und schließlich werden ihnen die Chelizeren abgebrochen, damit sie sich nicht mehr durch einen Biss verteidigen können (Weigt, 2014). Damit ist dann ohnehin das Schicksal der Tiere besiegelt, da sie ohne ihre Beißwerkzeuge in der Natur kaum überlebensfähig sind. Zur Zubereitung werden die Vogelspinnen gründlich gewaschen, gewürzt und in heißem Öl frittiert (Weigt, 2014).
Es wird oftmals angegeben, dass Vogelspinnen während der Herrschaft der Roten Khmer in den 1970er an Bedeutung als Nahrungsmittel gewannen, als weite Teile der kambodschanischen Bevölkerung an Hunger litten (Yen & Ro, 2013). Allerdings gibt es inzwischen Zweifel an dieser Darstellung und womöglich dienen Vogelspinnen in Kambodscha schon länger als Nahrungsmittel (Tansley, 2012). Auch heute halten viele Kambodschaner diese Spinnen für sehr nährreich und es wird ihnen zum Teil sogar eine heilende Wirkung nachgesagt. Dennoch scheinen die Vogelspinnen inzwischen überwiegend an Besucher bzw. Touristen verkauft zu werden, nachdem sie in Öl frittiert wurden. Für die Sammler und Verkäufer stellt dieser Handel in einem immer noch recht armen Land einen wichtigen Teil des Einkommens dar. Bei den verkauften Vogelspinnen handelt es sich wohl nahezu ausschließlich um in der Natur gesammelte Tiere – Berichte, dass einige der Tiere nachgezüchtet wurden, sind als zweifelhaft anzusehen. Berücksichtigt man die hohen Stückzahlen gesammelter Tiere und die Langlebigkeit dieser Spinnen, ist zu befürchten, dass der Handel kaum nachhaltig ist und ein Übersammeln die Populationen gefährden könnte (Yen & Ro, 2013).
Bislang existieren keine systematischen Untersuchungen, welche Vogelspinnenarten überhaupt als Nahrungsmittel in Kambodscha gesammelt werden. Im Internet stößt man zum Teil auf die Angabe, es handle sich um eine „Gestreifte Vogelspinne“ oder eine „Zebra-Vogelspinne“. Damit dürfte die Art Haplopelma [Cyriopagopus] albostriatum gemeint sein. Diese Annahme könnte allerdings lediglich auf den Umstand zurückzuführen sein, dass bis vor wenigen Jahren H. albostriatum die einzige aus Kambodscha beschriebene Vogelspinnenart war (erst im Jahr 2005 wurde mit Haplopelma [Cyriopagopus] longipes eine weitere Art aus Kambodscha beschrieben). Ich konnte bis jetzt allerdings keine nachvollziehbaren Indizien finden, dass es sich bei der Art, die in Kambodscha gesammelt wird, tatsächlich um H. albostriatum handelt - eher im Gegenteil: Abgesehen von einer aus dem Jahr 1886 stammenden Erwähnung in der Erstbeschreibung finden sich in der Literatur keine neueren Nachweise dieser Art aus Kambodscha. Somit kann vermutet werden, dass H. albostriatum in Kambodscha entweder vergleichsweise selten vorkommt bzw. schwer zu finden ist oder die Herkunftsangabe in der Erstbeschreibung („Pnom-Penh (Cambd.)“; Simon, 1886) sogar auf einem Irrtum basiert. Wahrscheinlich handelt es sich bei der als Nahrungsmittel gesammelten Art stattdessen überwiegend um die in Kambodscha weit verbreitete Haplopelma [Cyriopagopus] longipes (eigene Beobachtung; Tansley, 2012, 2013a & 2013b). Es wäre aber durchaus denkbar, dass auch weitere Arten gesammelt werden, z.B. eine Teils in den gleichen Gebieten wie H. longipes vorkommende Chilobrachys-Art, oder, dass aufgrund der hohen Nachfrage schon Spinnen aus anderen Regionen importiert werden. Auch wenn zurzeit mit H. albostriatum und H. longipes nur zwei Vogelspinnenarten aus Kambodscha beschrieben sind (World Spider Catalog, 2017), konnten in den letzten Jahren einige weitere Vogelspinnen (sowohl aus der Unterfamilie Ornithoctoninae als auch aus der Unterfamilie Selenocosmiinae) in diesem Land gefunden werden (Tansley, 2012, 2013a & 2013b). Es bleibt zu hoffen, dass hierzu in naher Zukunft Untersuchungen veröffentlicht werden, die die Artzugehörigkeit(en) klären. Haplopelma longipes sollte sich immerhin einfach identifizieren lassen, da sie sich von allen anderen Arten der Haplopelma minax-Artgruppe beispielsweise durch das Vorhandensein einer Haarfranse auf Tarsus und Metatarsus des vierten Beinpaares oder durch eine ungeteilte Scopula des Metatarsus IV unterscheiden lässt (von Wirth & Striffler, 2005; Hauke & von Wirth, 2013 & 2015).
English Summary
Cambodia and particularly the town of Skun became known for the sale of tarantulas as food products. The spiders are fried in hot oil and then sold to visitors and tourists. It is estimated that more than 1500 tarantulas are sold daily and so the trade is considered to be important for the income of the local population. However, since all the sold spiders are wild caught, it is feared that the trade is not sustainable and over collection might threaten the populations of the tarantulas (Yen & Ro, 2013). So far no studies are available on the identity and diversity of the collected tarantulas. Observations suggest that Haplopelma longipes is one of those species predominantly collected as food product. Haplopelma longipes is widely distributed in Cambodia and can be easily identified as it can be distinguished from all other members of the Haplopelma minax species group by a bunch of hair on tarsus and metatarsus of leg IV and by an undivided scopula of metatarsus IV.
Zitierte Literatur:
Hauke, T. J. & von Wirth, V. (2015): Haplopelma longipes von Wirth & Striffler 2005 – introduction of a new colour form in the hobby. British Tarantula Society Journal, 30 (1), 44-53.
Simon, E. (1886): Arachnides recueillis par M. A. Pavie (sous chef du service des postes au Cambodge) dans le royaume de Siam, au Cambodge et en Cochinchine. Actes de la Société Linnéenne de Bordeaux 40, 137-166.
Tansley, G. (2012): 20 days in Cambodia. British Tarantula Society Journal 28 (1), 42-47.
Tansley, G. (2013a): 20 days in Cambodia (Part 2). British Tarantula Society Journal 28 (2), 92-97.
Tansley, G. (2013b): 20 days in Cambodia (Part 3). British Tarantula Society Journal 28 (3), 121-128.
von Wirth, V. & Striffler, B. F. (2005): Neue Erkenntnisse zur Vogelspinnen - Unterfamilie Ornithoctoninae, mit Beschreibung von Ornithoctonus aureotibialis sp. n. und Haplopelma longipes sp. n. (Araneae, Theraphosidae). Arthropoda 13 (2), 2-27.
Weigt, M. (2014): Frittierte Vogelspinne zum Frühstück. www.stern.de (online: http://www.stern.de/genuss/essen/delikatesse-in-kambodscha--frittierte-vogelspinne-zum-fruehstueck-3477830.html; abgerufen am 02.02.2017)
World Spider Catalog (2017): World Spider Catalog. Natural History Museum Bern, online: http://wsc.nmbe.ch, version 18.0, aufgerufen am 05.02.2017.
Yen, A. L. & Ro, S. (2013): The sale of tarantulas in Cambodia for food or medicine: Is it sustainable? Journal of Threatened Taxa 5 (1), 3548-3551.
Dieser Text ist Teil eines von mir geschriebenen, ausführlichen Artikels über asiatische Vogelspinnen der Unterfamilie Ornithoctoninae, der ursprünglich in der Zeitschrift ARACHNE erschien: