Der Schützenmattpark
Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Stadt, ausgelöst durch die Industrialisierung, aussergewöhnlich zu wachsen. 1859 wurde deshalb das Stadterweiterungsgesetz erlassen, das den Abriss der Stadtmauer und der meisten Stadttore beinhaltete, um Platz für den Verkehr und neue Quartiere zu schaffen. Deshalb war auch der Verbleib des Schiessplatzes aus Lärm- und Sicherheitsgründen nicht mehr haltbar und dieser wurde 1899 an den Allschwiler Weiher verlegt. Sechs Jahre vorher wurde bereits ein Antrag an den Rat gestellt, die älteste Fläche der Schützenwiese in einen Park umzugestalten. 1898/99 begann man mit der Anlage des Schützenmattparkes unter dem Stadtgärtner Johann Niklaus Scholer (1853-1903) mit Bauten des Architekten Emil Faesch (1865-1915), der sich neben Hans Bernoulli und anderen mit seinen Entwürfen für das Musikpavillon und die anderen kleinen Gebäuden hatte durchsetzen können.
Neben dem Pavillon wurden mehrere kleinere Holzgebäude auf dem Gelände erstellt, eine Ziegenmilchbude, eine Redtirade (auch WC genannt), eine Limonadenbude und eine Werkzeughütte.
Der Park war damals einzigartig und der erste Volkspark in Basel überhaupt. Das Konzept des Volksparks hatte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts aus der Kritik an Volksgärten entwickelt und sollte der städtischen Bevölkerung Raum zum Spielen, zur Bewegung und zur Freizeitgestaltung anbieten. Die Eröffnung fand im Jahr 1900 statt.
Ziegenmilch
In den 1890er Jahren entstand ein "Hype" um die gesundheitsfördernde Wirkung von Ziegenmilch. Ärzte empfahlen Kindern und Erwachsenen das Trinken warmer Ziegenmilch. Waren die Verkaufsstellen bis dahin meist primitive Bretterställe, die keine hygienischen Standards erfüllten, so liess der Rat der Stadt, auf Empfehlung des Baudepartements, in ganz Basel 9 Ziegenmilchbuden errichten, die je Platz für etwa 16 Ziegen boten und als Verkaufstelle für die Milch dienten. Bis in die 40ger Jahre wurde die Ziegenmilch als Ersatz für Kuhmilch getrunken, da letztere als Überträger für die Tuberkulose galt.
Eine der Buden stand im Schützenmattpark, dem Plan nach ungefähr an der Stelle, wo sich jetzt der Kompostplatz befindet. Die Grossmutter meiner Kinder kann sich noch gut daran erinnern, dass es für sie ein Graus war, die Ziegenmilch trinken zu müssen.
Der Musikpavillon
Um noch mehr Publikum anzuziehen wurde im Zentrum des Parks ein Musikpavillon angelegt, der für öffentliche Promenadenkonzerte bestimmt und zur grossen Spielwiese hin ausgerichtet war. Noch im Jahr der Einweihung legte man um den Pavillon einen kreisförmigen Platz mit Schatten spendenden Bäumen an.
Ganz im Geiste der Zeit war natürlich Militärmusik. Die Gefahr, dass die französischen Truppen den Süden Deutschlands via die Schweiz und umgekehrt deutsche Truppen Frankreich ebenso angreifen könnten, war durchaus präsent. Das Dreiländereck war damals allerdings weiter südwestlich, da das Elsass noch zu Deutschland gehörte. Das Bild links zeigt eine Feldpredigt eines Berner Regimentes aus dem Musikpavillon heraus im August 1915 im Schützenmattpark .
1978 wurde der Pavillon renoviert und überdauerte noch 21 Jahre bis er 1999 einer Brandstiftung zum Opfer fiel. Die Polizei konnte drei selbsternannte 'Satanisten' ermitteln, die in einer Reihe von 'Anschlägen' den Pavillon in Brand setzten und das damals fast 100-jährige Bauwerk zerstörten. Der materielle Schaden belief sich auf 300'000 CHF. Der kulturelle Schaden ...
Ersetzt wurde der Bau 2002/2003 durch das heutige Parkcafé und bekam 2008 die Auszeichnung Guter Bauten vom Kanton Basel-Stadt.
Von den alten Gebäuden steht heute nur noch der kleine Verkaufskiosk am Bundesplatz, den ich nicht zeitlich einordnen kann, der Trafokiosk von ca. 1920 und der Geräteschuppen, der jetzt als Toilette dient. Im Laufe der Zeit kamen das kleine Planschbecken mit dem steinernen Seelöwen von Louis Weber von 1934, das 2. Weltkrieg Denkmal von Georges Salendre von 1948 und der Trinkbrunnen von Alfred Wymann von 1954 dazu. Später noch die Spielgeräte, die 2012 und 2013 rundum erneuert wurden. Der Lozziwurm, der 1972 nach Plänen des Schweizer Eisenplastikers Yvan „LOZZI“ Pestalozzi aufgestellt wurde und den wohl jedes Kind des Quartiers in dieser Zeit kannte, wurde 2012 aus Sicherheitsgründen demontiert.
Das 'International council on monuments and sides (ICOMOS)', eine Organisation der UNESCO, hat unseren Park 2001 in die 'Liste der historischen Gärten und Anlagen der Schweiz' aufgenommen.
Beutzte Quellen und Literatur:
- Feller, Celine: So entwickelte sich der Schützenmattpark vom Schiessplatz zum Wohlfühlpark. In: BZ Basel 02.02.2014
- Thiersch, Friedrich von: Emil Faesch, Architekt. Geb. 14. Juli 1865, gest. 23. Dezember 1915. Aus: Basler Stadtbuch 1917, S. 195-212
- [s.n.]: Faesch-Geering, Emil. In: Schweizerische Bauzeitung Band (Jahr): 67/68 (1916) Heft 1
- Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Stadtgärtnerei: Von militärischen Anlässen und abgerissenen Stadtmauern. [s.a.]
- Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt: Stadtgärtnerei: Der Schützenmattpark. 2007
- Spycher, Albert: Appenzeller Familien als Ziegenmilchbuden-Betreiber in Basel von 1875 bis 1918. Aus: Innerrhoder Geschichtsfreund Band (Jahr):51 (2010)
- Standke Architekten: Pavillon Schützenmattpark, Basel
- zpf.Ingenieure: Pavillon Schützenmattpark
- Online Reports: Schützenmattpark ohne den legendären "Lozzi"-Wurm 03.04.2012
- Wikipedia: Yvan_Pestalozzi
- altbasel.ch: Denkmal der Dankbarkeit
- ICOMOS suisse: Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz
- https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=sbz-002:1901:37:38::629#3016
- [s.n.]: Der Musikpavillon im Schützenmattpark zu Basel. In: Schweizerische Bauzeitung, Band (Jahr): 37/38 (1901), Heft 23. S. 252 f