Symbole im Garten

Form jenseits der Form

Wie in den Texten zu den Upaya ausgeführt, ist die Welt des Zen voller Symbolik. Symbole sind bildhafte Zeichen, die über sich selbst hinaus auf einen tieferen Sinn weisen. Verstehen wir ihre tiefere Bedeutung nicht, bewerten wir sie meist rein subjektiv nach ästhetischen Kriterien als "schön", "weniger schön" oder "interessant", ohne uns genauer mit dem tieferen Gehalt zu befassen.

Wir betrachten das Haus Tao, wie wir im vorhergehenden Kapitel erläutert haben, als ein Bodhi-Mandala, einen Ort, wo die Praxis des Erwachens im Zentrum steht. Das gesamte Haus Tao und der Garten widerspiegeln demgemäss unser Verständnis der Chan- und Zen-Kunst. Im Folgenden stellen wir einige Symbole im Garten und im Haus mit ihrer Bedeutung vor.

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Wenn wir von unten, vom Gstaldenbach her, zum Haus Tao gelangen, durchschreiten wir bei der Treppe beim Parkplatz ein kleines Tor. Tore sind immer Durchgänge: Relativ betrachtet, verlassen wir einen Raum und treten in einen anderen ein. Falls wir zuhause wenig praktizieren konnten oder zumindest glaubten, dass dies nicht anders möglich sei, so treten wir spätestens jetzt in ein Bodhi-Mandala ein: einen spezifisch dafür angelegten Ort, wo die meditative Praxis seit Jahrzehnten lebendig ist. Oft spazieren auch Menschen aus der Nachbarschaft oder Personen, die auf der Durchreise sind, durch unseren Garten, ohne an einem Retreat teilzunehmen und zu einer Zeit, wo keine Veranstaltungen stattfinden. Nicht selten schreiben sie uns später, sie hätten sich im Garten des Haus Tao erholt und eine starke meditative Energie wahrgenommen. Ob dem so ist, mag jede und jeder selbst ergründen.

Oben am Weg steht vis-à-vis des Eingangs der kleine Glockenturm mit der Tempelglocke, die bei den Instrumenten schon beschrieben wurde. Gleich neben der Tempelglocke steht das torlose Tor.

Vor vielen Jahren, bevor das torlose Tor entstand, gingen die Leute nur selten auf die hintere Wiese; dieser Teil des Gartens war daher etwas verwaist. Roshis Erinnerung an die Tempelgärten in Asien und an deren Architektur bildete die Inspiration für einen verändernden Impuls: Insbesondere in China werden Mauern oft mit kreisrunden Durchgängen ausgestattet. Ein Freund des Hauses nahm Roshis Idee auf und fertigte aus alten Eichendielen unser torloses Tor. Der Kreis wird durch acht Elemente gebildet, die den Edlen Achtfachen Pfad, ein zentrales Symbol der Buddha-Lehre, symbolisieren. Interessanterweise wurde der Ort seitdem rege genutzt.

Im Chan gibt es eine bedeutende Koan-Sammlung aus dem 13. Jh. namens Wumenguan (chin; jap.: Mumonkan) - die torlose Schranke oder das torlose Tor. Die Koan-Frage an uns ist: Gibt es ein Durchschreiten des Tores? Gibt es ein "Hier" und ein "Drüben"?

Im Garten hinter dem torlosen Tor sitzt Hotei, eine symbolträchtige Figur. Vermutlich bist du ihm schon in chinesischen Restaurants begegnet, wo er oft bei der Kasse steht. Der Volksglaube nennt ihn "Glücks-Buddha" oder "lachenden Buddha" - er soll uns Glück bringen, was aus weltlicher Sicht materialistisch mit einer vollen Kasse gleichgesetzt wird...

Die Figur von Budai (chin.; jap.: Hotei; Stoffsack) geht zurück auf das Leben eines einfachen Chan-Mönchs namens Qici, der um das Jahr 900 lebte. Es wird berichtet, dass er ein wenig tollpatschig war, einen dicken Bauch hatte und jeden Tag mit seinem Jutesack auf Almosengang unterwegs war, was ihm den Spitznamen Budai, "Stoffsack", eintrug. Dankbar und zufrieden nahm er auf seinen Almosengängen alle Spenden an und stopfte sie in seinen Sack. Was er bekam, teilte er mit den Kindern, die ihn stets begleiteten, weshalb er auch oft als Schutzpatron der Kinder dargestellt wird.

Die Leute waren so angetan von Qici, dass sie sagten: "Wenn einst Maitreya kommt, der Buddha der Zukunft, wird er aussehen wie Qici." Bald schon wurde Qici selbst als Verkörperung von Maitreya gesehen. Von Qici soll die Aussage stammen: „Oh Maitreya, wahrer Maitreya! Du besitzt unzählige Formen. Du zeigst dich beständig den Menschen, aber die Menschen erkennen dich nicht.“

Dies führt zur Sichtweise, dass Maitreya, der Buddha der Zukunft, schon längst unter uns lebt. Die Frage an uns ist in diesem Zusammenhang: Erkennen wir ihn, wenn er uns im eigenen Leben begegnet, in einer möglicherweise gänzlich unerwarteten Form?

Eine zweite Hotei-Figur finden wir hinter dem Teich im Garten (vgl. Bild oben). Er wurde Roshi von der Sangha zum 60. Geburtstag geschenkt.

Auf der Vorderseite des Gartens, in den Sommermonaten etwas versteckt, sitzt an einem kleinen Teich mit fliessendem Wasser unsere Avalokita. Als Symbol für das weise Mitgefühl ist sie im Haus Tao sehr präsent.

Avalokita ist eine Abkürzung für Bodhisattva Avalokiteshvara, der in Nordindien und später in Tibet stets als männlich gedacht und dargestellt wurde. In China und ganz Südostasien wird Avalokiteshvara als weibliche Figur dargestellt und assoziiert. Sie ist bei uns unter verschiedenen Namen bekannt; je nach Herkunftssprache als Guanyin (chin.), Kannon bzw. Kanzeon (jap.), Quan Am oder Quan The Am (vietnam.) oder Kwan Seum (korean.).

Wir finden Avalokita auch an verschiedenen Orten im Haus.

Die Avalokita-Statue im Zen-Garten wie auch den Hotei aus Marmor fand Roshi in den 1990er-Jahren in Vietnam - so fanden sie den Weg ins Haus Tao und ins Appenzellerland.

Gründungspfeiler der Sati-Zen-Sangha (*29. September 1999)

An einem beschaulichen Herbsttag, am 29.09.1999, haben wir die Traditionslinie der Sati-Zen-Sangha gegründet und 2001 den gleichnamigen Orden (vgl. Geschichte der Sati-Zen-Sangha). Wir verstehen diese Linie als weiteren Zweig am grossen Baum der Lehrtraditionen, dessen Stamm und Wurzeln 2600 Jahre zurückreichen. Sati-Zen geht dabei zurück auf das vietnamesische Thien (Zen), auf das chinesische Chan und weiter auf die indischen Lehrenden bis zu Buddha Shakyamuni. Eine ausführliche Beschreibung findest du unter Sati-Zen-Sangha und Traditionslinie.

Der Obelisk aus Sandstein stammt aus dem Steinbruch in der Umgebung des Haus Tao. Nebst dem Datum der Gründung ist darauf ein Zen-Kreis abgebildet, der die Erleuchtung, das Universum und die Leerheit aller Phänomene symbolisiert. In seiner Mitte ist ein Bodhi-Blatt abgebildet, ein Blatt des Bodhi-Baums, unter dem Buddha Shakyamuni in Bodhgaya (Indien) erwacht ist. In seiner Mitte befindet sich ein Yin-und Yang-Zeichen, das die Harmonie vermeintlicher Gegensätze ausdrückt. Dieses Symbol hat Roshi vor vielen Jahren als Sinnbild für die Praxis im Haus Tao entworfen.

Bodhi-Mandala

Beim Hauseingang finden wir eine kleine, hübsche Tafel mit der Inschrift "Tao Chang - Haus Tao", was bedeutet: das Haus Tao ist ein Bodhi-Mandala (chin.: tao chang). Tao, eine etwas veraltete Schreibweise für Dao, heisst generell "Weg" oder "Pfad". Es bedeutet aber auch "das Prinzip oder Gesetz des Universums". Deshalb wurde der Begriff für "Dharma" gebraucht, der einerseits die Lehrer des Buddha bezeichnet, andererseits für die Lebensgesetze, da der Buddha ja genau diese gelehrt hatte.

Jeder Ort, den wir für die eigene Praxis nutzen (um dem Lebensgesetz näher zu kommen), kann ein Bodhi-Mandala sein, ein Übungsfeld für Verstehen und Mitgefühl (vgl. Sangha als Upaya). Wir sehen das Haus Tao als einen solchen für die Praxis hilfreichen Ort und nennen es gerne ein "Treibhaus", in dem die zarten Pflänzchen des Erwachens unter guten Bedingungen kultiviert werden können.

Wie ein Treibhaus die noch kleinen Samen vor Wind und Wetter schützt, so sind wir auch durch die Art und Weise, wie wir die Praxis gemeinsam, z. B. durch das Edle Schweigen, gestalten und wie wir für das Haus sorgen, erst einmal optimal geschützt.

Das Treibhaus ist jedoch nicht das Ziel, sondern vielmehr eine gute Vorbereitung für unseren Alltag, wo wir den Stürmen des Lebens ausgesetzt sind und mehr und mehr lernen, geschickt mit diesen Winden umzugehen. Wenn wir auf dem Weg fortschreiten wollen, so rechnen wir nicht damit und beabsichtigen auch nicht, fortwährend besonderen Schutz zu beanspruchen. Wir nehmen Zuflucht zu den Drei Juwelen und machen uns für das Leben bereit, das sich unserer Kontrolle entzieht und wo wir dennoch zutiefst zuhause sein können - angekommen in der Weite und Freiheit des eigenen Herz-Geistes.