Hornissen
Hans Buxbaum
Fachliche Beratung durch:
Dipl. Biol. Rolf Witt www.vademecumverlag.de und Dr. Elmar Billig www.hornissenschutz.de
Für was braucht man Hornissen - warum Hornissenschutz?
Die Anzahl geeigneter Biotope für Hornissen nimmt kontinuierlich ab. Lebensräume und Nistmöglichkeiten werden rar. Die Tiere weichen daher in die Siedlungsräume des Menschen aus. Dort werden sie jedoch selten geliebt. Aber:
Hornissen fressen Wespen, Fliegen, Mücken, Bremsen, etc. - Tag und Nacht
ein großes Hornissenvolk verspeist an einem Tag ca. ½ kg der lästigen Insekten
Hornissen sind nützlich!
Darum macht es Sinn sie vor der Vernichtung zu bewahren und darum handelt es sich um eine streng geschützte Art - BNatSchG § 44.
Informationen zum Hornissenschutz:
ANL Akademie f. Naturschutz u. Landschaftspflege, Hornissen LfU Landesamt f. Umwelt, Wespen und Hornissen Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Hornisse
Hilfe wir haben Hornissen - die kann man doch umsiedeln?
Ja, der § 45 BNatSchG ermöglicht das - rein rechtlich. Für eine Umsiedelung ist aber eine Ausnahmegenehmigung des Landratsamts erforderlich. Sie wird nur in begründeten Fällen erteilt und ist kostenpflichtig.
Klassische Fälle für eine Ausnahmegenehmigung:
Das Nest liegt unterhalb von 3,5 m Höhe und im ständig frequentierten Verkehrsbereich
Allergiker (nachweislich) betroffen
Gefahr akuter Bauschäden
unbelehrbare Personen betroffen - z. B. Kindergarten, Altenheim
sonstige Belange der öffentlichen Sicherheit
Umsiedelung - das spricht sich so leicht aus, ist aber für die Hornissen mit großen Risiken verbunden. Zunächst muss ein Ort vorhanden sein an den sie hingebracht werden können. Der Eigentümer des Grundstücks muss damit einverstanden sein. Das Habitat muss geeignet sein - die Hornissen müssen Nahrung für sich und die Larven finden. Und der Ort muss mehrere Kilometer vom ursprünglichen Nest entfernt sein, sonst finden sie wieder zurück. Auch der Zeitpunkt und der Entwicklungsstand des Volkes ist entscheidend. Es müssen genügend verdeckelte Waben vorhanden sein, sonst überlebt das Volk am neuen Standort nicht. Dann kommt die Umsiedelung einer Abtötung gleich und der ganze Aufwand war umsonst.
Im Rahmen einer Umsiedelung kann es erforderlich sein, Eingriffe in das Eigentum / Bausubstanz des Betroffenen / Eigentümers vorzunehmen. Dazu ist dem Umsiedler eine Haftungsausschlußerklärung auszuhändigen.
Für die Bereitstellung und Bezahlung von ev. erforderlichen Leitern, Gerüsten, Absturzsicherungen, Hubwagen oder sonstigen techn. Hilfsmitteln hat der Betroffene / Eigentümer zu sorgen.
Es ist deshalb genau abzuwägen, ob erforderlicher Aufwand und Kosten für eine Umsiedelung verhältnismäßig sind. Insbesondere wenn das Nest nicht einfach zugänglich ist und deshalb ein Eingriff in die Bausubstanz erforderlich ist.
Informationen und Tipps zum Umgang mit der heimischen Hornisse Vespa crabro
Der Hornissenstaat ist einjährig – d. h. das ganze Volk stirbt im Herbst, bis auf die neuen Königinnen - sie überwintern
Das alte Nest wird nicht mehr bezogen
Hornissen fressen Wespen, Fliegen, Mücken, Bremsen, etc. - Tag und Nacht – ein Hornissenvolk verspeist an einem Tag ca. ½ kg der lästigen Insekten
Sie haben kein Interesse an menschlichen Speisen – kommen also nicht an den Kaffeetisch
Nicht nach ihnen schlagen – dadurch kann eine Verteidigungsaktion ausgelöst werden
Nicht anblasen – das CO2 der Atemluft ist ein Alarmsignal, weitere Tiere können alarmiert werden
Fühlt sie sich bedroht, kann die Hornisse ihr Gift auch im Flug versprühen
Ruhig verhalten und langsam entfernen ist die beste Umgangsweise
Die Tiere sind kurzsichtig – deshalb müssen sie alles aus der Nähe betrachten
Die heimische Hornisse „Vespa crabro“ ist nicht aggressiv
Nicht ständig am Nest oder im An-, Abflugbereich aufhalten
Duftstoffe von Kosmetika können den Alarmpheromonen der Insekten entsprechen und es kann zu einer Verteidigungsaktion kommen
Das Gift einer Honigbiene ist ca. um das fünffache toxischer als das Hornissengift
Zur Stichbehandlung helfen am besten thermische Stichheiler wie z. B. „bite away“. Dabei wird durch kuzzeitige Hitzeeinwirkung das Gift zersetzt. Im Notfall genügt auch eine erhitzte Messerspitze (ca. 45 °C) oder ein anderer erhitzter Gegenstand. Hilft auch bei allen anderen Insektenstichen
Hornissen sind nachtaktiv und fliegen zum Licht – Fenster oder Türen die nachts geöffnet sind, mit Fliegengaze absichern
Der Herbstbeginn läutet die Absterbephase des Volkes ein – dann torkeln Hornissen am Boden herum oder fliegen unkoordiniert umher – häufig sind die Flügel zerschlissen oder es fehlt ein Fühler oder ein Bein – diese Kennzeichen bedeuten, dass das Lebensende bevorsteht
Der Ruf nach dem Kammerjäger hilft nicht – auch er darf sie nur in genehmigten Ausnahmefällen töten – ansonsten riskiert er seine Zulassung
Bei Rolladenkästen Bürstenleiste oder Profilgummidichtung an der Stoppleiste anbringen
Die Feuerwehr entfernt keine Nester
Aussagen wie „sieben Stiche töten ein Pferd und drei einen Menschen“ sind nicht seriös, ganz einfach falsch und schüren unnötige Ängste
Meldungen von Hornissenangriffen in anderen Ländern, z. B. Asien, sind nicht in unsere Gegend übertragbar. Es handelt sich um Arten die im Landkreis nicht vorkommen, andere Nistgewohnheiten, Verhaltensweisen und ein anderes Nahrungsspektrum haben
Bei nüchterner Betrachtung überwiegt die Nützlichkeit gegenüber der Gefährlichkeit. Die gewohnheitsmäßige, überlieferte Reaktion auf die Anwesenheit von Hornissen „die müssen weg“ ist überholt. Der sogenannte moderne Mensch sollte sich einen realistischen Blick für die Geschöpfe der Natur und einen pragmatischen Umgang mit ihnen erhalten.
Eine Spektakuläre Hornissen-Umsiedelung
erfolgte in Kochel im Rahmen der Modernisierung des Speicherkraftwerks Walchensee.
Mittwoch 18.09.2019
Ein Anruf der Geschäftsleitung Fa. Uniper aus Landshut (Betreiber des Kraftwerks) geht bei mir ein.
Im Kraftwerk Walchensee wird die 110 kV Hochspannungs-Freiluftschaltanlage der Deutschen Bahn erneuert. Von der Deutschen Bahn liegt eine Abschaltgenehmigung für Montag den 23.09.2019 vor. Anschließend wird mit den Bauarbeiten begonnen.
Der Sicherheitsingenieur hat in einem auf dem Gelände stehenden Schalt- und Steuerkasten, der demontiert werden muss, ein Hornissennest festgestellt. Demontage also nicht möglich. Die angesetzten Termine können nicht verschoben werden – das Nest soll umgesiedelt werden.
Ich bitte Fa. Uniper um Fotos, um mir ein Bild zu machen und die Lage einschätzen zu können.
Hochspannungs Schaltanlage
Betonsockel mit Einflugloch
Ich beantrage die Artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung beim LRA, fordere bei der Fa. Uniper eine Haftungs-Ausschlusserklärung an und verständige meinen Kollegen Karl aus Tölz. Es wird mit allen Beteiligten ein Treffen für den nächsten Tag vereinbart.
Donnerstag 19.09.2019
Ortsbesichtigung um 10:00 Uhr im Kraftwerk
Es stellt sich heraus, dass das Nest nicht im Schaltschrank sondern im Betonsockel ist.
Die elektr. Leitungen gehen von unten in den Schrank – die Verbindung Schrank / Betonsockel ist abgedichtet.
Allgemeine Ratlosigkeit – was tun – wie an das Nest kommen? Arbeiten innerhalb der in Betrieb befindlichen 110 kV Anlage sind ausgeschlossen.
Fa. Uniper bemüht sich um eine Genehmigung die Anlage früher abschalten zu können, damit der Baubeginn Montag 23.09.2019 gehalten werden kann. Die Genehmigung trifft am Abend ein.
Wir vereinbaren mit Fa. Uniper die Umsiedelung für den nächsten Tag.
Fa. Uniper organisiert dafür einen Bagger zur Demontage des Schaltschranks und des Betonsockels.
Freitag 20.09.2019
Hornissen Umsiedelung
Freischaltung
Flugtiere einfangen
Betonsockel mit Nest ausbauen
Die Deutsche Bahn und Fa. Uniper können wie geplant die Modernisierung am Montag beginnen.
Den Rest ihres Lebens verbringt das Hornissenvolk nun auf dem Gelände des ZUK in Benediktbeuern.
Eigentlich ist es kein Wunder, dass sich hier Hornissen angesiedelt haben. Der Betreiber Fa. Uniper hat auf dem Gelände mehrere Blühflächen angelegt, auf denen die Hornissen für sich Nahrung und für den Nachwuchs Beuteinsekten finden. Lediglich der Neststandort war etwas extravagant.
Was es alles gibt - Hornissen im Bierfaß
Ein Biergarten am Starnberger See. Zwischen Tischen und Stühlen stand ein Bierfass, das zu einem Stehtisch umfunktioniert worden ist. Das Spundloch war nicht verschlossen. Das haben die Hornissen natürlich gemerkt und in dem Fass ein Nest gebaut. Niemand wurde durch die Hornissen gefährdet oder gar gestochen. Als im Verlauf des Sommers der Hornissenstaat größer, der Flugverkehr mehr wurde, drängten immer wieder Gäste die Wirtin das Fass doch zu entfernen. Ich wurde verständigt und bei meiner Ortsbesichtigung hatte die Wirtin auch gleich einen Vorschlag parat. Sie will die Hornissen auf jeden Fall behalten, aber man könnte doch das Fass in ihren unmittelbar benachbarten Garten bringen. Gesagt - getan. In so einem Fall spricht man von einer Umsetzung nicht von einer Umsiedelung.