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Correctura - War Goethe wirklich im Gasthaus "Zum Goldenen Ring"?

Lage des Gasthofes 'Zum goldenen Ring' am Markt















Vorerst die Briefe von Goethe 1786

- nach der Italienischen Reise

Brief Goethe`s an Friedrich Constantin von Stein vom 13.08.1786

"Oft verlang' ich nach dir, und wünsche dich bei mir zu haben; doch hoffe ich, daß es dir zu Hause wohl gehen, und du in meiner Stube glücklich residiren wirst. Das Wasser schlägt mir recht gut an, und ich bin wohl. Laß dir deine Mutter Vieles erzählen, ich begleite sie morgen bis Schneeberg, das zwölf Stunden von hier liegt und wo ich die Bergwerke besehen werde. Sie bringt dir einige schöne Steine mit. Lebe wohl und grüße deinen Vater und Ernsten. Mit der Freitagpost kannst du mir noch einmal schreiben. Sey fleißig und ordentlich und liebe mich. Carlsbad, den 13. August 1786."

Brief Goethe`s an Johann Christoph Schmidt vom 13.08.1786

"Ew. Hochwohlgeb. schreibe schuldiger und versprochnermaßen einige Worte aus dem Carlsbade, obgleich das warme Wasser und die Zerstreuung schlechte Correspondenten bilden. Die Ankunft Serenissimi hat uns alle überrascht und erfreut, der gnädigste Herr befindet sich wohl und ich bin überzeugt daß ihm das Bad viel Vortheile verschaffen und ihn von manchen Übeln befreyen wird. Er giebt durch seine Gegenwart der abnehmenden Gesellschaft neues Leben und unterhält andre gar wohl durch sein muntres und gefälliges Wesen, indem sich selbst wohl amüsirt. In einigen Tagen erwarten wir die Prinzess Mariane von Sachsen. Morgen werde ich eine Exkursion nach Schneeberg machen. Ich habe, von Dresden aus, die Erlaubniß erhalten die dortigen Koboldgruben zu befahren, welches eine auserordentliche Vergünstigung ist, indem sowohl Fremde als Einheimische auf das strengste davon entfernt gehalten werden. Die Kur schlägt mir wohl an, nur wünschten wir sämtlich besser Wetter, es wechselt mit Sonnenschein und Regen gar zu offt ab. Leben Sie recht wohl theuerster Herr Collega, und bleiben mir gewogen; nach geendigter Badecur werde ich von Serenissimo noch um Verlängerung meines Urlaubs bitten; behalten Sie mich lieb und zweifeln nicht an meiner Treue und Ergebenheit, Ew. Hochwohlgeb. ganz gehorsamster Diener Carlsbad d. 13 Aug. 86."

Brief Goethe`s an Charlotte von Stein vom 16.08.1786

"Ich muß für meine Geliebte einen Brief in Schneeberg lassen, denn sie wird ihn früher erhalten als wenn ich von Carlsbad schriebe. Hier habe ich viel interessantes gesehen, nur zuviel für die zwey Tage, und doch mag und will ich nicht länger, ich will von meinem Vorsatze nicht abgeleitet seyn. Heute früh lies ich beym Einfahren in die Grube deinen Ring vom Finger, es fehlte mir immer etwas, so ist mir's auch da mir deine Gesellschafft fehlt und ich dir immer etwas zu sagen habe. In der Mineralogie kann ich ohne Chymie nicht einen Schritt weiter das weis ich lange und habe sie auch darum Beyseite gelegt, werde aber immer wieder hineingezogen und gerissen. Es ist mir recht bunt im Kopfe von den vielen Ideen der zwey Tage. Du bist nun zu Hause und es regnet wie ausgiesend. Wenn die Geister nicht besondere Anstalten machen, kann ich morgen den Felsen von Neideck nicht zeichnen, worüber ich in sehr üblen Humor gerathen werde. Nun lebe wohl und liebe mich, eh ich von Carlsbad gehe schreib ich dir, ich bin dir herzlich nah. Du solltest immer mit mir seyn wir wollten gut leben. Schneeberg d. 16. Aug. 86."

Brief Goethe`s an Charlotte von Stein vom 20.08.1786

"Sonntags d. 20. früh. Nur wenig Worte denn die Post geht und ich bin im dicktiren begriffen. Von Schneeberg, ob ich gleich halb sechs ausfuhr bin ich doch erst nach eilfen hier angelangt und habe den Weeg ganz abscheulich gefunden. Es regnete den ganzen Tag und den Turnfels habe ich ohne beyhülfe der Geister aus einer gegenüber stehenden Scheune gezeichnet. Ich habe viel Freude daß ich ihn dir schicken kann. Unglücklicher Weise war mein Papier zu klein und es geht also ein Rief durch die Zeichnung die dich aber doch freuen soll. Es ist ein recht interessanter Gegenstand. Nun hoffe ich sollen mehr folgen. Ich lasse mir ein grösser Portefeuille machen, das kleine ist zu sehr ausser meinem Format. Die Freude die ich hatte mit dir zu seyn und deine Liebe zu fühlen drucke ich nicht aus. Lebe wohl du erhälst noch bald Briefe von mir. Die Prinzess ist angekommen, und der Obermarschall Studnitz von Gotha. Sonst ist alles im Alten. Lebe wohl. Liebe mich damit ich mich des Lebens freue. Mit Werthern geths vorwärts."

Nun zu unseren Recherchen:

Umgangssprachlich nennt man das Haus gegenüber dem Rathaus auch "Goethe-Haus". Doch warum eigentlich und: ist das korrekt?

Die Geschichte dahinter ist, dass Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in Schneeberg zu Gast war. Wo wird nicht explizit genannt. Doch man ging bisher davon aus, dass er mit der Postkutsche in Schneeberg ankam und in der damaligen Posthalterei abstieg. Soweit so gut - dies ist auch plausibel

Nun aber, die Posthalterei zur Zeit des Besuchs, in den Jahren 1785 und 1786, war allerdings NICHT im Gasthof 'Zum goldenen Ring'! Erst 1832 war  Johann Wilhelm Stahl (1786-1846), Besitzer dieses Gebäudes und dieser hatte das Amt des Posthalters inne.

Schon vor 1754 war Johann Christian Hohlfeld (†1754) Königl. Poln. & Kurfürstl. Sächs. Posthalter in Schneeberg - und er wohnte im Haus der Familie Hennig - im Haus 191, heute Markt 11 - also der "Goldene Hirsch". Nach dessen Tod übernahm am 01.10.1754 Christian Gotthelf Baumgärtner (1726-1793) die Stelle als Postmeister und wurde am 02.08.1764 Hausbesitzer. 

Dessen Sohn August Wilhelm Baumgärtner (1755-1815) führte im selben Gebäude seinen Dienst als Postmeister bis zu seinem Tod im November 1815 fort.

Goethe 1779
alte Post & Posthalterei "Goldener Hirsch"

Einen weiteren entscheidenden Hinweis darauf, dass der 'Ring' zu Zeiten des Besuchs Goethe`s gar kein Gasthof war, sondern ein reines Wohn- & Handlungshaus fanden wir in der "Bayreuther Zeitung Nr. 19", wo der damalige Besitzer Johann Carl Salterÿ, gebürtig aus Italien, folgende Anzeige schaltete:

Seit dem Jahre 1781, als ich in den allhier zu Schneeberg am Markte gelegenen Gasthof, zum goldenen Ring genannt, besitze, ist zwar von der Gastierungs-Gerechtigkeit KEIN Gebrauch gemacht worden: allein durch verschiedene Veranlassungen bin ich bewogen worden, die Einrichtung zu treffen, daß nunmehro Herrschaften und andere Fremde und reisende Personen, welche ein bequemes und sauberes Logis und eine gute Bedienung und Vermiethung suchen, solches wieder wie vormals in diesem Gasthofe zu finden, versichert seyn können.

Schneeberg, den 2. Jan. 1789                                                                                                             Johann Carl Salterÿ"

Salterÿ kaufte das Gebäude mit zwei weiteren italienischen Kaufleuten am 25.07.1783 von der Witwe Johanna Christiana Nitzsche für 2.000 Taler. In diesem Kaufvertrag (Gerichtsbuch 67 Schneeberg, Folio 272) steht ebenso, dass "wegen ihres ansteigenden hohen Alters & kränklichen Leibesumständen ist die Wirtschaft seit einiger Zeit eingestellt" war. Erst ab 1789 wurde also das Haus wieder zum Gasthof erhoben.

Das bedeutet von 1781 bis zum 02.01.1789 war der Gasthof 'Zum Goldenen Ring' KEIN Gasthaus, KEINE Unterkunft und auch KEINE Posthalterei - und somit konnte Goethe NICHT in diesem Haus zu Gast sein!

Im Jahre 1809 lesen wir im 'Neuen Handbuch für Reisende' auf Seite 322 „Man logiert zu Schneeberg in der Post, dem Ring und der goldenen Sonne.“ Von vor 1754 bis 1815 war somit der 'Goldene Hirsch' mit Post, Posthalterei und Unterkunft die Anlaufstelle für Reisende nach Schneeberg.

Weiterhin ist anzumerken: die rechte Stehle auf dem Bild (Trinitatis-Friedhof Schneeberg, im März 2021) gehört zu obigen Christian Gotthelf Baumgärtner, Postmeister, späteren Postkommissar und Bürgermeister in Schneeberg. 

Er gehörte der ältesten Freimaurerloge im solmsischen Sachsenfeld "Zu den 3 Rosen" an. Goethe war ebenso Freimaurer in der Weimarer Loge „Anna Amalia“.

Ein Sohn Baumgärtners, Adam Friedrich Gotthelf (1759-1843), hat zwischen 1820 und 1832 mit Goethe Briefkontakt geführt. Er wird  in Woldemar von  Biedermanns „Gesprächen“ (Gesprächsäußerungen von Goethe) aufgeführt. Ebenso war dieser 1786 zu Goethes zweitem Besuch in Schneeberg auch Bürgermeister.

Im Sonderdruck aus dem Leipziger Tageblatt vom 07.01.1844 geht hervor, dass sich vorgenannter Adam Friedrich Gotthelf Baumgärtner daran erinnert, dass "im Pattere-Saal des Elternhauses ein Glasschrank mit Mineralien" stand, und er unter Anleitung des Vaters "bald ihre Namen und Haupteigenschaften wusste." Und Goethe war ein Mineralien-Narr vgl. Brief an Charlotte von Stein.

Goethe war also, wie damals meist üblich, in der Posthalterei untergekommen, worin zufällig ein Logen-Bruder, Mineraliensammler und zugleich Bürgermeister der Bergstadt lebte.

Correctura-Fazit

Ein klares NEIN können wir zu dieser Aussage inzwischen treffen - Goethe war NICHT zu Gast im Gasthaus "Zum Goldenen Ring", sondern nächtigte wahrscheinlich in der seinerzeit (1754-1815) belegbaren Posthalterei, der damaligen Post - dem sogenannten 'Goldenen Hirsch'.  

Man sollte den "Ring" jedenfalls NICHT als "Goethe-Haus" bezeichnen, sondern als den alten Gasthof 'Zum goldenen Ring', welcher schon seit vor 1632 (mit einigen Unterbrechungen) existiert.

Quellen:

Urheberrecht © Ina Georgi, Heimatforscherin & Stefan S. Espig, GenealogeAktualisiert am 02.04.2024