Nachdem ich die chronische Entzündung in Theo's linkem Hinterhuf entdeckt hatte, untersuchte ich auf die gleiche Weise auch seinen rechten Hinterhuf und fand dort dasselbe vor: einen schmerzempfindlichen Hohlraum unter dem scheinbar intakten Strahlhorn im Bereich der mittleren Strahlfurche. Das erklärt, warum Theo dem Hufschmied auch den rechten Hinterhuf nicht so gern gibt.
Hier behandle ich auf die gleiche Weise, wie unten beschrieben, und konnte so die Schmerzempfindlichkeit erheblich reduzieren. So geht es Theo recht gut, er hat sichtbare Lebensfreude und kommt mir grummelnd entgegen, wenn er mich sieht. Und er ist gern draußen mit mir unterwegs. Dafür lohnt sich der Aufwand!
Und die Behandlung dauert jeden Tag nur wenige Minuten, wenn man eine gewisse Routine erreicht hat!
Der Hufkrebs ist noch nicht wieder ausgebrochen. Was ich hier behandle, ist also seine Grunderkrankung, die damals dem Hufkrebs Vorschub leistete. Die erfolgten Huf-Operationen halte ich nach wie vor für richtig, denn damals war der Hufkrebs bereits ausgebrochen und fortgeschritten. Den hätte ich mit meinen Mittelchen nicht beseitigen können!
Schauen wir zunächst auf die Ursachen für Theo's Erkrankung. Das Hauptproblem sehe ich in seiner erblichen Vorbelastung durch seinen Vater. Dies äußert sich in der latenten Entzündung der Huflederhaut, die deshalb qualitativ minderwertiges Strahlhorn bildet. Das führt zu extremem Aufquellen des Horns bei Nässe und Schrumpfen und Rißbildung bei Trockenheit. Dadurch können Bakterien leicht eindringen und Strahlfäule und Hufkrebs auslösen.
Ob die latente Entzündung der Huflederhaut primär (zuerst da war) oder sekundär (als Folge der eingedrungenen Bakterien) ist, weiß ich nicht. Das ändert prinzipiell aber auch nichts an der Behandlung.
Viel Forschung zu Hufkrebs scheint es nicht zu geben, vielleicht weil Viele aufgeben und die betroffenen Pferde eingeschläfert werden.
Neben Fusobakterien, die die Strahlfäule auslösen, hat man im Hufkrebsgewebe immer wieder Treponemen gefunden. Die gehören zu den Spirochäten, spiralförmige, bewegliche Bakterien. Ob diese den Hufkrebs tatsächlich verursachen, ist nicht bekannt.
Trotzdem gehören die dort nicht hin. Das natürliche Mikrobiom im Huf besteht überwiegend aus Milchsäurebakterien.
Fusobakterien und Treponemen sind gramnegativ. Das heißt, daß sie durch die Gram-Methode nicht anfärbbar sind. Ihre Zellmembran ist hauchdünn und von einer Lipidschicht (Fett) umgeben. Fett kann man mit Tensiden auflösen (Spülmittel!).
Beide Bakterien mögen keinen oder wenig Sauerstoff. Treponemen sind mikroaerob (wenig Sauerstoff) und Fusobakterien obligat anaerob (vermehren sich nur ohne Sauerstoff). Sauerstoff kann man mit Wasserstoffperoxid erzeugen. In die mittlere Strahlfurche kann man eine Mullkompresse hineindrücken, um diese offen zu halten und so längere Zeit für Belüftung zu sorgen.
Milchsäurebakterien erzeugen i. Ggs. zu Fusobakterien und Treponemen ein saures Klima. Das kann man mit Essig unterstützen.
Gegen die erbliche Veranlagung kann ich nichts ausrichten. Aber ich kann verhindern, daß sich in den betroffenen Bereichen wieder Bakterien ansiedeln und Strahlfäule oder Hufkrebs auslösen.
Deshalb spüle ich zuerst mit einer Lösung aus Wasser, Essigreiniger (Essig und Tenside) und Wasserstoffperoxid (durch das Mischen von Essig und Wasserstoffperoxid entsteht Peressigsäure - Handschuhe und Brille benutzen!!). Nach ein paar Minuten Einwirkzeit, wenn die Bakterien ihre Fettschicht verloren haben und durch den Sauerstoff geschwächt sind, spritze ich mit Druck Jod in den Hohlraum. Das erledigt dann den Rest. Außerdem scheint Jod antientzündlich und schmerzlindernd zu wirken. Belegt ist das nicht. Vielleicht wird durch das Abtöten der Bakterien einfach die akute Entzündungsursache beseitigt.
Wenn der Zustand der mittleren Strahlfurche das zuläßt, kann man zum Abschluß eine Mullkompresse vorsichtig hineinstopfen, um die Furche offen zu halten und für Belüftung zu sorgen. Ich persönlich halte die Hohlräume unter dem scheinbar gesunden Strahlhorn seit Längerem mit dem Hufmesser offen. So ist für ständige Belüftung gesorgt und Spüllösung und das Jod kommen definitiv überall hin. Dadurch kann mir Theo wieder quietschend und bockspringend entgegengaloppieren. - Was für eine Freude!
Aufgrund der genetischen Veranlagung werde ich diese Behandlung wohl lebenslang durchführen müssen. Inzwischen habe ich aber soviel Routine, daß das nur noch ein paar Minuten pro Tag in Anspruch nimmt.
Man darf sich nicht vom äußeren Anschein täuschen lassen! Und Aussagen wie "Da kann nichts mehr wehtun, der macht bloß Theater!" oder "Der ist nur schlecht erzogen!" sind hier nicht zielführend.
Beispiel:
Unser Schmied hatte den Strahl schön glatt nachgeschnitten. Es war nach seiner Bearbeitung keine mittlere Strahlfurche mehr zu sehen. Eine einzige, schöne, glatte Fläche! Deshalb habe ich nur noch äußerlich behandelt. Nach vier Tagen ist mir beim Hufe auskratzen Theo's Huf um die Ohren geflogen. Nach genauerer Untersuchung habe ich festgestellt, daß die mittlere Strahlfurche durchaus noch vorhanden war. Genau wie der Hohlraum darunter, der jetzt wieder viel empfindlicher war. Mit der Tülle der Jodflasche habe ich mich vorsichtig durch die unsichtbare, mittlere Strahlfurche durchgetastet und wieder Jod hineingespritzt. Am nächsten Tag war der Schmerz wieder deutlich schwächer und ich konnte den Bereich mit dem Hufmesser vorsichtig öffnen.
Immerhin weiß ich dadurch, was passiert, wenn ich nicht oder nicht richtig behandle. Und ich weiß jetzt, das meine Behandlung tatsächlich wirkt!