Holstein im 17. Jhd.

Segeberg, die Siegesburg und die Schnapphähne ...

Das 17. Jahrhundert war eine Armutszeit: Auswirkungen der kleinen Eiszeit (von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in das beginnende 18. Jahrhundert), die Kipper- und Wipperzeit in den 1620er Jahren und der verbreitete Hexenwahn sowie die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges und der nachfolgenden Kriege zwischen den nordischen und europäischen Mächten auf dem Boden der Herzogtümer kennzeichnen die Elendszeit dieser Epoche in Holstein wie in Schleswig.

Geschlossene Sturmhaube mit Visier und Bart des Segeberger Amtmanns und Generalkommissars Marquardt von Pentz, *1570/75, verwundet in der Schlacht bei Lutter am Barenberge am 27. Aug. 1626. Gest. am 27. Febr. 1627. Helm in der Marienkirche zu Segeberg. (Foto: © N. Hinrichsen)

Im Herzogtum Holstein sind regionale politische Konstellationen mit ihren kriegerischen Konflikten eine besondere Ursache der ausufernden Verelendung: Während der „Nordische Siebenjährige Krieg“ (1563 bis 1570) und der „Kalmarkrieg“ (1611 bis 1613) zwischen Dänemark und Schweden noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Herzogtümer hatten, begann mit dem „Kaiserlichen Krieg“, dem Eintritt des dänischen Königs Christian IV. in den Dreißigjährigen Krieg (1625 bis 1629) ein Jahrhundert, in dem die Bewohner der Herzogtümer mit anhaltenden Konflikten und Krisen überzogen wurden. Doch nach dem dänisch-niedersächsischen Krieg (1625 bis 1629) und dem Torstensson-Krieg (1643 bis 1645) hatte das Elend im Herzogtum Holstein erst seinen Anfang genommen. Der Gegensatz zwischen Dänemark und Schweden um die Vorherrschaft in der Ostsee setzte sich in den Kriegen 1657 bis 1658 und 1658 bis 1680 fort und fand seinen Abschluss erst mit den Feldzügen 1700 und 1713/14. Die politische Situation weiter verschärfend kam noch die Auseinandersetzung zwischen den beiden Landesherren, dem König von Dänemark (als Herzog von Schleswig) und dem Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf hinzu, die – eingebunden in wechselnden europäischen Bündnissen – das politische Leben in den Herzogtümern ab Mitte des 17. Jahrhunderts bestimmten und wiederholt (1675 bis 1679, 1684 bis 1689, 1713 bis 1721) in der Besetzung der gottorfischen Gebiete durch dänische Truppen gipfelten. Wesentlich zu diesem Konflikt trug auch die Aufteilung der Herrschaft in den Herzogtümern seit der Landesteilung 1581 unter den beiden Landesherrn bei: den dänischen Königen und den aus einer jüngeren Linie des dänischen Herrscherhauses stammenden Herzögen von Schleswig-Holstein-Gottorf. Beide Regenten herrschten jeweils über ihre eigenen – bewusst zerstreut liegenden – Anteile an Ämtern, Landschaften und Städten der Herzogtümer, während sie zusammen und im jährlichen Wechsel in der „Gemeinschaftlichen Regierung“ über die Besitzungen der Stände (Prälaten, Ritterschaften und privilegierten Städte) regierten. Die Rivalität noch weiter verschärfend wirkte sich zudem das staatsrechtliche Verhältnis beider Herzogtümer zueinander aus: In Holstein als einem Territorium des Deutschen Reiches waren beide Landesherren gleichberechtigte Landesfürsten. Schleswig unterstand hingegen der dänischen Lehnshoheit, der Gottorfer Herzog war folglich Lehnsmann seines Mitherzogs, des dänischen Königs. In der „Union“ von 1533 waren die beiden Vertragspartner zudem zu gegenseitiger militärischer Hilfe verpflichtet; in der Realität bewirkte diese Verpflichtung jedoch allzu oft eine weitere Verschärfung der Rivalität. Für die Untertanen der Herzogtümer gingen die daraus resultierenden Konflikte vor allem mit Kontributionen, Einquartierungen und Brandschatzungen einher. Erst mit dem Ende des „Großen Nordischen Krieges“ (1700 bis 1721) setzte für die Menschen in den Herzogtümern eine friedvollere Epoche mit der „Ruhe des Nordens“ ein, die sich dann bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts mit seinen Napoleonischen Kriegen hinzog.

Segeberg in Holstein, Kupferstich in: Daniel Meissner: Politisches Schatzkästlein, Buch 2, Frankfurt a. M., 1626. (Abb.: © LBSH)

Doch das kleine Städtchen Segeberg mit seinen rund 100 Häusern am Fuße des Kalkberges hatte seine Bedeutung als Burgsiedlung, Residenzort und Beamt-/Handwerkerstadt in diesen Jahrzehnten inzwischen längst eingebüßt. Maßgeblich verantwortlich war dafür der Verlust der riesigen Siegesburg am Ende des Dreißigjährigen Krieges, in den nachfolgenden Jahrzehnten war die Stadt zu einer völlig verarmten nahezu lebensunfähigen Gemeinde herabgesunken – der Verlust der Burg markiert somit den entscheidenden Wendepunkt in der 800-jährigen Geschichte Segebergs.

Sas Segeberger Rathaus (mit dem Roland) im Westen der Stadt. Im Hintergrund die Siegesburg auf dem Kalkberg kurz vor ihrer Zerstörung. (Rekonstruktion/Visualisierung: © N. Hinrichsen / S. Deggim)

Es lohnt daher, die historischen Umstände der Burgzerstörung in den Blick zu nehmen. Überdies sind die historischen Ereignisse (die schon als Solche eine „rasante Räuberpistole“ darstellen), die beteiligten Akteure, ja selbst das Datum der Burgzerstörung vor Ort weitgehend unbekannt bzw. kaum von Interesse.


Eine zentrale Rolle für das Ende der mächtigen Burganlage spielt dabei eine irregulär aufgestellte Guerilla-Truppe, die so genannten „Segeberger Schnapphähne“, die im Torstensson-Krieg (1643 bis 1645) auf dänischer Seite und im verdeckten Auftrag des Segeberger Amtmanns (und Pronstorfer Gutsherrn) Caspar von Buchwaldt gegen die schwedischen Besatzungstruppen agierte. Ihre im weiten Umland Holsteins vollzogenen Überfälle aus dem Hinterhalt brachte die Schweden immer wieder in arge Bedrängnis – bis im Sommer 1644 zwei aufgebrachte Schnapphähne unter grausamer Folter ihren heimlichen Kommandanten von Buchwaldt in dessen Amtssitz, der Siegesburg, verrieten. Zur Vergeltung befahl der schwedische General Lennart Torstensson die Sprengung der längst schon bedeutungslosen mittelalterlichen Gemäuer auf dem Kalkberg – mit Folgen für die Stadt bis heute!

Schnapphähne überfielen schwedische Verbände in Holsteinz von 1644 bis 1645. (Foto: © N. Hinrichsen)