Authentizität transformieren

Das Projekt "Authentizität transformieren", das von 2015 - 2017 von der Landesforschungsförderung Hamburg an der Universität Hamburg finanziert wurde, ist Teil des Forscherverbunds Übersetzen und Rahmen (FÜR), der sich mit den Operationen des Übersetzens und Rahmens als Praktiken medialer Transformation auseinandergesetzt hat.

Das Projekt befasst sich mit den Transformationen des dokumentarischen Films als Praktiken des Übersetzens und Rahmens in unterschiedlichen medialen Milieus. Diese werden als stabile, repetierbare Formen des Zusammenspiels von heterotypischen Akteuren (Programme, Konventionen, Institutionen, menschliche Individuen usw.) verstanden, die bei der Produktion, Distribution und Rezeption von Medienprodukten interagieren und jeweils von medialen, kulturellen und situationalen Bedingungen geprägt werden. Dokumentarische Filme haben sich (u.a. im Zuge der Digitalisierung) in ganz unterschiedliche mediale Milieus ausdifferenziert (Kinofilme, Industrie- und Lehrfilme, YouTube-Clips, Reality TV etc.), in denen das audiovisuelle Material jeweils milieutypische Bearbeitungsprozesse des Übersetzens (insbesondere von Plausibilisierungskriterien) und des Rahmens durch mediale Formatierungen durchläuft. Übersetzen und Rahmen werden dabei als transitorische Akte begriffen, die in fortlaufende Prozesse der medialen De-, Re- und Neukontextualisierung eingebettet sind und je auch zu medialen Modalisierungen von Authentizitätsansprüchen, d.h. zur Produktion von Sinn, eingesetzt werden. Das Projekt zielt dabei auf die Analyse der konkreten, praxeologisch zu untersuchenden Interaktionen der Akteure in medialen Milieus, der Transformationen des Wechselspiels von Darstellung und Wahrnehmung und nicht zuletzt auch der Korporalität und Materialität dieser Prozesse.

Neuere wissenschaftliche Diskurse zum dokumentarischen Film sehen vor allem in der Performativität und den Kommunikationskontexten von Dokumentarfilmen konstitutive Faktoren. Das ‚Dokumentarische‘ erscheint nunmehr als historisch wandelbarer Verständigungsbegriff, der durch eine auf Paratexte gestützte ‚dokumentarisierende Lektüre‘ – im Sinne der Semio-Pragmatik – einge­lei­tet wird. Dabei geraten auch die Praktiken des dokumentarischen Films selbst als konstituierend für seine Bedeutung in den Blick. Es geht bezogen auf die konkreten Praktiken des Dokumentarischen um die Frage, wie in den jeweiligen medialen Milieus Produktions-, Distributions- und Rezeptionsprozesse gestaltet werden, wie das Material ästhetisch den medialen Rahmungen angepasst und insbesondere auch Sinn- und Referenzansprüche auf Authentizität jeweils so übersetzt werden, dass sie stabil gehalten oder sinnstiftend als different konstituiert werden können. So wird z.B. von Ereigniszeugen mit Handykameras aufgezeichnetes audio­visuelles Material in YouTube-Clips anders verwendet als etwa in einer Kinodokumentation. Dabei geht es nicht allein nur um allgemeine Bearbeitungsprozesse, sondern vor allem um die Übersetzung von Glaubwürdigkeitskriterien in unterschiedliche mediale Milieus, deren Analyse mediale Konventionen, kulturelle Gewohnheiten und davon abweichende situationale, sich fortlaufend verändernde Rahmungen berücksichtigen muss.