Georg Heinrich Jacobi - vulgo 'Montanus'

(20.12.1845 – 20.05.1916)


Pädagoge, Schriftsteller & Regionalforscher

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Schneeberg zur Schul- und Bildungsstadt des Westerzgebirges und seines Vorlandes. Eine bedeutende Anzahl der Lehrer, die damals an den verschiedenen Schulen der Stadt unterrichteten, beschäftigte sich in der Freizeit mit Themen zur Regionalforschung. Viele dieser Arbeiten sind vergessen oder verloren gegangen, und das Erhaltene ist meist nur noch der speziellen Forschung bekannt. Bewundernswert ist noch heute die universelle Vielseitigkeit dieser Autoren.

Das trifft in besonderem Maße für Heinrich JACOBI zu. Geboren wurde er am 20. Dezember 1845 in Schneeberg als 7. Kind von Otto Friedrich Ferdinand JACOBI, „Bürger und Stollenvorsteher auch der Zeit Stadtrat allhier - Bergfaktor“ (Auszug aus dem Taufbuch) und seiner Ehefrau Eleonore Henriette, geborene HASSE. Eine glücklich verbrachte Kindheit in der alten Bergstadt lässt eine große Heimatverbundenheit in seinen späteren naturwissenschaftlichen und schriftstellerischen Arbeiten erkennen.

Foto © Stadtarchiv Reichenbach 

Da JACOBIs Vater und auch sein Großvater im Bergbau tätig waren, ist er mit der bergmännischen Arbeitswelt von Kindheit vertraut gewesen. Das Pseudonym „MONTANUS“ ist wohl für ihn berechtigt. Heinrich JACOBI besuchte zuerst die Bürgerschule in Schneeberg und danach die Realschule in Annaberg. Nach 1830 hatte das Bildungswesen in Sachsen wesentliche Fortschritte gemacht. Seit 1835 gab es das Volksschulgesetz. 1846 erhielten die sächsischen Gymnasien eine neue Ordnung. Die sich stetig entwickelnde sächsische Industrie brauchte ausgebildete Facharbeiter und tatkräftige Führungskräfte. Naturwissenschaften und moderne Sprachkenntnisse waren jetzt immer mehr gefragt. In verschiedenen städtischen Bürgerschulen gab es Oberstufen mit Realschullehrplänen und Selektenschulen bzw. Selektenklassen. Aus diesen Förderklassen gingen die städtischen Realschulen hervor. Streit gab es um die Anerkennung des Realschulabiturs für das Universitätsstudium.

Als Realschüler hatte Heinrich JACOBI ein Ergänzungsexamen für sein Studium abzulegen. 1865 bezog er die Universität Leipzig. Im Matrikelbuch ist Heinrich JACOBI am 6. November desselben Jahres eingeschrieben. Naturwissenschaften waren das Studienfach. Außerdem hatte es ihm die französische Sprache angetan. Die Vorlesungsverzeichnisse dieser Zeit lassen seine große Interesse für das Studium erkennen. So hörte er Vorlesungen zur Geschichte des Reformationszeitalters, zur Mineralogie, Petrographie und Kristallographie, zur organischen Chemie, zur deutschen Rechtsgeschichte, zum sächsischen Erb- und Familienrecht, zur Meteorologie und zur französischen Literatur, um nur einige Themen zu nennen.

Am 6. November 1868 verließ Heinrich JACOBI die Universität Leipzig. 1870 bestand er die Staatsprüfung für das höhere Lehramt. Seine erste Lehrerstelle war an der Selektenklasse in Penig. In Hermann MÖCKELs Nachruf wird eine Reise JACOBIs in jüngeren Jahren als Begleiter eines reichen Schneeberger Patriziers (vmtl. Curt GEITNER) nach Italien erwähnt, ohne Zeit und Namen zu nennen. Es ist möglich, dass diese Bildungsreise vor Beginn seines ersten Schuldienstes stattfand. Zu seiner Freude bekam er 1872 eine Oberlehrerstelle an der 1870 gegründeten Realschule zu Schneeberg. Die Schule war sehr stark besucht. 1873 gab es in sieben Klassen 186 Schüler, diese wurden von zwölf Lehrern unterrichtet. Ein Drittel der Schüler waren Einheimische, zwei Drittel Auswärtige, die aus 39 Orten des Erzgebirges kamen.

In Sachsen gab es Realschulen I. u. II. Ordnung. Die Schneeberger Realschule ist eine Schule der II. Ordnung gewesen. Der Schulbesuch hier berechtigte zum einjährigen freiwilligen Militärdienst, da gab es kaum große Aufstiegschancen. Um Realschule I. Ordnung zu werden und den Absolventen das Universitätsstudium zu ermöglichen, wären zu hohe städtische Unterhaltungsko-sten für den Schulbetrieb nötig gewesen. Eine Lösung gab es in Schneeberg wohl erst 1888, als die Realschule in das Königliche Gymnasium aufging.

Von 1872 bis 1881 lehrte Heinrich JACOBI an der Schneeberger Realschule. Diese Jahre bezeichnen die erste Schneeberger Schaffensperiode seiner Regionalforschungen. In dieser Zeit entstanden besonders naturwissenschaftliche und historische Aufsätze. Er publizierte im „Glückauf“, der Zeitschrift des Erzgebirgsvereins, im Kalender für das Erzgebirge und das übrige Sachsen und in Beilagen verschiedener Tageszeitungen.

Heinrich JACOBI gehörte 1874 zu den Gründern des Naturwissenschaftlichen Vereins, später Wissenschaftlicher Verein, in Schneeberg. Zu Beginn war JACOBI Sekretär und später Ehrenmitglied des Vereins. Erwähnenswert ist, dass sein Vater und sein Bruder (?) ebenfalls Mitglieder waren. Bedeutende Vorträge hatte er in diesen Verein gehalten. Aus den vielen historischen Beiträgen in diesen Jahren wäre die Festschrift zum Stadtjubiläum von Schneeberg 1881 unter dem Titel „Gedenkblatt zur 400 jährigen Jubelfeier, der lieben Vaterstadt gewidmet“ zu nennen.

Das Privatleben von Heinrich JACOBI änderte sich am 13. August 1874, da heiratete er in Schneeberg die Gerichtsassessors-Tochter Anna Sidonie SCHÖNFELDER. In der Ehe wurden zwei Töchter und ein Sohn geboren.

Die geistige Mitte des Schneeberger Bildungsbürgertums war die hiesige Freimaurerloge, deren Mitglied Heinrich JACOBI seit 1875 war.

Die Kaufmännische Genossenschaft von Schneeberg eröffnete am 9. Januar 1876 eine Kaufmännische Fortbildungsschule. Die Realschuloberlehrer JACOBI, EINENKEL und RASCHIG hielten neben ihrer Tätigkeit an der Realschule, auch dort Unterricht. Das geistig, kulturelle Leben war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Schneeberg außerordentlich vielseitig. Das städtische Vereinsleben blühte, und Persönlichkeiten wie Dr. KÖHLER, Bruno DOST und natürlich Heinrich JACOBI haben es mit geprägt.

Eine Welle deutschnationaler „Erhabenheit“ erfasste das Reich nach 1870/71. Heinrich JACOBI gestaltete mit den im Schneeberg-Neu-Realschülern im Pinkes Wald, auf der Eichhörnchenwiese, patriotische Stücke, und hätte gern diese Wiese in „Sedanwiese“ umgenannt.

1881 übersiedelte Heinrich JACOBI und Familie nach Werdau. Vom 10. Mai 1881 bis Ende Dezember 1892 war er Oberlehrer an der dortigen Realschule und unterrichtete Geographie, Mineralogie, Chemie und Naturgeschichte. Auch in der neuen Umgebung schrieb und publizierte JACOBI weiter über seine Vaterstadt und das Westerzgebirge. Nur in zwei bekannten Arbeiten „Das westliche Ende des Erzgebirgischen Beckens“ (Gegend der oberen Pleiße) Werdau,1884, und „Über Talbildungen im westlichen Erzgebirge“ (Zum 5. Programm der Realschule in Werdau) beschäftigt er sich mit der neuen Heimat. Es muss einfach so gesagt werden, und das gilt auch für die Reichenbacher Zeit: Heinrich JACOBI ist im Herzen immer mit Schneeberg und dem Westerzgebirge verbunden gewesen. In Werdau war er Vorsitzender des Erzgebirgsvereins.

1888 promovierte Heinrich JACOBI in Leipzig mit einer Arbeit über Georgius AGRIGOLA zum Dr. phil. In der Verordnung vom 15. November 1892 berief das Königlich Sächsische Ministerium der Kultur und des öffentlichen Unterrichts Dr. phil. Georg Heinrich JACOBI als neuen Direktor an die 1849 gegründete Realschule mit Progymnasium in Reichenbach/ Vogtland. Am 7. Januar 1893 trat er die Direktorenstelle an und war an der Schule bis zum 6. Oktober 1908 tätig.

Heinrich JACOBI hat die Schule mit der ihm gegebenen großen Verantwortung und Disziplin geleitet. Er ist in Reichenbach Stadtverordneter und Kirchenvorstandsmitglied gewesen. In Vorbereitung zu den Landtags- und Reichstagswahlen wird Heinrich JACOBI als „Förderer und Kämpfer für die Ideen der Konservativen und Nationalliberalen“ genannt.

Hier zeichnen sich Parallelen zu Dr. KÖHLER ab, der ja auch an der Reichenbacher Realschule lehrte. Bei allen Schulfeiern, ob zu des Kaisers oder Königs Geburtstag, oder zu den Sedanfeiern deklamierten die Schüler „erhabene vaterländische Gedichte“ vom Direktor JACOBI. An dramatischen Stücken entstanden in Reichenbach und dort auch aufgeführt Krieg und Frieden, Patriotisches Festspiel in zwei Aufzügen (Zeit des 30-jährigen Krieges, aufgeführt am 28. Dezember 1893 und „Vor dem Sturm“, drei Bilder aus LUTHERs Leben, aufgeführt am 28. Dezember 1897).

Wie in der Werdauer Zeit, schrieb und publizierte Heinrich JACOBI meist über Schneeberger und westerzgebirgische Themen. So für die Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Erzgebirgsvereins 1903 den Aufsatz „Altes und Neues über Mineralien aus dem Erzgebirge und Vogtland“. In der Jubiläumsveranstaltung am 27. September 1903 hielt er den Hauptvortrag über „des Schneebergs umgeschriebene Geschichte“.

Jacobi, der 'Staadoktor' 

Im Verlag der Buchhandlung GRASER, Annaberg, erschien 1902 die erste Ausgabe von „Tannengrün Gangstücke aus dem Erzgebirge“ von Heinrich MONTANUS. Das Buch bietet eine bunte Zusammen-stellung von Gedichten und Erzählungen.

Es stellt sich die Frage, ob Heinrich JACOBI auch über Reichenbach, seine Umgebung und über das Vogtland geschrieben hat? Wenig ist bisher bekannt, genaues wäre nur bei gründlicher Durchsicht der damaligen Regionalzeitungen zu finden. Sicher ist, dass es keine großen Veröffentlichungen, wie etwa bei Dr. KÖHLER, gab.

Nach dem 1908 erfolgten Ruhestand, zogen Heinrich JACOBI und seine Frau wieder nach Schneeberg. Als Anerkennung seiner Leistungen verlieh ihm das Sächsische Kultusministerium den Titel eines Studienrates und der Sächsische König das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtsorden. In der zweiten Schneeberger Schaffensperiode arbeitete Heinrich JACOBI auch an seinen erzgebirgischen Mundartdichtungen. Ob nicht in diesen Versen, hier und da, Dialektformen anderer Mundarten zu hören sind, sollte der Leser entscheiden.

Haldenglöcklein

von Heinrich Montanus

Du Glöcklein von der Halde,

Mir dringt in's Herz dein Klang,

Als wie im Frühlingswalde

Der Vöglein Wundersang.

Er singt von Lenz und Wonne,

Von längst entschwundner Zeit,

Da jung mir noch die Sonne

Und bunt das Wanderkleid.


Die meisten ruh'n im Grabe,

Die mit mir dir gelauscht,

Ich lehn am Wanderstabe

Im Wald, der seltsam rauscht.


Dein Ton wird mir verklingen,

Wie jenen er verklang:

Zur letzten Grube dringen

Kann nicht dein heller Sang.


Voraber war so balde

Der Jugend sonn'ges Glück,

Du Glöcklein auf der Halde

Rufst nimmer es zurück!

Der Firma GEITNER und Companie widmete er 1910 zum 100jährigen Firmenjubiläum eine Festschrift. Sein heimatliches Schauspiel „Silberblick“ wurde vom Schneeberger Erzgebirgsverein 1910 zur Aufführung gebracht. Zum Schneeberger Heimatfest 1913 verfasste Heinrich JACOBI ein Festspiel „Schneeberg im Gang der Jahrhunderte“. Er war außerdem ein guter Botaniker, Mineralien-Kenner und bedeutender Sammler. Es ist nicht möglich, seine literarischen Werke der Mundart, der Lyrik und Prosa und seine naturwissenschaftlichen und historischen Aufsätze in dieser kurzen Biographie vorzustellen. Sein umfangreiches Lebenswerk ist noch nicht ausgearbeitet und heute fast unbekannt. Für diesen Mann war das Schreiben über seine Vaterstadt Schneeberg und das Erzgebirge ein großes Stück Lebenserfüllung. Eine Ehrung in Schneeberg, hat er bis heute nicht erfahren.

Am 20. Mai 1916 verstarb Georg Heinrich JACOBI in Schneeberg. Der Tod seines einzigen Sohnes, der im November 1914 in Flandern fiel, hatte ihn sichtlich gezeichnet. Seine Frau starb 1931 in Schönheide. Die Grabstelle der Familie JACOBI befindet sich auf dem Schneeberger Friedhof.

© Helmut RIEDEL † anno 2004

Veröffentlichungen


Erbbegräbnis JACOBI

Erbbegräbnis der Familie JACOBI in Schneeberg (Foto © S. ESPIG)