Fulltime-Job

Bilanz über einen Full-Time-Job.

 

Ich arbeite  seit über 30 Jahren im höheren Management eines durchaus ansehnlichen Dienstleistungsbetriebes , an dem ich zu 50 % mit allen Rechten und Pflichten beteiligt bin.

Mein Partner arbeitet im Außendienst, ich leite völlig alleinverantwortlich den gesamten Einkauf, habe großes Mitspracherecht bei der langfristigen Finanzplanung, arbeite sehr gern auch in der Kantine, -wobei ich besonders auf vollwertige und ausgewogene Ernährung Wert lege, - und leiste bei  Betriebs-Unfällen erste Hilfe.

 

Zu meinem täglichen Aufgabengebiet zählen außerdem Logistik, Controlling, Buchhaltung und Finanzverwaltung sowie der gesamte Schriftverkehr und die soziale Betreuung.

 

Nach einem Arbeitstag, der nicht nur 8 Stunden lang ist, finde ich immer noch Zeit für ein Gespräch mit meinem Vertragspartner, um über die Ereignisse des Tages oder anfallende Probleme zu sprechen und dann gehe ich gern mit ihm ins Bett!

Ich habe 4 Kinder von ihm!

Er sagt mir seit wir uns kennen, daß ich seine Traumfrau bin! Wir sind 30 Jahre verheiratet.

Das Management, in dem ich arbeite, ist meine FAMILIE, mein HAUSHALT, meine HEIMAT!

 

.... und kein Arbeitsplatz außerhalb meiner Familie hätte mir je soviel Befriedigung bringen können, wie das Organisieren und Führen meines „Betriebes“ mit 4 Kindern, Ehemann, Großvater, Hund, Katzen, Hasen, Haus und Garten und ungezählten Herausforderungen, die tagtäglich wechselten und mir keine Zeit ließen, darüber nachzudenken, ob ich mich doch lieber  Ilse Brandt, Ilse-Doris Brandt-Huber, oder Doris Huber-Brandt nennen sollte.

 

Als wir heirateten , taten wir das , weil wir uns liebten und zusammenbleiben wollten.

Heute scheint man zu heiraten, weil man auch wieder auseinander gehen kann.

Damals hatten wir nicht die Freiheit, uns „auszuprobieren“ , ohne daß man mit dem Finger auf uns gezeigt hätte. Heute ist es ganz normal, daß Partner erst miteinander leben, um das Alltags- und Sonntagsgesicht  kennenzulernern, --- und doch findet man auch heutzutage erst nach ein paar Ehejahren heraus, daß der Göttergatte nicht bereit ist, am Abend noch das Vorzimmer zu saugen, und daß die Gattin sich dazu auch nicht gerade hingezogen fühlt, sondern lieber auswärts arbeiten geht. Man merkt erst nach dem Standesamt, daß der Auserwählte ein Grobian ist  und sie eine Schlampe, daß er lieber mit seinen Freunden am Stammtisch die eigene und fremde Frauen durchs Bier zieht, daß die „Oide“ das Geld zum Fenster herausschmeißt. Nichts ist geblieben von seinem Charme und Schmäh, mit dem er vorher sein Liebchen umworben hat, - und auch sie macht sich nur fein, wenn Besuch kommt oder wenn man in die Kirche geht. - Also gut, einem von beiden reichts endgültig,  m a n   läßt sich scheiden und kann endlich wieder frei atmen, man ist bewußt wieder „man selbst“, also selbstbewußt, schließlich hat man ja das Recht auf freie Entfaltung, schließlich ist man ja nicht -- für immer -- mit diesem Irrtum verheiratet! Dank unserer Gesetze geht es doch ganz kurz und ...... nein , nicht schmerzlos. Zumindest nicht für den, der verlassen wird, für die Eltern und Schwiegereltern ..und schon gar nicht für Kinder, die während dieses Irrtums in die Welt gesetzt wurden!

 

Es sollte doch möglich sein, in einer gewissen „Probezeit“ herauszufinden, ob man mit dem Charakter eines Partners leben kann, - ob seine Vorstellungen über Ehe, Mithilfe im Haushalt, Freizeitgestaltung, Sparsamkeit mit der  eigenen Erwartung übereinstimmen. Abstriche müssen einkalkuliert werden, aber es ist mir unverständlich, daß alle negativen Eigenschaften

immer erst nach Jahren zum Vorschein treten sollen.

 

Wenn man nicht bereit ist, d i e s e n   Menschen mit all seinen Schwächen und Nachteilen ein Leben lang zu akzeptieren, gibt es heutzutage keine zwingenden Gründe, ihn zu heiraten .

Wenn sich aber Philemon und Baucis hier auf dieser verrückten Welt treffen,

jeder spürt, daß er ohne den andern zwar weiterleben kann, aber m i t ihm erst richtig, dann sollte man das Wagnis Ehe eingehen, und zwar hundertprozentig, in guten und in schlechten Zeiten füreinander da sein, umeinander kämpfen, sich achten, Verständnis haben, und niemals vergessen, daß man diesen Partner doch einmal geliebt hat, so wie er - wahrscheinlich - immer schon war.

 

Und wenn man dann die Verantwortung Kind auf sich nimmt, so bedeutet das nicht nur eine Änderung auf der Lohnsteuerkarte, und schon gar nicht eine Bestätigung der eigenen Fortpflanzungsfähigkeit, sondern Verpflichtung für dieses Wesen, das nicht drum gebeten hat, auf die Welt zu kommen.

 

K i n d e r !

Was wird auf ihren kleinen Seelen ausgetragen!? - Sie werden in die Welt gesetzt, registriert und dann weitergereicht... an Institutionen wie Tageskindergärten, an fremde Frauen , die sich Tagesmütter nennen und doch nichts anderes sind als eben „fremde Frauen“.

Frau Mutter putzt nunmal nicht gern; weder die Wohnung , noch die Rotznase ihres Spößlings und schon gar nicht - um Gottes willen ! - die Schuhe ihres Mannes! Schließlich hat sie ja einmal jahrelang studiert , um später Karrriere zu machen, - zu dumm, daß es nicht noch mehr Ganztagesschulen gibt, dann könnte man vielleicht noch ein zweites Kind haben...

 

Es muß doch eigentlich niemand mehr gegen seinen Willen schwanger werden! Weder eine Studentin noch eine berufstätige Frau, die am Anfang ihrer Karriere steht!

Wer seine persönliche Entfaltung im Ich-bezogenen Alleingang sieht, kann Single bleiben, und wer sich zu einer „Berufsfrau“ be r u f e n  fühlt, kann  das nur hundertprozentig ausleben, wenn er zumindest so lange auf Kindersegen verzichtet. 

 

Heutzutage hat man mehr Bedauern für Küken, die unter einer Brutlampe aufgezogen werden als für Kinder, deren Mütter sich außerhalb des Nestes  für Fremde selbstverwirklichen wollen.

 

Ach, Ihr emanzipierten Karrierefrauen, wißt Ihr denn überhaupt, womit Ihr bezahlt, wenn Ihr morgens aus dem Haus geht und das 2. Gehalt für den nächsten Urlaub, den Zweit - und Drittwagen, den Tennis-Kurs und die soundsovielte Markenjeans für Euer Kind verdient, das zu der Zeit im günstigsten Fall „nur“ gelangweilt vor dem Video-Gerät hängt, aber vielleicht auch für seine Probleme woanders Gehör findet.

 

Auch ich wollte einmal zu Euch gehören , ohne daß ich eigentlich in meiner Rolle als Nur-Hausfrau unzufrieden gewesen wäre. Nein, ich wollte einfach die Gelegenheit wahrnehmen, als mein Mann für ein halbes Jahr im Ausland arbeiten mußte, - auch  wieder "arbeiten zu gehen“. Einen Job zu finden, war damals nicht schwer, mein Sohn konnte anstatt halbtags nun bis 16 Uhr im Kindergarten bleiben, meine Tochter ging in die 2.Klasse und wurde nachmittags von einer Nachbarin betreut. -

 

Es folgte nun eine Zeit, die in meiner Erinnerung ein großes schwarzes Loch zeigt:

Weder als Mutter noch als Angestellte war ich „vollwertig“:

Ich lief ständig gehetzt und mit schlechtem Gewissen herum. Im Büro wäre ich abends oft gern länger geblieben, um noch gewisse Arbeiten zu erledigen, - und morgens brach mir fast das Herz , wenn ich ein krankes Kind der Nachbarin überlassen mußte, wenn Sohnematz nicht begreifen konnte, warum ich in diesem Jahr nicht zum Sommerfest kam, wo er doch so ein schönes Gedicht aufsagen mußte. Die Große bekam Schwierigkeiten beim Lesen und fing mit 7Jahren wieder an zu lutschen! - Mein Gemüsegarten verkrautete; wenn ich überhaupt kochte, waren es teure und wertlose Schnellgerichte. Zu den sonst üblichen Ausflügen am Sonntag hatte ich wahrlich keine Lust mehr, ich war schon froh, wenn ich mich wenigsten zur abendlichen Gute-Nacht-Plauderei zwingen konnte. - Die putzigen Ausprüche meines 3-jährigen Buben erfuhr ich nur aus zweiter Hand, und wenn meine Tochter ihre Schulerlebnisse erzählen wollte, hatte ich kaum Muße, richtig zuzuhören.

 

Wäre ich aus zwingenden finanziellen Gründen arbeiten gegangen oder hätte man irgendwo meinen persönlichen Einsatz dringend gebraucht, wäre das eine Entschuldigung für meine Eskapaden gewesen. Aber so habe ich eigentlich nur die: es war eine Erfahrung für mich - zum Glück mit Schadensbegrenzung!

 

Anstatt immer mehr Aufbewahrungsmöglichkeiten zu fordern, wie z.B. Betriebskindergärten und Tagesheime, sollte das Image der Vollzeit-Mütter verbessert werden, die Politiker für bessere soziale Absicherung sorgen, so daß der Beruf Hausfrau und Mutter nicht mehr den lästigen Beigeschmack des dummen Trinchens hat. Einen Haushalt mit Kindern  g u t  zu führen, bedeutet mehr, als Blumen gießen und Tütensuppe kochen, auf der Spielplatzbank mit anderen Müttern über Pampers-Windeln zu reden. Es ist eine  Herausforderung , die man nur mit mathematischem Können, knallhartem Timing und ausgeprägtem Durchhaltevermögen besteht.

 

Zum Glück gehört mein Mann zu den Männern, die schon von ihren Vätern die Kameradschaft in der Ehe und Hilfsbereitschaft im Haushalt abgeschaut haben und diese ebenso an unsere Söhne weitervermittelt hat, nicht durch Hinweis auf Gesetzesvorlagen sondern durch Vorleben! Und wenn ich mich in unserem Bekannten- und Freundeskreis umschaue, ist es eigentlich überall das Gleiche, denn Machos werden nicht geboren sondern erzogen.

 

Ich habe die Jahre als Mutter und auch als Ehefrau ganz bewußt gelebt und erlebt, in jeder freien Minute Tagebuch geschrieben, und wenn es nur Notizen waren, habe Kinderzeichnungen und Werkstücke gehortet, fotografiert und gefilmt, habe versucht, da zu sein und zuzuhören, einfach nur zu  beobachten oder auch einzugreifen, gesund und vollwertig zu kochen, Reparaturen im Haushalt selbst zu machen, und konnte unseren Opa lange Zeit im Haus pflegen. Wir hatten öfter als mir - manchmal - lieb war,  Gäste am Tisch und über Nacht. Es wurde gelacht, geweint und auch gestritten, daß die Fetzen flogen. Langweilig war es nie, die Decke ist mir nicht einmal auf den Kopf gefallen! Ein klein wenig mehr Zeit hätte ich mir manchmal für mich gewünscht : ab und zu ein freier Nachmittag nur zum Bummeln ohne Kinderwagen in der einen Hand und ohne die kleine zerrende  Patschhand in der anderen , ohne Einkaufszettel und ohne Arzttermin.

Aber welche Frau ist wirklich so glücklich dran, diese Zeit für sich zu haben? Die Vollberufstätige ohne Kinder ? - Die Halbtags-Jobberin mit Haushalt nebenbei? - Die Bäuerin? Die Frau Direktor mit Servicepersonal? - Die Frau Minister mit Kinderfrau und Putzkolonne?

Haben sie wirklich    Z e i t    für sich?

 

Meine Küken gehen nun eins nach dem anderen aus dem Nest und ich werde hoffentlich viel Zeit haben für all die vielen Dinge, die ich jetzt allein oder mit meinem Mann machen möchte.

 

Vielleicht habe ich dann endlich auch einmal Zeit, darüber nachzudenken, ob ich an irgendeiner Chance vorbeigegangen bin oder irgendetwas irgendjemandem geopfert habe....

 

Ilse Brandt/ - 1995

2002: Das  ist auch heute noch meine Meinung!)

2010: Nachsatz!!!

 

Nichts ist so beständig, wie der Wandel. Und auch ich habe in den vergangenen Jahren viel über meine Einstellung nachgedacht.

 Nachdem der Beruf der Hausfrau weder an Schulen noch an Universitäten eine Aufwertung erfährt, haben Frauen keine Lust mehr zum Kochen und Putzen. Heute gilt es als "cool" , sich davon zu distanzieren. – Aber einmal (1x) Mutter werden, wertet immer noch auf.

 Wenn eine Mutter sich auf eigenen Wunsch ganz ihrem Kind widmen möchte und damit auf eine berufliche Karriere verzichten muss, ist das bei den heutigen Ansprüchen:  "Ich will alles und das sofort!" fast nicht mehr möglich.

 Ich gebe daher zu, dass viele Kleinkinder in guten Tageskinderstätten besser aufgehoben sind , als bei einer unglücklichen und unbefriedigten  Mutter, die daheim bleiben MUSS, weil sie ihr Kind nirgends abgeben kann.

 Eine Frage konnte mir allerdings bei allen Diskussionen noch niemand wirklich zufriedenstellend beantworten:

 Wo wollen die Frauen, die dann endlich ihren kleinen Liebling in eine Krabbelstube bringen können, ARBEIT finden, - wenn es doch jetzt schon keine freien Arbeitsplätze gibt.

 Ist es nicht so, dass wir dann noch mehr registrierte "ArbeitslosInnen" haben werden?

Nachsatz 2023
Und wieder hat sich alles geändert: 

ARBEITSPLÄTZE  gibt es genug, - es fehlt an  ArbeitsWILLIGEN ! Niemand will PFLEGEN, DIENEN, SPAREN, - - -  Ich halte mich jetzt aus jeder Diskussion fern... meine Ansichten sind übergestrig...