Der Friede zu Lübeck 1629 ... und die Siegesburg

Warum der "Friede zu Lübeck" in der Hansestadt und nicht auf der Siegesburg verhandelt wurde ...

Nach der verlustreichen Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 und der anschließenden, zuletzt über zwei elende Jahre andauernden Besetzung der Territorien Holstein, Schleswig und Jütland sah Christian IV. sich gezwungen, Friedensverhandlungen mit Wallenstein zu akzeptieren und fertigte Ende 1628 eine dänische Abordnung unter Kanzler Christian Friis an der Spitze für die vorgesehenen Verhandlungen ab. Am 6. Januar 1629 begannen in der Reichsfreien Hansestadt Lübeck mit Kursachsen und Gottorp als Vermittler dann die ersten Gespräche, die für Dänemark zunächst auf eine Katastrophe hinauszulaufen schienen. Die Forderungen, die Anfang März 1629 auf der gegnerischen Seite erhoben wurden – Abtretung Schleswig-Holsteins, Jütland als Pfand bis zur Zahlung kaiserlicher Schulden an Kursachsen, Aufgabe der norddeutschen Stifte, Zahlung einer Kriegsentschädigung und die Sperrung des Sundes für Feinde des Kaisers – machten die harten Bedingungen deutlich, die Tilly und Wallenstein über ihre sie in Lübeck vertretenden Delegationen, und als offizielle Beauftragte des Kaisers und der Liga glaubten stellen zu können. Somit residierten seit Beginn des Jahres 1629 zahlreiche, zum Teil ranghohe Diplomaten beider Seiten mit einem vielköpfigen Gefolge über Monate in den ehrwürdigen Backsteinmauern der mächtigen Handelsstadt: Die dänische Gesandtschaft war dabei auf dem als städtische Unterkunft säkularisierten ehemaligen Bischofshof am Lübecker Dom untergebracht, wofür der Sekretär, Henrik Thott, monatlich 80 Reichstaler zu verauslagen hatte und zuletzt der Wirtin des Hofes, deren Tochter und den Zimmermädchen weitere 58 Reichstaler verehrte. Dass noch weitere Kosten nicht gescheut wurden, verraten auch die zusätzlichen Auslagen für reichlich Krüge Wein und zerbrochene Leuchter, die mit nochmals 8 Reichstalern zu Buche schlugen. Die kaiserlichen Kommissäre hatten dagegen in einem prächtigen Haus in der Königstraße 97 Quartier bezogen, das der insolvent gegangene Lübecker Russland-Händler Zacharias von Schindeln schon 1602 seinen Gläubigern hatte zur Verfügung stellen müssen. Zuletzt waren noch die Gesandten Tillys in den Mauern Lübecks standesgemäß unterzubringen, und so hatte der Kommissar des gräflich Herberstorffischen Regiments zu Fuß, Georg Heisse, vor Ort und im Auftrage seines Herrn „feine subdelegierende bequeme und taugliche Logamenter“ – vermutlich verstreut über die ganze Stadt – ausgesucht.

Der Lübecker Goldschmiedemeister und Kaufmann Michael Fester vor seinem Bürgerhaus in der Königstraße 44; Vor dem stadtbekannten Portal steht sein Gast, Graf Johann von Aldringen. (Fotos © [M]: N. Hinrichsen)

Der Bischofshof war bereits im 16. Jahrhundert säkularisiert und wurde von der Stadt mehrfach umgebaut und als Unterkunft genutzt, bis er 1819 - 1887 abgerissen wurde. (Graphik: © N. Hinrichsen nach einer Rekonstruktion von M. Hasse u. Ch. Derlien, 1963)

Graf Johann von Aldringen (*10. Dezember 1588 - † 22. Juli 1634), der während der Verhandlungen in Festers Gartenhaus logierte. (Abb.: © Wikimedia Commons)

Doch zuletzt fand sich in Lübeck, besser vor Lübeck, doch eine angemessene Lokalität für die eigentlichen Friedensverhandlungen im Mai und Juni 1629: Der vermögende Lübecker Kaufmann und ehemalige Goldschmiedemeister Michael Fester – Sproß einer Husumer Färberfamilie – besaß seit 1621 einen weitläufigen Park am Gertrudenkirchhof vor dem Burgtor, genannt „Festers Garten“, den er – zuletzt für vier Rosenobel und 16 Reichstaler aus dänischen Kassen – den Verhandlungsparteien zur Verfügung gestellt hatte. Bereits im späten 16. Jahrhundert lagen auf den Freiflächen nördlich des Burgtores schöne Hopf- und Kräutergärten, die von der Stadt aus durch eine schattige Eichenallee erreichbar waren. Dieses weitläufige Festersche Gelände bot sich besonders durch seinen pompösen Gartensaal an, der sich als eine Art Kasino in italienischem Stil mit einer offenen Loggia zur Trave hin darstellte und der mit ausreichend Stallungen für Zug- und Reittiere ausgestattet war. Nachdem Wallensteins Spezialgesandter, Generalwachtmeister von Aldringen bereits zuvor in jenem Gartensaal einquartiert war, wurde der Garten am 7. Mai 1629 nun zum ersten Mal auch für ein Treffen zwischen ihm und den dänischen Friedenskommissaren genutzt. Erst durch Aldringen sind die bis dahin stockenden Verhandlungen im Mai wieder in Fluss gekommen. So ist es auch auf den Generalwachtmeister zurückzuführen, dass der Gartensaal vor den Toren Lübecks für alle Ratifikationen und Beratungen bis zur Auswechselung der Originalurkunden am 2. Juli 1629 der Verhandlungsort für die Kaiserlichen und die Dänen geblieben ist.

Dabei konnte Christian IV. die eingangs erwähnten katastrophalen Friedensbedingungen der Kaiserlichen durch eine List erfolgreich abwehren und zuletzt einen denkbar milden Frieden erringen.  Schon vor seinem Treffen mit Gustav II. Adolf in Ulvsbäck, auf dem er Ende Februar 1629 dem erstarkenden Schwedenkönig nur zum Bluff ein Bündnis zwischen Dänemark und Schweden angeboten hatte, wies er Anfang März 1629 seine Lübecker Abgesandten an, laut vernehmlich über diese Zusammenkunft zu berichten, wohlwissen, dass die Kaiserlichen nichts mehr fürchteten, als ein für sie gefährliches Bündnis der beiden konkurrierenden Ostsee-Reiche. Umgehend wurden die ersten harten Bedingungen vom Tisch genommen, um den Dänenkönig nur ja nicht in die Arme Gustav II. Adolf zu treiben. Den zuletzt ausgehandelten Friedensvertrag konnte Christian IV. am 12. Mai 1629 am Ende bedenkenlos unterzeichnen:

Danach mische sich der dänische König in Angelegenheiten des Reiches nur noch ein, soweit sie ihn als Herzog von Holstein und als Reichsfürst beträfen. Zukünftige Streitigkeiten sollten friedlich durch Verhandlungen oder mit Hilfe eines Schiedsrichters beigelegt werden. Beide Seiten verzichteten auf Schadensersatz und auch niemandem sonst im Reich war es gestattet, Ansprüche an den dänischen König zu stellen. Ebenso stellte der dänische König keine Ansprüche gegen irgendjemanden im Reich. Zudem erhielt der König von Dänemark ohne Zahlungen die besetzten dänischen Länder und die ihm zu Lehen gegebenen Herzogtümer und Fürstentümer in Norddeutschland zurück und die kaiserlichen Truppen mussten unverzüglich aus diesen abziehen. Die Gefangenen beider Seiten waren unverzüglich freizulassen. Die Kronen von Spanien, Polen, die Infantin zu Brüssel, das gesamte Haus Österreich, die Kurfürsten und sonstigen Stände des Reiches sowie die Kronen von England, Frankreich und Schweden und die Generalstaaten der Niederlande sollten Vertragsparteien des Friedens sein. Verschiedene Inseln in der Ost- und Nordsee seien dem Fürstentum Schleswig-Holstein-Gottorf zurückzugeben und die Truppen auf diesen Inseln abzuziehen.

Mit diesem maßvollen Friedensschluss kam die dänische Krone nach ihrem mutwillig vom Zaun gebrochenen Kriegsabenteuer in Norddeutschland erstaunlich glimpflich davon; und auch aus dem weitertobendem Dreißigjährigem Krieg schied es aus.

Graf von Aldringen proset vor dem Rennaissance-Portal des Lübecker Bürgerhauses Königstraße 44 dem "Lübercker Friedensschluss zu. (Foto © [M]: N. Hinrichsen)

Über den Friedensschluss am 12. Mai d. J. hinaus diente der Gartensaal des Michael Fester noch bis in den Juli 1629 hinein als Begegnungsstätte der einstigen Kriegsgegner.

Der Besitzer des Gartens, Michael Fester, hingegen bewohnte seit 1606 ein stattliches Bürgerhaus in der Lübecker Königstraße 44, und es liegt nahe, dass der eine oder andere Gesandte der Friedenskonferenz gelegentlich auch in seinem Hause als Gast verweilte. Das auffällig ausgestattete, rätselhaft bestückte Portal, durch das das Bürgerhaus betreten wurde, war noch Jahrhunderte später jedem Lübecker mit seinem auffälligen Dekor als „etwas seltsam“ bekannt. So beschränkten sich die Rokkoko-Zutaten auf die Türfüllungen, während die äußere Umrahmung mit ihren Karyatiden, Streifbändern, Masken und Ornamenten noch typische Renaissance war. Eine besondere Note wies das Portal aber durch die Krönung des Architravs auf, in dessen Mitte auf einem erhöhten Postament der Laokoon und an beiden Ecken flankierend die beiden Söhne standen – jeder umfesselt von einer eigenen Schlange, dem Zeichen des Todes. Im Postament war zuletzt das Festersche, seit 1545 nachweisbare bürgerliche Wappen – Wolken, Balken und sechseckiger Stern – eingehauen. Alles zusammen muss als eine in Stein verewigte Erinnerung an Michael Festers italienische Wanderjahre gelten, von denen er die im 16. Jahrhundert wiederentdeckte Antikenskulptur als Vorlage bis in seine neue Heimatstadt Lübeck mitgenommen hatte.

(Text: Nils Hinrichsen)

Titel der "Friedens-Puncten" im Jahr Christi / 1629. (Abb.: © Wikimedia Commons)