Fürbittenleuchter „Brennender Dornbusch“, Immanuel-Kirche, Hehlen

Gedanken von Superintendent Heiko Frerichs (Burgdorf) zu dem „Brennenden Dornbusch“

2. Mose 3, 1-22

Vielen ist die Geschichte seit Kindertagen bekannt. Mose - unterwegs in der Wüste als Schafhirte seines Schwiegervaters - entdeckt einen brennenden Dornbusch, der nicht verbrennt. In großer Neugier geht Mose näher heran. Und dann spürt er voller Ehrfurcht in diesem brennenden Dornbusch die Nähe Gottes.

Es ist wohl eine der wichtigsten Geschichten der Bibel, weil sie zum Bindeglied zwischen zwei Büchern ganz unterschiedlicher Themen wird: im ersten Buch der Bibel werden die Vätersagen des Volkes erzählt, im zweiten Buch folgt die Erzählung vom Auszug aus Ägypten. Und die Erzählung von der Begegnung am Dornbusch sagt: Es möge von noch so unterschiedlichen Menschen erzählt werden - von Adam und Eva bis zu Aaron und Mirjam, eines ist und bleibt bestehen: Es ist ein- und derselbe Gott, der von Anfang der Schöpfung an die Welt regiert und lenkt und der sich nun verpflichtet, das Volk durch Schilfmeer und Wüste in das Land Kanaan zu führen. Der „Gott der Väter“ ist kein anderer als der, der den Namen „JHWH“1 trägt - in unseren Bibeln mit „HERR“2 wiedergegeben. Dramatisch wird es erzählt. Aus dem brennenden Dornbusch heraus spricht Gott den Mose an: „So gehe nun hin, ich will,...dass du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“

Müßig ist es, nach naturwissenschaftlichen Erklärungen zu suchen, wie es denn geschehen könne, dass ein Dornbusch brenne, ohne zu verbrennen. Der, der diese Geschichte erzählt, ist an solchen Erklärungen überhaupt nicht interessiert. Er sagt vielmehr: Stell dir vor, du würdest so etwas erleben, du würdest genauso wie Mose spüren, dass Gott gegenwärtig ist. Dann würde auch dir aus Neugier ebenso Ehrfurcht werden vor der Nähe des Gottes.

Der geschmiedete Dornbusch nimmt diese Einsicht auf. Und damit wird diese Begegnung zum Spiegelbild dessen, was in Gebt und Fürbitten geschehen kann. Es sind sechs Gedanken, die hier wichtig werden können.

1 DER BESONDERE ORT. Da, wo ein Leuchter steht, der dazu einlädt, eine Kerze des Gedenkens zu entzünden und auf den Leuchter zu setzen, kann es einem wie Mose ergehen. Erzählt wird nicht, dass er auf seine gewöhnliche Fußkleidung verzichtet und barfuß näher herantritt. Aber er wird angeredet:„Tritt nicht näher herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land.“ Und voller Ehrfurcht steht er davor. Wer vor diesen Dornbusch-Leuchter tritt, kann unwillkürlich spüren, was in der Geschichte dem Mose widerfährt. Aus Neugier wird ein Schweigen, zu dem sich Ehrfurcht paart.

2 DER GEHEIMNISVOLLE GOTT. Die Zweige dieses Dornbusches sind dazu da, dass auf ihnen Kerzen brennen. Mit jeder Kerze wird der geschmiedete Dornbusch dem ähnlicher, von dem in der Bibel erzählt wird. In der biblischen Dornbuschgeschichte ist Gott nicht einfach zu erkennen wie in den Götterbildern Ägyptens. Aber es geht eine Macht von dem brennenden Busch aus. Noch ist der Erzähler unsicher, wer da wirkt. Er nennt zunächst diese Macht einen „Engel“ Gottes. Aber dann lässt sich in dem Brennenden Gott selber erahnen: „Ich will mit dir sein“ ist sein Name. „Ich werde sein, der ich sein werde“ wird er genannt, dass heißt: „Wenn es drauf ankommt, dann bin ich da.“ So ist es, wenn alle Kerzen auf dem Fürbittenleuchter brennen. Wir erahnen eine Macht, ohne uns ein Bild von ihr zu machen. Und es mag uns durch den Kopf gehen, dass Jesus und einprägt: “Geheiligt werde dein Name, Gott: `Ich will mit dir sein`.“

3 BEGEGNUNG Ich zünde eine Kerze an und weiß, alles darf ich bitten. Denn mit jeder entzündeten Kerze verbindet sich ohne viele Worte ein Gebet und eine Bitte, die Ausdruck einer Sehnsucht ist. Jede Bitte hat ihr Recht, die Bitte vom Erfolg in der Schule bis zum ersehnten Frieden in Syrien. Unabweisbar aber ist ein Gespür, dass sich mein Herz für andere Menschen öffnet mit jeder Kerze, die ich entzünde. Im Herzen des Mose leben „die Ältesten des Volkes“, lebt der „Pharao“ und viele andere. Und eher zaghaft reagiert er, ahnend, dass er ihnen nicht immer gerecht werden kann. In meinem Herzen sind die, mit denen ich zusammen gehöre, seien es die, mit denen ich zusammen lebe oder die, deren Schicksal mir in Zeitung und Fernsehen nahe gebracht werden. Ich lebe nicht allein auf dieser Welt, sondern atme in einem Gefüge mit anderem Leben. Und wenn dieses Gefüge gestört ist, wird die Bitte des Vaterunsers wichtig: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

4 ERFÜLLUNG UND ENTTÄUSCHUNG. Es mag sein, dass ich schon gar nicht damit rechne, dass meine Bitten in Erfüllung gehen. Manches wird sich erfüllen, manches bleibt ohne ein Ja. Aber über allem steht ein ungemein großes Ziel, das sicher auch auf Mose utopisch wirken musste. Es ist die Befreiung aus der Knechtschaft, die ihm und seinem Volk zugesagt wird.

Mit jeder Bitte, die ich mit der brennenden Kerze in mir spüre, werde ich an dieses umfassende Ziel der Menschheit erinnert. Und zugleich entdecke ich, dass die Wege zu diesem Ziel oft andere sind als die, die ich mir vorstellen kann: „Nicht, wie ich will, sondern, wie du willst“ und: „Dein Wille geschehe, wie er schon immer im Himmel geschieht, so auch auf Erden und in meinem Leben,“ geht es mir durch den Kopf.

5 AUFTRAG UND SINN. Es mag gelingen, dass ich in dem Moment, da ich eine Kerze entzünde, spüre, was ich selber zur Erfüllung meiner Bitte und zur Lösung meines Problems tun kann. Meine zunächst spontan geäußerte Bitte verändert sich und wird zu einer Einsicht. Ich spüre den Impuls, was ich tun oder lassen kann.

In der biblischen Dornbuschgeschichte erhält Mose den Auftrag: „So gehe nun hin, ich will, das du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“ Er mag versucht gewesen zu sein, sich zu drücken. Aber es gelingt ihm nicht.

Jesus schlägt in seinem Gebet die Bitte vor: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“

6 DAS SCHWEIGEN UND DAS GEHEIMNISVOLLE. Es ist schon gut, dass ich beim Entzünden der Kerze nichts sagen muss. Sie brennt einfach und lässt zu, dass in meinen Gedanken andere Platz finden, darunter auch der, dessen Name „Ich werde sein, der ich sein werde“ ist. Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard sagt: „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer.“ Ich höre, was dieser Gott mit seinem merkwürdigen Namen zu sagen hat.

Die Geschichte vom brennenden Dornbusch fasst sie alle zusammen in der Treue Gottes: Adam und Eva, Kain und Abel, Noah und Abraham, wie auch das Volk in der Wüste. Auf diese Geschichte von der Treue Gottes beruft sich dann später auch Jesus, der uns zum Christus geworden ist. Auf diese Geschichte darf auch ich mich einlassen.

Und so mögen uns die Lichter dieses Fürbittenleuchters an die Flammen der Pfingstgeschichte erinnern, die zum Bild des Heiligen Geistes werden.

1 In den hebräischen Texten sind für den Gottesnamen nur die Konsonanten „JHWH“ enthalten. Ausgesprochen wurde der Name mit großer Wahrscheinlichkeit „Jahwe“ (das auslautende „H“ ist stumm). Das kann man aus alten griechischen Übersetzungen entnehmen, die den Gottesnamen so wiedergaben. Als die jüdischen Gelehrten Jahrhunderte später den hebräischen Text mit Vokalen versahen, setzten sie bei „JHWH“ die Vokale „e“, „o“, „a“, das sind die Vokale für „Adonai“ („Herr“), um zu erreichen, dass nun der Gottesname nie ausgesprochen werden solle, sondern beim Lesen durch „Adonai“ („Herr“) ersetzt werde. Durch ein Missverständnis, das schon im Mittelalter zu beobachten ist, wurden dann in der christlichen Theologie die Herr-Vokale „e“, „o“, „a“ als Vokale des Gottesnamen angesehen. Es entstand das Wort „Jehova“.

2 Überall, wo im hebräischen Text „JHWH“ steht, steht in den deutschen Übersetzungen „HERR“, in großen Buchstaben geschrieben.