Paul Seidel

(17.11.1894 – 31.12.1962) 

Pädagoge, Volkskundler, Heimatforscher, Archivar, Museumsleiter & Poet

Im 20. Jahrhundert nahm in unserer Bergstadt die nebenberufliche Tätigkeit der Heimatforscher, Volkskundler und Autoren heimatkundlicher und bergbaulicher Ausarbeitungen einen beträchtlichen Aufschwung. Ein fleißiges Dreigestirn: Richard Hauck, W. Jacob und Paul Seidel schufen für die Historie hierzu wichtige und wertvolle Unterlagen. Die verdienstvollen Altchronisten wie Petrus Albinus, Christian Meltzer und Carl Lehmann, fanden in Paul Seidel einen ebenbürtigen vielseitigen Nachfolger. 

Er wurde am 17. November 1894 als Sohn eines Maschinenwärters in Wilkau geboren. Nach Volksschulbesuch absolvierte er von Ostern 1909 bis Dezember 1915 eine Ausbildung am Schneeberger Lehrerseminar. Nach Vikarstellen in Bockau und Krumhermersdorf musste er bis 1918 Kriegsteilnehmer in Frankreich, Russland und Serbien sein. Weitere Dienstorte als Lehrer waren Johanngeorgenstadt und Niederhaßlau, ehe er von 1922 bis 1945 als Volksschullehrer unserer Bergstadt seinen Hausstand gründete. 

Nach seiner Entlassung 1945 fand Paul Seidel als Maler in der Volkskunstwerkstatt und später als Feuerwehrmann bei der SDAG Wismut eine Überbrückungszeit.

Vom l. September 1954 bis zu seinem Ruhestand am 31. August 1960 war er wieder in der Bildungsarbeit tätig. 

Als Fachlehrer für Zeichnen war er eifriger Helfer bei den vorweihnachtlichen Schultheateraufführungen. Bei der NS-Kulturgemeinde schuf er mit gelungenen Bühnenbildern die jeweils nötigten Kulissen. Seine Liebe zur Heimat bezeugten seine Mitgliedschaft im Erzgebirgs- und Museumsverein. Als wissenschaftlicher Leiter gelang ihm die grundlegende Umgestaltung des sich stets erweiternden Heimatmuseums, wo wechselnde Sonderausstellungen zur Erhöhung der Besucherzahlen beitrugen. Sein ganz besonderes Hobby waren aber Heimatforschung und Volkskunde. 

Als Dr. Siegfried Sieber in Aue eine Fachgruppe westerzgebirgischer Heimatforscher gründete, wurde Paul Seidel aktives Mitglied. Seine gewissenhaften Ausarbeitungen fanden Veröffentlichung in er Tageszeitung „Erzgebirgischer Volksfreund“, in den „Zwickauer Neuesten Nachtrichten“ und in der Monatsschrift vom Erzgebirgsverein „Glückauf“. Er schrieb drei Laientheaterstücke: das Krippenspiel „Christkindlein Bergfürst“ (1935) - Szenen eines Bergwerkunglücks sowie „Unter der alten Bergfahne“, das die Streiks der Bergknappen in den Jahren 1496 und 1498 in den Mittelpunkt stellte. 

1936 nahm er an einem Wettbewerb für Laienspiele der Stadt Schneeberg teil und errang mit seinem Stück „Der jammerhafte Herrgott“ (Episode aus Schneebergs Kirchenhistorie) den 2. Preis. 

Als 1947 in Schneeberg eine Ortsgruppe des Kulturbundes entstand, hielt Paul Seidel bereits am 26. Februar 1948 vor 148 Besuchern im Casino-Saal einen Vortrag über den Schneeberger Silberbergbau. 1952 gründete er mit einigen Heimatfreunden die AG „Heimatforschung“. Arbeitsabende im Stadtarchiv, Exkursionen und vor allem monatliche Vortragsabende, bewirkten ein erfolgreiches Tätigsein. Auch im „Schneeberger Weihnachtsbüchlein“ (1949 bis 1955), später im „Schneeberger Heimatbüchlein“, konnte er seine fundierten Beiträge einer breiten Leserschaft kundtun. Als Leiter des hiesigen Stadtarchivs wandte er sich vor allem der „Geschichte der Schneeberger Arbeiterbewegung“ zu. In diesem Zusammenhang konnte 1953 eine Broschüre über den Freiheitskämpfer Gottfried Heinrich Dietz (1848/49) erscheinen. 1954 entdeckte der Umsichtige auf dem Boden des Rathauses die Fahne der Stadtmiliz - „Banner der Sachsen“.

Von 1949 bis 1962 war er in der AG „Heimatforschung“ Hauptreferent. Insgesamt 36 Vorträge wurden von ihm gehalten. Lange Jahre gehörte er dem Ortsvorstand des Kulturbundes an. Für die Ortschronik verfasste er viele Forschungsunterlagen und kümmerte sich um die Denkmalpflege. In den Jahrgängen 1955 bis 1963 des Kreiskulturspiegels „Glückauf“ (Aue) finden wir etliche Beiträge von ihm.

In der Fachkommission Heimatkunde des pädagogischen Kreiskabinetts wirkte er mit und zum Griesbacher Heimatfest war seine Hilfe als Gestalter des Festumzuges gefragt. In seinen vielen schriftlichen Hinterlassenschaften hat sich dieser verdienstvolle Schneeberger ein bleibendes Denkmal gesetzt. Ganz unerwartet verstarb Paul Seidel in der Silvesternacht 1962/63. Bergmännische Sargträger brachten ihn am 4. Januar 1963 zur letzten Ruhestätte. Die Mitglieder der AG „Heimatforschung“ setzen heute zielstrebig seine Pionierarbeit fort.

© Werner UNGER 2003