LAbg. Mag.” Karin Scheele
war Vorsitzende der Intergruppe Westsahara undLeiterin der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament.
Vor ihrer Tätigkeit als EU-Abgeordnete war sie als Referentin im Internationalen Sekretariat der SPÖ unter anderem für die Bereiche Entwicklung und Politik zuständig.
2011 Mitarbeit am von Erich Fenninger herausgegebenen Buch „Von Freiheit träumen".
Der Konflikt um die Westsahara bewegt mich seit meiner Jugend, seit meiner Zeit in der Sozialistischen Jugend Niederösterreich. Damals sammelten wir Geld für Brunnen „in der Wüste“, um bessere Lebensbedingungen der saharauischen Flüchtlinge zu schaffen, die in einem unwirtlichen Winkel Westalgeriens in Lagern lebten. Ich wusste damals sehr wenig über den Konflikt selbst. Hannes Weninger war damals Vorsitzender der SJ in Niederösterreich und hatte die solidarische Zusammenarbeit mit den Saharauis gestartet.
Seither engagiere ich mich für das Selbstbestimmungsrecht der Saharauis und dafür, dass dieser Konflikt nicht vergessen wird. Menschenrechte und internationales Recht müssen die Politik bestimmen, nicht das Recht des Stärkeren. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten werden nur dann glaubwürdig für Menschenrechte und Völkerrecht eintreten können, wenn sie es auch in der Frage der Westsahara ernst meinen. Die Ansagen von Pedro Sanchez und kürzlich Emanuel Macron, dass sie den Vorschlag Marokkos unterstützen würden, sprechen gegen eine legale und friedliche Lösung in der Westsahara und reduzieren einmal mehr die Glaubwürdigkeit Europas.
A bisserl Geschichte …
Das Gebiet der Westsahara wird 1884 zur spanischen Kolonie (Berliner Kongress). Jahrzehntelang bleibt die Präsenz der Spanier auf Villa Cisneros, Dajla beschränkt. Das Gebiet der Westsahara wird mit dem Entdecken riesiger Phosphatfelder für die spanischen Kolonialherren sehr interessant. Mit der Ausbeutung der Rohstoffe steigt auch die Unterdrückung der saharauischen Bevölkerung. Am 10. Mai 1973 wird die Frente Polisario (Befreiungsorganisation den Saharauischen Volkes) gegründet, weil die von den Vereinten Nationen geforderte und von Spanien versprochene Dekolonialisierung (1) immer wieder verschoben wird. Jeder Protest wird gewaltsam unterdrückt, es kommt zum bewaffneten Kampf der Befreiungsorganisation. Innerhalb kurzer Zeit verwandelt sich die Frente Polisario in eine Massenbewegung. Marokko – selbst dekolonialisiert und unabhängig seit 1956 – meldet Ansprüche an den Gebieten der Westsahara an. Der damalige König Hassan II. lässt diese beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag 1974 prüfen, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem Spanien erneut ein Referendum in der Westsahara ankündigt. Der Internationale Gerichtshof erteilt dem marokkanischen König Hassan II. eine klare Abfuhr, weil mit einer UN-Delegation festgestellt worden war, dass die überwältigende Mehrheit der saharauischen Bevölkerung die Unabhängigkeit will.
Nach diesem NEIN des Internationalen Gerichtshofes marschiert Marokko in die Westsahara ein. Viele Saharauis fliehen aus den Gebieten der Westsahara nach Algerien. Die Flüchtingslager entstehen in der Nähe der algerischen Stadt Tindouf. Kurz nach diesem Einmarsch, dem sogenannten Grünen Marsch, kommt es zum Madrider Abkommen, das illegal die Gebiete der Westsahara von Spanien an Marokko und Mauritanien abtritt. Am 26. Februar 1976 endet die spanische Verwaltung der Westsahara, am 27. Februar 1976 wird die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausgerufen. Die Ausrufung ist eine klare Botschaft des Unabhängigkeitswillens der Saharauis.
90er-Jahre – es gibt Hoffnung, die bitter enttäuscht wurde
Ende der 80er-Jahre unterzeichnen Marokko und die Frente Polisario einen von der UNO ausgearbeiteten Friedensplan. Dieser sieht die Registrierung der Wahlberechtigen und die Abhaltung eines Referendums vor, bei dem die Saharauis über die Zukunft ihrer Heimat entscheiden sollen. Zu diesem Referendum ist es bis heute nicht gekommen. Marokko findet immer wieder Ausreden, um die Umsetzung des Volksentscheids und damit die Einhaltung des Völkerrechts zu blockieren. Eine UNO-Mission, die in den von Marokko besetzten Gebieten die Menschenrechte kontrolliert, scheitert am Veto Frankreichs im UNO-Sicherheitsrat. Das Einknicken des spanischen Regierungschefs Sanchez und die kürzlich getätigten Ansagen des französischen Präsidenten Macron, die Autonomie-Lösung der marokkanischen Besatzer zu akzeptieren, tritt internationales Recht mit Füßen und verspielt jegliche Glaubwürdigkeit bei der Vermittlung und Lösung anderer Konflikte. Wenn die Saharauis eine Autonomie-Lösung wollen, dann müssen sie das Recht haben, sich für diese oder die Unabhängigkeit ihres Heimatlandes Westsahara zu entscheiden.
(1) Unter Entkolonialisierung, auch Dekolonisierung, versteht man die Befreiung von Ländern und Völkern aus der rechtlichen Abhängigkeit von Kolonialmächten sowie die Auflösung des vom 16. bis 20. Jahrhundert bestehenden Kolonialsystems.