Joachim Werneburg 

Veröffentlichungen

Die Taten des Lichts

Am 2. Juni 2022 jährte sich der Geburtstag des Künstlers Walter Werneburg zum 100. Mal. Anläßlich dieses Jubiläums und der Übergabe des Gesamtwerkes an die Graphische Sammlung der Universität Tübingen wird im vorliegenden Band ein Überblick zu Leben und Werk des Thüringer Malers und Graphikers vorgelegt.

Im Schwerpunkt der Tübinger Sammlung und des Spätwerkes von Walter Werneburg steht der Dialog zwischen Bild und Text. Die kunsthistorische Kontextualisierung in die Geschichte des 20. Jahrhunderts bietet eine hier erstmals abgedruckte Rede des Kunsthistorikers Rudolf Kober. Kustodin Ariane Koller stellt die Tübinger Sammlung und ihre Schlüsselrolle in der studentischen Ausbildung näher vor. Ingmar Werneburg, Enkel des Künstlers (und Hrsg. des Buches), faßt in einer Biographie die wichtigsten Stationen im Leben und Stimmen zum Werk von Walter Werneburg zusammen. Zwei Kunstlehrer, Hartmut Wille und Hans-Joachim Althaber, kommen zu Wort und erinnern sich ihres Vorbildes und Freundes an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt. Ein Aufsatz deutet einen Druckgraphikzyklus zur „Versteinerten Natur“ im goethischen und evolutionistischen Sinne aus.

Im Kapitel „Wort und geschwungene Linie“ berichtet der Dichter Joachim, Sohn von Walter Werneburg, über die künstlerische Zusammenarbeit mit seinem Vater vor allem in den 1980er Jahren und stellt zwei neuere Gedichtzyklen vor, die Leben und Werk des 1999 verstorbenen Malers aufgreifen: „Oppershäuser Blätter“ und „Russischer Frühling“.

Ein umfangreicher Kommentar am Ende des Buches soll die zukünftige wissenschaftliche Aufarbeitung von Walter Werneburgs Schaffen erleichtern. Zahlreiche farbige Abbildungen stellen eine Auswahl des über 2.000 Blätter umfassenden Oeuvres dar.

Scidinge Hall Verlag Tübingen 2022, ISBN: 978-3-947020-16-4, A5-Format, 382 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 40,00 €.


Der Untergang Europas


Gedichte 2013 bis 2019. Den Mikrokosmos seiner Heimatregion hatte J. W. bereits in dem Buch „Thüringer Meer“ (1991) dichterisch gestaltet. Die weitaus größere Welt thematisiert er nun auch in dem vorliegenden Band.

Der Text „Maurisches Tor“ eröffnet, mit nordafrikanischem Zauber, den Abschnitt „Dattelpalme“. Baal, der morgenländische Gott, bringt sodann nicht nur eine Oase, auch Karthago in Not. Eine Purpurrose, gemalt von Paul Klee, scheint das Land zu befrieden.

Die „Ulme“ steht für das Europa-Kapitel. Hier ist, auf Sizilien, noch der heiße Wind der Sahara zu spüren. Ein Luftstrom von den Äolischen Inseln bringt jedoch mafiose Strukturen durcheinander („Der Palmwedel“). Der Erdteil scheint seinem Verderb entgegen zu streben, davon weiß die gleichnamige Königstochter ein Lied zu singen („Der Untergang Europas“). Diese tektonische Bewegung erreicht auch die Mitte des Kontinents, was der Vater des Autors, Walter Werneburg (1922-1999), in seinen Grafiken festhält. Davon berichtet der Text „Oppershäuser Blätter“.

Warum vergehen Kulturen? Danach werden im Abschnitt „Steineiche“ die Weltweisen Orpheus, Parmenides und Zarathustra befragt. Ziel ihres Denkens ist vielleicht ein Paradies auf Erden.

Ein solches mag es  in Indien geben (Kapitel „Mangobaum“). Der Tanz des Shiva offenbart jedoch ein Leben voller Tragik. Wie gelangen wir aus diesem Kreislauf wieder heraus? Das zeigt Buddha am Beispiel des Löwenfelsens (Sigiriya) auf Sri Lanka.

Der Band enthält acht Graphiken, die sich auf die Dichtung „Der Untergang Europas“ beziehen, sie zeigen die Verwandlungen einer Meeresnymphe, mit denen sie sich ihrem Verehrer zu entziehen sucht. Die Bilder stammen von Ingmar Werneburg (*1981), dem Dichter, Morphologen und Sohn von J. W.

Scidinge Hall Verlag Tübingen 2019, 159 Seiten, ISBN: 978-3-947020-08-9, 14,50 €


Die Reise nach Südost

Gedichte nach Pe-lo-thien. Mit Graphiken von Walter Werneburg. Das Werk des chinesischen Dichters Pe-lo-thien (772 bis 846) wird mit diesem Band in einer Auswahl vorgelegt. Es zeichnet sich durch berückende Naturbilder aus und zeigt das Treiben des Volkes wie das Geschehen am kaiserlichen Hof.

Pe-lo-thien (Bai Juyi) wurde in die Tang-Dynastie hinein, eine Blütezeit der chinesischen Literatur, geboren. Um 800 in die Hauptstadt des Kaiserreichs zu regierungsamtlichen Aufgaben berufen, verbannte man den Poeten im Jahre 815 wegen einer ungebetenen Kritik an den Yang-tse-kiang. Auf der Reise dorthin („ ... nach Südost”) lernte er sein Land kennen. Die Landsleute kannten ihn aber schon, weil die Gedichte bereits über das ganze Reich verbreitet waren. 819 wurde der Dichter begnadigt und mit neuen Ämtern betraut, letzte Lebensjahre verbrachte er in einem buddhistischen Bergkloster.

Der Band beginnt mit Gedichten zur Herkunft des höfischen Beamten aus einem armen Dorf. Die seelische Spannung zwischen diesen beiden Polen zeigen die Natur-Gedichte auf. Zuletzt überwiegen buddhistische Motive, Texte, die um Einsamkeit, Krankheit und Tod kreisen. Aber der Dichter läßt sich nicht unterkriegen, er kennt eine Medizin dagegen, den Wein.

Joachim Werneburg schuf die Nachdichtungen in den Jahren 1988/89, zog sich die Maske des fernöstlichen Künstlers über und entdeckte den Chinesen als seinen Verwandten. Das spannungsvolle Leben des Kollegen gewann für ihn exemplarische Bedeutung. So rüstete er sich für kommende Jahrzehnte. Das Buch gerät nun auch zur Rechenschaft über eigenes Tun.

Dem Gedichtband sind zehn Graphiken von Walter Werneburg (1922 - 1999), dem Vater von J. W., beigegeben, die vielfach auf die atmosphärisch-meditative Malerei der Tang-Dynastie anspielen.

Scidinge Hall Tübingen 2017, 215 Seiten, DIN A5. ISBN: 978-3-947020-03-4, 13,50 €


Notizen auf der Felswand

... aus den Jahren 1990 bis 1995. Bis zum Fall der Mauer lebte J. W. im Ostteil Deutschlands, über diese Zeit berichtete er im Buch „Das Kupferbergwerk“. Was ihn seither an der schönen neuen Welt erstaunt, steht in der vorliegenden Aphorismen-Sammlung.

Aus einer Region, die jetzt dem westlichen Bündnis angehört, ergibt sich seit 1990 ein ganz anderer Blick auf den Osten Europas und auf Asien, wie das Kapitel „Der Eurasienstab“ zeigt. Ist nach diesem Seitenwechsel noch ein Austausch möglich, nicht nur der Energie, wie das gleichnamige Bild von Josef Beuys nahelegt?

Jemand, der sich bisher mit der Ökonomie des Sozialismus abfinden mußte, wird überrascht von den wirtschaftlichen Veränderungen hierzulande. So fällt, da ihm der Brotberuf wegbricht, manch hartes Wort. Druckte „Des Teufels rußiger Bruder“, so eine Überschrift, etwa das neue Geld? Der Kapitalist ist doch ein verkappter Alchemist. Nur so ist zu erklären, warum die Menschen sich von der neuen Ordnung Wunder erhofften, wie sie das „Märchen vom süßen Brei“ verspricht.   

Doch sind, wie das Kapitel „Der Alte mit der Mundharmonika“ verrät, die früheren Lieder nicht alle vergessen. Und wenn Keith Jarrett zum Jazz aufspielt, bringt er die versteinerten gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen. Da gebärdet sich der Unternehmer wie ein Druide, und ein Medienwissenschaftler bekommt den Job als Mitarbeiter „Im astrologischen Labor“.   

Gibt es noch offenen Fragen? Die Landschaft Mitteleuropas wird sie beantworten, sie gleicht einem vielschichtigen Text. Darauf verweist das Kapitel „Wie die Berge sich bewegen“, etwa beim Teuteburger Wald. Die Risse auf den Felswänden der Externsteine, geschaffen von Natur und Mensch über Jahrtausende hinweg, sind die „Notizen“, die auch der Graphikzyklus „Die Externsteine“ von Walter Werneburg (1922 bis 1999), dem Vater des Autors, zeigt. Die Arbeiten sind dem Band in Reproduktionen beigegeben.

Scidinge Hall Zürich 2016, 185 Seiten, DIN A5. ISBN: 978-3-905923-24-7, 14,95 €


Die Klage der Gorgonen

Gedichte 1997 bis 2007. In seinem Erstlingsband („Thüringer Meer”, 1977 bis 1989) schuf J. W. für Thüringen eine Mythologie der Natur und frühen Geschichte. Die Texte des vorliegenden Bandes „Die Klage der Gorgonen” ergänzen nun die poetische Provinz um die Welt des Mittelmeers und den Nordwesten Europas ...

Der Einstieg erfolgt mit dem Zyklus „Etruskisches Tarot“, nicht nur der Titel knüpft an das bekannte Kartenspiel an. Geographisch verbleiben die Arbeiten des ersten Kapitels in Mittel- und Süditalien, klassischer Mythos und christliches Mittelalter begegnen einander. Aber der Hohenstaufenkaiser und der Heilige Franz geraten beinahe in Streit.

Im zweiten Abschnitt „Hier ist Rhodos“  wird der Bogen zu den griechischen Inseln gespannt, die Antike ist präsent, Götter und Helden werden beredt. Und in der Sokrates-Gasse ist zu erfahren, der Mensch ist, was er ißt.

Das dritte Kapitel „Das Grab des Wächters“ springt nach Nordwestdeutschland und Wales. Der Nordwind überstreicht das Gebiet, germanisch-walisisches Heidentum meldet sich zu Wort, geordnet nach dem keltischen Baumalphabet. Doch in Böhmisch-Krumau wird Blei zu Gold.

Das vierte Hauptstück „Das Gesicht der Eule“ verweilt in Westeuropa (Bretagne und Andalusien). Motive der Jungsteinzeit und der islamischen Welt werden aufgegriffen. Die Schwalbe erhält freien Eintritt für den Besuch der Alhambra-Paläste. An die Grabhügel Westeuropas scheinen die Pyramiden Ägyptens zu erinnern, Falke und Krokodil jedenfalls kommentieren die Nachtmeerfahrt der Sonne.

Das fünfte Kapitel „Die Burg des Zaunkönigs“ enthält zehn naturlyrische Elegien, die in den mittleren Teil Deutschlands zurückführen. Auch der kleinste Vogel begreift nun, die Felsenburg ist nur das Spiegelbild auf dem Schaufelrad einer Wassermühle.

Der letzte Abschnitt „Die Klage der Gorgonen“ bietet den von altgriechischer Überlieferung geprägten sizilianischen Doppelzyklus. Am Gorgo-See jedoch räumen Teichhuhn und Zwergtaucher nur ungern ihren Platz für Medusa.

Scidinge Hall Zürich 2015, 272 Seiten, DIN A5. ISBN: 978-3-905923-21-6, 13,50 €


Die Wiederkehr des Delphins

Gedichte 2008 bis 2013. Mit dem Buch „Thüringer Meer“ (1991) hatte J.W. den Mikrokosmos seiner Heimatregion dichterisch gestaltet. Der neue Gedichtband präsentiert nun – der aufgehenden Sonne entgegen – eine Fahrt durch die Große Welt: vom westlichen Paradies im Atlantik, der Insel Teneriffa, bis hin zum Fernen Osten, der japanischen Hauptinsel Honshū.

Das Kapitel „Schlange“ zeigt die Loslösung von Eden, wie sich ein jeder von der Insel der Kindheit befreit. Jugendliches Aufbegehren dominiert in Landschaften und Mythen Sardiniens.

Der Abschnitt mit dem Titel „Rabe“ bringt Natur-Bilder aus der Mitte Deutschlands, etwa die Wöbelsburg. Jöten, Riesen, die Titanen der Gegenwart, stürmen die frühgeschichtliche Befestigung, bewirken Ragnarök, den Untergang der Alten Welt.

Das Kapitel „Delphin“ setzt die Geographie der Ägäisküste ins Bild: Delphi, Mykene, Troja …

Unter dem Titel „Elefant“ geht es nach dem Mittleren Osten. Während der Sultan seine Erwählte aus der westlichen Hemisphäre erwartet, spricht – beinahe feindlich – die orientalische Gartenpracht zu ihm. Prall auch das Leben auf dem indischen Subkontinent, das dem Brahmanen zum Traum wird.

Der Abschnitt „Kranich“ führt ins „Reich der Mitte“, gibt in 64 Sprüchen, parallel zum Buch der Wandlungen (I Ging), eine Vision des Daseins, die der kaiserliche Drache empfängt. In der letzten Dichtung tritt die Libelle als Regisseurin eines Nō-Spiels auf, das Landschaften Japans, Shintō und Buddha vereint.

Scidinge Hall Zürich 2013. 178 Seiten*. ISBN: 978-3-905923-13-1, 13,50 €


Thüringer Meer

Die Gedichte dieses Bandes aus den Jahren 1977 bis 1988 enthalten eine Mythologie Thüringens für Geologie, Pflanzen- und Tierwelt. Die Exkursionen führen in die Frühgeschichte dieses Landstrichs, den schöpferischen Konflikt mit westlichen Eroberern (Merowinger) und slawischen Einwanderern (Wenden).

Vor Jahrmillionen, sagen heute die Geologen, soll es in Thüringen ein Meer gegeben haben. Doch wie Ludwig Bechstein in den „Sagen aus Thüringens Frühzeit“ (1836) mitteilt, habe man schon vor Jahrhunderten auf dem Gebiet des Thüringer Flachlands ein schiffbares Meer für möglich gehalten, aus welchem nur der Inselsberg hervorragte. Das Erfurt der Legenden erscheint denn auch wie eine versunkene Stadt.

Was also mag die Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann (1711 - 1740) empfunden haben, als sie in ein Bergwerk bei Ilmenau hinabstieg und dabei auf die Sedimente eines urzeitlichen Meeres stieß? Dies wird in der Dichtung „Kupferberg“ angedeutet. Die Ablagerungen der Erdrinde scheinen den Schichtungen der menschlichen Psyche zu entsprechen. Versteinerte Tiere und Pflanzen reden den Besucher an.

Man braucht nicht immer so tief in die Erdschichten steigen. Nahe der Oberfläche liegen die Zeugen der vorchristlichen Kultur Thüringens. Archäologen finden diese, der Dichter deutet sie („Die Rabenfibel“). Ein Lichtstrahl fällt auf den Bernstein mit den Namenszügen Hahwar und Ida. Die Geister des heidnischen Thüringer Königreichs werden geweckt und berichten von dessen Untergang im Jahr 531. Dem Gedichtband sind 14 Farbgraphiken von Walter Werneburg (1922 - 1999), dem Vater des Autors, beigegeben, expressiv und mit Elementen des Germanischen Tierstils ist darin die frühgeschichtliche Welt gestaltet.

Bilder des Merowingerreiches, das einst über Thüringen siegte, ruft das Gespräch des spätrömischen Dichters Venantius Fortunatus (ca. 530 - 609) mit der Heiligen Radegundis (ca. 520 - 587) herauf, dabei kommt auch die gar gekochte Landschaft, ein Berg aus Fleisch und Zuckererbsen im Tal des Tellers, nicht zu kurz.

Aus Überlieferungen altslawischer Religion sind die „Slawischen Tänze“ gestaltet. Die gestrenge Mittagsfrau examiniert den Herzog Radulf († nach 642) des bereits christianisierten Thüringens, dabei kann er nur mit Mühe seinen Kopf retten.

Die „Minnesprüche“ nach Motiven der Lieder Heinrichs von Morungen († um 1220) führen ins Hohe Mittelalter. Das weiße Licht reiner Minne wird gebrochen in die sinnenfrohe Farbigkeit einer Gedichtfolge.

Johannes Babel, fahrender Poet zu Erfurt, wendet sich Ende des 15. Jahrhunderts gegen die abgerundete, theologische Philosophie seiner Zeit (Dichtung „Babel“). Damit bereitet er den Humanistenkreis um Eobanus Hessus vor. Dieser Gelehrte arbeitet im Jahr 1521 an den Nachdichtungen der Idyllen Theokrits, während das aufgebrachte Volk die Kirchen stürmt.

Im Text „Widukind“ spiegeln sich die Verhältnisse am barocken Fürstenhof zu Rudolstadt wider, Furien und Parzen dirigieren ein Maskenspiel. Der Held gewinnt für Kaiser Karl eine Schlacht gegen Sarazenen, doch die Siegesnachricht wird durch die intrigierende Partei verfälscht …

Letztlich ist der Band „Thüringer Meer“ das Denkmal einer Existenz im kleindeutschen Mauerstaat DDR. Dessen Zeitgeist wird in einigen Epigrammen und Odenstrophen kritisch reflektiert. Tiefe der Gedanken war - bis auf den Meeresgrund - möglich. Dies Land wurde als Zeittunnel erfahren, die mythische Vergangenheit zeitgenössisch erlebt. Dagegen verblaßten verklärte Gegenwart und hehre Zukunftsvisionen zu etwas längst Vergangenem. So war es leicht, einen distanzierten, spielerischen Umgang mit den Ereignissen zu erlernen, ganz gleich aus welcher Zeit.

Scidinge Hall Verlag Zürich 2012. ISBN: 978-3-905923-10-0. 206 Seiten, mit 14 Farbdrucken von Walter Werneburg, 13,50 €


Das Kupferbergwerk

Fragmente von 1977 bis 1989. Ein stillgelegtes Kupferbergwerk - nebenan wohnte Joachim Werneburg, ein Student in Ilmenau. Jahre später dichtete er seine „Einfahrt“ in die Zeche, den Verszyklus „Kupferberg“. Die Erdrinde mit versteinerten Tieren und Pflanzen zeigte sich ihm geschichtet - wie die menschliche Psyche. In seinen Gedichten schuf Werneburg bald eine Mythologie Thüringens, die neben der Natur auch dessen Geschichte einschließt („Thüringer Meer“, 1991). Die Stationen dieser Arbeit zeichnete er auf, berichtete auch über seine Zeit als Autor unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats. 

Der Band „Das Kupferbergwerk“ präsentiert nun diese Aphorismen, Fragmente und kleinen Abhandlungen aus den Jahren 1977 bis 1989, die dem Arbeitsjournal Joachim Werneburgs entnommen sind. Sie geben Einblick in das Laboratorium der Worte, das Spiel der Gedanken, die Geometrie der Sätze. Schriftstellerische Praxis und Erkenntnisdrang gehen dabei ein Bündnis ein. Auch zur Biologie, Physik, bis hin zur Elektronik werden Verbindungslinien sichtbar. Der Autor hat eine Universalpoesie im Sinn, die Naturwissenschaft, Philosophie und Dichtung im Zusammenhang sieht. Auffällig ist sein produktives Verhältnis zur Bildenden Kunst. Walter Werneburg (1922 bis 1999), der Vater des Autors, schuf Graphikzyklen zu den Gedichten. Einer davon - „Kupferberg“ - ist dem Band in vierzehn Reproduktionen beigegeben.

Eine Reihe von Fragmenten beschäftigt sich mit der Literatur des Alten China. Werneburg dichtete Ende der achtziger Jahre einen Teil des Werks von Pe-lo-thien (Bai Juyi, 772 bis 846) nach. In diesem widerspruchsvollen Menschen, einem kaiserlichen Beamten, dessen Naturlyrik auch die Armut einfacher Menschen beklagt, erkannte er einen Wahlverwandten. Und so wenden sich die Texte des Bandes „Das Kupferbergwerk“ ebenso gegen die Willkür despotischer Herrschaft - wie gegen die Kommerzialisierung der Öffentlichkeit, die vor keiner Grenze halt macht.

Scidinge Hall Verlag Zürich 2011, ISBN: 978-3-905923-08-7, 245 Seiten mit 14 Farbdrucken von Walter Werneburg, 17,95 €


Die Rabenfibel

Gedichte und Druckgraphiken. Aus der Zeit des Thüringer Königreichs (im 5. und 6. Jhd. n. Chr.) gelangten wertvolle Fundstücke in die Museen, etwa eine Vogelfibel, die Bernsteinperle mit Runeninschrift oder ein Rüsselbecher. Sie regten, neben anderem Material aus früheren Epochen, den Bildenden Künstler Walter Werneburg (1922 bis 1999) und seinen Sohn, den Lyriker Joachim Werneburg (* 1953), zu einem umfassenden künstlerischen Werk an, das nun unter dem Titel „Die Rabenfibel“ vorliegt. Mit dem Wort „Fibel“ ist hier eine frühgeschichtliche Gewandspange gemeint, aber auch ein ABC-Buch, in dem die grundlegenden Dinge dieser Welt in Wort und Bild versammelt sind.

So versetzt der Zyklus „Die Laute“ mit den „Saiten“ Raum - Natur - Eden - Abfall - Geschichte - Endzeit den gesamten Kosmos in Schwingung. Die Folge „Kupferberg“ lädt zu einem Abstieg in der Erde, in ihre Urgeschichte, ein, aber auch in die Tiefe der menschlichen Psyche. Die Frühgeschichte Europas wird neben der Gedicht- und Blattfolge „Die Rabenfibel“ auch durch „Slawische Tänze“ oder eine Arbeit über die Alten Skythen („Die Schlangenfüßige Göttin“) thematisiert. „Worte. Lutherisch“ und „Babel“ erinnern an den Umbruch im Mitteleuropa des 16. Jahrhunderts, der bis in die Gegenwart wirkt. Zyklen wie „Der Gelbe Fluß“ oder „Die Reise nach Südost“ führen ans andere Ende der Welt, nach China.

Walter Werneburg begleitete die Dichtungen seines Sohnes mit expressiven Radierungen (Aquatinta und Kaltnadelstich). In fünfzehn Jahren entstanden einundzwanzig solcher Zyklen. Sie sind formal den Künstlern der klassischen Moderne, wie Alexej Jawlensky, Franz Marc oder August Macke, verpflichtet.

Scidinge Hall Zürich 2010, 451 Seiten mit etwa 200 meist farbigen Drucken, ca. A4-Größe, ISBN: 978-3-905923-05-6, 79,90 €


Wort und geschwungene Linie

Aufzeichnungen über die künstlerische Zusammenarbeit mit Walter Werneburg. Der Graphiker Walter Werneburg (1922 bis 1999) nahm sich im Jahr 1979 einige Epigramme seines Sohnes Joachim mit Themen wie „Genesis“, „Pythagoras“ oder „Venedig“ vor und schuf danach expressive Druckgraphiken. Bald schon fragte er nach den nächsten Texten. Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die über viele Jahre anhalten sollte. Es entstanden einundzwanzig Zyklen nach den Dichtungen des Jüngeren. Diese Graphiken sind formal den Künstlern der klassischen Moderne, wie Alexej Jawlensky, Franz Marc oder August Macke, verpflichtet.

Zuvor hatte Walter Werneburg bereits ein umfangreiches aquarellistisches Werk geschaffen. Die Thüringer Landschaftsmaler Otto Knöpfer, Otto Paetz und Franz Markau waren ihm Lehrer und Anreger. An der Pädagogischen Hochschule Erfurt unterrichtete er Tiefdruckverfahren, was sich produktiv auf die eigene künstlerische Arbeit auswirkte. Diesem Band sind Reproduktionen von Druckgraphiken Walter Werneburgs aus verschiedenen Schaffensperioden beigegeben.

Der Sohn Joachim Werneburg hat in seinem poetischen Werk eine Mythologie Thüringens geschaffen, sie umfaßt dessen germanische Frühgeschichte, aber auch die Pflanzen- und Tierwelt. Für die künstlerische Zusammenarbeit spielten ebenso die Dichtungen nach Motiven aus der Welt der heidnischen Slawen, Skythen oder des mittelalterlichen Böhmen eine Rolle.

Für den vorliegenden Band hat der Autor Notizen aus seinem Arbeitsjournal zusammengestellt, die sich mit der gemeinsamen künstlerischen Arbeit befassen. Dazu gehören auch Überlegungen zum Werk anderer Bildender Künstler, die zumeist Gegenstand ihrer Gespräche waren. Eine frühere Textfassung aus dem Jahr 1997 wurde für diese Ausgabe um bisher nicht festgehaltene Erinnerungen ergänzt. (zur Rezension)

Scidinge Hall Zürich 2010, 123 Seiten mit 10 Farbdrucken, ISBN: 978-3-905923-02-5, 13,50 €


Die Schlangenfüßige Göttin

Gedichte 1987 bis 1993. Mit der „Schlangenfüßigen Göttin" wird die Welt des »Thüringer Meers« auch um Themen fernerer Länder erweitert. Noch auf einer Erhebung bei Erfurt offenbart sich das Geheimnis der Menschen-, vielleicht auch der Vogelsprache („Der Drosselberg").

„Der Heilige See" erinnert dann an das germanische Heiligtum bei Niederdorla in Nordwestthüringen. Einer Biographie der durch Erfurt fließenden Gera gleicht „Der Dunkle Fluß". Doch die „Gletschermühle" dreht sich bereits in den Hohen Tauern; im oberen Lauf der Ache wirkt der rätselhafte Schalenstein.

Zu den Externsteinen, einer markanten Felsformation im Teutoburger Wald, führt ein weiterer Text. „Die Fahrt der Tiere" zeigt die Welt der eiszeitlichen Höhlenmaler; Schamanen stellen mit ihrem Jagdzauber die Frage: Was ist der Mensch? 

Das Titelgedicht konfrontiert uns mit den Skythen, die als Meister des Tierornaments bekannt sind. Zu dieser Dichtung schuf Walter Werneburg (1922 - 1999), Bildender Künstler und Vater des Autors, vierzehn Farbradierungen; sie sind dem Band beigegeben. In der Gedichtfolge »Aus den Haraiti-Gebirge« klingen später Motive aus der Avesta an, dem heiligen Buch der Alten Perser.

»Die Orchidee« führt schließlich in das China der Sung-Dynastie (von 960 bis 1279), und der Leser steigt aus einer entrollten Papierrolle, „in der Hand eine gelbe Blume".

Edition Arnshaugk bei Engelsdorfer, Leipzig 2009, ISBN: 3-86901-164-5, 14,60 €


Die Klage der Gorgonen

Gedichte 1997 bis 2007. Der Einstieg in den Gedichtband Joachim Werneburgs erfolgt mit dem Zyklus „Etruskisches Tarot“, der Titel knüpft an das bekannte Kartenspiel an. Geographisch verbleiben die Arbeiten des ersten Kapitels in Mittel- und Süditalien, klassischer Mythos und christliches Mittelalter begegnen sich. Im Abschnitt „Hier ist Rhodos“ wird der Bogen zu den griechischen Inseln gespannt, die Antike ist präsent, ihre Götter werden beredt. Mit dem dritten Kapitel „Das Grab des Wächters“ erfolgt ein Sprung nach Wales und Nordwestdeutschland. Der Nordwind überstreicht das Gebiet, keltisch-germanisches Heidentum klingt an. Und in Böhmisch-Krumau wird das Blei zu Gold.

Das vierte Hauptstück „Das Gesicht der Eule“ verweilt in Westeuropa (Andalusien und Bretagne). Hier werden Motive der islamischen Welt sowie der Jungsteinzeit aufgegriffen. An das Neolithikum mit seinen Grabhügeln scheint das Alte Ägypten zu erinnern, dies wird in einer eigenen Gedichtfolge thematisiert. Das fünfte Kapitel „Die Burg des Zaunkönigs“ enthält naturlyrische Elegien, die in den mittleren Teil Deutschlands führen. Der Abschnitt „Die Klage der Gorgonen“ bietet den von altgriechischer Überlieferung geprägten sizilianischen Doppelzyklus. (zur Rezension)

Edition Arnshaugk bei Engelsdorfer, Leipzig 2008, ISBN: 3-86703-752-3; überarbeitete Neuauflage bei: Scidinge Hall Verlag, Tübingen 2015 (siehe oben)


Das Zeitalter der Eidechse

Gedichte 1993 bis 1996. Der Zyklus „Die Felswand von Lioux“ führt in die Provence. Der Kampf des Lichtes gegen das Dunkel zeigt sich im Sandstein an der Felswand, aber auch in den Bildern des ungarischen Malers Victor Vasarely, die in der kleinen Stadt Gordes gezeigt wurden. Für den Tod des Lichtes steht das Schicksal des Troubadours Guilhem de Cabestanh, für dessen Wiedergeburt dagegen ein Quell in der Kalksteinhöhle. Zwei Zikaden auf der Festung Ménerbes berichten von der Niederlage ketzerischer Protestanten, die doch nur eine lichtvollere Religion herbeiführen wollten.

Zum Mittelrhein bringt die Dichtung „Bacharach“. Römische Legionäre entführen einen Wanderer (bei Waldalgesheim) ins Bergwerk, dort wird er von einem Greis belehrt. In Mainz hat er teil am illiberalen Straßenverkehr, im Erbacher Hof sinnen Druiden über eine Komposition von Charles Ives. Auf dem Rochusberg gibt es eine Begegnung mit Hildegard von Bingen. Der Name der Stadt Bacharach verspricht übrigens den Wein zurecht.

Mit der Folge „Die Kraniche“ geht es ins Mittlere Ilmtal, nach Kranichfeld, vielleicht einem Stützpunkt der Vögel, die ihn mit der großen Welt, etwa Finnland und Nordafrika, verbinden. Und aus den Ruten der den Fluß säumenden Weiden wird ein Haus geflochten, nicht ohne Silben, also im Gespräch, ein Haus der Sprache.

Das Titelgedicht „Das Zeitalter der Eidechse“ bestellt seine Akteure auf den Riechheimer Berg bei Erfurt. Hier sind - neben der kleinen Echse - Schaf, Hase und ein Maulwurf die Träger der Handlung. Deren Wirken deutet, im Sinne eines Tierkreises, die Menschheitsgeschichte an.

Nach Cornwall (Südwestengland) führt die Arbeit „Die Lichter von Lyoness“. Über vierzehn Stationen durchlebt der Leser die keltische Vorgeschichte der Halbinsel. König Artus und Merlin, Tristan und Isolde, aber vor allem die Natur Cornwalls stehen im Vordergrund dieser Dichtung. Steinkreise und ein Bild William Turners kommen vor.

Die Gestaltung des Bandes übernahm der Weimarer Grafik-Designer Jürgen Postel. (zur Rezension)

Goldhelm Verlag, Manebach 2002, ISBN: 3-931101-06-1, 9,90 €


Die Reise nach Südost

Gedichte 1988/1989. Die Nachdichtungen aus dem Chinesi­schen bieten eine Annäherung an das Werk des Dichters Pe-lo-thien (Bai Juyi, 772–846, Tang-Dynastie). Der deutsche Dichter zieht sich die Maske des fernöstlichen Künstlers über, entdeckt ihn als seinen Verwandten.

In die Welt des chinesischen Dichters Pe-lo-thien verführten den deutschen Autor die berückenden Bilder aus dem Natur-Bereich, die eine große Gestaltungskraft offenbaren. Dabei lernte er auch die Umstände des Lebens kennen, das der chinesische Dichter führte. So überzeugten auch die Gedichte, in denen das Treiben des Volkes und das Geschehen am Hofe des Kai­sers dargestellt wurden. Die Existenz dieses Dichters in ihrem Spannungsbogen zwischen Pflichterfüllung im Staatsdienst und Zurückgezogenheit im buddhistischen Kloster gewannen exemplarische Bedeutung für das Selbstverständnis Joachim Werneburgs.

Für seine Beschäftigung mit dem Werk des Poeten nutzte Werneburg die Interlinearübersetzungen August Pfizmaiers. Auf dieser Grundlage und als Frucht langjähriger Beschäftigung mit der chinesischen Literatur entstanden Dichtungen nach Pe-lo-thien. Als solche sind sie weniger der wörtlichen als der geistigen Gestalt der Verse verpflichtet. Freilich folgt der deutsche Vers getreu dem Rhythmus der Bilder, der für die Chinesen das wesentliche Formelement verkörpert. Die Anordnung der Gedichte orientierte sich an den Lebensstationen Pe-lo-thiens.

Edition Arnshaugk, München 1991, mit Illustrationen Walter Werneburgs, ISBN: 3-926370-14-9; überarbeitete Neuauflage bei: Scidinge Hall Verlag, Tübingen 2017 (siehe oben)


Thüringer Meer

Gedichte 1977 bis 1988. Der Erstlingsband enthält die Mythologie Thüringens in Geologie, Pflanzen- und Tierwelt. Der Leser nimmt teil an Exkursionen in die vorgeschichtliche und mittelalterliche Zeit, entdeckt Thüringen im schöpferischen Konflikt zwischen slawischen Einwanderungen und westlichen Eroberungen. Der Zeitgeist wurde in einigen Epigrammen festgehalten.

„Die strenge Ordnung der Verse und Strophen geleitet uns hin zur eigenen Herkunft, macht verständlich, daß Landschaften ein eigenes Schicksal haben, das ihre Bewohner teilen müssen. Mehr noch, die vielschichtigen poetischen Bilder vermitteln, daß Geschichte nicht nur der chronologische Ablauf zufälliger oder notwendiger Ereignisse ist, Anteil haben zugleich Buche und Weißdorn, der Kalk in den Hügelketten und die fruchtbare Erde, auf der einst Erfurt am Ufer des 'dunklen Flusses' erbaut wurde ...

Beim Nachempfinden der Gedichte wird uns plötzlich bewußt, daß wir das Wiedererstehen Thüringens einer Legende verdanken, die von den Menschen durch die Wirren der Jahrhunderte hindurch bewahrt wurde, die Legende von der glücklichen Zeit eines kurzlebigen Königreiches zwischen Slawen und Franken und einem sagenumwobenen König Merwig.

Mit einer beinahe mystischen Sprache werden die Märkte und Schänken des Mittelalters beschrieben, Hildegard von Bingen findet den Weg zum schöpferischen Wort, und die Erfurter Humanisten verspotten, beim Biere sitzend, doppelzüngig Klerus und Adel. Die Vielgestaltigkeit der Sammlung wird darüber hinaus an dem zugeordneten Zyklus „Die Rabenfibel" deutlich. Lange schon, so glaube ich, ist die Herkunft und tiefere symbolische Bedeutung der deutschen Sprache nicht so eindrucksvoll bezeugt worden.“ (Frank Romeiß, 1991)

2. Auflage: Edition Arnshaugk, München 1991, mit Illustrationen Walter Werneburgs, ISBN: 3-926370-13-0 (vergriffen); veränderte Neuauflage bei: Scidinge Hall Verlag, Zürich 2012 (siehe oben)


Thüringer Meer

(Urfassung)

Bei der ersten Auflage des „Thüringer Meers“ aus dem Jahr 1986 fehlte noch der Gedichtzyklus „Slawische Tänze“ oder „Die Merwigslinde“, worin der friedliche Einzug der Wenden in die frühmittelalterliche Region gestaltet wurde. Schon dabei ist „Die Rabenfibel“, eine Darstellung des heidnischen Thüringens, damals auch als Protest gegen die „Entwickelte sozialistische Gesellschaft“ gedacht. Die Einzelheiten der Drucklegung sind in Joachim Werneburgs Stasi-Akte nachzulesen. Das Coverbild stammt von Walter Werneburg, seinem Vater.

1. Auflage: Edition Arnshaugk, München 1986, mit Illustrationen Walter Werneburgs, vergriffen; veränderte Neuauflage bei: Scidinge Hall Verlag, Zürich 2012 (siehe oben)


Weitere Veröffentlichungen


* Titelphoto "Die Wiederkehr des Delphins": © Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons