Eine wahre Lüge !

Arsen und Spitzwirt-Häubchen

Eine Kochlehre kann traumhaft sein!

He du, Maturant, hol Öl vom Keller, und bring Mehl mit, aber bißchen dalli!

Ja, Seppl, nimm gleich die Flaschen von der Schank mit, -

Zahlen bitte, junger Mann, - ...

Seppl, wo bleibt der Schlagobers? -

Warum hast du das Zeug noch nicht abgewaschen, brauchst einen Extraauftrag?

Wo hast wieder die Kasserolle hingehängt?

Das nennst du sauber, he, lernst es nie, was?

Mein Gott, ihr seids doch alle Sozialfälle.! - Geht nach Haus, legt Eure Weiber aufs Kreuz!!

Seppl, der blonde Koch im ersten Lehrjahr rannte schon in den Keller, als der letzte Satz seines Chefs noch durch die Gasthausküche hallte. Hatte er wirklich recht gehört? - Solche und andere Flüche flogen ihm tagtäglich an den Kopf und er nahm sich vor, mit seinem Personal später nicht so umzugehen;-.. wenn es ein „später“ überhaupt geben würde...Heute morgen noch hatte der Küchenchef ihn angebrüllt: Maturant, du kannst dir deine Intelligenz an den Arsch schmieren! Seit einem Jahr arbeitest du bei mir und weißt nicht was Laugenbrezeln sind.

Seppl stand im Keller und wußte nicht mehr, was er eigentlich hier sollte. Er stellte erstmal die Flaschen ab, suchte den Schlagobers, aber es war doch noch was?...

Seine Füße schmerzten, der frische Schnitt im linken Zeigefinger blutete immer noch und langsam bezweifelte er wirklich, daß es ihm jemals gelingen würde, das Gemüse und die Petersilie so schnell und so fein zu schneiden , wie es die anderen ihm vormachten.

Er setzte sich erschöpft auf eine Bierkiste, wischte sich den Schweiß von der Stirn, und fühlte sich elend..

Wie vom Himmel gefallen stand plötzlich der Küchenchef vor ihm. Er sah riesengroß aus!! Oder machte das nur die niedrige Kellerdecke?

Seppl stieg das Blut rot in den Kopf. Er versuchte, sich möglichst unauffällig aufzurichten und streckte sich , um etwas länger zu werden , aber er kam sich vor wie die Maus in der Falle.

Da ist es ja, unser Bürschchen! Angenehm kühl hier unten, nicht wahr?

Gemma,gemma,fang an, was zu arbeiten!

Ich hab den ganzen Morgen schon gearbeitet. Ich wollte grade wieder raufkommen!

Aber das Öl hast vergessen, nicht wahr, Maturant!?

Ja, Herr Chef.

Vergessen! Vergessen! Vergessen! - Der Maturant wird nie a Koch! Du hast es nicht im Gespür! Und lernen wirst Du`s nie!

Das liegt an Ihnen, Herr Chef! -

So, an mir liegts, daß du zu deppert bist! Und frech wirst auch noch, Bürscherl..

Herr Küchenchef wollte - wieder einmal - nach Seppls Ohrwaschel greifen....

Seppl sah schon die Riesenhand auf sich zukommen,

er erinnerte sich an den Schmerz vom letzten Mal, nachdem ihm die Martinsgans im Ofen verbrannt war…

faßte sich blitzschnell ein Herz,

sah zu Boden und bemerkte gerade noch rechtzeitig, daß er heute morgen versehentlich seinen weißen Taek-won-do - Kampfanzug angezogen hatte statt seiner Kochmontur, und der schwarze Gürtel gab ihm ungeahnte Kraft und Zuversicht:

Blitzschnell schlug er mit der rechten Hand den Arm seines Gegners herunter,

drehte sich ,

trat ihm kräftig an die Haxn und mit dem Knie an den Ziemer,

schlug seinem Chef mit abgewinkelter Hand direkt unters Kinn, daß es nur so krachte,,

mit der anderen teilte er noch eine kraftige Watschen aus, .

So, Herr Chef, das lag jetzt an mir, sagte Seppl und wunderte sich über sich selbst.

Kaum hatte er sich überzeugt, daß sein Chef noch röcheln konnte und auch noch ein wenig aus seinen verschmitzten Augen blinzelte, wurde die Kellertür aufgestoßen und vier dienstbeflissene Rot-Kreuz-Helfer waren sofort mit einer Bahre zur Stelle.

Flink hatten sie alle Reaktionen und Funktionen des Herrn Küchenchef überprüft, warfen ihn auf die Bahre und schnallten ihn fest.

Einer der vier Helfer kam auf Seppl zu und klopfte ihm auf die Schulter: Brüderchen, das hast du gut gemacht: Keine Angst, juristisch gesehen, war das Notwehr, - medizinisch gesehen ist es nichts weiter als ein Alptraum! -

Und da erkannte Seppl , daß sein älterer Bruder der Truppführer war. Komisch, dachte er bei sich, der hat bei der Rettung doch nur Nachtdienst?!

Es war nicht einfach , die Bahre durch die enge Küche zu schleusen, aber alle Kollegen hatten bereits ein Spalier gebildet, ihre Kochmützen abgenommen und sahen mit gemischten Gefühlen zu, wie ihr Küchenchef in das große Rettungsauto geschoben wurde.

Gerade wollte der große Bruder die Doppeltür schließen und dem Fahrer das Zeichen für die Abfahrt geben, als ein schwarzer Mercedes mit quietschenden Bremsen in die Hofeinfahrt raste.

Ein kleines aufgeregtes Männlein in schwarzem Nadelstreif und mit einer dicken roten Krawatte sprang heraus, überprüfte den Namen des Gasthauses mit seinen Unterlagen,

blätterte in dem gelben dicken Buch , das man überall für 31 Euro kaufen kann,

nickte zur Bestätigung und krabbelte dann zum Küchenchef ins Rettungsauto, ,

täschelte ihm die Wangen, um zu sehen, ob er noch bei Sinnen war.

Dann zog er ihm vosichtig aber bestimmt die Kochhaube vom Kopf und meinte:

So, mein Herr, d i e Haube sind Sie nun los!

Frau Gastwirtin zückte ihr Spitzentaschentuch, schniefte hinein und meinte leise:

Aber mein Mann hat doch immer so gut gekocht!

Tja, liebe Frau, das stimmt, aber er ist zu oft übergekocht!

Weil der kleine eifrige Tester nicht so recht wußte, was er mit der Haube tun sollte, gab er sie an Seppl weiter und sagte : Hier, junger Mann, wenn Sie jetzt wirklich zu den

„Drei Husaren", gehen wollen, nehmen Sie die Haube mit, dann haben die wieder drei.

.Doch bedenken Sie bitte:

was man hat, das weiß man,

aber was man kriegt, das weiß man leider nie.

Ich komm viel herum in der Gastronomie, die Ausbildung hier ist nicht hart,

k e i n e Ausbildung, das ist hart!

....., setzte sich ins Auto und fuhr weiter ins nächste Gasthaus, um endlich schön zu essen.

Seppl fühlte sich von allen angestarrt und es war ihm wieder so elend wie am Anfang.

Er schlich mit der Haube zurück in den Keller. Alles tat ihm wirklich Leid und er war traurig und furchtbar müde.

Er benutzte das Kellerfenster als Spiegel und versuchte , sich selbst - nur so zum Spaß - diese begehrte Haube aufzusetzen, aber sie fiel ihm immer wieder vom Kopf herunter...

„Aber Seppl, die ist dir doch noch um drei Nummern zu groß!“ hörte er plötzlich die Stimme seiner Chefin...

Seppl blinzelte zur Kellertür hoch: da stand sie tatsächlich, hatte gar keine verweinten Augen und sah auch nicht mehr so traurig aus, eher ganz schön böse....

„Wir warten alle schon auf dich, beeil Dich ein bißchen!

Ich glaube du schläfst schon mitten bei der Arbeit ein!“

Seppl hob seine Kochhaube vom Kellerboden auf , torkelte die Stufen hinauf und dachte:

„Diesmal hat sie sogar Recht!“