Paul Lechler jun.: Geschichte des Tropengenesungsheims (1959)

Paul Lechler junior (* 14. Juni 1884 in Stuttgart; † 4. August 1969) war ein deutscher Fabrikant und Kirchenmann und Sohn des Difäm-Gründers. Er war von 1948 bis 1960 Präsident des Landeskirchentages der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.



Rede von Paul Lechler jun. anlässlich der Einweihungsfeier des Um- und Erweiterungsbaues des Paul-Lechler-Krankenhauses (Tropengenesungsheim) Tübingen, am 27. Mai 1959

Hochverehrte Festgäste, verehrte liebe Freunde der ärztlichen Mission!

Der äußere Anlass unserer heutigen festlichen Feier ist die Einweihung unseres in neuer Gestalt sich vorstellenden Krankenhauses des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission. Dazu kommt, dass das Jahr 1959 gekennzeichnet ist durch die 50-jährige Wiederkehr der Einweihung unseres Instituts­gebäudes in der Nauklerstraße und damit der Beginn unserer Arbeit in dem weltweiten Gebiet der ärztlichen Mission. Im Hinblick auf diese beiden Marksteine in der Geschichte unseres Tübinger Werkes schien es uns Anrecht und Verpflichtung zu sein, unseren engeren Freundeskreis, der heute Vor­mittag seine Jahresversammlung abhielt, zur jetzigen Einweihungsfeier wesentlich auszudehnen, die Tore weit zu öffnen und heute wiederum wie vor 50 Jahren die Ver­treter der Staatsregierung, der Universität, der Stadtverwaltung und einen großen, neu gewonnenen Freundeskreis einzuladen, um Ihnen zu zeigen, worin unsere Aufgaben be­stehen und wie wir sie im erweiterten Rahmen unserer Ein­richtungen zu meistern bestrebt sind. Mit unserem Dank dafür, dass Sie, verehrte Damen und Herren, so zahlreich unserer Einladung Folge geleistet haben, ist es mir eine hohe Ehre und Freude, Sie namens unseres Verwaltungsrates begrüßen zu dürfen. Der Herr Ministerpräsident hat erst gestern endgültig seine Teilnahme an der heutigen Feier ab­sagen müssen, er hat mir aber durch die Hand des Herrn Finanzministers soeben ein Schreiben übergeben lassen, das ich mir erlaube, Ihnen zur Kenntnis zu bringen;

Zu meinem großen Bedauern bin ich durch eine wichtige Kabinettsitzung daran gehindert, bei der Einweihung des umgestalteten Paul-Lechler-Krankenhauses teilzunehmen. Ich will aber nach fernmündlicher Absprache gerne die nächste Gelegenheit benützen, das neue Haus zu besichtigen. Ich tue dies umso lieber, als das neu geschaffene Werk auf Grund der eigenen Initiative des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission entstanden ist und durch private Liebes­tätigkeit ermöglicht wurde. In einer Zeit, in der jedermann nach dem Staate ruft, verdient solches Handeln besondere Anerkennung. Aus diesem Grund wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission zur Einweihung meine besonderen Grüße und guten Wünsche für das weitere Wirken des Paul-Lechler-Krankenhauses über­mitteln würden. Mit freundlichen Grüßen, Ihr sehr ergebener Kurt Georg Kiesinger.

Ich werde mir erlauben, dem Herrn Ministerpräsidenten persönlich au danken, aber Ihnen, als dem Überbringer dieses Grußes, Herr Minister, darf ich ebenfalls danken. Dass Sie, Herr Finanzminister Dr. Frank, Ihr Kommen mir ganz spontan bei meinem Besuch in Aussicht stellten, war mir eine ganz besondere Freude. Ohne Ihre persönliche Einflussnahme bei den Verhandlungen im Sommer 1956 wären diese vielleicht gescheitert.

Ich begrüße nun eine Reihe von Herren, darunter zuerst vom Auswärtigen Amt in Bonn den Kulturreferenten, Herrn Legationsrat Dr. von Bismarck-Osten. Ich danke ihm für diese so wert­volle Förderung unserer Aufgaben in der ärztlichen Mission, und zwar durch zur Verfügungstellung von zweckgebundenen Mitteln für die Beschaffung von Medikamenten für unsere Missionsärzte auf den Feldern. Was das bedeutet, eine solche ständige Förderung, das kann man sich gar nicht vorstellen, denn ohne diese wären die Aufgaben der Missionsärzte draußen sehr schwer gebunden. Sie können sich jetzt viel freier be­wegen, denn die Missionskrankenhäuser sind ja nicht in der Lage, mangels weiterer Mittel für die ärztlichen Notwendigkeiten regelmäßig und dauernd zu sorgen. Wir sind deshalb der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes zu außerordentlichem Dank verbunden.

Als Vertreterin des leider durch Krankheit verhinderten Herrn Innenministers begrüße ich Frau Oberregierungs-Medizinalrätin Dr. Kleindienst. Ich danke Ihnen, Frau Ober-Medizinalrätin und bitte Sie, dem Herrn Innenminister unsere besten Genesungswünsche zu übermitteln. Er schrieb mir heute früh, er hoffe sehr, dass er doch im Laufe der nächsten Woche unser Haus besichtigen könnte. Er würde uns damit eine sehr große Freude bereiten.

Ich begrüße den Herrn Präsidenten des Regierungspräsidiums Süd-Württemberg-Hohenzollern. Schon seit langem verbindet uns mit diesem Regierungspräsidium ein wirklich freundnachbar­liches Verhältnis.

Ich begrüße seine Magnifizenz, den Rektor der Eberhard-Karls-Universität, ferner ihre Spektabilitäten der Evang.-theolog. Fakultät und der Medizinischen Fakultät. Ihnen, meine sehr geehrten Herren, gilt mein ganz besonderer Gruß. Wir sind für Ihr persönliches Erscheinen und die dadurch bekundete Anteilnahme an unseren Bestrebungen sehr dankbar. Das gleiche gilt für die anwesenden Herren Klinik- und Institutsdirektoren, mit denen wir z.T. in ständiger Verbindung wegen Spezialfragen bei unseren eigenen Kranken stehen. Wir sind dankbar, dass wir diese Verbindung haben, denn unsere Kranken, die aus den Tropen kommen und an allen möglichen Krankheiten leiden, sind ja darauf angewiesen, auch die Kliniken der Universität zu besuchen und sich dort untersuchen und behandeln zu las­sen. Und deshalb ist die persönliche Verbindung unseres Chefarztes mit den dortigen Direktoren außerordentlich wert­voll, und dafür danke ich.

Sie, Herr Oberbürgermeister Gmelin, begrüße ich als Oberhaupt der Universitätsstadt Tübingen. Wir wünschen herzlich, dass Ihre alte straffe Beweglichkeit nach dem schweren Unfall bald wieder ganz zurückgewonnen werden darf. Es ist erfreulich, in welch gutem Einvernehmen wir mit der Stadtverwaltung bei so mancherlei gemeinsamen Fragen zusammenarbeiten. Dies in glücklicher Fortsetzung der ununterbrochenen guten Bezie­hungen seit damals, als wir dank dem Entgegenkommen der Stadtverwaltung der Universitätsstadt Tübingen den Vorzug vor Hamburg und Berlin geben konnten. Und dieser Schritt war damals sehr gut und sehr richtig. Das Zusammenleben inTübingen war für unsere ärztliche Mission in der langen Geschichte ihres Bestehens eigentlich eine Voraussetzung,

Es gereicht mir zur Freude, dass der Vertreter des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg, Herr Professor Dr. Weiher, seine Teilnahme an unserem Fest möglich gemacht hat. Sowie in Ver­tretung des Würzburger katholischen missionsärztlichen Instituts begrüße ich Herrn Dr. Klaus Peter Rhode und freue mich, dass er zu uns gekommen ist.

Nun darf ich neben dem Kreis unserer langjährigen treuver­bundenen Freunde, den Vertretern der Missionsgesellschaften, all denen in unserer Missionsmitgliederversammlung vereinten Einzelpersönlichkeiten, auch unsere neu hinzu gekommenen Freunde in weitem Maße von der Industrie, die den Bau mit ihren Spenden förderten, einen herzlichen Willkommensgruß widmen.

Wir hoffen. Ihnen heute zeigen zu können, wie gut Ihre bis­herige, tatkräftige Hilfe sich auswirkt und die ärztliche Mission es wert ist, dass man sie kennen lernt und sich mit ihr beschäftigt. Denn das hat ihre Geschichte bewiesen, es durfte zu allen Zeiten im Geben und im Nehmen viel Segen von ihr ausgehen.

Und nun, hochverehrter, lieber Herr Landesbischof Dr. Haug, darf ich zum Eingang unserer Feierstunde zurückkommen und Ihnen für Ihr Begrüßungswort aufs herzlichste danken. Es bedarf ja wohl auch in diesem großen Kreise keines besonderen Hinweises auf die enge Verbundenheit, nicht nur zwischen uns beiden persönlich, vielmehr darf ich heute besonders auch darauf hinweisen, dass durch die Bindung zwischen Kirche und Mission Sie die Bedeutung der Ärztlichen Mission auch durch Ihre persönliche Mitgliedschaft bei uns schon längst zu unserer großen Freude bekundet haben, der Sie in so warm­herziger Weise stets Ausdruck verleihen. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Auch dem Vertreter des Herrn Landesbischofs der badischen Nachbarkirche, Herrn Oberkirchenrat Hamann, darf ich danksagen, dass das Freundschaftsband zwischen Karlsruhe und Tübingen der ärztlichen Mission nie abriss und wir Ihre Förderung unserer Aufgaben immer wohltuend spüren dürfen. Ich bitte, den Herrn Landesbischof Dr. Bender herzlich von uns zu grüßen.

Und zuguterletzt darf ich Sie, Herr Präsident Dr. Weber, von der Württembergischen Kirchenleitung begrüßen und Ihnen amtlich und doch auch ganz persönlich für die tatkräftige Hilfe in der Überwindung eines vorübergehenden Notstandes danken. Freundschaft in der Not entstanden, bleibt als Zeichen des .Dankes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sei mir gestattet» in einem kurzen Rückblick auf die 50 Jahre der Arbeit im Deutschen Institut für Ärztliche Mission hinzuweisen. Im Herbst 1909 fand die feierliche Einweihung unseres am Fuß des Berges in der Nauklerstraße gelegenen Institutes statt. Es war für ganz Tübingen ein Fest besonderer Art. In Anwe­senheit des Württembergischen Königspaares und einer großen Festversammlung wurde das Haus seiner Bestimmung übergeben. Das war nichts Alltägliches, auch für Tübingen nicht. Das auch heute noch stattliche Gebäude sollte einer Arbeit dienen, die damals in weiten Kreisen unbekannt war, deren Aufgabe aber von den genannten Persönlichkeiten und Behörden in ihrer weltweiten Bedeutung schon anerkannt wurde. Das Institut für ärztliche Mission hat vor allem als Ausbildungsstätte im Internatscharakter für künftige Missionsärzte gedient, die im Dienst an Kranken in tropischen Ländern an Menschen der weißen und anderen Rassen, aus Liebe zum Stifter unseres christlichen Glaubens, unseres Herrn Jesus Christus, sich mit Leib und Seele einzusetzen bereit waren. Daneben hat sich die Institutsleitung die Förderung aller ärztlichen Belange für die Missionsgesellschaften, die Ausbildung von Missionsschwestern, die Schulung von Missionaren und für den Sanitätsdienst draußen zur Aufgabe gemacht. Bald wurde erkannt, dass zur Ausbildung auf dem Gebiet der tropischen Krankheiten auch damit behaftete Kranke aufgenommen werden sollten. Auch mein Vater als der Initiator und Gründer un­seres Vereins schien von Anfang an als schönstes Ziel die Errichtung eines Krankenhauses, in dem sich die krank und erholungsbedürftig aus den Tropen heimkehrenden Missionsangehörigen und ihre Familien nach aufreibender Arbeit in oft sehr gefährdendem Klima behandeln lassen und wieder ge­nesen könnten. Dazu kam die Fülle von tropenkranken Männern und Frauen anderer Berufe, Verwaltungsbeamte, Kaufleute, Farmer aus dem In- und Ausland, aus allen Ländern der Welt, Dieser Gedanke fand bald seine Verwirklichung. Die Grund­steinlegung erfolgte 1914 die Fertigstellung des Tropengenesungsheimes im Oktober 1916, als wir mitten im 1. Welt­krieg waren. Unserem Professor Olpp, der nach siebenjährigem Aufenthalt als Missionsarzt in China von Anfang an die Führung in der Direktion hatte, danken wir, dass er sich für den Bau des Krankenhauses hier auf der Bergeshöhe einsetzte.

Er leitete auch den Bau und verstand es als Chefarzt und Direktor des Gesamtwerkes, das Krankenhaus sehr rasch zu füllen. Nach dem Kriege kamen die Lettow-Vorbeck-Kämpfer aus Ostafrika. Dann setzte der Rückstrom der ausden Kolonien ausgewiesenen Landsleute ein. In diesen Jahren sahen die Missionsgesellschaften keinerlei Möglichkeit zur Aussendung neuer Kräfte. So wurde zwischen den Weltkriegen der bis dahin vordringlichen Aufgabe des Instituts mehr und mehr der Boden entzogen. Bis dahin ist aus dem Institut allerdings eine beachtliche Anzahl tüchtiger und in verantwortungsvoller Arbeit draußen bewährter Missionsärzte und Missionsschwestern hervorgegangen, neben anderen Difämern (das ist die abgekürzte Bezeichnung für die Insassen des Deutschen Instituts für ärztliche Mission, DIFAM), die teils aus gesundheitlichen, teils aus schon erwähnten Gründen ihren Beruf nicht auf dem Missionsfeld, sondern als Ärzte in der Heimat ausübten. Die Arbeit am Tropengenesungsheim entwickelte sich dagegen von Jahr zu Jahr schöner. Unser Haus gewann einen immer größeren Freundeskreis in aller Welt. Wir zählten damals schon über 90 Länder der Erde, aus denen Kranke und Erholungssuchende zu uns kamen. Im Jahr 1934 durften wir das 25-jährige Jubiläum der ärztlichen Missionsarbeit hier in Tübingen feiern. Der damalige Ober­bürgermeister von Tübingen hat in seiner Begrüßungsansprache gesagt: „Tübingen ist durch das Institut für ärztliche Mission in der ganzen Welt berühmt geworden". Wir fügen bescheiden bei: auch durch das Tübinger Institut.

Als Nachfolger von Professor Olpp beriefen wir Herrn Dr. Samuel Müller als Direktor unseres Gesamtwerkes und als Chefarzt. Er war 10 Jahre lang mit großem Erfolg als Missionsarzt in Ostafrika in der Leitung selbstgebauter Krankenhäuser tätig. Dann kam das Jahr 1938, das uns die denkbar schwersten Angriffe seitens der parteiamtlichen Stellen brachte. Es wurde uns vorgeworfen, wir seien eine Hochburg der Reaktion, wir gehörten ausgeräuchert. Wir wehrten uns mit dem ehrlichen Gefühl des Rechtes und konnten in mancherlei qualvollen Besprechungen Widersprüche und Anschuldigungen, die völlig unbegründet nur durch Bosheit und -Neid entstanden sind, überwinden. Der kalte Krieg mit den Parteistellen zog sich noch einige Jahre unter der Decke hin. Man ließ uns zwar äußerlich in Ruhe, griff aber nun zu anderen Mitteln, indem man uns durch die Berliner Dienststellen wiederholt freiwillige Überlassung unseres Krankenhauses für Parteizwecke nahelegte. Wir konnten aber gegen solche Versuche als reines Privatunternehmen hart bleiben. Und schließlich wurde uns bei einer Besichtigung unseres Hauses im Jahre 1942 zugesagt, uns in Ruhe zu lassen. Zweifellos war es dann sehr hilfreich, dass im Herbst 1942 das Tropengenesungsheim von der Wehrmacht beschlagnahmt und als Tropenlazarett eingerichtet wurde. Damit war das Haus dem Machtbereich der Partei endgültig entzogen. Dass unser Direktor und Chefarzt überdies noch mit der Leitung des Lazaretts betraut und uns die Beibehaltung einer Privatabteilung im III. Stock sogar erlaubt wurde, wirkte sich günstig aus. Für diese so wunderbare Fügung Gottes konnten wir damals und können auch heute und in Zukunft gar nicht dankbar genug sein. Wie groß ist des Allmächtigen Güte.

Als nach dem Kriege der Charakter unseres Hauses als Lazarett aufgehoben wurde, weil der Zugang an Kriegs­teilnehmern allmählich abnahm, ergab es sich, dass wir unter unserem bisherigen Namen "Tropengenesungsheim" keine Zugänge von Ortskrankenkassen erhielten. Um die Kapazität unseres Hauses ausnützen zu können, blieb uns nichts anderes übrig, als auf den in der ganzen Welt bekannten Namen „Tropengenesungsheim Tübingen" zu verzichten und die Überleitung zum Krankenhaus durchzuführen. .Damit war aber auch ein anderer Name für unser Haus zu suchen. Der Verwaltungsrat hat damals beschlossen, den Namen des Hauses nach dem Gründer in „Paul-Lechler-Krankenhaus" umzuändern. Als Untertitel blieb aber selbstver­ständlich die Bezeichnung „Tropengenesungsheim" in allen unseren Werbeblättern auf der ganzen Welt bestehen.

Was das Institutsgebäude in der Nauklerstraße betrifft, so wurde es zu Beginn des zweiten Weltkrieges als Hilfskrankenhaus eingerichtet. Seit damals bis auf die jüngste Zeit war es seinem eigenen Zweck entzogen, denn mit der Errichtung des südwürttembergischen Staates zog das Staatsministerium in unser Institutsgebäude und nach Gründung des Landes Baden-Württemberg mit dem Sitz in Stuttgart diente das Institutsgebäude dem Regierungspräsidium Südwürttemberg-Hohenzollern als Verwaltungssitz. Inzwischen ging die Entwicklung unserer Aufgaben in anderer Richtung. Es schien uns nicht mehr zweck­dienlich, auf die Freigabe unseres Institutsgebäudes zu sehr zu drängen, weil das Gebäude für uns nicht mehr benötigt wurde. Die Aufgaben sind zwar viel weitgreifender als früher, jedoch fanden wir für unsere missionsärztlichen Aufgaben genügend Raum in unserem ehemaligen Tropenkinderheim hier oben auf der Höhe, denn den Betrieb des Kinderhelms haben wir schon vor einigen Jahren aufgegeben. Es ergab sich von selbst, dass in dem äußerlich schmucken, innerlich zweckmäßig gegliederten kleinen Haus das Büro für die Zentrale der ärztlichen Mission. verlegt wurde und wir für Direktor Dr. Müller und seine Mitarbeiter Wohnungen darin einrichteten. Gleichzeitig hat er seine Tätigkeit als Chefarzt unseres Krankenhauses in jüngere Hände gelegt. Sein Nachfolger als Chefarzt wurde Dr. med. Werner Röllinghoff. Dr. Müller konnte sich von da an in der Hauptsache den sehr umfangreich gewordenen neuen Aufgabenge­bieten aller Missionsgesellschaften widmen und vor allem für die Aussendung vieler deutscher Ärzte und Missionskrankenschwestern sorgen. Gleichzeitig hat er auch die sehr wichtigen Verbindungen mit ausländigen Missionen gepflegt. Die früheren Erfahrungen haben dazu geführt, dass heutzutage nur noch fertig ausgebildete Ärzte einschließlich verschiedener Fachgebiete für den Dienst als Missionsärzte in Betracht kommen können. Nun trat aber eine neue Frage sehr schwerwiegender Art in den Vordergrund. Sie galt der Modernisierung und der Erweiterung unseres Krankenhauses. Die Mittel dazu fehlten und ließen sich auch nicht sammeln. Zwar wird die Arbeit des Instituts getragen von einem treuen Freundeskreis, das Krankenhaus, als rei­nes Privatunternehmen, ist aber wie ich nicht besonders begründen muss kein Renditebetrieb. Es erhält von keiner Seite irgend­welche Zuschüsse, wir sind froh, wenn es seine freiwillig übernommenen Verpflichtungen für nicht zahlungsfähige Patienten, vor allem im Kreise der Missionsangehörigen erfüllen darf, wenn es die laufenden Anschaffungen und Instandsetzungen aufzubringen vermag. Hohe Darlehensschulden mit Verzinsungen und Amortisationen können einen solchen Betrieb als untragbar gestalten. Wir legten deshalb unserer Mitgliederversammlung im Jahr 1956 den Plan vor, die Mittel zur modernen Ausgestal­tung unseres Krankenhauses durch Verkauf unseres Instituts­gebäudes mit dem Schwesternheim und dem großen dazugehöri­gen Areal zu beschaffen. Die Mitgliederversammlung hat zwar mit schmerzlichen Bedauern davon Kenntnis genommen, dass das Institutsgebäude genau 50 Jahre nach der Gründung unseres Vereins veräußert werden sollte, mit dem doch eine solche schöne und gesegnete Tradition verbunden war. Aber die Versammlung hat unseren wohlerwogenen Gründen für diese umfassende Planung Verständnis entgegengebracht und Vollmacht zum Handeln gegeben, Tradition in Ehren, aber sie darf die gesunde Weiterentwicklung nicht hemmen, zumal wenn diese auch im Sinne und Geist der Gründer liegt. So sind wir in der Verantwortung vor Gott in die Verhandlungen mit dem Fiskus eingetreten in der festen Hoffnung, dass uns das werde, was wir brauchen. Dies führte zum Abschluss eines Kaufvertrags, bei dem zwar unser so dringendes Wunschprogramm nur zum Teil erfüllt werden konnte, wobei wir aber doch dank dem persönlichen Eingreifen des Herrn Finanzministers ein Verständnis für unsere Lage erfahren durften. Wenn jeder der Vertragspartner, der Fiskus und wir, der Meinung war, dass der andere durch besonders zähes Ringen hervortrat, so hatten beide hierin recht. Aber schließlich fand man sich in beiderseitigen Entgegenkommen. Das war gut so, denn die Zeit arbeitete nicht für uns. Aber um den Kaufpreis allein konnten wir, das war uns allen klar, unseren großen, so dringend notwendigen Ausbau des Krankenhauses niemals finanzieren. Auch der wohl übliche Zuschuss für neue Krankenbetten, den wir dem Herrn Innenminister verdanken, konnte, so wertvoll er ist, uns nicht weiterhelfen. Aber in dieser sorgenvollen Lage ist unser Freundeskreis, der bisherige treu bewährte und ein ganz neuer Kreis, der die Bedeutung unserer Doppelaufgaben in der ärztlichen Mission verstand, in wunderbarer Weise in die Bresche gesprungen und hat uns mit Spenden und teilweise mit nieder verzinslichen Darlehen zum Weiterbau geholfen. Gott lohne es allen, die uns so tatkräftig halfen. Für alle Gaben, die Liebe zur Mission und dargereicht haben, von dem Scherflein der Witwe an bis hin zu den größeren und großen Gaben. Durch alle diese Freundeshilfe wurde es uns ermöglicht, mit der Fertigstellung unseres umfassenden Ausbaues ohne allzu drückende Schulden die Baurechnungen einigermaßen anständig zu bezahlen. Innigen Dank allen Helfern in der Not, allen Freunden und Förderern. Sie dürfen das Bewusstsein mit nach Hause nehmen, mitgeholfen zu haben, dass das schöne Tübinger Werk der ärztlichen Mission seinen Dienst an den kranken Brüdern und Schwestern draußen in aller Welt und ebenso hier in unserem neu erstandenen Heimatkrankenhaus erfüllen kann. Nun steht das Haus für seine Zweckbestimmung wieder voll zur Verfügung. Dazu unser neuerbautes Schwesternheim hier oben. Was während der 2 ½ jährigen Bauzeit, in der wir das Haus nie ganz ge­schlossen hatten, unseren Kranken an Geduld zugemutet werden musste und den Ärzten, Schwestern und dem ganzen Personal hin bis zu den Putzfrauen an Mehrarbeit auferlegt werden musste, liegt gottlob hinter uns. Es war für alle eine ungemein schwere Zeit. Wie dankbar waren und sind wir unseren Kranken, dass sie nahezu alle die großen Unbequemlichkeiten auf sich nahmen und sich oft auch mit Humor in das Unvermeidliche mit wahrer Hingabe einfügten. Das steht auf einem besonderen Ruhmesblatt. Welch ständige Mühe und Arbeit mit dem Umverlegen der Kranken­zimmer je nach dem Vorwärtsschreiten des Innenbaues von West nach Ost, von den Mittelgängen nach den Seitenflügeln, von unten nach oben, von oben nach unten, lag auf Ärzten und Schwestern. Ein Bild, ein Wort hat sich beim größten Tohu­wabohu in mein Gedächtnis eingeprägt; mitten in Schmutz und Staub, in mitten des Hämmerns der Arbeiter, dabei die noch unberührten Krankenzimmer besetzt mit zum Teil Schwerkranken, so sah ich die beiden Diakonissen, Oberschwester Ilse und ihre getreue Schwester Hanna, wenngleich mit besorgten Mienen, aber doch fröhlichen Augen, die auf meine Frage, wie sie dies alles aushallen könnten, antworteten; "Wir halten die Festung". Bas war kein leichtfertiges Wort, kein falscher Stolz, sondern ein Zeichen dafür, wie wir es schon oft erfahren haben, dass unser Haus sich als Burg des Glaubens und der Liebestat immer wieder bewähren durfte. Das wars, was ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren über die 50-jährige Arbeit unseres Vereins sagen wollte. Ich möchte aber noch ein kurzes Wort beifügen, das bei der Einweihung eines Hauses, zumal bei einem solch ungemein schwierigen Bau nicht fehlen darf. Ich meine den Dank an alle, die zum Gelingen unseres Umbaues in vollem Einsatz gehalten haben; Die Architekten, Herr Reinhard und sein erster Mitarbeiter, Herr Architekt Veith, die Baufirmen, die Handwerker, die Arbeiter, dazu unsere eigenen Mit­arbeiter und Mitarbeiterinnen von der Direktion, dem Chef­arzt und seinen Assistenten, unsere gesamte Schwestern­schaft und all unsere getreuen Hilfskräfte. Manchesmal wurde geradezu Bewundernswertes geleistet, und zwar unverdrossen im Gefühl, an einer nützlichen und edlen Sache mit­helfen zu dürfen. Und dass der Bau ohne nennenswerten Unfall durchgeführt werden konnte, empfinden wir als Gnade Gottes. Wie viel leichter und rascher geht ein Neubau vorwärts, bei dem alle Pläne bis ins Kleinste hinaus vorher durchdacht und erarbeitet werden können. Aber bei der Umänderung eines in manchem unzeitgemäß gewordenen Hauses und bei der ausge­dehnten Vergrößerung beginnt es trotz allem Vorplanen schon beim ersten Hammerschlag mit Unvorhergesehenem und setzt sich tagtäglich mit neuen Überraschungen fort. Die Überwindung solcher Schwierigkeiten stellte begreiflicherweise die höchsten Anforderungen an die Architekten, aber auch an die Bauherrschaft, vertreten durch den Vorsitzenden unserer Ortskommission und deren Mitglieder. Denn das ist wohl all­gemein die Überzeugung aller Beschauer, dass der Bau wie aus einem Guss jetzt dasteht.