Emil Dietz Bibel Sieberichs-Nau

Aus der deutschen Bibel von Emil: Ich habe diese und noch eine weitere in englischer Sprache, die Fritz gehörte, von Gretel erhalten.  Der Buchstabe E. kürzt nicht Ernst, meinen Opa,  sondern Emil ab. Die Bezeichnung Capita[i]n verweist auf seine Funktion im Gefängnis von Knockaloe, dazu steht die Gefangenennummer 18433 – ich konnte diese anhand der Gefängnisunterlagen im Manx Museum verifizieren. Der Eintrag ist neben dem Census unten und dem Certificate of Marriage seiner Tochter Johanna das einzige handschriftliche Dokument von Emil.  Im Hintergrund: Eine Teufmannschaft aus Dawdon


Das ist die Zeche von Dawdon, eine der ersten Anwendungen des Gefrierverfahrens unter Emils Leitung. Es dürfte die zweite oder dritte Anwendung des Gefrierverfahrens zum Abteufen in England gewesen sein (erstmals wurde das Verfahren im benachbarten Washington, dem Herkunftsort des amerikanischen Präsidenten, angewandt). 

Das Bild stammt aus dem Durham County Record Office, dem Landesarchiv der Grafschaft. 

Die Newcastle University unterhält eine Sammlung zu dieser Zeche. (Klick auf den unterstrichenen Link)

Thorne Colliery. Thorne liegt wenige Kilometer von Doncaster entfernt. Auch dort wirkte Emil, das Abteufen war hier außerordentlich schwierig und nicht direkt erfolgreich. Johanna heiratete 1914 in Thorne ihren englischen Ehemann Josef, genannt Joe.  Das Bild zeigt die Zeche im Aufbau. 

Im Jahr 1914 wurden vier Personen der Teufmannschaft, darunter höchstwahrscheinlich auch Emil, verhaftet und nach York ins Gefängnis York Castle gebracht. Die Geschichte ist in der zeitgenössischen Presse nicht klar dokumentiert. Sicher ist, dass die Inhaftierten nach einem Tag entlassen wurden. 

Auch aus Thorne erhielt ich Anfragen und Zuschriften von Personen, die auf meinen Seiten gesucht hatten.  


Thorne colliery shaft sinkers take a break. Dieses Bild wurde in der  Doncaster Free Press am 11. März 2006 veröffentlicht. Da es sich ausdrücklich um die Teufmannschaft handelt –anders als bei dem Bild unten aus Bullcroft – ist kaum anzunehmen, dass der Herr in der hinteren Reihe links nicht Emil sein könnte. Auch die helle, halblange Jacke entspricht der Kleidung auf dem Bullcroft-Bild. Siehe unten. 

Den Zeitungsartikel habe ich in der Central Library in Doncaster gefunden. 

Auch in England wurde alles Wissenswerte zum Personenstand behördlich erfasst. Volkszählungen sind in England insbesondere wichtig, weil dort - anders als in Deutschland und Österreich - kein eigenes Meldewesen existiert. Für Registrierungszwecke verwandte man die Wählerevidenz, so genannte Electoral Rolls. Die Adresse der Familie ist unten rechts angegeben: Warland, Thorne Road – die Straße, auf der Joe und Johanna ihre Metzgerei hatten. Das Haus muss sich von dort gerechnet rund 500 Meter stadteinwärts befunden haben. Der genaue Standort ist unklar. 

Interessant ist die Berufsbezeichnung Mechanical Engieneer and Contractors Manager und Shaftfreezing Worker. Die Unterscheidung zwischen Ingenieur und Arbeiter dürfte für Emil nicht bestanden haben. Aus seiner praktischen Sicht war das nicht klar zu trennen, allenfalls in Situationen, in denen er den Bergbaugesellschaften das Gefrierverfahren vorstellen musste. Dabei ging es um Vorteile, Kosten und Erfahrung. Siehe dazu weiter unten, übernächster Text. Emils Auftreten vor hochrangigen Direktoren wichtiger Bergwergsgesellschaften ist mehrfach in der zeitgenössischen Literatur besprochen. 

Links: Privataufnahme aus den letzten Lebensjahren im Garten des eigenen Hauses in Stolberg

Halblinks: (unscharfe Vergrößerung) mutmaßlich Emil auf dem Foto der Bullcroft Colliery, s. u. 

Halbrechts: Ausschnitt aus dem Bild der Teufmannschaft der Thorne Colliery, siehe oben

Rechts: vergrößerter Ausschnitt aus dem Familienbild von 1919 oder später

Dass die beiden inneren Bilder Emil darstellen, ist ohne forensische Mittel kaum nachzuweisen. Mir reicht ein Blick auf die Kleidung, der helle Umhang und die Kappe. 

The Mining Engineer Journal of The Institution of Mining Engineers, Band 42, Institution of Mining Engineers (Great Britain), 1911. Der Text oben zeigt, dass Emil nicht nur Techniker war, sondern ebenfalls, wie in dem Census-Blatt oben, als Contractor Manager wirkte. Unklar ist, ob sein Auftreten dort sich auf Vertragsvorbereitungen für Bullcroft oder Thorne handelte. Matthew William Parrington war zu dieser Zeit der Präsident bzw. Direktor verschiederen größerer Unternehmen u. a. der Wearmouth Colliery in Sunderland und der Institution of Mining Engeneers. Da die Verhandlung (siehe linke Seite) sich auf die Gegend von Doncaster beziehen, ist anzunehmen, dass Parrington und Emil sich bereits im County Durham begegnet sind. Auf beiden Seiten des obigen Textes scheint es um Vorträge und Befragungen im Vorfeld der Entscheidung und Verhandlungen zum Teufverfahren gehandelt zu haben. Mehrfach wird auf Erfahrungen aus Dawdon und Easington verwiesen. 

Das Bild aus dem Jahr 1911 (nicht 1912) zeigt wahrscheinlich die Teufmannschaft des Schachts in Bullcroft nahe Doncaster. Siehe oben, Ausschnitte. Typisch: Die Männer wurden mit einem Kessel nach unten befördert. Die Aufnahme ist wahrscheinlich unmittelbar nach der erfolgreichen Fertigstellung des Schachtes entstanden. Wie im nahen Thorne, so war auch in Bullcroft das Abteufen wegen des Wasserdrucks (auch diese Gegend ist nahe am Meer) und des wasserführenden Grundes im Moorgebiet zunächst nicht erfolgreich. 

Unten

Knockaloe. Hier war Emil vom 7. September 1915 bis zu seinem 45. Geburtstag interniert. Sein ältester Sohn Hans war schon seit dem 12. Juni 1915 dort. Emil  war in Camp IV, vorn im Bild, untergebracht und wurde dort in das Amt eines  Captains gewählt (siehe Bild im Kopf). Er war damit eine Art Vorsteher in der Selbstverwaltung und In dieser Funktion verantwortlich für das Zusammenleben der Gefangenen. In Knockaloe, Camp IV, erschien eine eigene Zeitung, es gab ein umfangreiches Sport-, Kultur- und Bildungsprogramm. Die Lebensumstände anhand zeitgenössischer Berichte zu erschließen, eröffnet Interessante Einblicke in das Lagerleben. Viele Gefangene wurden depressiv, weil sie das abgeschiedene und triste Leben dort nicht ertrugen. Generell muss man aber festhalten, dass die Gefangenen dort sehr gut, der Haager Landkriegsordnung entsprechend, behandelt wurden. 

Es gibt viele interessante Artikel und sonstige Literatur zu Knockaloe, vor allem in Zusammenhang mit Joseph Pilates, der  am 12. September, also wenige Tage nach Emils Eintreffen, interniert wurde. Siehe National Geographic. Pilates hat sein System von Übungen während der Gefangenschaft dort entwickelt. 

 Im Vergleich zu Hubert Dautzenbergs  (siehe Unterseite)  Schicksal und dessen Erlebnissen in den Schützengräben von Ailles bei Laon war Emils Leben in Gefangenschaft bedeutend besser. 

Wie bereits erwähnt, waren viele Gefangene mehr oder weniger depressiv, in der Literatur ist von Lagerdepression, Barbed-Wire-Desease genannt, die mit der Trennung von der Familie, der unklaren Dauer des Aufenthalts in Gefangenschaft zusammenhing. 

Ein Vergleich der Lebensumstände zum Zeitpunkt von Huberts Tod lässt keinen anderen Schluss zu. Die schlechte Heizung, die ärmlichen sanitären Verhältnisse wie auch die oft rauhen Wetterbedingungen im Lager Knockaloe sind nicht zu vergleichen  – erst recht nicht gleichzusetzen – mit dauerdem Beschuss von Granaten, Kanonen, Maschinengewehren, den vielen Leichen und Ratten auf den Schlachtfelder der Westfront. 

Zudem wurden die Gefangenen gut behandelt und hatten viele Freiheiten:  Theater, Musik und Sport gehörten zum Alltag. Vorwürfe, die die Zensur von Briefen der Gefangenen reklamieren, können nicht gelten. Feldpost der Soldaten des Deutschen Reiches wurden ebenso an der Front von deutschen Kontrolleuren gelesen, zensiert und ggf. unterdrückt. 

Der nebenstehende Zeitungsausschnitt aus dem Rosenheimer Anzeiger vom 14. November 1916 ist ein typisches Beispiel für politische Propaganda. 

Unterlagen des Roten Kreuzes

Diese Registrierung enthält die Nummer 9585, die bei der Verhaftung zugewiesen wurde. Emil wurde übergangsweise nach Lancaster gebracht, das dortige Lager war eine Durchgangsstation. 

Am 11. Jänner 1917, kurz nach seinem 45. Geburtstag wurde Emil entlassen, über die Zwischenstation Stratford, London reiste er, wahrscheinlich über Holland, nach Deutschland zurück. Es ist höchst  wahrscheinlich, dass Emil in Camp IV untergebracht war, dieses Camp war erst kurz zuvor eröffnet worden. 

Auch Emils ältester Sohn Hans wurde interniert. Die Umstände sind wegen der nicht konstenten Aktenlage nur schwer zu rekonstruieren. Seine Gefängnisnummer 21518 weist daraufhin, dass er früher als Emil in Knockaloe eintraf. Die Gefängnisunterlagen zeigen, dass er nach seiner Einlieferung bald entlassen wurde. Am 12. Juni 1915 wurde er wieder in Knockaloe interniert, das Bundesarchiv Koblenz vermerkt den 12. August 1915. Hans war länger im Gefängnis als Emil, erst am 15. März 1919 wurde er nach Nibley in Gloucestershire gebracht. 

Joseph Pilates ist aus heutiger Sicht einer der prominentesten Insassen in Knockaloe. Dort entwickelte er sein Programm und aus dem, was er dort vorfand, konstruierte er Trainingsgeräte. 

Der Name Pilates ist in unserer Familie nie erwähnt worden, vermutlich kannten meine Familienmitglieder in meiner Elterngeneration den Namen auch nicht. Dass sich Emil und Pilates in Camp IV begegneten, ist sehr wahrscheinlich. 

Literatur 

Dunbar von Kalckreuth, Frederick Lewis: Die Männerinsel, Leipzig 1940

Foreham, Dave: Bullcroft Colliery Carcroft &  Skellow. Early Developement, Doncaster 2009

Schroeder, Ullrich: Gruß aus Baesweiler, Baesweiler 2015

Tuffrey, Peter: Images of England: Doncaster revisited, Doncaster, Strout 2004

Quellen

Knockaloe Lager-Zeitung, Peel 18. November 1916

Rosenheimer Anzeiger: Tagblatt für Stadt und Land ; (mit amtlichen Mitteilungen). 1916 = Jg. 62, Nr. 264, 14.11.1916

Dank an

Bundesarchiv, Koblenz

Central Library, Doncaster

Doncaster Archives

The National Archive, London

Internationale Zentralstelle für Kriegsgefangene des Roten Kreuzes, Genf

Staatsbibliothek zu Berlin, Stiftung Preussischer Kulturbesitz

Bayerische Staatsbibliothek, München

Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz