Walter Jens: Geschichte des Tropenheims (1979)
Zum Abschied von Dr. Werner Röllinghoff im März 1979
Zur Geschichte des Tropenheim — Paul-Lechler-Krankenhauses
Es war ein Frühlingstag im ersten Weltkrieg, der 14. Mai 1917, als ein Privatdozent namens Olpp in einer gelehrten Gesellschaft, dem Naturwissenschaftlich-medizinischen Verein zu Tübingen, einen Vortrag hielt, der, fünf Tage später im Medicinischen Correspondenzblatt des Württembergisch-ärztlichen Landesvereins publiziert, ein trockenes Thema in begeisterter Rede behandelte. „Das Tropengenesungsheim in Tübingen": Läßt sich ein Titel denken, der schlichter, ja nüchterner wäre als dieser? Aber die Überschrift trügt: Was Gottlieb Olpp zu seinem Gegenstand, dem ein halbes Jahr zuvor eröffneten. Sanatorium tropicale, wie er es nennt, bemerkt, trägt, ungeachtet aller eingestreuten Statistiken und termini technici aus den Bereichen dei: Architektur und der Heilkunst den Charakter eines poetischen Enthusiasmus. Das beginnt mit der Gegenüberstellung der beiden im Weltkrieg gebauten Tübinger Krankenanstalten, des Standortlazaretts, das Olpp, ein dichtender Mediziner, mit einer gutartigen Metastase vergleicht, während das Sanatorium tropicale ihm für eine neue Spezies im Kreis der Siechenhäuser, medizinischen Institute und Lazarette steht; das setzt sich fort mit der liebevollen Beschreibung von Vogelwelt und Pflanzenleben, rings um das neue Haus herum, und das findet seinen Höhepunkt in der Analyse des Tübinger Klimas, mit seinem „Hauptwind, der aus dem Westen kommt und den durch den Schwarzwald filtrierten würzigen Hauch über unsere Fluren trägt" — eines Klimas, dem es, nach Olpp, zu danken sei, daß Tübingen sich sowohl in der Frage der Kindersterblichkeit als auch unter dem Aspekt der Tuberkulose als ein wahrer locus amoenus. ein Lustort der Gesundheit, erweise: „Wenn Tuberkuloseleichen zur Sektion gelangen, so handelt es sich meist um eingeschleppte Fälle."
Kurzum, will man dem ersten Vorgänger der Herren Scheel und Röllinghoff glauben, dann liegen Missionsinstitut und Tropenheim im Lande Kanaan, einem schwäbischen, wie sich versteht, mitsamt seiner lieblichen Hügellandschaft, die ihre Wirkung nicht nur aufs Auge, sondern auch auf „Ohr und Nase ausübe und so die Reizdauer durch einen natürlichen Reizwechsel" begrenze. Kein rollender Lärm, kein schrilles Pfeifen, wie es jenseits des Österbergs sehr wohl seine Berechtigung habe, im Industriegebiet, nicht aber in jenen Regionen, von denen Olpp dem staunenden Leser versichert, sie „kennten weder das dumpfe Tuten noch die gellenden Sirenen fahrender Dampfer" und seien unbelästigt von Ruß oder Staub: „Der von den Autos der Landstraße aufgewirbelte Staub dringt nicht in die Höhe des Tropengenesungsheims." Kein Wunder, bei alledem, daß Tübingen anno 1917. so etwas wie den geheimen Mittelpunkt Deutschlands gebildet haben muß, zumindest spirituell — denn was die Geographie betrifft, so ließ sich die beim besten Willen nicht manipulieren — und trotzdem, der erste Direktor des DIFÄM wußte Rat: „Es wird zwar mit Recht behauptet, daß Tübingen nicht im Zentrum Deutschlands liege; dafür ist es von den Mittelmeerhäfen, die den Verkehr nach Östafrika und Ostasien vermitteln, leicht zu erreichen und hat durch die nur eine kleine Stunde Bahnfahrt entfernte Station Plochingen Anschluß an die Balkanzüge und die Bagdadbahn."
„Ex Oriente lux" heißt die Devise: Das gilt für die Stadt mit ihrer nach Südosten hin orientierten Geschichte — Jerusalem war den Tübinger Orthodoxen jahrhundertelang näher als Rottenburg, der Jordan vertrauter als der Neckar, soweit er durchs katholische Vorderösterreich floß ... und das gilt auch für das Haus, behütet wie es war („Der in Tübingen vorherrschende Wind weht den Straßenstaub nicht über das Grundstück des Tropengenesungsheims, da dieses nicht in derselben Windrichtung mit der Stadt liegt") — ein Märchenhaus, dies Tropenheim, das sich fünf Kühe hielt, die, dem genius loci entsprechend, nach den fünf Erdteilen hießen und das über einen nur von außen betretbaren Tierstall verfügte, in dem Olpp bei gebesserter Weltwirtschaftslage (sprich: gewonnenem Krieg) Giftschlangen, Skorpione und Moskitos unterzubringen gedachte.
Ein Zauberberg also, dieses alte Tropenheim, in dessen Bezirk „Wetterprognose mit dem Telegraphen" als Beschäftigungstherapie aufgeführt wurde und die Übertragüngsmöglichkeit tropischer Krankheiten sich mit dem Hinweis abgestritten sah, daß der Keller durch das Absprayen mit einer 2prozentigen Insektizidlösung dauernd schnakenfrei gehalten werde.
Ein kurioser Ort, in der Tat — eine Lokalität, in dem das Lyrische sich mit dem Handfest-Derben vereinte — Stinkzimmer nennt Olpp die Amöben-Toilette — und das Naturwissenschaftliche sich der Magie beigesellte. Jawohl Magie — und dies damals so gut wie heute! Unser Tropenheim ist nämlich mit tellurischen Kräften' '— Mächten der Vorzeit! — im Bund; der Boden, auf dem das Haus sich erhebt, wird von einer Quelle genährt: „Im Kühlraum", nahe von Küche und Vorratskammern, so Gottlieb Olpp, „plätschert das überschüssige Wasser der eigenen, einst mit Hilfe der Wünschelrute entdeckten und zur Brunnenstube ausgebauten Quelle". Die Worte „eigene" und „Quelle" sind gesperrt gedruckt: Das Tropenheim — ein Hort, in dem Aeskulap nicht nur den Stab, sondern auch die Rute zu führen versteht.
Nun, davon ist freilich in den Jahresberichten Werner Röllinghoffs nicht mehr die Rede — nicht von Wünschelrute und Quelle und nicht von der Beschäftigung der Patienten mit der Lektüre umfänglicher Jahrestabellen, dienlich „zur Beobachtung der Blüte und Reife der Pflanzen". Der Tonfall ist nüchtern geworden — und zugleich menschlicher. Sachlichkeit als Dokument der Humanität! Während die wilhelminische Idylle als Kehrseite des Mediziner-Zynismus fungiert — „Im Stinkzimmer" heißt es bei Olpp, „finden die Sitzungen statt, die das nötige Material für das Boas' sehe Stuhlsieb liefern. Hier werden zur Freude des Untersuchers tropische Helminthen oder ihre Eier rudelweise und häufig in 3 Gattungen zugleich ans Tageslicht befördert" ... -während die „Poesie" das Pendant des puren Schreckens ist („Sitzungen", „Material", „Freude des Untersuchers" und vom gequälten Patienten kein Wort:
Militärarzt-Jargon!) und hinter der Geibelschen Suade plötzlich, nackt und unverhohlen, die Wirklichkeit durchbricht („Es pflegt ein gesunder Menschenschlag zu sein, der tropentauglich befunden und nach Übersee geschickt wird. Die Prognose pflegt daher allgemeinhin bei den Zurückkehrenden günstiger zu sein als bei den minderwertigeren Naturen, die tropenuntauglich waren") ... während die Lyrik durch das Entsetzen konterkariert wird, das Sätze wie die zitierten erregen, spart die Nüchternheit der Chronik,- sachbezogen wie sie ist, Raum für das Eigentliche aus und befindet nicht darüber, was 'gedacht und gefühlt werden soll.
Es sind vergangene (aber nicht vergessene) Zeiten, in denen in diesem Haus, anders als jetzt, nicht partnerschaftlich argumentiert wurde, von gleich zu gleich und Bruder zu Bruder, sondern -die Welt in Schwarz und Weiß, in Hoch und Nieder, in Christ und Heide zerteilt war. Da gab es, auf der einen Seite, die Majestäten, die sich anno 1906, bei Gelegenheit der Institutsgründung „aufs leutseligste mit den Direktoren, hohes Interesse bekundend" unterhielten — Hochwohlgeborene wohlgemerkt, die auch in den Jahresberichten der Republik noch immer als „Majestät" etikettiert wurden, und da gab's, auf der anderen Seite, das Personal, den clerus minor, mit dem zu kommunizieren den Herren Studiosi des DIFÄM schon aus Gründen der Sittlichkeit strikt untersagt war: „Mit dem Dienstpersonal", heißt es in der Hausordnung von 1928 (!), „findet keine direkte Verhandlung statt. Während des Reinigens des Zimmers ist dieses zu verlassen".
Autoritäts-Fixierung, Denken in „oben" und „unten" — Kategorien über die Zeiten hinweg: War's vorgestern der König, ein liberaler" Mann immerhin, dem die Reverenz des Hauses galt. so war es gestern der Führer, der sich — weit über das Üblich-Verlangte hinaus! — in einer Huldigungs-Adresse verehrt sah, anno 1934, bei der 25-Jahr-Gedenkfeier, in deren Verlauf der Vorsitzende Gott dafür dankte, daß er den „Retter des Vaterlands" sandte, Adolf Hitler, „zu dem wir als Führer und Reichskanzler bewundernd und vertrauensvoll emporschauen. Wir danken ihm, daß er uns neue Wege zur Volksgemeinschaft gewiesen und auf allen Gebieten bahnbrechend neue Ziele zu bejahender Arbeit gesteckt hat". Sätze wie diese — und es wurden noch weit schlimmere formuliert, damals im Oktober 1934 — machen blitzartig deutlich, was es heißt, wenn christliche Mission zur Ideologie herunterkommt — zur Ideologie des Herrenvolkes, das sich für auserwählt hält, mit Kreuz und Nadel den Zurückgebliebenen vorzuexerzieren. was eine gottgesegnete Rasse alles vermag: Es war ein Pfarrer und kein Parteifunktionär, der beim Vierteljahrhundert-Jubiläum die These vertrat, stärker als derjenige, der bisher nur sein eigenes Volk kennenlerne, werde der „missionierende .Arzt durch seine Arbeit, die ihm das heidnische Elend fremder Rassen täglich vor Augen" führe, „sich der Vorzüge seiner Rassen- und Volkstumseigenschaften als einer hohen Gnadengabe Gottes bewußt".
Missionsärzte: die Pioniere für ihr deutsches Vaterland — zweihundert Jahre nach Zinzendorf und dem jüngeren August Hermann Franke hatte sich die Idee der Mission, im. .Kolonialzeitalter auf den Hund gekommen (Mission: das Zuckerbrot des Imperialismus), in ihr Gegenteil verkehrt, war an die Stelle brüderlicher Unterweisung die selbstgewisse Belehrung von selten der Herren getreten: „Durch unsere Missionsärzte" — ein letztes Mal Tübingen 1934 — „erfahren die Armen deutsches Können, deutsche ärztliche Kunst und Wissenschaft".
Und dagegen nun die ärztliche Mission unserer Tage, dagegen unser Tropengenesungsheim mit seinem schwarzen Jesus-Kind in der Krippe, Weihnacht für Weihnacht, dagegen das Mosaik des barmherzigen Samariters, des Mit-Leidenden. Mit-Gefährdeten: des erlösungsbedürftigen Bruders! Man vergleicht dieses Bild, ein Symbol der ecclesia sub cruce, mit dem gemalten Glasfenster im Schwesternzimmer, einem Relikt aus Olppscher Zeit, in dessen Mittelfeld Mutter Germania, eichenbekränzt, zwischen Wartburg und Wurmlinger Kapelle ihre aus den Tropen heimgekehrten Söhne und Töchter begrüßt — und man hat den Unterschied zwischen zwei Missions-Epochen leibhaftig vor Augen: Hier nationales Dokument, dort, Rassen und Nationen transzendierend, das christliche Zeugnis; hier protestantischer Patriotismus, die Eiche und Luthers Thüringer Wald; dort die Oekumene, die keine Rang-Insignien kennt; hier die Idylle im Bund mit dem heroischen Pathos, dort jene Demut, die weder des Bombastischen noch des Sentimentalen bedarf.
Wie selbstsicher, wie scheinbar souverän und optimistisch klangen die Bulletins aus diesem Haus bis in die dreißiger Jahre hinein: Gott mit uns auf dem Koppel und das Salversan, neben dem kleinen Besteck, in der Tasche! Und heute: wie behutsam, von Zweifeln und Fragen akzentuiert, nehmen sich die Jahresberichte aus;
wie groß wird das Wort lernen, wie klein die Vokabel lehren geschrieben, wie viel ist vom Heil (vom Heil Gottes) und wie wenig von Heilung (durch den Gerätepark der Medizin) die Rede, wie oft treten soziokulturelle Probleme, wie selten Fragen der Dogmatik (oder, ihr auf medizinischer Seite entsprechend, der Hygiene) ins Blickfeld — und wie nachdrücklich wird, wieder und wieder, die eine Sentenz wiederholt, die da lautet: Der stärkste Einwand gegen das Christentum sind Menschen, die nicht christlich leben und handeln.
Und das ist nun der Punkt, wo langsam jener Zauberberg wieder Konturen gewinnt, der unserer Betrachtung
— ein wenig ironisch-verfremdet gewiß — , als Ausgangspunkt diente, der Zauberberg von 1917, der unter der Aegide Werner Röllinghoffs zu einem wahren — nicht mehr zwitterhaft kuriosen — Wunderwerk geworden ist:
einem Werk, das geprägt ist vom Geist der coincidentia oppositorum. Jahr für Jahr stimmt die Bilanz, arbeitet, angeschlossen an ein kirchliches Rechenzentrum, die Finanzbuchhaltung mit Erfolg, vermeldet ein in Kalkulationen erfahrener Chefarzt weiteren Fortschritt — Patientenziffern 'gestiegen. Neu- und Um- und Neu-Um-Bauten durchgeführt, Apparatur verbessert. Schwesternversorgung gesichert. Putzfrauenfrage gelöst
— aber zu gleicher Zeit ist „Effizienz" in diesem Hause ein Wort, das nicht zählt. Nicht die Erfolgreichen, sondern die Mühseligen und Beladenen, die Vereinsamten, die „Statuslosen" haben das Sagen: versorgt von Ärzten, deren Prinaarius, der Chefarzt, nicht mehr verdient als seine Kollegen. (Es soll freilich Ärzte gegeben haben, die, trotz jahrelanger Tätigkeit im Tropenheim, diesem Faktum nie so recht glaubten: ob er nicht doch vielleicht Privatpatienten hat, insgeheim? — aber sie irren, das Faktum stimmt, Martin Scheel ist mein Zeuge.)
Das Sagen in diesem Haus haben nicht die Wortgewaltigen und Theologen, immer oben, in der ersten Reihe, ihrer Sache gewiß, sondern die Schwestern, Frauen wie unsere unvergessene Frieda Beninga, die so manchen Hochgemuten an jene Szene aus Fontanes Effi Briest hat denken lassen, in der die Herren der society im Angesicht des Briefes, den, plastisch und human, ein Mädchen aus dem Volk geschrieben hat, bekennen müssen: Die ist uns über.
Das Sagen haben schließlich die Sterbenden (Aart van Soest hat dazu das Seine gesagt) — jene, von denen es anderswo, in technifizierten Genesungs-, sprich: Reparatur-Fabriken heißt „da ist nichts mehr zu machen":
die Lästigen mit ihrem eigenen Rhythmus und der anderen Zeit, der riesigen Erinnerung und der Erwartung, die immer winziger wird. Wenn Euthanasie bedeutet, dazu beizutragen, daß ein Mensch in Würde sterben kann, statt ihn, angeschlossen an Apparate, sterben zu lassen, dann ist das — mittlerweile längst zum Paul-Lechler-Krankenhaus avancierte — Tropengenesungsheim ein Ort der Hoffnung für viele: ein Platz, auf dem jedermann, weder schmerzgepeinigt noch dahinvegetierend, seinen eigenen Tod finden könnte ... kein Sterbespital, wie es St. Christopher in London ist, wohl aber ein Haus, in dessen Umkreis sich gelassen leben läßt, weil Hilfe, ärztliche Fürsorge, pharmakologische Betreuung und individueller, auf die Erfordernisse der Stunde bezogener Beistand hier nicht von einem Tag zum ändern endet: weil Hoffnung gewährt wird, nicht von oben herab, sondern vom Arzt, dem potentiellen Patienten und morituro dem Moribunden — eine Hoffnung, die den Tod transzendiert.
Das Krankenhaus unter dem primus inter pares Werner Röllinghoff: das ist ein Hospital, in dem Nächstenliebe in der richtigen Bedeutung des Wortes praktiziert wird: als Liebe des Nächsten (nicht zum Nächsten), des Arztes oder der Schwester — so wie sie der Samariter ausübte, der in einem bestimmten Augenblick sehr real „der Nächste" des Überfallenen war: hautnah und nachbarlich in das Geschehen involvierti Aber diese Liebe des Nächsten im Sinne von Zuwendung und Anteilnahme eines Betroffenen und Bei Stehenden (denn das heißt: Nächster sein), der mit dem deutschen Missionar von 1934 und dessen Archetypus aus den Tagen des Boxeraufstands nichts, aber auch gar nichts gemein hat — diese vorgriffsartige Realisierung von Christlichkeit als einer umfassenden Verhaltensweise, die den Äon bestimmt, ist weit entfernt von Feierlichkeit. Keine Rede von tieferer theologischer Bedeutung der Nächstenliebe, von verpflichtendem Gebot und aufgebürdeter Last in diesem Haus — eher von Brechtscher Freundlichkeit und jener Hilfsbereitschaft, die deshalb nicht aufdringlich wirkt, weil der Helfende zeigt: Ich könnte anders nicht leben; auch wenn ich mir Mühe gäbe, ich brächte es einfach nicht fertig.
Im Haus, dessen Geist ein Arzt, Bibelausleger und Kaufmann namens Röllinghoff bestimmt, zusammen mit den anderen Laienbrüdern und Schwestern — in diesem Haus des Kalkulators, der so sehr an das ihm anvertraute Institut und so wenig an sich selber denkt, daß er einem selbst das problematische Gleichnis von den anvertrauten Pfunden sympathisch machen könnte, obwohl ansonsten sicherlich eher der erfolglose Dritte als der gewandt-clevere Erste mit seiner zinsheckenden Effizienz ins Tropenheim paßte: in diesem Hause, will ich sagen, geht es fröhlich zu — nicht forciert und schaustellerisch, wie es Christen gelegentlich tun, um zu beweisen, daß sie den Puritanismus hinter sich haben, sondern mühelos, mit Charme und Selbstverständlichkeit..,Einerlei, ob da nun einer jugendlich die Gänge durchstürmt, alert und behende, nein, nicht durchstürmt, durchschwebt und durchtanzt!, einerlei, ob derselbe Mann lustig, immer ein bißchen in Paranthese, mit Verve und mit Hintersinn spricht oder aber, Schmunzelfalten unter den Augen, aufmerksam zuhört, die Hand ans Ohr gelegt, den Kopf vorgeneigt: pardon? — immer ist da etwas höchst Besonderes im Spiel, ein Hauch von christlichem Phäakentum — alles ist Euer! — hausväterlich und höchst urban zugleich, der ein Institut bestimmt, das Krankenhaus über der Quelle, in dem nicht nur, wie es im frommen Spießer-Deutsch heißt, „getrost auch einmal gelacht werden kann und wo man miteinander fröhlich sein darf", sondern wo, präziser als der Humor, jener Witz (dry mock, wie die Engländer sagen) regiert, der den Causeur Werner Röllinghoff in gleicher Weise wie den Schriftsteller, diesen Verfasser des einen Buchs charakterisiert, das in nuce für seine opera omnia steht, „Erhaltung und Pflege der Gesundheit in den warmen Ländern", worin es heißt: „Wer sich der Kunst eines Kochs bedient, muß wissen, daß er sich dabei gesundheitlich einer besonderen Gefährdung aussetzt". In der Tat, man kann es nicht treffender sagen! Ein bißchen Ironie, eine verfremdende Pointe — und schon liegt die Wahrheit offen, zutag: „Die häufigste Todesursache in den Tropen ist bei Europäern der Straßenunfall". Die Volte gleich zu Beginn, der überraschende salto mortale anstelle der langsamen Hinführung: Hier werden Warnungszeichen gesetzt!
So kann nur einer schreiben, der ... pardon, ich bemerke, daß ich dabei bin, nun doch jene laudatio zu formulieren, die der in den Baronsstand der Emeritierung tretende Chef sich ausdrücklich verbeten hat. (Ich sage „Chef"; denn das wird er auch procul negotiis bleiben, in Tübingen so gut wie in Davos — bleiben dank jener auctoritas, die keiner potestas, keiner Amtsgewalt bedarf.)
Dank, lieber Herr Röllinghoff, daß Sie, gesichert durch ein strenges Glück zuhause (wie Thomas Mann den Gipfel ehelicher Seligkeit nannte) mit Hilfe jener Leistungskraft, die sich, schalkhaft und exemplarisch, mit der humilitas Christiana vereint, dieses Hospital zu einem Domizil gemacht haben, in dem niemand guten Willens unwillkommen ist: nicht der Eingeborene, der Tübinger also, der dies Krankenhaus der Hoffnung braucht, und nicht' der Zugewanderte aus Afrika: das schwarze, die Apartheid aller Art aufhebende Christuskind in der Tübinger Krippe.