Sethuraja Servai
Ein Maschinenwart aus Indien
Sethuraja Servai
ein Seemannsportrait
Sethuraja Servai
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Sethuraja Servai wurde am 5.1.1948 in dem kleinen Dorf Kamuthakkudi, 300 km von Madras entfernt, in Indien geboren. Seine Eltern besitzen eine kleine Farm. Sie bauen dort Reis an, Zuckerrohr, Bananen, Erdnüsse und verschiedene Sorten Gemüse. Die Landarbeit wurde vor allem von der Mutter und den Kindern erledigt, am Wochenende auch vom Vater, der sonst bei der staatlichen Eisenbahn sein Brot verdiente. Die Erträge der Farm erntet man nicht nur zum Eigenverbrauch, sondern sie werden auch verkauft. Sethuraja hat noch einen älteren Bruder, der jetzt in seinem Heimatort als Polizeiinspektor tätig ist, und drei Schwestern, die gut verheiratet sind. Mit Unterbrechungen besuchte er neun Jahre lang die Schule in einem acht Kilometer entfernten Ort. Am Schulbesuch hatte er jedoch keine große Freude. Die Theorie lag ihm nicht sonderlich. So verließ er die Schulbank im Alter von 18 Jahren und arbeitete zunächst in der elterlichen Farm. Dann ging er im Alter von 22 Jahren zu einem Onkel, der auf einer staatlichen Werft im 1.200 km entfernten Bombay arbeitete und begann auf dieser Werft eine Ausbildung als Maschinenschlosser. Nach 2½ jähriger Lehrzeit mit Abschlusszertifikat machte er noch eine einjährige Zusatzausbildung als Schweißer.
Als er 27 Jahre alt war, lag ein amerikanisches Oelbohrschiff zur Reparatur in der Werft. Er fragte den Kapitän nach einem Job an Bord und wurde angeheuert. Mit dem Schiff fuhr er nach Kuwait und arbeitete dort für 600 US-$ und drei Tage Urlaub monatlich sechs Monate lang. In Kuwait plagte ihn die Hitze jedoch weitaus mehr, als im heimatlichen Indien, so dass er die Arbeit aufgab. Etwa drei Monate suchte er vergeblich nach einem Landjob in Indien. Dann beschloss er, sich von seinem in Kuwait verdienten Geld ein Flugticket nach Deutschland zu kaufen und machte sich mit einem Touristenvisum auf nach Europa. Wie er gerade auf Deutschland komme? „Als zwölfjähriger Junge mußte ich meinem Vater täglich das Mittagessen zur Arbeit bringen. Er aß dann zusammen mit seinen Kollegen und ich saß dabei und hörte ihren Gesprächen zu. Die Kollegen meines Vaters waren als britische Kolonialsoldaten im 2. Weltkrieg in Europa gewesen und erzählten auch viel von den Deutschen.“ In seiner jugendlichen Phantasie entstand ein Deutschlandbild mit Assoziationen von „hart - Stahl - Brückenbau - U-Boot - intelligent“. Die Deutschen galten ihm als die Spezialisten für Stahl. Als Maschinenschlosser meinte er also, in Deutschland sein Glück machen zu können, hoffte er auf jeden Fall Arbeit zu finden. Am 5. Mai 1973 landete er in Hamburg-Fuhlsbüttel. Bei der Polizei am Flughafen fragte er, wo denn in Hamburg wohl die Seeleute zu schlafen pflegen und man verwies ihn an das katholische Seemannsheim „Stella Maris“ in unmittelbarer Hafennähe. Ein afrikanischer Seemann erklärte ihm dort auf seine Frage, wie er sich wohl einen Job auf einem Schiff suchen könne: „Ganz einfach: Alle Häuser in Hafennähe mit einer Flagge auf dem Dach beherbergen eine Reederei.“ Drei Tage später schon hatte er eine Fahrkarte nach Rotterdam und einen Vorschuss in der Hand. Die Reederei Barthold Richters am Rödingsmarkt hatte ihn für ihr Schiff MS „Clari“ als Motormann angeheuert. Mit anderen Kollegen zusammen (Deutschen, Türken und Spaniern) hatte er dafür zu sorgen, daß die 5.000-PS-Maschinen ihre Arbeit störungsfrei verrichteten. Von Rotterdam ging es mit LKW's nach Mocambique, von dort mit Steinen für Hafenbau nach Japan. Von Korea wurde Stahl nach Neuseeland befördert und von Australien Getreide nach Djidda in Saudi-Arabien. Dort ging er nach sieben Monaten von Bord und flog zurück nach Hamburg. Auf der Reise war er ständig seekrank gewesen, so daß ihm der Sinn gar nicht nach einem neuen Schiff stand. Er hatte gutes Geld verdient: monatlich 1.400 DM netto. Aber es reichte nicht lange. Viele Kollegen aus Indien und Sri-Lanka, die er im Stella-Maris-Seemannsheim traf, pumpten ihn an und er half ihnen. Er suchte nach einem Job an Land. Es fand sich aber so schnell nichts. So ging er viel spazieren und wanderte häufig das Elbufer abwärts bis zum schönen Blankenese. Dort lernte er eine deutsche Frau kennen. Nach drei Monaten heirateten die beiden. Sethuraja zog mit in die Wohnung seiner Frau und fand einen Landjob bei der HDW-Werft. Es kam ein gemeinsames Kind. „Meine Frau wollte unbedingt, dass ich zur Schule gehe, um besser die deutsche Sprache zu lernen und beruflich weiterzukommen. Aber nach drei Tagen gab ich es auf.“ 1976 kündigte er seine Arbeitsstelle bei der Werft und fing als Maschinenwart auf der Englandfähre „Prinz Hamlet“ der HADAG an. Dort fuhr er 2¼ Jahre zwischen Hamburg und Harwich und war jeden zweiten Tag wieder in Hamburg. Während der vierstündigen Liegezeit konnte er schnell zu seiner in Altona wohnenden Familie. Als er dann in unmittelbarer Nachbarschaft seiner Wohnung bei der Firma Kolbenschmidt in Altona eine Arbeit als Dreher und Feinbohrer fand, kündigte er bei der „Prinz Hamlet“ und arbeitete wieder fünf Jahre an Land. 1983 ging seine Ehe in die Brüche. Seine Frau reichte die Scheidung ein. Er suchte sich wieder ein Schiff und kündigte seine Arbeit in der Fabrik auf. Zu dieser Zeit wohnte er auch das erste Mal im Seemannsheim am Krayenkamp. 1985 wurde seine Ehe geschieden.
Nachdem er zehn Jahre lang nicht in Indien war, verbrachte er 1985 erstmals wieder einen dreimonatigen Urlaub zu Hause. In dieser Zeit heiratete er auch eine indische Frau, die auf der elterlichen Farm arbeitete. Mit ihr hat er inzwischen zwei Kinder.
Fünf Jahre lang fuhr er in der Kleinen Fahrt jeweils zwei bis drei Monate in europäischen Gewässern. Zwischendurch arbeitete er auch öfter einige Monate bei Zeitarbeitsfirmen an Land. In letzter Zeit hat er zunehmend Schwierigkeiten, ein neues Schiff zu finden. Zuletzt machte er zur Jahreswende 1991/92 eine sechswöchige Urlaubsvertretung bei einer Nordenhamer Reederei. An Land könnte er in seinem Beruf jederzeit Arbeit finden. Er möchte aber lieber zur See fahren.
Am liebsten würde er gerne demnächst in seine indische Heimat zurückkehren und sich dort als Fensterbauer selbständig machen. Da seine siebzehnjährige Tochter aber noch in der Schulausbildung ist und er sich für deren Unterhalt mit verantwortlich fühlt, möchte er noch etwa fünf Jahre in Deutschland Geld verdienen. Seine Familie in Indien würde es ihm auch verübeln, wenn er nicht für seine in Deutschland verbleibende Tochter sorgen würde. Andererseits konnte er seine Tochter noch nicht davon überzeugen, mit ihm zusammen nach Indien zu gehen.
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