Erscheinungen in Banneux offiziell anerkannt
Hintergründe zur Anerkennung der Erscheinungen
Erscheinungen in Banneux sind „moralisch sicher“
von Lothar Klinges
Am 22. August 1949 hat Bischof Louis-Joseph Kerkhofs die acht Erscheinungen von Banneux
(1933-1934) offiziell anerkannt.
„Es ist aber der Mühe wert, den 22. August ein wenig im Jahresprogramm hervorzuheben“, meint Leo Palm, Rektor des Wallfahrtsortes, der besonders auf die sechzehn Jahre, 1933 bis 1949, hinweist, die es bis zur offiziellen Anerkennung dauerte.
„Der Bischof hat sich Zeit gelassen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Er hat Kommissionen eingesetzt, die die Erscheinungen genau untersucht haben“, unterstreicht der Rektor. Im Jahr 1942 habe sich der Bischof ein erstes Mal geäußert. Er war aber der Meinung, dass die Akte nochmals intensiv untersucht werden sollte. Fünf Jahre später schrieb er einen weiteren Hirtenbrief, in dem er von Bedenken der Experten spricht. Am 22. August 1949 hat Bischof Kerkhofs offiziell die Echtheit der Erscheinungen erklärt.
Der Bischof hat sich somit sechzehn Jahre Zeit gelassen, einerseits um das Dossier genauestens untersuchen zu lassen, aber auch um zu sehen, was sich in Banneux abspielte.
Die Skepsis des Bischofs rührte daher, dass bereits zwischen November 1932 und Januar 1933 die Mutter Gottes angeblich sechsundzwanzig Mal in Beauraing erschienen war. „Da kam die Frage auf, ob Mariette Beco nur eine Trittbrettfahrerin war“, erläutert Leo Palm. „Könnte da nicht ein Mädchen auf den Gedanken kommen, sich vielleicht eine Erscheinung der Mutter Gottes herbeizusehnen.“ Die Experten waren sich aber einig, dass Mariette Beco „ein sehr realistisches Mädchen mit wenig Erfindungsgabe war.“ Dies bezeugten alle Experten, die sie untersucht haben: „Mariette Beco ist ein Kind ohne jegliche Fantasie.“
Hinzu kommt, dass ihr Vater bezeugte, dass sie ihn noch nie angelogen habe. „Das waren doch zwei Bemerkungen, die für die Echtheit der Erscheinungen sprachen“, folgert Leo Palm. „Der damalige Bischof hat gut daran getan, die Sache nicht zu schnell anzuerkennen.“
Von Seiten des Papstes habe der Bischof auch Richtlinien erhalten, denn Rom habe ein gewisses Mitspracherecht. Im Jahr 1949 habe der Vatikan dem Bischof freie Hand gegeben, so dass er die Erscheinungen anerkennen konnte. Im Hirtenbrief vom 22. August 1949 habe der Bischof geschrieben, dass er guten Gewissens und ohne Einschränkung die Erscheinungen anerkennen könne. „Es ist für mich moralisch gesehen sicher, dass die Mutter Gottes der kleinen Mariette Beco achtmal erschienen ist“, bestätigte Bischof Kerkhofs.
„Moralisch sicher“
Der Bischof habe hier einen Unterschied zwischen „moralisch“ und „wissenschaftlich sicher“ gemacht. Wenn jemand etwas bezeuge, wo der Glaube mitspielt, könne er nur moralisch sicher sein. Niemand könne wissenschaftlich beweisen, dass die Mutter Gottes in Banneux erschienen sei. Es handele sich hierbei um die Sicherheit, die man Zeugen gibt, denen man wahrhaft vertrauen kann.
Woher kam die Skepsis bis zur Anerkennung der Erscheinungen?
War Mariette Beco eine Trittbrettfahrerin?
Als es im Jahr 1933 zu den angeblichen Erscheinungen in Banneux kam, glaubte man zunächst, die Seherin Mariette Beco sei eine Trittbrettfahrerin.
Der damalige Kaplan von Banneux, Louis Jamin, war überdies überrascht. Er war Anfang Januar 1933 nach Beauraing gepilgert. Beim Verlassen des Ortes hatte er seinen Mitpilgern gegenüber geäußert, dass sie gemeinsam eine Novene beten sollten, damit die Mutter Gottes ein Zeichen gebe, dass sie in Beauraing wirklich erschienen sei. „Im Traum hat er nicht daran gedacht, dass das Zeichen eigentlich die Erscheinungen von Banneux sein sollten“, erzählt Rektor Leo Palm. Dann sei es am 10. Tag nach der Pilgerfahrt zu der ersten Erscheinung in Banneux gekommen. Der Priester wird sich wohl gedacht haben, das sei des Guten zu viel. Er hat um ein Zeichen gebeten, an dem man erkennen konnte, dass in Beauraing Maria wirklich erschienen war, aber dass sie direkt nach Banneux komme und einem kleinen Mädchen erscheine, hat er sich nicht erträumen lassen. Er habe sich gesagt, das sei wohl zu schön, um wahr zu sein. So sei er auf Distanz und dem Geschehen in Banneux gegenüber skeptisch geblieben. Er habe Mariette zwar nach jeder Erscheinung befragt, so auch am 21. Januar, nach der vierten Erscheinung, als Mariette Beco einen Ohnmachtsanfall erlitten habe, nachdem ihr Maria die Hände aufgelegt habe, um sie zu segnen. Der Kaplan sei davon ausgegangen, dass sich die Mutter Gottes nunmehr verabschiedet habe und nicht wiederkomme. Trotzdem habe es die kleine Mariette jeden Abend zum Rosenkranzgebet nach draußen gezogen. Drei Wochen lang habe sie im Gebet ausgeharrt. Am 11. Februar sei die Mutter Gottes wiederum erschienen und habe ihr dann die Kernbotschaft mitgeteilt: „Ich komme das Leid zu lindern.“ Mariette sei glücklich gewesen, dass der Kaplan nicht recht behalten habe. Bei der letzten Erscheinung am 2. März, habe Maria ihr nochmals die Hände aufgelegt und sie gesegnet und dann nicht „Auf Wiedersehen“, sondern „Adieu“, „Lebe wohl“, gesagt.
Bei der sechsten Erscheinung habe Kaplan Jamin der Seherin den Auftrag gegeben, um ein Zeichen zu bitten. Die Gottesmutter habe dem Mädchen gesagt: „Glaubt an mich, ich glaube an euch.“ Mit dieser Aussage seien dem Priester die Augen aufgegangen und sie habe ihn mitten ins Herz getroffen, da er die Erfahrung gemacht habe, dass es zunächst des Glaubens bedarf. Er, der bis dahin so skeptisch war, sei zum Befürworter der Erscheinungen geworden. Kurz vor seinem Tod habe er gesagt, das größte Wunder von Banneux sei seine eigene Bekehrung gewesen.
Kaplan Jamin habe nämlich damals in einer Glaubenskrise gesteckt, weil sich einer seiner Mitbrüder das Leben genommen hatte. Die Erscheinungen von Banneux hätten ihn zu einem im Glauben gefestigten Menschen und Priester gemacht.
Für Leo Palm sind diese Aussagen hilfreich, um zu verstehen, warum der Kaplan zunächst reserviert war. Auf die Bitte um ein Zeichen bekam er die Antwort „Glaubt“. So wünscht sich der Rektor, dass die Menschen, die nach Banneux kommen, nicht zunächst Zeichen sehen wollen, um glauben zu können, sondern erst einmal zu glauben versuchen und danach möglicherweise die Zeichen erhalten.
Worin besteht die Botschaft von Banneux?
Leo Palm, Rektor von Banneux:
Wenn man sich die Botschaft von Banneux anschaut, dann kann man sagen, dass sich die Mutter Gottes etwas dabei gedacht hat. Maria kommt in unseren Alltag, sie erscheint im Gemüsegarten der Familie Beco. Aber sie sagt uns auch, dass das Alltagsleben nicht alles ist. Unser Leben ist ein Pilgerweg hin zur Quelle. Vergesst nicht die göttliche Dimension in eurem Leben. Eigentlich hatte die Familie Beco keine Nachbarn, da sie abseits vom Dorf lebte. Maria äußerte den Wunsch, eine kleine Kapelle im Garten zu erhalten. Sie wurde die erste und beste Nachbarin der Familie. Ich kann für Dich eine gute Nachbarin sein, könnte Maria sagen. Unter Nachbarn besucht man sich, man redet miteinander und kann sich aufeinander verlassen und Hilfe erfahren. Ich komme das Leid zu lindern, sagte Maria, die selbst Leid erfahren hat, in Banneux. Sie sagte aber nicht, dass sie wie eine Zauberin das Leid wegnehme, sondern dass sie gekommen sei, es zu lindern. Ich kann bestätigen, dass die Leute anders nach Hause fahren als sie hierhergekommen sind. Das steht fest, wenn man die Pilgerfahrt mit Glauben und Vertrauen unternimmt.
HINTERGRUND
Glauben und Vernunft in Einklang bringen
Am 22. August 1949 hat der damalige Bischof Louis-Joseph Kerkhofs (1927-1961) die endgültige kirchliche Anerkennung der Erscheinungen der Jungfrau der Armen in Banneux ausgesprochen. Er erkannte dadurch die Wirklichkeit und den übernatürlichen Charakter der Erscheinungen der Gottesmutter an, die der kleinen Mariette Beco zuteil geworden sind.
In seinem Hirtenbrief schreibt er: „Zweimal, zuerst 1942, dann 1947, habe ich mit einigen Einschränkungen die Wirklichkeit der Erscheinungen von Banneux offiziell anerkannt. Heute, nach zwei weiteren Jahren des Gebetes und der Beobachtung, glaube ich, dass mein Gewissen es mir erlaubt und gebietet, diese Realität ohne irgendeine Einschränkung anzuerkennen; ich spreche von der Realität der acht Erscheinungen der Mutter Gottes vor Mariette Beco, die am 15., 18., 19. und 20. Januar, am 11., 15. und 20. Februar und am 2. März 1933 stattfanden." Damit geht er einen Schritt weiter, als nur die hohe Wahrscheinlichkeit der Fakten zu versichern.
Im August 1949 schreibt Bischof Kerkhofs an die Priester des Bistums: „Anders als die Mitglieder der Untersuchungskommission, die sich einzig und allein auf Zeugenaussagen gestützt haben, haben wir die Fakten, ihre Entwicklung, die Früchte in Betracht gezogen: Alles zusammen betrachtet fügt sich zu einem festen Strang zusammen, der uns zur Beurteilung führt, die Erscheinungen von Banneux haben sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ereignet."
Bischof Kerkhofs bezieht somit klar Stellung: Seine Stellungnahme ist Ausdruck seiner tiefsten Überzeugung, die sich aus einem langen Entwicklungsprozess ergeben hat.
Für Bischof Aloys Jousten macht dies deutlich, mit welcher Ernsthaftigkeit sein Vorgänger die Entscheidung getroffen hat. „Ich würde sogar sagen, dass er Glauben und Vernunft in Einklang hat bringen wollen, bevor er 1949, sechzehn Jahre nach den Erscheinungen, seine endgültige Billigung bekannt gibt.“ Es sei auch ein Beispiel dessen, was Benedikt XVI. immer wieder sagt: Glaube und Vernunft schließen einander nicht aus. Es ist nicht unvernünftig, zu glauben.
Bischof Kerkhofs habe die Glaubwürdigkeit der Erscheinungen, ihre Wirklichkeit und ihre Botschaft gründlich untersuchen lassen, unterstreicht Bischof Aloys Jousten. Um die Echtheitserklärung guten Gewissens aussprechen zu können, wollte er sich auf die gesicherten Ergebnisse dieser Untersuchungen stützen. Diese Ergebnisse können niemals wissenschaftlichen Beweisen gleichkommen, waren jedoch für ihn eine unerlässliche Voraussetzung jeglicher kirchlicher Anerkennung, betont Bischof Jousten. „Diese gesicherten Ergebnisse machen den Glauben nicht überflüssig, stellen diesen aber auf eine vernünftige Grundlage. Vernunft ist kein Ersatz für den Glauben, ermöglicht es aber, Glaubensinhalte besser zu verstehen.“