Das Leben als Talfahrt

So weniges ist gut.

So vieles ist also schlecht.

So vieles wünsche ich mir,

und doch geht kaum eine Sache davon in Erfüllung.

Eigentlich sehne ich mich nach einer Situation,

in der Alles gut genug sein sollte.

Das ist wahr.

Ich weiß, dass das bei mir so ist.

Und doch weiß ich jetzt kaum, was eigentlich zu tun wäre.

Schlechtes wie Gutes will ich mir darum erhalten.

Dämmerung, Aquarell

Schwer ist es, dieses Dasein, und schwer wird es auch bleiben. Es kann gar nicht einfach oder gar leicht sein, mit diesem Dasein klar zu kommen. Es kann nicht der Plan Gottes sein, den Menschen entgegen zu kommen, glaube ich.

Nein, die Menschen müssten eigentlich selbst nach der Wahrheit suchen gehen. Es genügt nicht, in sich selbst zu graben durch Grübeleien. Es genügt auch nicht, immerzu aus sich heraus zu gehen und lachend das Leben in hedonistischer Weise zu genießen. Das käme einem Malträtieren der Seele durch Bespaßung oder durch einen übersteigerten Denksinn gleich.

Dieses Dasein ist etwas sehr Wichtiges. Mensch zu sein ist eine besondere Gnade. Mit dem Menschendasein ist ein ganzer Korb von Begabungen verbunden. Gott hat es gegeben und er wird es auch wieder von uns nehmen müssen. Das Leben endet gewiss mit dem Tod. Und bis dahin wird der Mensch sogar nach und nach (das eigentlich Überflüssige) verlieren, weil er es nicht wirklich besitzen kann. Das Leben kommt darum einer Talfahrt gleich.

Der wandelnde Gang des Menschen beschert ihm naturgemäß ein Dasein voller Wandlungen innerhalb seines Lebens. Irgendwann kann er es dann auch selbst erkennen, dass er sein Leben und dessen Eigenschaften bereits diesseits des Todes verliert, zumindest zu einem gewissen Anteil. Mancher Zoll wird uns da abverlangt, und wir können uns eigentlich überhaupt nicht dagegen erwehren, ihn zu leisten. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, so schwer sie dem einen oder anderen auch fallen mag, ist erforderlich für ein Gelingen der eigenen Aufgabe in diesem Leben. Nur der, welcher das weiß und es auch erkennen kann, worauf es in diesem Dasein wirklich ankommt, wird eigentlich bestehen können. Ich finde, das ist gewiss wahr so, wie ich das hier geschrieben habe.

Das Dunkle, mit ihm der Schatten, und das Kalte, mit ihm das Nasse, zehren die Kräfte des Menschen nicht nur auf, sie erneuern sie auch wieder zu einem gewissen Teil. Das Licht, mit ihm die Freude, und das Warme, mit ihm die Nähe, erneuern das Leben nicht nur, sie zehren dessen Kräfte auch immer wieder aufs Neue auf. Erst der Wechsel von Kaltem zu Warmem und erneut zu etwas Kaltem, anschließend wieder zu etwas Warmem, et cetera geben dem Menschen jenes verträgliche Klima, dank dem er gut gedeihen wird können. Fortwährender Lichtschein führt das Auge zur Blendung. Fortwährende Dunkelheit führt den Geist zu Rückgang, ja sogar zu Niedergang. Und doch ist auch hier der Wechsel das, was die Dinge des Menschen im Lot halten wird können.

Wie schön ist doch erst die Kerze in der Nacht! Wie herrlich ist ja das frische, die Kehle labende Wasser aus dem Brunnen an einem heißen Sommertag! Mögen sich diese Dinge niemals derart stark nivellieren, dass die Freude und das Glück des Menschendaseins verloren gehen müssen.

Ein Leben von vorneherein als eine Talfahrt zu gestalten, das wäre in meinen Augen ein Akt der Voraussicht. Es gibt gewisse Aufgaben, welche besser gleich von uns selbst erledigt werden sollten. Was auch immer es sein mag, was da getan werden müsste, man tue es jetzt gleich und fackle nicht lange.

Man hindere die Dinge nicht daran, ihren gewohnten Gang von selbst zu nehmen. Man erlöse seine Mitmenschen und so letztlich auch sich selbst von hinderlichen Erwartungen und Hoffnungen und erkenne das wahre Wesen der Natur als eines, das besteht. Niedergang und Verblendung sind einzig das Los des Menschen, ehe er umgekehrt ist. Kein noch so weiter Weg ersetzt diese Umkehr für uns. Heimzukehren heißt, wieder zurückzukehren zu wissen. Alle Wege führen ins Ungewisse außer diesem einen Weg. Des Menschen Dasein ist ein zyklisches.

Nichts hat der Mensch wirklich für sich außer dem Eigentlichen, das zu ihm gehört. Nichts ist am Menschen wirklich, außer dass er sich selbst ist. Nichts kann der Mensch deswegen tun, das daran etwas ändert. Man erkenne die Vorgaben dieses Daseins an und lerne es über sie zu sprechen, ohne falschen oder gar verkehrten Ideen übergroßen Glauben zu schenken.

Man bewahre dieses Eigene gut für sich und die Seinigen, kenne sich auch mit sich selbst als dem eigenen Hort oder Tempel der eigentlichen Seele des Menschen aus. Man suche in der eigenen Nähe nach jenen, die einen kennen lernen wollen und lerne auch selbst die Menschen, die das wollen, gerne und auch bereitwillig kennen. Nur wer einen anderen Menschen wirklich kennen gelernt hat, kann etwas über dessen Person oder gar über dessen Leben und Dasein sagen, das bei anderen Menschen echtes Gehör verdient hätte.

Ohne solche Persönlichkeiten zu kennen, welche einen ebenfalls bereits in ausreichendem Umfang kennen gelernt haben, bleibt der Mensch (mit sich) alleine und wird ein Dasein der Verschlossenheit führen müssen, was ihm in der Regel wenig Freude bescheren wird können. Das ist etwas, das nicht auf Dauer gut gehen wird können. 'Schon gar nicht für mich!', weiß ich zu ergänzen. Ja, die Schätze des Menschen wollen durch einen selbst geborgen werden, damit sie den anderen Menschen nicht gänzlich verloren gehen werden. Das Leben ist mitunter ein gar schreckliches Los, wenn man es unterschätzt hat und nicht wichtig genug zu nehmen weiß, was es für uns selbst bedeutet. Mag man das auch denken oder annehmen wollen, dass gewisse Dinge einen nicht tangieren werden, es kann so nicht gelingen. Es gibt einen Grundsatz, der da lautet, dass gar nichts wirklich egal ist. Und das, finde ich, ist wahr, weil Egalität ein Ideal ist. Die Realität verwehrt der Mentalität des Menschen solche Beugungen der Wahrheit auf Dauer gesehen.

Nichts hat der Mensch zueigen, das er sein Eigen nennen kann, solange er keinen richtigen Grund dazu hat. Ohne ein eigenes Gut zu besitzen, das fest auf einer Parzelle der Erde verankert ist, bleibt dem Mensch nicht viel zu tun in diesem Leben. Dann werden seine Dinge nicht richtig gedeihen können, selbst wenn er die besten Anlagen dazu gehabt haben würde. Es ist des Menschen Dasein etwas Verkommenes, solange er glaubt, es gehe gut ohne einen eigenen Besitz und auch ohne das Erwirtschaften eigener Früchte auf einem eigenen Gut. Dabei wäre es schon schlimm genug, dass man sich an allem bedienen möchte und für sich stets das Beste haben will. Für solchen Frevel sühnt der Mensch früher oder später, sofern es wirklich sein muss.

Der, welcher heute die Kranken und Schwachen verspottet hat, kann im Morgen womöglich selbst bereits einer von diesen werden. Bei allem Glück und aller Ehre des Einzelnen, bald ist ein neuer Tag und das gewohnte Glück kann genauso leicht wieder zerronnen sein, wie wir es uns erworben haben. Dann trauert der Mensch um sich selbst, sein Glück und klagt dann auch über das eigene Unglück, und mancher zerbricht sogar daran, weil er nicht sofort erhört wird. Wohl dem, der die Zeichen der Zeit richtig erkannt hat, und seine Dinge für sich selbst wirklich zu nutzen weiß, solange es noch eine Möglichkeit dazu gibt. Auch mit ihm wird es bergab gehen müssen, doch er wird sich wappnen können und so manchmal sogar kommen sehen, was ihm zu widerfahren droht. Das wird ihn in eine Position versetzen, die es ihm zeitweise ermöglichen kann, etwas von den eigenen Dingen aufrecht zu erhalten und auch herüberzuretten in die kommenden Zeiten.

Sind diese Worte hier nun auch gewiss nicht heiter, so sollten sie dennoch frisch genug sein, dass sie gefallen könnten. Sie sollten dem Realisten unter uns eigentlich kühlende Linderung verschaffen können. Wer bereitet sich nicht gerne auf das vor, was er wirklich kommen sehen kann? Dem Schlechten auszuweichen wäre jedoch sicherlich falsch, weil man sich diesen Dingen stellen muss, um sie nicht übermächtig werden zu lassen. Das eigene Gute gegen das Schicksal mit seinem die Dinge verkehrenden Drang zu behaupten und es weiterhin zu bewahren, das ist eine in diesem Dasein wirklich nötige Sache. Man richte sich nach dem, was (und wer) auch wirklich da ist, und komme so zur Erkenntnis davon, was uns gegeben ist. Die Talfahrt ist ein gewiss vorgegebener Teil des Wandels der Dinge des Menschen in diesem Dasein, und man müsste sich auf diesen Anteil des Daseins rechtzeitig vorbereitet haben, wenn man weiterhin ein gutes Leben behalten wollen würde.

Wollen die Menschen auch immerzu nur die Schönsten der Berge erklimmen und sich aufgrund der dort herrschenden Höhe mitunter (manchmal sogar zu unrecht) erhaben fühlen: Schmerzlich wird diesen der Abschied vom Gipfel fallen und so werden sie ein Vielfaches von dem verlieren müssen, was es für einen einfachen Mann zu verlieren gäbe, welcher nicht solche Touren in solch windige Höhen unternommen hat. Wer bei seinem Eigenen geblieben ist, der wird genauso gut zu seinem Frieden finden können, wie jene, welche das Höhere angestrebt haben. Wer das Eigene für seine Nachkommen bewahrt, der wird nicht gar so arm sterben müssen, hoffe ich nun schmunzelnd.

Jeder Moment des Lebens beinhaltet auch die Option eines plötzlichen, unvorhergesehenen Todes. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wird der Mensch es nicht fertig bringen können, das Leben, wie es ihm gegeben ist, in vollem Umfang zu (be-)achten. Der Vorgang der Bewusstwerdung der in Wirklichkeit vorgegebenen Dinge wäre essentiell für das eigene Empfinden und dessen Referenzen, durch die uns ein Verständnis der Bedeutung der wahren Dinge des Lebens erwachsen können sollte. Dabei wäre auch der Gedanke an den (eigenen) Tod für etwas gut und die Sorge des Menschen um seinen eigenen Seelenfrieden würde möglicherweise das eigene Herz erweichen und somit Berge versetzen können, wo keiner mehr an solch ein Wunder geglaubt haben würde.