Vorwort
Die Beschreibung des Arbeitsleben im RFZ, zeigt Menschen, die die Doktrin von Partei und Regierung ernst nahmen und andere die eine ganz andere Sozialisation hatten. Der Mauerbau brachte für das RFZ erhebliche Veränderungen, besonders in Berlin, wo die Menschen plötzlich nicht mehr in den Westen durften.
Inhalt: Aktivitäten im RFZ
1960 Lehre zum Funkmechaniker im BRF/RFZ. 1962/63 Schlosser im RFZ und Abendschule bis 1965 (VHS-Abitur). 1965 Studium an der TU Dresden - Elektrotechnik (HF-Technik). In den Semesterferien Arbeit im RFZ und Ingenieurpraktikum im RFZ Prüffeld/Bildgeräte. 1970 Leiterplattenkonstruktion - leider ohne den Einsatz von EDV wie erwartet - deshalb ab 1972 im Labor für Bildgeräte Entwicklung eines geschalteten Aufzeichnungsverstärkers (QV 312.100/2) für die QR302. Entw. Quarzoszillator 25 MHZ und Teilerschaltungen (für Logikanlysator). Veröffentlichung in RFZ—Arbeitsblättern TTL- und CMOS-Quarzoszillatoren. Entwicklung Datenzeilensichtgerät.
Entwicklung Monitorschalter, 1 Datenzeileneintaster und Zeichenzusetzer für ein System der automatischen elektronischen Montage - SAEM. Entw. Amplitudensieb und Impulsformer für Zeitcodesignalgerät. Wirtschaftspatent (4.2.82 WP H 04N/2371 695 203885 v. 26.1B.83) "Schaltungsanordnung zur Erzeugung für phasenwechselnde Farbfernsehsysteme“ für PAL. Konzeption, Entw. und Software Laborrechner für Abgleichroboter für Hybridschaltkreise auf Z80 Basis (Werkzeug: Z80-Macroassembler). Konzeption, Entw. und Software Datenverwaltungsrechner für Abgleichroboter. Softwareentwicklung spez. Problem für Entwurfsarbeitsplatz Leiterplatten in Betriebssystem UDOS (entspr. RIO mit Z80) - Kassettentreiber, Do-Files, Lochbandtreiber, Grafikdruckertreiber Eigenbau eines Z80 Systems. Postgraduales Studium zum Faching. für Mikroprozesseor an der TU Dresden (1985). Einführung CP/A (CP/M komp.BS der Akademie der Wissenschaften der DDR). Einführung von C (BDS-C—Compiler) unter CP/A im RFZ Rechnerkonzepte mit OEM Z80 Baugruppen von Robotron und wegen Lieferproblemen beim Hersteller. Konz. mit 3 Rechnern: PC1715 als Leitrechner (Bedienrechner), serielle Schnittstelle zu Steuerrechner und paralleles Interface zu Festplattensteuerrechner im Thema "Digitaler Standbildspeicher". Patent "Synchronisierschaltung für Taktgeber" (27.02.87 WP H 03L/3000 253 4 DD 278 222 A3 21.02.90). Softwareentwicklung für Bedienungs- und Steuersoftware bei "Digitaler Standbildspeicher" (Turbo PASCAL Programme). Veröff. in "Technischen Mitteilungen des RFZ" H1/88 "Erfahrungen in Umgang mit Turbo—PASCAL" in “Techn. Mitteilungen des RFZ" H3/88 "Dialogablaufsteuerungen am Beispiel des digitalen Standbildspeichers". Abordnung durch das RFZ nach Darmstadt zur Deutschen Bundespost Telekom mit dem Ostgehalt ...Aber das ist wieder eine andere Geschichte ...
Kapitel 1 Lehrjahre
So kam ich zur Deutschen Post: 1960, nach vergeblicher Lehrstellensuche für Rundfunk- und Fernsehmechaniker (Private Handwerksmeister gab es noch, diese wollten aber keine Lehrlinge), kam ich über Umwege zum BRF Ausbildungsplatz. Ich hatte mich beim Rafena Fernsehgerätewerk beworben - mein Klassenlehrer wollte mich von meinem kleinbürgerlichen Elternhaus weg haben (Internat) - so stand es in meiner Beurteilung. Rafena teile mir mit, das Funkmechaniker durch die Funkämter ausgebildet werden. Das war im Funkamt Königs Wusterhausen (KW) die Lehrwerkstatt des BRF/RFZ. (Am 17.Juni 1953 machten Funkamtlehrlinge auf sich aufmerksam).
Jeder DDR Bürger hatte einen SV-Ausweis. Mein erster zeigt als Betrieb BRF und RFZ.
Das Bild zeigt uns Lehrlinge in KW vor der Abfahrt zu einem motorisierten Wandertag.
Wir Lehrlinge auf dem Betriebsgelände Funkerberg. Damals gab es noch unzählige Sendemasten und man konnte den Standort, besonders Nachts, von weit her erkennen.
Dritter von links bin ich, neben dem stehenden Chef der Lehrwerkstatt KW. Es gab noch einen Oberchef (Lehrwerkstatt in Berlin/Adlershof) . Wenn dieser zur Inspektion nach KW kam, musste vorher die private Konsumgüterproduktion - das waren zu meiner Zeit automatische Spannungskonstanthalter - versteckt werden (Immerhin lernten wir dabei große Trafos zu wickeln und Blechgehäuse zu fertigen). Eine Abwechslung nach der Feilerei nach strengen Vorgaben unseres Lehrmeisters (der noch bei Siemens seine Ausbildung gemacht hatte). Einer von uns 13 Lehrligen in KW wurde rausgeworfen, er hatte es vollbracht, die neu angeschaffte Fräsmaschine zu ruinieren.
Berühmt ist der Satz des Oberlehrlingschefs , den uns unsere Berliner Lehrlinge berichteten (dort gab es auch 2 weibliche Lehrlinge): "Sie, Sie und Ihnen kommen mit zu mich in mein Büro", als einige Lehrlinge mal wieder Unsinn machten. Den Blödsinn den wir so anstellten, will ich hier nicht beschreiben - immerhin kam es zu keinem Sendeausfall eines KWer Senders. Als unsere Lehrlingsgruppe noch kurz vor dem Mauerbau eine Wanderfahrt nach Demmin unternahm, fuhren wir mit der S-Bahn nach Oranienburg, um von dort weiter mit einem Anschlusszug nach Demmin zu reisen. Mitten durch Westberlin (kürzeste Verbindung), was offiziell verboten war. Aber unser Lehrmeister sagte nur "Augen zu und durch", aber es gab wohl niemanden, der die Werbung auf den Westbahnhöfen nicht kannte! Ja, das war bis zum Mauerbau ganz normal - zumal die S-Bahn in ganz Berlin der Reichsbahn gehörte. Dann wurde die Mauer errichtet und ein Besuch der Internationalen Funkausstellung 1961 war mir verwehrt.
Wer noch nie im Nahfeld eines Senders gearbeitet hat, kennt auch die Hochfrequenzwirkungen nicht. Wenn man in unserer Lehrwerkstatt zwischen Steckdosen Erdanschluss und unserem Lötkolbenständer eine Fahrradglühbirne gehalten hat, leuchtete diese im Takte eines Senders. Hochohmige Spannungsmesser konnten nicht verwendet werden, denn die zeigten einen Grundausschlag (!) .. und im Nahfeld eines Senders leuchtete eine Leuchtstoffröhre ohne Stromversorgung.
Ausflug nach Oberwiesenthal organisiert durch die Berufsschule des Funkwerk-Köpenick, wo wir eine fundierte theoretische Ausbildung erlebten. Unser Fachkundelehre war eine Koryphäe (Buch - Fachkunde für Funkmechaniker). Ich war begeistert und lernte wie Radios funktionieren. Ein halbes Jahr feilen und ein halbes Jahr Siemensstecker fürs Fernsehstudio löten (auch im Ostern hießen die so) war nicht halb so spannend.
Kapitel 2 Arbeit im Gestellbau
Die für mich nach Abschluss der Lehre vorgesehene Arbeit im 3 Schichtbetrieb am Sender KW konnte ich durch ein ärztliches Attest abwenden und ich wurde als Schlosser in Berlin/Adlershof eingesetzt.
So arbeitete ich als Schlosser und eilte 3 mal pro Woche von der staubigen Werkbank am Arbeitsort Adlershof nach KW zum Volkshochschulunterricht von 17-22 Uhr und fuhr mit meinem SR2 später mit meiner Schwalbe 8 km nach Hause um ins Bett zu fallen. Damals wurde noch Sonnabends gearbeitet. Jedenfalls schafften von 21 Abendschulteilnehmern 7 das Abitur und ich bewarb mich zum Studium an der TU-Dresden. Die Arbeit im Gestellbau (Schlosserei) war anspruchsvoll. Sonderkonstruktion (HF-dichte Gestelle und Arbeiten am FZ18 - dem großen Übertragungszug für die Studiotechnik Fernsehen mit vielen Sonderkonstruktionen des RFZ und dem Subharchord). Die Weißkittel (Konstrukteure) mussten öfter zu uns in die Schlosserei kommen, um uns ihre verwegenen Konstruktionen zu erläutern. Der Mauerbau zeige seine Spuren auch in unserer Schlosserei: Unser bester Mann hatte bis zum Mauerbau in Westberlin bei einem Geldschrankproduzenten gearbeitet und konnte Tiefzieh-Bleche richten wie kein anderer. Ein andere Kollege kam aus Westberlin und war in den Osten gezogen, der Liebe wegen, denn der Weg von Ost nach West für seine Freundin war durch Mauer und Stacheldraht versperrt. West Klaus arbeitete im Westen bei der Bundespost als Fernmeldemechaniker - aber offenbar hatte die Ostpost Angst, dass man einen Spion einstellt - also musste er als Schlosser arbeiten! Klaus war unser Schönster, er ging regelmäßig zum Schaufrisieren.
West-Klaus bei der Feier, als unsere Brigade den Ehrentitel "Wilhelm Koenen" erhielt.
Einer meiner Kollegen (Ost Klaus) war Leitungssportler (Radsport) und besuchte seine Werkbank nur selten. Auch der aus Westberlin zu uns gekommene Klaus war sehr sportlich (Boxer im Bantamgewicht) und unser Rennfahrer wollte immer, das sein Namensvetter mal gegen ihn antritt (mit Boxhandschuhen). Alle Kollegen erlebten den kurzen Kampf, der nach wenigen Sekunden mit einem blauen Auge endete. Der West Klaus hatte davor gewarnt und lange gezögert, bis er eines Tages doch die Boxhandschuhe mitbrachte! Damals musste jeder Wehrdienstfähige zur Armee und unser Ost Klaus sagte uns Kollegen (nicht unseren zwei Schlosser SED-Genossen), wenn ich zur Grenze komme, haue ich ab!. Offenbar kam er zur Grenze und eine Karte aus der BRD gelangte als Urlaubskarte von unsere RFZ-Poststelle und unserem Brigadier unerkannt zu uns und wurde laut verlesen. Ost Klaus hatte es in den Westen geschafft.
In den Wolga Dienstwagen des Amtsleiters des RFZ bauten wir 1964 einen portablen Sonyfernseher ein. Solche Geräte gab es in der DDR nicht. Es war wohl ein Gastgeschenk auf der Leipziger Messe.
Im RFZ gab es sogar eine Kabarettgruppe - Ort der Speisesaal - Pianist und Ost Klaus rechts
Auszeichnung durch die FDJ Sekretärin des RFZ
Kapitel 3 Studium und Ferienarbeiten und Ingenieurpraktikum im RFZ
1965 begann mein Studium an der TU-Dresden. Da ich Facharbeiter war, sparte ich das Praktikumssemester und konnte als Funkmechaniker in der Schaltwerkstatt des RFZ arbeiten. Dank der verrückten Konstruktionen der RFZ-Konstrukteure kannte ich mich gut mit technischen Zeichnungen aus, und konnte so in Dresden eine Befreiungsprüfung in Technisch Zeichnen mit Bravur bestehen und sparte 1 Semester Zeichnen. Umso schwerer vielen mir die 4 Semester höhere Mathematik, mir fehlten die 2 Monate, die ich bei der Abendschule später begonnen hatte. Englisch war das nächste Problem. Keiner meiner Zimmerkameraden in unsere Massenunterkunft im Studentenwohnheim Güntzstrasse ging in den Anfängerkurs. Also ging ich auch in den Mittelkurs - ich konnte nicht englisch schreiben (zum Glück gab es keinen Test), da ich nur wenige Stunden Konversation an der Volkshochschule belegt hatte und dort nur Russisch als Fremdsprache belegte. Jedenfalls schaffte ich es auch mit Englisch, da keine Übersetzungen EN-DE gefordert waren.
Der Studentenausweis
ein Student ist nie krank!
Auch als Student hat man einen SV-Ausweis
Zweimal in den Semesterferien verdiente ich Geld ohne Lohnsteuerabzug im RFZ in der Schaltwerkstatt. Dort arbeitete auch ein Kollege, der bis zum Mauerbau in Westberlin arbeitete aber im Ostberlin wohnte und sogar die Ingenieurschule Gauß, die heutige Beuth Hochschule für Technik Berlin (im Westteil) ausschlug. In der Schaltwerkstatt arbeiteten auch Frauen, die Geräte meist nach Muster montierten und löteten. Genau als ich in den Semesterferien dort arbeitete, passierte folgendes. In der Schaltwerkstatt wurde Radio gehört - fast immer der Sender RIAS Berlin. Eine neue Kollegin wurde eingestellt (aus Sachsen – die neue Flamme des Brigadiers). Diese verlangte schon am ersten Tag ihrer Tätigkeit, dass der Westsender ausgeschaltet werden soll. Die anderen Frauen aber machten der Neuen und dem Werkstattleiter schnell klar, das ohne diesen Sender keine Geräte mehr gefertigt werden können. Da half auch nicht die Partei (nur die Neue war in der SED - sonst niemand in der Schaltwerkstatt). Die Arbeiterklasse hatte sich durchgesetzt - so war es in Berlin!
Jeder Student der TU Dresden hatte mit Mama Well (Soziale Betreuung) zu tun, so hatte im RFZ jeder mit der Betriebskasse zu tun. Die Frau (ja wie hieß sie noch?) kannte nach der ersten Begegnung jeden auf Dauer mit Namen! Immerhin gab es in RFZ ca. 2000 Mitarbeiter.
Während meines Ingenieurpraktikums im Prüffeld (Bildstudiotechnik) des RFZ verfolgten wir im RIAS verbotenerweise den sowjetischen Einmarsch in Prag.
1968 Ingenieurpraktikum im Video-Prüffeld des RFZ (Foto: M.Dummer)
Eine Karte mit passender Briefmarke den Studenten
Kapitel 4 Arbeit in der Abteilung elektrische Konstruktion
Da meine Diplomarbeit wenig mit Hochfrequenztechnik aber viel mit Mathematik und Rechentechnik zu tun hatte, wollte ich als Absolvent mit Rechnern arbeiten und Programme entwickeln. Aber leider war die Konstruktionsabteilung noch nicht entsprechend ausgestattet um automatisiert Leiterplatten zu entwerfen (der größte Fortschritt war ein Cartimat Zeichentisch (Carl-Zeiss-Jena) und ein
Legetisch, wo Magnetgummis als Leiterzüge gelegt und mit einer Plattenkamera in DIN A4 fotografiert wurden.
Man mußte in die DSF eintreten und zum FDGB-Beitrag auch noch Solimarken kaufen.
Der Konstrukteur
Das Foto zur Auszeichnung mit dem Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" (Quelle: E.Wald)
Privat geht vor dienstlich: Damit nicht alle Kolleginnen während der Arbeitszeit einkaufen gehen, um das zu kaufen was nach Feierabend schon wieder ausverkauft ist, wurde organisiert, das immer eine Kollegin für alle auf die Adlershofer Einkaufstrasse (Dörpfeldstr) zum Einkaufen abgeordnet wird - das war Rationalisierung im Osten.
Da es keine Entwicklungs-Perspektive in der Konstruktion gab, konnte ich nach Einspruch bei einem Chef (in der Hierarchie 3 Stufen höher) in das Labor für die Entwicklung von Bildstudiotechnik (EVV) wechseln.
Kapitel 5 Arbeit im Labor Bildgeräte
Eine sehr anspruchsvolle Arbeit als HF-Entwickler erwartete mich - und ein sehr strenger Chef (kein Genosse). 1973 gab es noch fachliche Leiter und keine politischen. Mein erster Labortisch stand bei einem älteren Labormechaniker im Mechanikerraum. Dann wurde mein Labortisch in ein anderes Labor gestellt. Dort waren dann 3 Entwickler tätig.
Zeitgleich wurde noch ein Teil des Raumes abgeteilt in dem zwei weitere Entwickler saßen. Weshalb ein Kollege eine Einzelzimmer bekam, wurde erst später klar - IM? Dazu wurde ein Teil eines Flures abgeteilt. Dann gab es eine Umstrukturierung - Laborleiter ohne Parteizugehörigkeit wurden durch Sektorenleiter mit Parteizugehörigkeit abgelöst. Aus den Labors wurden Sektoren. Aber die üppige Ausstattung mit westlicher Meßtechnik blieb mir erhalten. Die für mich größte Aktion: Ich durfte mit meinem CoCom-Meßpark (Rhode&Schwarz und Wandel&Gloltermann auf einem Laborwagen an einer Embargo 2"Zoll MAZ an der Ampex VR2000 messen - mit Sondergenehmigung der Studiotechnik Fernsehen.
Das Ergebnis war, die Amerikaner hatten speziell ausgemessene (nummerierte) Transistoren im Aufzeichnungsverstärker verbaut.
Ich fand die Lösung - mit einer speziell entwickelten Meßeinrichtung konnte ich aus einer großen Anzahl von npn/pnp Import-Schalttransistoren Transistoren nach der Steilheit der Kennlinie (1.Ableitung) ausmessen.
Unser Moiré Problem beim SECAM-Farbbalken war gelöst.
Da für die QR302 die Köpfströme für die 4 Videoköpfe vor jeder Aufzeichnung justiert werden mußten (Kopfstromoptimierung), machte ein Kollege ein passendes Foto.
Wo gibt es noch eine Mavicord QR302 und wie sah der von mir entwickelte Aufzeichnungsverstärker QV 312.100/2 aus?
Im März 2024 nach langen Recherchen erreichten mich Fotos der Museumsstiftung Post und Telekommunikation Sammlungsstandort Heusenstamm. 3 Fotos von F. Gnegel bearbeitet von S. Köppen
Zustand des Verstärkers ist gut, nur die von mir entwickelten Kühlkörper sind nicht mehr vorhanden ...
1976 mußte ich als NVA-Reservist dienen und das RFZ auf einen Mitarbeiter verzichten - für ein halbes Jahr (glücklicherweise in Berlin - die faulste Zeit in meinem Leben - die anstrengendste für meine Frau mit 2 kleinen Kindern)
Nachdem mich das RFZ zu einem Intensivkurs Russisch nach Dresden delegiert hatte und nach erfolgreicher Prüfung, bekam ich eine kleine Fremdsprachenzulage
Die Neuererbewegung gab es auch noch
Ein postgraduales Studium "Mikroprozessortechnik" (Fernstudium) an der TU Dresden erfolgte von 1984-1986. Hier bin ich in meinem Element als Softwareentwickler beim Standbildspeicher.
Im RFZ war es nicht anders als in anderen staatlichen Instituten und Betrieben. Es mußte ein Brigadetagebuch geführt werden. Unser neuer Sektorenleitergenosse ließ uns fachlich arbeiten und übernahm das lästige Führen dieses Buches, auch blieben wir von der Rotlichtbestrahlung durch unseren Leiter verschont. Nur einmal gab es eine externe politische Schulungsmaßnahme für uns Nichtgenossen (jeweils einen Tag in der Woche), wo dann an die Lektoren auch systemkritische Fragen gestellt wurden. Fachlich gab es viel zu tun und sogar Kolloquien in den Projekten wurden durchgeführt. In der RFZ Technischen Mitteilungen,
die auf Grund einer besonderen Initiative der Redaktionssekretärin bis zum Auflösen des RFZ auf Hochglanzpapier gedruckt wurde (Damit konnten die Technischen Mitteilungen auch mit wissenschaftlichen Beiträgen aus dem westlichen Ausland auf gleichem Niveau getauscht werden). Ja die Mangelwirtschaft führte zu merkwürdigen Blüten. Bauelemente waren knapp, deshalb hatte jedes Labor seine eigenen Vorräte im Werkstatt Schubladenschrank oder vielleicht sogar im eigenen Schubkasten. Diese brauchte man auch für die privaten Aktivitäten. Da es im DDR-Handel für den Normalverbraucher keine PCs gab, baute man sich eben einen selbst. Wozu waren wir Entwicklungsingenieure. So hatte ich privat einen ZX81 aus dem Westen und einen Sinclair ZX Spectrum Nachbau (mit RAM Schaltkreise z.B. aus der Sowjetunion). Es wurden natürlich auch andere Sachen mit Material des RFZ gebastelt - nach dem Motto: Eigenentwicklungen mit geklautem Material - aus unseren Betrieben ist noch viel mehr rauszuholen! Frei nach dem SED-Slogan "Arbeiten mit eingespartem Material". Dienstlich wurde sogar privat beschaffte West-Software verwendet (ohne Schalk-Golodkowski) u.a. verwendete ich Turbo Pascal, DBase, WordStar und Supercalc unter CP/A (Erfindung der Akademie der Wissenschaften mit 400 kByte Disketten - beidseitig benutzt(!) - denn Disketten waren Mangelware und waren registriert) auf dem PC Robotron 1715. Software-Dialogentwicklung für den Standbildspeicher. Auf dem Bild zum Standbildspeicher sieht man den PC1715, einen Epson Nadeldrucker und den Robotron Monitor K7222.
Die Arbeitsblätter des RFZ beinhalteten eine Schaltungssammlung, die ständig von Entwicklern erweitert wurde. Schaltungen konnten so bekannt gemacht werden.
Die später von Robotron ins deutsche portierte und mit neuem Namen versehenen Programme Redabas, TC, Multicalc wurden kaum benutzt, da fehlerhaft. Hardwarenah wurde PL/M verwendet, ein PL/1 Derivat. Unsere RFZ-Fachbibliothek war gut ausgestattet. Nicht vorhandene Fachliteratur wurde über die Staatsbibliothek beschafft. 1975 gab es z.B. die westdeutsche Funkschau noch als Umlauf, später nur noch in der Westabteilung der Bibliothek. Ja es gab sogar hier Hierarchiegrenzen und westliche Fachliteratur durfte auch ein Dr. oder Dipl.Ing. nicht nach Hause ausleihen! Die sozialistischen Leiter schon. So wie die meisten Entwicklungsingenieure hatte auch ich eine Handbücherei an meinem Arbeitsplatz, wie an der Uni die Assistenten. Da stand ab 1983 mein Lieblingsbuch, das ich auch auf eine einsame Insel mitgenommen hätte und jetzt mein Eigentum ist: Kernighan, Ritchie "Programmieren in C"
In den Betrieben war das ganze Leben organisiert: für die Gesundheit hatten wir eine Poliklinik auf dem Gelände der AdW in der Agastr. Eine medizinische Sauna gab es auch, die während der Arbeitszeit mit Attest besucht wurde. Zum Arbeitsbeginn wurde streng auf die Minute geachtet (Gleitzeit gab es nicht), aber dann nicht mehr... Für die Kinder gab es Kinderferienlager - Kollegen und -innen wurden als Helfer freigestellt. Ein Ferienheim hatte das RFZ in Neustadt im Harz. Bei unserer ersten Reise dorthin fuhr sogar ein kleiner Bus (Robur). Einen FDGB-Ostseeplatz außerhalb der Schulferienzeit erhielten wir nach einer denkwürdigen RFZ Begebenheit. Eines Tages wurde an das RFZ ein Standkorb geliefert - nicht für den Fernsehfunk Fundus - nein, auch nicht für die Außenanlagen als Sitzgelegenheit. Also wer hat den Strandkorb bestellt. Antwort: Kein geringerer als der Amtsleiter des RFZ Herr Brückner. So wurde bekannt, dass in Ahrenshoop 3 Bungalows für Leitungskader zur ganz privaten Nutzung existierten (Auf dem Postgelände mit Sendemast standen die Bungalows). Diese Bungalows wurde dann in die Urlaubsvergabe der Deutschen Post (!) eingegliedert. Frische Brötchen und frische Milch jeden Morgen - ein unglaublicher Service - und die Ostsee.
Außer den Fachbibliotheken im RFZ gab es wohl noch eine Gewerkschaftsbibliothek? Auf jeden Fall sind in punkto Kultur die großen RFZ Bälle in allen Sälen der Kongresshalle am Alexanderplatz unvergessen.
Neben den bereits vorgestellten Technischen Mitteilungen des RFZ und den RFZ Arbeitsblätter gab es noch die Zeitschrift „Der Tip“ (Aus der Neuererbewegung des Funkwesens der Deutschen Post – Herausgeber RFZ – Leit BfN) die lesbar waren.
Die RFZ Frequenz war die Zeitschrift der Parteiorganisation des RFZ
Die Schlagzeile sagt alles – Bla Bla Bla!
Und dann gab es noch andere Dokumente: Telefonbuch
F+E Methodik ...
Meine interessanteste Arbeitsaufgabe war die Softwareentwicklung für einen Abgleich-Automaten. Ein Rationalisierungsmittel zum Abgleich der VVE
Dabei wurden die Ausgangswiderstände auf einem Glassubstrat auf 75 Ohm durch Erodierung (später mit LASER) abgeglichen. Hier kam Elektronik, hochpräzise Mechanik und Software zusammen. Vorher hatten Frauen (mit Hilfe eines Stereomikroskops) diese Arbeit ausgeführt. Den Abgleichautomaten, wollten auch andere Betriebe nutzen. Aber die spielfreie Mechanik wollte keiner in Serie fertigen. Es blieb bei dem RFZ Unikat. Durch die Kampagne der DDR 1986– jeder Betrieb solle Industrieroboter bauen -„Nicht mehr Marx und Engels sind die Schlüsselworte der sozialistischen Revolution sondern Mikroelektronik und Computer“. So wurde aus dem Automaten ein Roboter!
Kurz vor der Wende gab es für uns noch ein denkwürdiges Ereignis, wir wurden nicht etwa wieder Kollektiv der sozialistischen Arbeit, nein, wir erhielten den Banner der Arbeit für das Projekt „Standbildspeicher“ (führte mich auch ins gelobte Land: Sowjetunion).
Das wäre ja nicht tragisch – aber dafür mußte jeder eine Postuniform tragen mit der richtigen Dienstrangausstattung - selbst anzunähen! Noch nie hatte jemand von uns eine Postuniform! Das Foto wurde im RFZ-Fernsehversuchsstudio aufgenommen.
In diesem Studio hielt Prof. M. v. Ardenne 1964 (14 tägig) Vorträge über Farbfernsehsysteme.
Ebenfalls in diesem Studio stellte Prof. W. Bruch das PAL-Farbfernsehsystem vor.
Hier noch ohne Uniform
Hier sehr versteckt mit Uniform .. Nur einer mit Mütze
Das Bild demonstriert den Anmarsch zur Verleihung des Banners im Roten Rathaus.
Zweimal durfte ich jeweils über Monate beim Fernsehen in Moskau (Thema: SAEM) und im damaligen Leningrad (Thema: Standbildspeicher) arbeiten. Allein darüber könnte man ein Buch schreiben. Was man sich persönlich so getraut hat (trotz strenger sozialistischer Direktive), kann einem im Nachgang noch Angst machen. Zwei Bilder sollen für den Moskau Einsatz (Heimfahrten gab es für uns nicht) stehen.
Lenin ist überall und Verschlußsache in Moskau
Jede Metrofahrt koste 5 Kopeken! Kurs damals 3 Rubel = 1 Ostmark.
Hier ein Teil der letzten RFZ FREQUENZ als ORGAN DER MITARBEITER - nicht mehr der Partei - vom 20. Dezember 1989 (gefunden von E.Wald)
... das war die gute und die schlechte Nachricht - Das Ende von RFZ und MPF war keine Frage mehr ...
Zwei Dinge sollen noch erwähnt werden, die es nur in einem sozialistischen Betrieb wie dem RFZ gab. Ein Kollege, der aus Potsdam kam, nutzte die bessere Berliner Versorgung regelmäßig zum Einkauf – auch frische Hühnereier waren in Potsdam Mangelware. Da das RFZ unweit der Protokollstrecke von Berlin Schönefeld (Flughafen) zum Regierungssitz lag, wurden regelmäßig bei Staatsempfängen Mitarbeiter des RFZ als Jubelpublikum an die Protokollstrecke im Bereich Adlershof bis Berlin-Schöneweide (Adlergestell) abgeordnet. Wir sollten dann dort jubeln unter den Augen der „unauffällig“ eingemischten Stasimitarbeiter, die man unschwer an ihren „Präsent 20“ Anzügen erkennen konnte. Wie die Geschichte ausging wissen wir ...Dem muß man nicht nachtrauern.