Die Seeschlacht auf der "Kolberger Heide"
Erinnerungen von Renner Laurenz Börgersen, 1648
„Huiii ..., dös hat g’scheppert, damals – auf der Kolberger Heide! Und ich mittendrin!“ So frivol beginnen die Erinnerungen von Nikolaus Christoffels nächstem Verwandten an der Kieler Förde, von Renner Laurenz Börgersen. Wie seit Generationen alle Börgersens war auch Renner Laurenz ursprünglich Bauer. Allerdings ackerte Renner Laurenz seinerzeit nicht auf eigener Scholle, denn der Grund und Boden am Westufer der Kieler Förde gehörte dem zum adligen Gutsbesitz des Ritters Cai von Ahlefeldts, Besitzer der landwirtschaftlichen Güter Seekamp, Knoop und Bülk. Und wie alle Hufner der drei Gutsbezirke musste auch Renner Laurenz seine Hufe als gedungener Leibeigner des Gutes Bülk bewirtschaften.
Die „Vestung ChristianPreis“ unmittelbar an der Kieler Förde (Bauzeit: 1634 bis 1642) besaß einen eigenen Hafen, fünf Bastionen mit Geschützbatterien, zwei Ravelins, Wälle und Gräben, ein Torhaus im Westwall und Gebäude im Inneren. (Quelle: Wikimedia Commons; Merian, 1653)
Doch 1632 verkaufte Cai von Ahlefeldt alle drei Güter an einen seiner beiden Landesherren, an König Christian IV. von Dänemark und alles an der Förde änderte sich, auch für Bauer Renner Laurenz Börgersen ... Fortan waren die drei Güter für die Versorgung einer mächtigen Festung vorgesehen, die König Christian IV. an der engsten Stelle der Kieler Förde direkt an der Wasserkante geplant hatte. Eine Festung an dieser Stelle erschien dem dänischen König dringend erforderlich, um die Kieler Förde gegen seinen Ostseekonkurrenten, das Königreich Schweden, abzusichern, denn bislang war die Kieler Förde eine offene Flanke entlang der gesamten Ostseeküste und immer wieder hatten sich schwedische Kriegsschiffe bei Konflikten auf See hierhinein flüchten können.
In der Folge des Besitzwechsels wurden etliche Bauernstellen des Gutsbezirks Bülk zusammengelegt oder ganz aufgelöst und so ging es auch mit der leibeigenen Hufe von Renner Laurenz zu Ende. Folglich konnte Renner Laurenz nur froh sein, in den nächsten Jahren, zusammen mit etlichen angeworbenen Bauern aus Schonen und Bleckinge, sein Brot zunächst mit Hand- und Spanndiensten auf der Baustelle der neu entstehenden Wallanlagen zu verdienen. Eine schweißtreibende und gefährliche Arbeit, aber immerhin: ein Auskommen.
Renner Laurenz Börgersen nach seiner Ausstattung als Söldner der Festungsmannschaft (1642) auf der Düne vor der Festung. Im Hintergrund die Kieler Förde und das gegenüberliegende Ostufer. (Foto [M]: © N. Hinrichsen)
Mit seiner Werbung in die Mannschaft der 1642 fertiggestellten Festung in Priesort, die nach ihrem Erbauer nun „Christianspries“ genannt wurde, geriet Renner Laurenz dann in einen immer wilder tobenden Strudel kriegerischer Ereignisse, die er nach dem Frieden von Westphalen als Überlebender seinem schriftkundigen Pfarrer ehrfurchtsvoll in die Feder diktierte – wertvolle Aufzeichnungen, aus den die nachfolgenden Auszüge stammen.
Lassen wir den ehemaligen Festungs-Söldner selbst zu Wort kommen:
„Wie aus einem friedfertigen Hufner ein entschlossener Festungsknecht und zuletzt ein rechter Seeräuber wird – davon will ich berichten! Alles vertraue ich dem ehrwürdigen Pastor Cornelius tom Brook der nahen Kirchengemeinde in Dänischenhagen an. Während der Bauzeit der Festung entwickelte sich alles noch recht gedeihlich, besonders, nachdem ich beim Abgraben zweier Hünengräber auf dem Baugelände auf ein rostiges Schwert und einen goldenen Ring aus vergangenen Urzeiten stieß. Unser Festungskommandant Axel Urup, der ehrwürdige Baumeister der Festung, erzählte Gästen noch Jahre später, als die beiden Kuriositäten schon im Eßsaal des Königlichen Hauses prächtig ausgestellt waren, voller Stolz meine denkwürdige Fundgeschichte.
Der Festungsbaumeister Axel Urup (1601 – 1671) wurde 1635 zum Kommandanten der Festung Christianspries ernannte. Nach dem Abzug der schwedischen Besatzung von Christianspries 1645 wurde er dort erneut als Festungskommandant eingesetzt. (Quelle: Wikimedia Commons)
Während im Reich der Große Krieg vielerorts immer heftiger wütete, war es in den Herzogtümern nach dem Abzug der Kaiserlichen im Jahre 1629 lange ruhig geblieben. Die Spanndienste an den Arbeiten der Festungswälle und –gräben endeten mit der Fertigstellung der Außenanlagen und so konnte ich mich glücklich schätzen, als sich 1641 die Gelegenheit ergab, mich in die 60-köpfige Festungsmannschaft von Christianspries werben zu lassen. Meine Gäule und die Gespanne vertauschte ich gegen eine Ausrüstung, konnte künftig einen mächtigen Haudegen und einen starken Lederkoller mein Eigen nennen und wurde militärisch ausgebildet, sprich mächtig gedrillt – heraus kam ein frisch gebackener Kanonier!
Kanonier Renner Laurenz Börgersen an einem der 24-Pfünder in der Festung Christianspries. (Foto [M]: © N. Hinrichsen)
In meinem Einsatzort, der Geschützbatterie auf der seeseitigen Bastion, gab es nicht viel zu tun. Nur hin und wieder galt es eines unserer Stücke eine Kugelgranate vor den Bug vorbeisegelnder Handelsschiffe bellen zu lassen – zur Abschreckung, denn auf Salpeterladungen hatte unser König, zum Verdruss der Kieler Kaufmannschaft, den Zoll von zwei Reichstalern erhoben und nicht jedes Handeslsschiff wollte sich bedingungslos inspizieren lassen ... Besonders in der nächtlichen Dunkelheit war für manchen Handelskapitän die Versuchung groß, unbemerkt an der gut bewehrten Festung vorbei zu segeln. Aber das ging mich nichts weiter an, denn meine Wachzeit begann morgens, Schlag sechs Uhr in der Früh und endete zum Abend, ebenfalls mit Schlag sechs der Festungsglocke „Dicker Chrischan“. Eine ruhige Kugel, wie man so sagt, bis Ende 1643 die Kriegsfurie erneut ihr Haupt in den Herzogtümern erhob.
Auf einmal waren sie da: schwedische Kavallerie-Einheiten. Am 12. Dezember 1643 war der Schwede Torstensson mit seiner riesigen Reiterarmee bei Trittau in Holstein eingefallen und hatte Kiel schneller erreicht, als jedes vorauseilende Gerücht. Am 18. Dezember, am frühen eisigen Morgen, tauchte der verfluchte Feldmarschall dann vor den Wällen unserer Festung auf, brachte seine Einheiten und etliche Stücke in Stellung und übermittelte durch seinen Generalquartiermeister Conrad von Mardefeldt die Forderung einer umstandslosen Kapitulation der Festung. Unter uns Festungsknechten brach Panik aus wie in einem Hühnerstall beim Fuchsbesuch; wie sollten 60 Männer zwei komplette Regimenter im Sturm aufhalten? Urup hatte Mühe, uns in Stellung zu bringen, während dessen plötzlich und ohne vorherige Belagerung die erste schwedische Attacke losbrach, die wir nur mit äußerster Mühe zurückschlagen konnten. Schon beim zweiten Angriff war alles verloren: an zwei Stellen zugleich wurde der Festungsgraben überbrückt, die beiden äußeren Bastionen von ganzen Schwärmen schwedischer Infanteristen einfach überrannt und die Gefechtsbatterien erobert. Fast die Hälfte unserer Kameraden fiel im Musketenhagel der Eroberer.
Renner Laurenz Börgersen schwenkt nach der gelungenen Flucht aus der besetzten Festung die Widerstandsfahne seines Verwandten Nikolaus Christoffel Börgersen, die Fahne der Segeberger Schnapphähne, am Westufer der Kieler Förde. (Foto [M]: © N. Hinrichsen)
Ich hatte Glück im Unglück, war während des feindlichen Sturms mit zwei tödlich getroffenen Kameraden, selber aber unverletzt, zu Boden gegangen und konnte mich bis zur Mittagsstunde erfolgreich totstellen. Dann gewährte Torstensson unserem Kommandanten Urup, zusammen mit uns wenigen Überlebenden gegen die Versicherung militärischer Enthaltsamkeit den Abzug. Beim Abmarsch durch das Festungstor und das Westravelin ins Freie schlotterten mir mächtig die Knie – und das nicht etwa wegen der Kälte! Im Gegenzug marschierten nun starke schwedische Verbände in die Festung Christianspries und brachten unsere Geschütze auf den Bastionen und Ravelins so in Stellung, dass der Eingang zur Kieler Förde fortan unter schwedischem Bestrich lag. Unsere mächtige dänische Festung war verloren, alle Mühen und Kosten der vergangenen Jahre in nur wenigen Stunden restlos zunichte.
In den nächsten Wochen überrannten die schwedischen Reiterhorden die kimbrische Halbinsel und besetzten alle wichtigen Orte bis zur Nordspitze Jütlands. Aber das Übersetzen auf die dänischen Inseln misslang ihnen gründlich nachdem unserer tapferer König Christian mit seiner schweren Schiffsflotte schon Ende Mai 1644 ihre niederländische Hilfs-Armada bei Sylt kampfeswütig in die Flucht gebombt hatte. Gleich darauf segelten die Dänen unter dem Kommando unseres wutschnaubenden Königs der schwedischen Flotte entgegen, die inzwischen vor Fehmarn weiträumig ankerte.
Am 1. Juli 1644 trafen die schwedische Flotte mit 31 Kriegsschiffen, 7 Brandern und 4 Galioten auf der „Kolberger Heide“ östlich der Kieler Förde auf die dänische Flotte mit rd. 40 Kriegsschiffen, 10 Brandern und 10 Galioten. Damit waren die Dänen den Schweden zahlenmäßig überlegen, jedoch verfügten die dänischen Schiffe max. nur über 30 Kanonen (nur die „Trefoldighed“ besaß 48 Kanonen), die schwedischen Schiffe dagegen bis zu 75 Kanone. (Karte: © N. Hinrichsen)
Über 50 dänische Schiffe - Galeonen, Galioten, Pinassschiffe und Brander -, aufgeteilt in vier Geschwader, segelten unter dem Oberkommando von König Christian und Reichsadmiral Jörgen Wind westlich und östlich um Seeland herum, direkt auf die Howachter Bucht zu. Als das vierte Geschwader mit ihren flachbödigen Pinassschiffen im Frühnebel des 1. Juli 1644 bei Bölk stramm unter Land vorbeisegelten, schien mir das in meiner Not eine willkommene Chance zu sein: nachdem ich mich mit einem Dutzend weiterer brotlos gewordener Christiansprieser Landsknechte monatelang an der Förde herumgedrückt hatte, fouragierten wir Hungerleider ein herrenloses Fischerboot und ruderten dem Flotten-Verband mit vereinten Kräften kurzerhand entgegen. Das hätten wir besser bleiben lassen – aber hinterher ist man immer schlauer ...!
Kanonier Renner Laurenz Börgersen auf dem Kanonenunterdeck der „Trefoldighed“. (Fotos [M]: © N. Hinrichsen)
Die Mannschaft der Fregatte „Hoyenhald“ unter Capitän Güntelberg empfing uns mit Jubel, nachdem sie uns abgerissenen Haufen in unserer Nussschale als dänisch gesinnte Landsmänner ausgemacht hatten. Verstärkung an Bord war immer willkommen, und so wurden wir nach und nach auf etliche Schiffe der vier dänischen Geschwader verteilt. Als bestens ausgebildeter Kanonier, setzten sie mich ausgerechnet über auf die „Trefoldighed“, das jüngst in Neustadt gebaute dänische Flaggschiff mit König Christian IV. an Bord, und teilten mir einen Platz an einen der 48 bronzenen Stücke auf dem Oberdeck zu. Teufel, was schaute ich stolz auf die See: Kanonier auf dem königlichen Flaggschiff – direkt neben unserem König!
Das dänische Flaggschiff „Trefoldighed“ wurde 1642 im Auftrag von König Christian IV. auf der Werft des reichen niederländischen Finanziers Gabriel Marselis in Neustadt / Holstein gebaut; es war 44,5 Meter lang, 11,30 breit und hatte einen max. Tiefgang von 5 Meter. Ursprünglich verfügte es über 4 36-Pfünder, 18 24-Pfünder und 22 12-Pfünder; 1644 wurde die Bewaffnung auf 48 Kanonen aufgestockt. 1657 wurde das Flaggschiff für den Bau eines Nachfolgeschiffs „Trefoldighed“ teilweise abgewrackt. (Quelle: Wikipedia)
Doch lange konnte ich in dieser glücklichen Wendung nicht schwelgen, schon am Vormittag tauchte vor Fehmarn die schwedische Flotte am Horizont auf – wir zählten die Segel von mindestens dreißig Kriegsschiffen und nahmen sofort ihre Verfolgung auf, bis wir die verfluchten Schweden auf der Kolberger Heide nordöstlich von Laboe stellen konnten. Ausgerechnet hier, im Flachwasser der Sandbank, die dieses Seegebiet mit seinen mächtigen Ablagerungen seit einer Sturmflut von 1625 eigentlich unpassierbar gemacht hat, griffen uns die Schweden an. Doch den Versuch des Schwedenadmirals Fleming, unsere starke Linie zu durchbrechen, konnten wir entschieden kontern; in den aufgelösten Schlachtordnungen brach die Hölle los und ein Kampf Schiff gegen Schiff, Stück gegen Stück, Mann gegen Mann entstand. Das Feuer der Stücke, das Aufpeitschen der Wasser, das Bersten der Schiffsrümpfe, das Brechen der Masten und das Reißen der Segel und Takelagen, die Rufe und Schreie der Getroffenen, Gefallenen, Ertrinkenden, alles erstarb erst mit der Dunkelheit der aufziehenden Nacht. Alles verlief so unwirklich, so rasend schnell und doch so unendlich langsam, und war so wirklich, wie die göttliche Fügung, die mich bis zuletzt unbeschadet durch das Schlachtgetümmel führte.
Klas Flemings andra anfall under slaget på Kolberger Heide den 1. juli 1644, Tusche von Jacob Hagg. (Nationalmuseum Dänemark, Kopenhagen)
Auch auf unserer „Trefoldighed“, dem königlichen Flaggschiff, flogen die Fetzen – und nicht nur diese ... Die schwedischen Geschosse sausten uns nur so um die Ohren und als eine glühend gemachte Kugel vom schwedischen Flaggschiff „Scepter“ unter Admiral Claas Fleming frontal auf mein Bronzerohr traf, zerbarst das Stück mit einem markerschütternden Krach in alle Himmelsrichtungen. Erneut blieb ich unverletzt. Aber unseren tapferen König Christian hatte es erwischt: Mit dem tödlich getroffenen Junker Ejler ging er zu Boden, stand aber sofort wieder auf und brüllte im dichten Pulverdampf und gegen den tosenden Kriegslärm an unverdrossen seine Kommandos weiter, was zunächst jedoch niemand mitbekam. Dabei sah ich, dass Geschosssplitter seine gesamte rechte Gesichtshälfte zerfetzt hatten; wo vorher sein rechtes Auge saß und sein heiseres Lachen große Zähne offenbarte, war nun ein großes Loch, aus dem stoßweise ein roter Blutschwall pulsierte.
Schiffsgeschütz auf Radlafette. (Foto: © Th. Kersten)
Christian IV. på Trefoldigheden i slaget på Kolberger Heide 1644, Gemälde von Nicolai Abildgaard (1743 – 1809). 1782. (Dänische Nationalgalerie, Kopenhagen)
Aber der König lebte – was für den weiteren Schlachtverlauf natürlich von enormer Bedeutung war! So rief ich mit voller Kraft: „König Christian steht am hohen Mast in Rauch und Dampf“ und rettete uns damit zuletzt den Sieg, denn die gesamte Besatzung blieb, wie man so sagt, unbeirrt bei der Stange.
Als sich beide Flotten mit schweren Gefechtsschäden und zahllosen Toten auf beiden Seiten – darunter unser Admiral Jörgen Wind – nach zehnstündigem Kampf trennten, war noch nichts entschieden. In der Nacht ankerten wir zunächst im Fehmarn-Belt und erst nach mehrtägiger Suche entlang der holsteinischen Küste trafen wir am 7. Juli vor Bülk wieder auf die schwedische Flotte. Im Schutz der Festung Christianspries lag sie in der Kieler Förde vor Anker und war damit beschäftigt, die gröbsten Schäden an ihren Schiffen zu reparieren. Sofort blockierten wir mit unserer gesamten Flotte die Fördeausfahrt – endlich saß der Schwede in der Falle! Doch nach ganzen drei Wochen lagen ihre Schiffe noch immer dort und dachten offenbar gar nicht daran, einen Ausbruchversuch zu unternehmen. Also mussten wir uns etwas einfallen lassen. Nachdem wir mit zwei Haufen dänischer Infanteristen ihre Proviantbasis auf dem gegenüberliegenden Fördeufer in Neumühlen erobert hatten, erreichten zwei Fleuten mit Mannschaftstruppen von der Insel Lolland die Förde. Als Ortskundiger mit einer Ausbildung an Festungsgeschützen wurde ich von der „Trefoldighed“ auf die Fleute „Blåtand“ abkommandiert und musste die Truppenschiffe sofort an das östliche Mündungsufer der Kieler Förde lotsen. Auf einer Anhöhe bei Laboe errichteten wir dann in aller Eile eine starke Geschützstellung, die dem deutschen Mayor Maes unterstellt wurde.
Die dänische Geschützstellung mit Kanonier Renner Laurenz Börgersen in Laboe unter Mayor Maes. (Fotos [M]: © N. Hinrichsen)
Von hier zwangen wir die Schweden mit starkem Beschuss immer mehr, ihre Schiffe soweit wie möglich an die gegenüberliegende Küstenlinie zurückzuziehen. Diese Strategie zeigte Wirkung, allmählich wurde es eng für die Schweden. Und als ich am 29. Juli mit dem gezielten Schuss eines 12-Pfünders gar die Admiralitätskajüte des Flaggschiffs „Scepter“ traf, erwischte es sogar den schwedischen Admiral Claas Fleming. Wie ich später erfuhr soll er wenig später seinen Verletzungen erlegen sein! Aber das Blatt wendete sich erneut: Nachdem unsere Geschützstellung bei Laboe und auch die Basis bei Neumühlen durch einen starken schwedischen Ausfall mit über 1000 Söldnern wieder in schwedische Hände gefallen war und mich der Überfall und etlichen Männern auf unsere vor Laboe ankernden Schiffe zurückzwang – Mayor Maes hatte sich vor einer Verurteilung durch ein dänisches Kriegsgericht knapp durch Flucht von der Laboeer Schanze ins Hinterland retten können –, versuchte die nach wie vor bei der Festung Christianspries liegende schwedische Flotte mehrere Ausbruchsversuche, während König Christian zuletzt befahl, die feindlichen Flotte zugleich anzugreifen. Am 1. August gelang den Schweden dann das Unfassbare: im Schutz der Dunkelheit zogen zwei Dutzend ihrer Kriegsschiffe unbemerkt durch die dänische Blockade hindurch auf die freie See und entkamen an Fehmarn vorbei nach Stockholm, ohne dass ein Schuss gefallen wäre.
Festung Christianspries in schwedischer Hand und mit der davor ankernden schwedischen Flotte, vom Ostufer aus gesehen. Am Horizont belagert die dänische Flotte die Ausfahrt der Kieler Förde. (Fotos [M]: © N. Hinrichsen)
Bis zum Friedensschluss von Broemsebro blieb das Kriegsgeschick in den Herzogtümern wie auf der Ostsee weiterhin unbestimmt. Am 13. Oktober 1644 wurden wir in einer zweiten Seeschlacht durch ein überlegenes Geschwader von zusammen 42 schwedischen und niederländischen Schiffen unter dem neuen schwedischen Admiral Wrangel in einem erneuten sechsstündigen Seegefecht im Fehmarn-Belt endgültig geschlagen. Zwei unserer Schiffe (die „Delmenhorst“ und die „Lindormen“ sanken, zehn weitere wurden gekapert, der tapfere Admiral Pros Mund und 100 dänische Matrosen war gefallen, drei weitere Admiräle, zusammen mit 1000 Seeleuten, in schwedische Gefangenschaft geraten. Auf der gegnerischen Seite sank dagegen nur die „Swarte Arent“. Zum Glück hatte ich zu diesem Zeitpunkt auf der „Trefoldighed“ bereits abgemustert und wartete angesichts des Einmarsches eines kaiserlichen Heeres in Kiel an Land auf neue Aufgaben – wie sich herausstellte vergebens, denn Gallas wurde von den Reiterhorden General Torstenssons, der zwischen Rensburg und Schleswig neue Einheiten aufstellte, wieder nach Süden abgedrängt und so beherrschte Torstensson weiterhin die Lage in den Herzogtümern.
Auch die Festung an der Kieler Förde verblieb noch bis zum Kriegsende unter schwedischer Besatzung und konnte mit ihren Geschützen bis zum 30. Oktober 1644 die Reparatur der schwedisch-niederländischen Flotte absichern, wenngleich der Flottenverband für eine Erstürmung Seelands vor Einbruch des Winters auch nicht mehr eingesetzt werden konnte und die Kieler Förde zuletzt unverrichteter Dinge verlassen musste. So blieb mir bis zum Frieden im August des nachfolgenden Jahres nichts weiter übrig, als mich während des anhaltenden Krieges als Bettler und Plünderer durchzuschlagen. Erst mit der Rückgabe der Festung Christianspries an die dänische Krone und der Wiedereinsetzung unseres geschätzten Festungskommandanten Axel Urup, verpflichtete ich mich wieder auf meinem alten Posten an der Geschützstellung auf der seeseitigen Bastion der Festung Christianspries. Wie es weitergehen mag, wenn sich die Gerüchte über eine Schleifung der Festung bewahrheiten sollten, steht in den Sternen.
Kanonier Renner Laurenz Börgersen an einem Schiffsgeschütz.
(Das abgebildete Kanonenrohr stammt von der niederländischen „Swarte Arent“, eines der drei gesunkenen Schiffe während der zweiten Seeschlacht vom 13. Oktober 1644, dessen Wrack Unterwasserarchäologen mit insgesamt 14 Kanonen und einer großen Menge Kanonenkugeln im Zuge des Tunnelbaus zwischen Fehmarn und Lolland entdeckten.) (Fotos [M]: © N. Hinrichsen)
Renner Laurenz Börgersen
(Festung Christianspries im Frühjahr des Jahres 1648)"
(Text: © N. Hinrichsen)
Fotos der (ehem.)
Festung Friedrichsort (1663 - 1864)
im Jahre 2024
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