Fotos:
Burg und Ort Lutter am Barenberge
und Schlachtfeld vom 27. August 1626
Mit herzlichem Dank an die Mitglieder der "Gruppe Lutter"!
Schlachtfeld bei Lutter am Barenberge, 1626 / Quelle: Wikimedia Commons
Wie ich die Schlacht bei Lutter am Barenberge er- und überlebte ...
So mancher mag geglaubt haben, unsere protestantische Sache hätte sich erledigt nach der Niederlage bei Prag und in manchen oberdeutschen Gebieten des Reiches. Doch da hat er die Rechnung mit unserem Landesherrn nicht gemacht ... Kurzentschlossen ließ König und Herzog Christian IV. sich im April 1625 von den Ständen Niederdeutschlands zum Kreisobristen des niedersächsischen Reichskreises wählen und machte sich daran, in Norddeutschland ein Heer von 10.000 Infanteristen und 3000 Kavalleristen auszuheben. Als auch unser hochverehrter Segeberger Amtmann Marquardt Pentz als Führer eines der elf Regimenter einberufen wurde, meldete – übermütig, wie ich damals war – auch ich mich für ein Fähnlein, ohne zu wissen, was mich erwartete ...
Mit den kampfbereiten Verbänden beabsichtige König Christian zunächst, das Kreisgebiet dem gegenreformatorischen Ansinnen Kaiser Ferdinands II. entgegenzutreten, doch mit einem Mal marschierten wir weiter bis nach Westfahlen, wo wir Verden und Nienburg besetzten. Das rief dann natürlich den kaiserlichen Generalissimus Tilly auf den Plan, der Ende Juli 1625 von Süden kommend die Weser überquerte. Ebenso versperrte eine neu aufgestellte Armee Wallensteins mit zuletzt 62.000 Mann den Weg Christians nach Böhmen und Schlesien. Nach etlichen Gefechten zwischen kaiserlichen Verbänden und protestantischen Heerführern in der norddeutschen Tiefebene musste König Christian seinen eigentlichen Vorstoß gegen Thüringen nach Berichten eines verstärkten kaiserlichen Anmarsches mit zwei Infanterie-Regimentern und 32 Eskadrons unter dem kaiserlichen Obristen Dufour unvermittelt abbrechen und wir kehrten eilends in Richtung Wolfenbüttel zurück. Doch noch auf dem Rückmarsch rückte uns im Rücken beständig die Vorhut der Kaiserlichen auf den Pelz und so war eine Entscheidungsschlacht am nächsten Tag, dem 27. August im Lutterer Tal unabwendbar. Als unsere Verbände am Vortag früh morgens durch Hahausen zogen, wurde das Dörfchen kurzerhand niedergemacht, damit es nicht dem verfluchten Tilly als Unterschlupf dienen konnte; unser Hauptquartier schlugen König Christian und sein Generalissimus, Johann Philipp Fuchs von Bimbach dann im Riemenschneider-Hof in Nauen, dem nächsten Dorf an der westlichen Bergkante auf und befehligten von dort aus unsere Schlacht-Aufstellung für den folgenden Tag. Als Tillys Truppen nachmittags im niedergebrannten Hahausen eintrafen und sein Hauptquartier dennoch dort aufschlug, setzte er umgehend seine bewährtesten Truppen, 2 Infanterie- und 2 Reiter-Regimenter unter dem Grafen Cronsfeld zur Absicherung nördlich Hahausen ein, verstärkte anschließend seine Aufstellung durch eine stark befestigte Batterie von 12 Stücken und ließ diese Stellung noch einmal mehr durch das würzburgische Leibregiment sichern.
Plan des Schlachtfeldes bei Lutter am Barenberge, 1626. Norden am unteren Bildrand! / Quelle: Wikimedia Commons
Am Morgen des 27. August standen wir uns dann gegenüber:
Auf unserer Seite unter König Christian:
- eine Batterie mit 16 Stücken in der Talenge nördlich Hahausen,
- eine Batterie mit 4 Stücken auf der Anhöhe bei Rohde,
- die Vorhut unter General Fuchs von Bimbach in der Talenge vor der großen Batterie,
- das 1. Treffen unter dem Befehl König Christians – Linie Nauen-Rohde,
- das 2. Treffen unter dem Befehl des Rheingrafen Ludwig Otto - Linie Rauten-Radberg
mit einer Armeestärke von 16.000 Mann Infanterie, 90 Eskadrons Kavallerie à 6.500 Reitern und 22 Stücken.
Unter dem Befehl des kaiserlichen Befehlshabers Tilly:
- eine Batterie am Nordausgang von Hahausen,
- die Infanterie-Regimenter Cerboni und Colloredo in der Enge westlich Hahausen,
- Infanterie und leichte Kavallerie am Nordrand Hahausen,
- Kroaten und leichte Infanterie zur Deckung der rechten Flanke im Gehölz nordöstlich Hahausens,
- die Kavallerie-Regimenter Dufour, Alt-Sachsen und Hahausen gegen unsere linke Flanke
mit einer mindestens so großen Stärke wie die unsrige Armee.
Generalissimus der Infanterie in der Armee Christians IV. (1625 - 1626) Johann Philipp Fuchs von Bimbach, geb. um 1567 - gest. 27. Aug. 1626 auf dem Riemenschneider-Hof in Nauen / Quelle: Wikimedia Commons
Segebergr Amttmann und Obrist eines Infanterie-Regiments in der Armee Christians IV. (1625 - 1626) Marquardt von Pentz, geb. 1570/75 / gest. 27. Febr. 1627 in Wolfenbüttel / Foto ©: N. Hinrichsen
Da unsere Einheiten auf dem Pöbbeckenberg strategisch günstig standen, errangen wir anfangs gute Erfolge, trieben die Kaiserlichen über den Mittelbleek zurück, versprengten dabei die Regimenter Schönberg und Schmid und griffen auf das Heftigste die kaiserlichen Batterien an, so dass das Leibregiment Würzburg weichen musste. Immer stärker schlug unser Angriff jetzt Schneisen in die feindlichen Linien, bis ein gewaltiger Gegenangriff der kaiserlichen Kavallerie-Einheiten Erwitte und Bock unsere Reiter-Einheiten unter Solms und Philipp von Hessen in die Flucht trieben und diese bei ihrem Rückzug unversehens in zwei Infanterie-Regimenter unseres Generals Fuchs von Bimbach gerieten und sie restlos in Unordnung brachten. Als dann auch noch eine Meldung, Wallenstein sei von Langelsheim aus im Anmarsch, Fuchs von Bimbach veranlasste, unsere nun bedrohte linke Flanke mit den Kavallerie-Regimentern Rheingraf und Courville und den Schweden zu Fuß abzusichern, wurde die Lage zunehmend unübersichtlich – zumal das Tal immer mehr im Pulverdampf versank. In dieser prekären Situation verloren wir dann auch noch unseren Generalissimus von Bimbach, der – aus vielen Wunden blutend – zusammenbrach und sterbend auf den Riemenschneider-Hof nach Nauen verbracht werden musste. Unglücklicherweise ereilte nun auch unseren Obristen von Pentz hier ein ähnliches Schicksal: mit Wunden übersät und bewusstlos, musste auch er nach Nauen transportiert werden. Als dann die kaiserlichen Regimenter Cerboni und Colloredo aus dem Bergwald heraus auf uns zustürmten, brach unter uns gewöhnlichen Infanteristen des 1. und 2. Treffens Panik aus und wir flüchteten, unsere schweren Waffen wegwerfend, nach Norden zu. Nur knapp konnte König Christian durch die Enge westlich Lutter entkommen und erreichte mit nur noch 30 Eskadrons seiner Reiterei am Abend Wolfenbüttel. Ich konnte – zusammen mit nur noch 2000 dänischen Landsknechten – in die stark befestigte Burg Lutter entkommen, wo wir uns gegen eine kaiserliche Belagerung bis zur Eroberung nur kurz verteidigen konnten. Der Gefangenschaft entging ich knapp, als ich mich als wohl einziger Kämpfer im Kellerverlies eines Nebengebäudes erfolgreich verstecken konnte. Als ich mich dann Wochen später unerkannt bis nach Wolfenbüttel durchgeschlagen hatte, traf ich dort auf unseren Obristen Marquardt Pentz, dem ich bis zu seinem qualvollen Dahinsiechen im Februar 1627 zur Seite stand.
Herr Marquard Pentz Ritter Oberster zu Roß und Fueß auf Warlitz und Neudorff Gouverneur zu Wolffenbüttel, starb daselbst ANNO 1627, den 27. Feb., Reitergemälde im Rathaus zu Glückstadt (>2 x 4 m) / Quelle: Wikimedia Commons
Um es kurz zu machen: Seinem Geheiß folgend, lieferte ich seine Sturmhaube, seine Sporen und seinen Kommandostab Wochen später in Segeberg ab, wo sie sein Nachfolger im Amt Segeberg, Caspar von Buchwaldt, in der Marienkirche neben der Kanzel anbringen ließ, die Marquardt von Pentz gleichwohl bereits 1612 der Gemeinde gestiftet hatte. Meinen eigenen Haudegen vom Schlachtfeld bei Lutter verehrte ich Nikolaus Christoffel, der ihm in den Jahren 1644/45 bei seinen Schnapphahn-Einsätzen gegen die schwedischen Besatzer gute Dienste leistete.
Laurenz Heinrich Börgersen sen., Fähnrich im 1. Infanterie-Regiment Marquardt Pentz /
Nach einem wieder aufgefundenem Erinnerungsbericht in überlieferten Familienaufzeichnungen der Börgersen-Sippe
Obrist Marquardt von Pentz, der "goldglänzende Ritter", kurz vor der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 / Foto ©: N. Hinrichsen
Helm, Sporen und Kommandostab des Marquardt von Pentz, an der Rückseite des Kanzel-Pfeilers in der Marienkirche zu Segeberg in 5 m Höhe angebracht / Foto ©: N. Hinrichsen
(Nachtrag: General Johann Philipp Fuchs von Bimbach wurde zuletzt – seinem Wunsch entsprechend – auf dem Pöbbeckenberg, dem Ort seiner tödlichen Verwundung, bestattet; seine Nachfahren ließen sein Grab über die nächsten 200 Jahre pflegen, bis es dem Chausseebau von Lutter nach Seesen Anfang des 19. Jahrhunderts weichen musste; bei Öffnung seines Grabes fand man ein auffallend großes Skelett, das nun andernorts beigesetzt wurde – und ein kostbares Schwert, das der Amtsvogt von Lutter, Hartung, an sich nahm und heute als verschollen gilt. Im Jahre 1908 stiftete ein Verehrer aus Nauen zudem einen zweiten Gedenkstein, der ebenfalls an der Straße neben dem versetzten Grabstein aufgestellt wurde.)
Für König Christian endete mit der verlorenen Schlacht bei Lutter a. B. der 30-jährige Krieg. Mit dem „Lübecker Frieden“ von 1629 schied Dänemark als Verlierer aus, so dass es auch bei den Westfälischen Friedensverhandlungen keine Rolle mehr spielte. Aber das mächtige Rapier des Königs aus der Schlacht bei Lutter am Barenberge liegt seit seinem Tod Ende Februar 1648 bis heute auf seinem Sarkophag im Dom zu Roskilde.
Christian IV. König von Dänemark und Norwegen, Herzog von Holstein auf dem Schlachtroß, in Rüstung mit Reiterpistolen und Rapier, geb. 12. Apr. 1577 - gest. 28. Febr. 1648 / [M]: N. Hinrichsen