Suche nach Kindern

Quellenhinweis: Die nachfolgenden Texte auf den Seiten "Verschwindenlassen", "Gründung von Pro Búsqueda", "Ergebnisse", "Pro Búsqueda Team" und die Ausführungen zu dem Jesuiten-Pater Jon Cortina sind der Broschüre "Auf der Suche nach Identität, Gerechtigkeit und historischer Erinnerung" von der "Asociación Pro Búsqueda de Niñas y Niños Desaparecidos" in seiner deutschen Übersetzungen entnommen worden. Die Fotos sind von Ulf Baumgärtner. Die Broschüre "Auf der Suche nach Identität, Gerechtigkeit und historischer Erinnerung" kann über nachfolgenden Link auf der Internetseite von Christa Rahner-Göhring angesehen und von dort herunter geladen werden: http://www.rahner-info.de/doc/Pro-Busqueda-Suche-nach-Kindern-El-Salvador.pdf

Für den Zeitraum des 12-jährigen Bürgerkrieges in El Salvador (1980 - 1992) hat die Wahrheitskommission über 5.000 Fälle von Entführung und Verschwindenlassens dokumentiert. Nach Angaben des Mütter-Komitees geht man doch von 9.000 Fälle aus. Nach dem Ende des Bürgerkrieges litten und leiden viele Familien darunter, dass sie nicht wissen, wo ihre Angehörigen geblieben sind, ob sie noch leben. Dies trifft besonders auf die Kinder zu.

Ausgehend von dem Zusammenschluss einiger Mütter die gemeinsam ihre verschwundenen Kinder suchten und den ersten Erfolgen bildete sich die Organisation Pro Búsqueda im August 1994. Auch heute, also nach über 17 Jahren, ist man noch immer auf der Suche nach verschwundenen Kindern, die sich möglicherweise im Ausland aufgrund von "legalen" Adoptionen aufhalten.

Auf den folgenden Seiten geben wir einen Überblick über das "Verschwindenlassen", der Gründung und der Arbeit von Pro Búsqueda. Darüber hinaus schildern wir die Hindernisse, die sich für Pro Búsqueda in den Anfangsjahren ergaben, insbesondere mit der Organisation SOS-Kinderdorf in El Salvador. Weiterhin dokumentieren wir die Situation von zwei Jugendlichen bzw. Erwachsenen, die im Jahr 1994/1995 mit ihren Eltern zusammen geführt werden konnten. Desweiteren dokumentieren wir einen Bericht der am 09.02.1995 von Reimar Paul im "Neuen Deutschland" bzw. "Junge Welt" erschien ist.

Pater Jon Cortina

Wenn man von Pro Búsqueda spricht, ist damit fest verbunden der Name Jon Cortina, ein Jesuiten-Pater, der am 08.12.1934 in Gernika (Baskenland) geboren wurde und bereits im Alter von nur 20 Jahren als Jesuiten-Novize nach El Salvador ging. Bekanntlich wurde Gernika 1936 faschistischen Truppen des General Franco, unter Mithilfe der Nazi-Luftwaffe bombardiert. Vor dem Terror der Franco-Truppen floh die Familie nach Frankreich ins Exil. Jon Cortina war Teil der Gruppe von Priestern, die das goldene Zeitalter der Befreiungstheologie in El Salvador erlebten und prägten, ander Seite des Märtyrers Rutilio Grande in Aguilares, wo die Jesuiten-Priester die Organisation und Kämpfe der Bauern und Bäuerinnen für ein Leben in Gerechtigkeit begleiteten. Ab 1986 begleitete Pater Jon Cortina zusammen mit anderen Ordensleuten die Rücksiedlungen im Nordosten von Chalatenango, die mitten im Krieg entstanden. Von da ab war sein Lehrstuhl an der Jesuiten-Universität in San Salvador sein Rückzugsgebiet, denn jedes Wochenende verbrachte er in Chalatenango mit seinen Leuten und scheute auf dem Weg dorthin weder Militärsperren noch Zusammenstöße. Weil er regelmäßig in die Konfliktzone in Chalatenango reiste, überlebte er am 16. November 1989 das Massaker an seiner Universität, dem seine Brüder zum Opfer fielen. An diesem Tag war Jon in Guarjila, wo ihn die Bauern und Bäuerinnen dieser Rücksiedlung aufmunterten und beschützten. So wurden Guarjila und seine BewohnerInnen zu Jon Cortinas Heimstätte. In Guarjila lernte Pater Jon Cortina die Verbrechen kennen, die die salvadorianischen Streit- und Sicherheitskräfte in den ländlichen Gemeinden begingen. Was ihn aber besonders bewegte, waren die Geschichten der Mütter, die ihre Kinder verloren, weil sie ihnen von den Soldaten buchstäblich aus den Armen gerissen wurden. So weckten das gelebte Wort Gottes, das Beispiel von Monseñor Romero und seine eigene Geschichte als Flüchtlingskind in Jon die Berufung, die Mütter der verschwundenen Kinder zu trösten, indem er sein liebstes Projekt anfing: die Veinigung für die Suche nach den im Krieg verschwundenen Kinder. Bedauerlicherweise ist Pater Jon Cortina am 12. Dezember 2005 in Guatemala verstorben.