21. Im Altersheim in Hermannstadt - ein "stolzer adliger" Sachse

Die alten Großpoldner, die es körperlich nicht mehr schaffen, ihren Hof zu bewirtschaften, finden Aufnahme in einem modernen Altenheim in Hermannstadt, einer deutschen Stiftung, der so genannten Dr. Wolff-Stiftung. In diesem schönen Heim sprach ich oft mit meinen alten Freunden Herrn und Frau Piringer, früheren Kleinbauern in Grosspold. Manchmal spielte ich mit Herrn Piringer Schach. Aus Freundschaft schenkte er mir seine silberne Taschenuhr, über die ich einem anderen Kapitel erzählen werde. Oft saß ich im Garten der Piringers, Frau Piringer kredenzte mir guten selbst gebackenen Kuchen und ich trank mit Herrn Piringer ein Glas Wein. Sie sind kurz hintereinander gestorben. Ich halte ihr Andenken hoch.

Als ich mit den Piringers einmal im Garten des Altersheimes saß, kam ich auch mit einem Sachsen in Kontakt, dem man einen natürlichen Adel in Haltung und Sprache anmerkte. Auch er sprach sinngemäß vom Verrat der Ausgewanderten, die eine alte deutsche Bauernkultur im Stich gelassen hatten. Aber er versucht, sie zu verstehen, denn es ist schwer geworden für die Deutschen hier in Siebenbürgen, sie fühlen sich alleine gelassen. Dennoch meint er über die ausgewanderten jungen Deutschen : „Das Verhalten der Jungen steht im Widerspruch zu unseren alten Liedern, in denen wir uns mit Stolz zu unserer Heimat hier in Siebenbürgen bekannt haben." Darauf sang er mir ein Lied vor, in dem auf die alte freie bäuerliche Tradition der Sachsen hingewiesen wird:

"Ich bin ein Sachs, ich sags mit Stolz, vom alten edlen Sachsenstamm! Wo gibts ein adliger(!) Geschlecht, da keiner Herr und keiner Knecht ?

……

Ich bin ein Sachs, ich sags mit Stolz, vom alten edlen Sachsenstamm! Wir harren aus in böser Zeit, nicht ewig währt der harte Streit; wir sind getrost, Gott steht uns bei! Mein Sachsenvolk, dir bleib ich treu."

Dieses Lied verweist auf eine alte freie Bauernkultur in Siebenbürgen , zu der wesentlich, wie ich oben ausgeführt habe, das Prinzip der Nachbarschaft gehörte.

Die alte deutsche Bauernkultur in Siebenbürgen hat den Kommunismus überstanden, aber der Abwanderung der Jungen und dem Ansturm der EU kann sie nichts entgegenhalten.

Es war eine schöne Welt der Kleinbauern, die in einer modernen Welt keinen Platz mehr hat, die ich noch erleben durfte. Diese alte Bauernkultur in Rumänien ist am Untergehen. Es schaut so aus, als ob mit dem angeblichen Segen der EU nun doch das vollendet wird, was Nicolae Ceausescu wollte, nämlich die Abschaffung des Kleinbauern in Rumänien unter dem Banner des Fortschritts.

Die bäuerliche Kultur der Landler und Sachsen mit ihren Nachbarschaften und ihren alten Symbolen und Bräuchen ist verschwunden. An das Leben in Großpold erinnert mich noch die alte Taschenuhr, die mir Herr Piringer geschenkt hat und die einen Ehrenplatz in meiner Vitrine hat.

Literatur:

Roland Girtler, Verbannt und vergessen. Eine untergehende deutschsprachige Kultur

in Rumänien, Linz 1992 (Wiederaufgelegt unter dem Titel: Die Landler in

Rumänien, 2014 -.Lit-Verlag)

Roland Girtler (Hg. mit Studentinnen und Studenten), Die Letzten der Verbannten.

Wien 1997

Roland Girtler, Echte Bauern, vom Zauber einer alten Kultur, Wien 2002

Roland Girtler (Hg. mit Studentinnen und Studenten) Das letzte Lied von Hermannstadt – Das Verklingen einer deutschen Bauernkultur, Wien 2008