M5FHardware

Die verschiedenen Arduino-Derivate haben eine faszinierende Welt für Selbstbauprojekte verschiedenster Anwendungen auch im Modelleisenbahnumfeld eröffnet. Die Hardware ist auf einem Breadboard meist leicht verkabelt und ein erster funktionsfähiger Prototyp schnell erstellt. Doch wie steht es um die tägliche Benutzbarkeit in ansprechendem Formfaktor?

Da ist also das Arduino-Projekt erstellt: Die Software läuft, und auf dem Tisch sind um das Herzstück, das Entwicklerboard, ein paar weitere Bauteile fliegend verkabelt, beispielsweise Taster und Display. Die Funktion ist also hergestellt, nur wie das Ganze handhabbar und alltagstauglich verbauen? Dabei sind die Ansprüche sicher abhängig vom Einsatzgebiet: ein letztlich unter die Anlagenplatte wandernder Baustein muss optisch weniger “her machen” als ein im täglichen Zugriff liegender Handregler.

Und um genau diesen ging es mir. Auf der einen Seite die Elektronikbausteine, auf der anderen Seite Handgehäuse von der Stange: nichts würde optimal passen. Einen 3D-Druck zu entwerfen war möglich, aber doch sicher auch mit einigen Fehlversuchen zu bezahlen. Ich suchte. Sehr lang. Schließlich wurde ich fündig. Die Firma M5Stack hat ein modulares System im Angebot, welches all meine Erwartung erfüllt und sogar übertroffen hat.

System M5Stack

Erst seit 2017 existiert M5Stack.com und hat genau die Lücke geschlossen, an der ich bisher verzweifelte. “M” steht hier für modular, “5” für das Rastermaß von (fast) 5cm und “stack” verweist auf die Stapelbarkeit (Steckbarkeit) der Bausteine.

Herzstück ist das Core-Modul. Es trägt im wesentlichen den arduinokompatiblen ESP32. M5Stack ist nach eigenen Aussagen strategischer Partner von espessif, dem Hersteller des ESP32 als Nachfolger des ESP8266, mit dem espressif den weltweiten Durchbruch erreichte.

Die wesentliche Integrationsleistung des Core-Moduls ist ein 320x240-Pixel-Farb-TFT-Bildschirm. DIeser ist in ein ansprechendes Gehäuse verpackt. Unter dem Bildschirm finden sich drei Tasten.

An der linken Seite ist der rote Ein-/Ausschalter, darunter der USB-C-Anschluss für die Programmierung und eine sog. Grove-Buchse. Sie führt letztlich den IIC-Bus heraus. Das ist für meine Projekte eher untergeordnet, weil ich ja genau den “Kabelsalat” vermeiden möchte.

Die rechte Seite hat Öffnungen für den verbauten Lautsprecher und an der oberen Seite befindet sich noch ein Loch für den Infrarot-Empfänger. Bleibt noch die untere Seite, die einen Einschub für eine Micro-SD-Karte aufweist.

Wenn man jetzt auf die offene Unterseite schaut, findet man noch eine Steckverbindung (“M-Bus”) - diese ist M5Stacks Basis für das Stapeln verschiedener Module, von denen wir gerade das oberste, abschließende, kennengelernt haben.

Im einfachsten Fall verschließt jetzt eine Bodenplatte das Ganze nach unten und führt gleichzeitig nach allen vier Seiten Buchsen-/Steckerleisten heraus, um die verschiedensten GPIOs der ESP32-Plattform zugänglich zu machen. Für meine Anwendungsfälle wiederum nicht benötigt, aber es zeigt die Komplettheit des Ansatzes.

Bereits hier zeigt sich deutlich, dass ein durchdachtes, leistungsfähiges und sehr ansprechend gestaltetes Gesamtpaket vor uns liegt. Ich bin mir sicher, dass Ihnen schon verschiedenste Gedanken zur Anwendbarkeit durch den Kopf schießen ...

M5Stack Faces

Es gibt noch ein Set namens M5Stack Faces. Es beinhaltet das Core-Modul und eine abgewandelte Bodengruppe. Diese schließt nicht nur das Core-Modul nach unten ab, sondern hat die doppelte M5-Raster-Grundfläche. Dadurch ist noch Platz für einen (wechselbaren) Akku einschl. der benötigten Ladeschaltung. Über diesem ensteht eine weitere Steckfläche, um die besonderen Faces-Module vor das Display zu stecken. Am Ende erhält man also ein handliches Gerät mit Display.

Im Faces-Set sind bereits drei Faces enthalten: eine Ziffern-/Buchstabentastatur (“Keyboard”), eine spielekonsolenorientierte Tastatur (“Gameboy”) sowie eine Zifferntastatur (“Calculator”). Die Namen deuten schon auf die beispielhaften Anwendungsgebiete hin. Alle drei Faces sind gegeneinander tauschbar, allerdings so fest aufgesteckt, dass sich das Wechseln während des Betriebes verbietet.

Zusätzlich sind weitere Faces einzeln erhältlich: ein RFID-Leser, ein Joystick, ein Fingerabdruckleser sowie ein Drehregler (“Encoder”).

Der Drehregler fand mein besonderes Interesse. Er beinhaltet den bekannten KY-040 - Encoder mit 20 Raststufen. Er ist anschlaglos und somit unendlich in beide Richtungen drehbar. Aufgesteckt ist ein relativ großer Knauf, der auch eine “Nullposition” markiert hat (was dann eine rein softwareseitige Interpretation wäre). Ein nützliches Detail ist noch der vertiefte Ring um den Knauf, der 12 einzeln adressierbare RGB-LEDs enthält. Seine halbtransparente Abdeckung sorgt einerseits für eine gleichmäßige Ausleuchtung (die LEDs sind kaum einzeln erkennbar), andererseits leuchtet bereits eine LED fast einmal die 360 Grad aus; eine Benutzung als Skala (Werte 1 bis 12 - gerade für eine Geschwindigkeitsdarstellung) wird dadurch etwas erschwert. Aber das ist schon “Meckern auf hohem Niveau” - das System erfüllt bereits alle erdenklichen Ansprüche. Drehregler und LED-Ring werden über den IIC-Bus adressiert.

Voll geladen nicht nur mit Features

Der Akku sorgt bereits für Mobilität und kann über den USB-C-Anschluss (beim Programmieren also nebenbei) geladen werden. Das Faces-Set packt noch mehr bei: eine Ladeschale, in der das Gerät magnetisch über sogenannte Pogo-Pins andockt und geladen werden kann. Die Ladeschale kann z.B. über die rückseitigen Löcher an den Anlagenrand geschraubt werden und dort den M5Stack bequem in Ruhestellung laden. Dass der M5Stack noch eine Aufnahmemöglichkeit für eine (beiliegende) Handschlaufe hat, ist noch das i-Tüpfelchen.

Jetzt geht es rund

Nun liegt sie also vor mir: meine Traum-Plattform, die ich nur noch programmieren muss! Die lange Suche hat sich gelohnt. Mit dem Drehregler-Face ergibt sich ein handliches Gerät der Breite einer Kreditkarte (5cm) mit doppelter Länge (10cm). Die Ergonomie des Haltens und Bedienens ist gut, wenngleich aufgrund der Größe (Kleinheit) jedoch nicht ganz optimal. Eine Multimaus beispielsweise liegt besser in der Hand. Aber das ist die Art Kompromiss, die man am Ende doch gestatten muss.

Die Rückseite (der Bodengruppe) ist mit flachen Gummiplättchen belegt, so dass auch die einhändige Bedienung eines auf einer Tischplatte aufliegenden Gerätes rutschfrei gewährleistet ist. Es gibt noch von unten zugängliche Messingbuchsen mit Innengewinde - diese werde ich voraussichtlich benutzen, um die nur gesteckten Teile fester zu verschrauben, damit sie nicht knarzen.

Ich empfinde es übrigens als gar nicht so ungewöhnlich, das Gerät sowohl wie gedacht als auch umgekehrt zu halten (Drehregler oben und Display unten). In dieser Lage kann der Daumen den Drehregler noch besser bedienen, und der schon erwähnte Gyrosensor und die softwareseitige Drehbarkeit des Display würden auch eine prompte Anpassung an diese doch eher seltsame Lage ermöglichen.

Im Gegensatz zu meiner Roco-WLAN-Maus, die gern mal zehn oder mehr Sekunden braucht, um sich mit dem heimischen WLAN zu verbinden, benötigt der M5Stack etwa nur eine Sekunde (es ist vermutlich auch eine zusätzliche Antenne eingebaut), ein nicht unwesentlicher Komfortfaktor. Verschiedene Einstellmöglichkeiten des Power-APIs ermöglichen sinnvolle Anpassungen wie z.B. Display-Timeout oder Hintergrundhelligkeitsanpassung, um Energie zu sparen. Mir schwebt allerdings eher vor, durch Auswertung des Gyrosensors den Zeitpunkt der automatischen Ab- (Hand mit Gerät hängt herunter) und Zuschaltung (Gerät wird aufrecht gehalten) selbst zu bestimmen.

Bezugsquellen und Preise (Stand: 5/2020)

Hierzulande ist das M5Stack-Faces-Set bei verschiedenen Händlern (ebay, Makerfactory, Conrad/Völkner, Eckstein = deutscher Kooperationspartner von M5Stack) erhältlich. Die Preise sind sehr unterschiedlich zwischen 65€ und 95€, auch verschärft durch die Liefersituation in China. Den Faces-Encoder habe ich später bei Eckstein gefunden, ihn aber über Amazon aus den USA bezogen. Ebenso können Sie ihn direkt über den Webshop von M5Stack beziehen - er unterschreitet die Zollgrenze. Ich habe dort ohne Probleme andere Teile bestellt (M5Atom). Natürlich können Sie dort auch das gesamte Kit erhalten, nur liegt dann der Preis über der Zollgrenze und Sie müssen dadurch Geduld aufbringen sowie die Zollgebühren hinzurechnen.

Die eingeschränkte Verfügbarkeit ist ein klarer Nachteil, den wir leider in Kauf nehmen müssen.

(Nachzulesen in "Digitale Modellbahn", Heft 4/2020)