Am 4. August ist das Buch in Amerika erschienen. Als eingeschworener Clancy-Veteran hatte ich mich so sehr auf dieses Werk gefreut. Vorfreude hat sich in diesem Fall wieder als die schönste Freude erwiesen. Der Endfünfziger John Clark, altgedienter CIA-Kämpe mit SEAL-Vergangenheit, steht an der Spitze einer neuen internationalen Anti-Terror-Einheit namens Rainbow, stationiert in England. Diese Elitetruppe, der auch ein deutscher Feldwebel namens Dieter und Clarks Schwiegersohn Ding Chavez angehören, vereitelt drei Geiselnahmen.
Haarsträubend und einem der großen Erzähler dieses Jahrzehnts unwürdig sind die Fehler, die Clancy in deutscher Sprache unterlaufen - wohlgemerkt im englischen Original. Die ersten beiden Geiselnahmen haben sich in Bern und Wien abgespielt. Der Leser spürt, daß Clancy die Deutschen , Österreicher und Schweizer mag. Stereotypen wie Gründlichkeit und Pünktlichkeit widmet er sich durchweg sehr freundlich. Doch die deutschsprachigen Einsprengsel haben es in sich: "Wafür" (S. 145) statt "Wieso" oder "Warum"; "Komm mir, Liebschen" (S. 153) soll wohl "Komm' her, Liebchen" heißen. Clancy hat sich bereits als kompetenter Führer durch die zukünftigen Technikmuseen des ausgehenden 20. Jahrhunderts bewährt: Modernste Waffen beschreibt er ebenso präzise wie die Computerwelt der internationalen Börsen. Da kann er doch nicht an ohnehin recht überflüssigen deutschen Einsprengseln scheitern.
Für 700 Seiten Clancy ist die Handlung ein wenig dünn: Da haben "The Sum of All Fears", "Debt of Honor" und "Executive Orders" packendere Szenarien auf globaler Ebene geboten. "Rainbow Six" liefert nur Hausmannskost.
Da die lammfrommen Russen den Kalten Krieg satt haben, Irak und Iran - zumindest in der Welt Jack Ryans - vernichtende Schläge zu verkraften hatten und Indien - siehe die letzten beiden Bücher - vielleicht doch nicht als glaubhafter Feind taugt, treibt der unvermeintliche Bösewicht in Amerika selbst sein Unwesen: John Brightling, Präsident eines Biotechnologiekonzerns, plant nichts Geringeres als die Vernichtung der Menschheit.
Nur einige Auserwählte sollen, geschützt in hermetisch abgeriegelten Wohnkomplexen, den totalen biologischen Krieg überleben, den Brightling der Welt erklären wird. Der Killervirus Shiva ist seine atemberaubend gefährliche Waffe. In "Executive Orders" hatte der Iran den Ebola-Virus in den USA plaziert, ohne seine Ziele zu erreichen. Wieder "bio warfare"? Das hatten wir doch schon. Die Handlung kommt nie richtig in Fahrt. Jack Ryan taucht gar nicht auf. Die Foleys, Arnie van Damm, George Winston und einige andere alte Bekannte haben einige kurze Auftritte. Daß "The President", der tatkräftige und treffsichere Held von "Jagd auf Roter Oktober" und "Patriot Games", nicht einmal in eine Aktion eingeweiht wird, die die Menschheit vor dem Untergang retten wird, während seine persönlichen Freunde Ed Foley und John Clark schlagkräftig wie eh' und je zut Tat schreiten, erscheint recht unglaubwürdig.
Das glückliche Ende einer recht flachen Handlung: Brightlings Plan, während der Abschlußfeier der olympischen Spiele in Sydney die Athleten mit dem Killervirus zu besprühen, scheitert an der Aufmerksamkeit des jungen Vaters Ding Chavez. Opa John Clark macht nach sachdienlichen Hinweisen eines reuigen Gehilfen Brightlings die Übeltäter im brasilianischen Dschungel unschädlich.