7 - Die Spittelberglieder und andere berüchtigte Lieder

(Auf diese gehe ich auch in "www. Girtlers erkundungen" in dem Kapitel über den Wiener Ganoven Pepi Taschner ein, hier finden sich ein paar Ergänzungen).

Die verrufenen Wirtshäuser am Spittelberg in Wien – ihre Wirtinnen und ihre Lieder

Die alte Wiener Vorstadt Spittelberg (heute: 7. Bezirk), deren Gemeindesiegel der goldene Reichsapfel mit einem Kreuz auf Bergeshöhe ist, hatte im 18. und auch noch im 19. Jahrhundert den Ruf der Sittenlosigkeit. Es muss hier wild zugegangen sein.

Die Geschichte des Spittelberges ist ebenso bunt wie die Leute , die durch diese Gassen heute ziehen. Der Spittelberg gehörte zu den anrüchigsten Gegenden Europas. So heißt es in einem alten Bericht über den Spittelberg, dass dort um 1800 im Gewirr enger, düsterer Gassen schmutzige Häuser mit Schenkstuben niedrigster Art dicht nebeneinander lagen. Meist waren die Schenken durch Hobelspäne oder Reisig kenntlich gemacht. Unter den Gästen war Gesindel aller Art, wie es heißt, Gesindel, das die letzten Kreuzer verjubelte, Bettler, Handwerksburschen und Landstreicher, vor allem aber Zuhälter der zahlreichen Dirnen. Raufereien waren an der Tages- und Nachtordnung.

Berüchtigt waren unter den übel beleumundeten Wirtshäusern unter anderem die "Hollerstaude" in der heute nicht mehr existierenden Fleischhauergasse - sie verlief als Sackgasse zwischen der Breite- und der Kirchberggasse - und der „steinerne Löwe" in der Gutenberggasse . Aus mir unerfindlichen Gründen hat man den schönen Namen „steinerner Löwe“ irgendwann einmal durch den historisch nicht hierher passenden Namen „Witwe Bolte“ ersetzt. In letzterem soll, so erzählt es die Legende,gerne der deutsche Kaiser Josef II. inkognito sich aufgehalten haben. Und zwar wegen einer leichten Dame ,die angeblich Sonnenfels Waberl hieß. Eines Tages soll der Kaiser vom Wirt, der ihn nicht erkannt hatte, gewaltsam vor die Tür gesetzt worden sein. (siehe dazu Hans Rotter 1925, S 19, 48). Darin erinnerte bis zur Renovierung des Hauses eine Inschrift am Türbogen dieses Gasthauses: "Durch dieses Tor im Bogen kam Kaiser Josef II. geflogen 1778". Dieser Türbogen existiert nicht mehr, Die Inschrift ist heute über der Tür der rechts liegenden Gaststube wesentlich kleiner angebracht.

Zu den wildesten Darbietungen der Spittelbergkneipen gehörten die in diesen gesungenen Lieder und Vierzeiler. Diese "Spittelberger Lieder" wurden im Jahre 1812 aufgezeichnet und von einem gewissen Haydinger aufgehoben, der sie dem Wiener Geschichtenschreiber Friedrich Schlögl einmal lesen lies. Über diese Lieder war letzterer derart entsetzt, daß er dies schrieb: "Schmunzelnd zeigte mir der gefällige Mann diese Scandalosa es waren fünf starke Bände in Manuskript. Die Haare standen mir zu Berge, als ich nur die ersten Stanzen las und ich klappte diese textierte Orgie errötend zu“. Es ist zu vermuten , dass diese Lieder ,die in den Spittelbergkneipen gedichtet und gesungen worden sind, zunächst auf Tische und Wände gekrizelt wurden. Daher seien einige dieser lasterhaften Erzeugnisse hier wiedergegeben (ich bitte wegen der historischen Wahrheitsfindung um Nachsicht):

D´ Frau Wirtin bei da Lindn,

Die hats zu weit hintn

Und d´Frau Wirtin

Beim schwarzen Turm

Hats zu weit vurn.

Bei da Gigaritschn, bei da Gigaritschn

Aufn Kegelsta(n) san ma glegn

Und da hab i ihr mein Bonapartl

In die Hollapritschn einigebn.

Die steirischen Menscha

Die liegn aufn Klee,

Sie reckn von Weitn

Scho(n) d´ Haxn in d´ Höh.

Die Frau Wirtin beim Becher,

Dös is a liabs Weib,

Sie reißt am an aba

Zum Zeitvertreib.

( siehe in: K. Giglleithner und O. Litschauer, 1924, S

Die Wirtshäuser des Spittelbergs, die heute zu noblen Gaststätten geworden sind und von feinen Leuten aufgesucht werden, bergen also eine interessante und verruchte Tradition, von der nur wenige wissen. Zu dieser Tradition gehören Lieder, in denen auch Wirtinnen vorkommen, wie zu sehen war. In einem dieser Gasthäuser fand die Präsentation meines Buches "Der Adler und die drei Punkte" statt (dies ist unter "www. girtlers erkundungen" im Zusammenhang mit Pepi Taschner nachzulesen).

Die berüchtigten Spittelberglieder hat der begnadete Sänger und Schauspieler Stephan Paryla für eine CD, die im Handel zu erwerben ist, gesungen. Es ist eine Ehre für mich, dass ich für diese CD erklärende kulturwissenschaftliche Gedanken sprechen durfte. Bisweilen gestaltet Stephan Paryla mit diesen Lieder zum Gaudium des Publikums ganze Abende.

Dieses Plakat bezieht sich auf einen seiner Auftritte im Jahre 2015, bei dem auch ich wissenschaftlich mitwirkte.