Familienchroniken faszinieren; jüdische Familienchroniken bewegen mich immer. Marek Halter verfolgt den Weg seiner Ahnen über drei Kontinente und zwei Jahrtausende. Er läßt den Schreiber Abraham 70 aus Jerusalem fliehen und ein Buch anlegen, in dem sich Kinder und Kindeskinder in direkter Line verewigen. Über Nordafrika und Spanien treffen Abrahams Nachkommen im späten Mittelalter in Frankreich ein. Im Elsaß lernen sie Gutenberg kennen und schulen zu Druckern um. Ab dem 17. Jahrhundert leben Teile der Familie in Polen; diesem Land begegnet Halter, Sohn von Überlebenden des Warschauer Ghettos, verständlicherweise mit Zurückhaltung. Auffälligerweise treten die deutschen Gebiete in dieser Erzählung nur als Transitland in Erscheinung.
Halters mehrfach preisgekröntes Werk hat viele Leser verdient. Vor allem die enge Verbindung von Arbeit und Glaube fasziniert. Der Autor liefert keine akademische Chronik des europäischen Judentums ab. Auch der Zionismus ab Herzl spielt nur eine untergeordnete Rolle. Halters Stoff finde ich erheblich aufregender. Immer wieder läßt er seine Charaktere fragen: Warum verweigert ihr Christen uns Respekt und bürgerliche Rechte? Dies ist in der Tat die Frage aller Fragen.