Die Bauten und ihre Architekten

von PETER LEMBURG (BAB Architekten), TORSTEN VOLKMANN

(der Text "Die Beelitzer Heilstätten — Bauanlage und Architekten" wurde erstmalig in dem Band "Die Beelitzer Heilstätten", herausgegeben vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege in der Potsdamer Verlags-Buchhandlung, 1997, ISBN 3-91019-627-6 im Kapitel „Entwicklungsgeschichte und Beschreibung“ abgedruckt. Dieser Band ist leider vergriffen. Der nachfolgende Text konnte dank der freundlichen Genehmigung der beiden Autoren an dieser Stelle abermals veröffentlicht werden)

Als die in Berlin ansässige Landesversicherungsanstalt sich entschloß, basierend auf den europaweit fortschrittlichsten Krankenversicherungsgesetzen im Berliner Umfeld Heilstätten für Lungentuberkulose und Sanatorien für chronisch Kranke zu errichten, trat sie mit dem im deutschsprachigen Raum führenden Architekten des Krankenhausbaus in Verbindung, Heino Schmieden (1835-1913). Zu diesem Zeitpunkt 63 Jahre alt, konnte der mit dem Ehrentitel »Baurat« ausgezeichnete Privatarchitekt auf ein bereits außerordentlich erfolgreiches Arbeitsleben zurückblicken. Schon 1866 war Schmieden mit dem 1880 verstorbenen Martin Gropius eine Partnerschaft eingegangen, in der sich »Gropius' geniale Künstlernatur und der auf das Erreichbare gerichtete praktische Sinn Schmiedens« zu einer völligen Einheit verschmolzen.«Als führende Berliner Architektensozietät der späten Schinkelnachfolge hatten Gropius & Schmieden in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts neben zahlreichen Wohn- und Bankgebäuden noch kurz vor dem Tod Gropius' das Kunstgewerbemuseum an der heutigen Stresemannstraße errichtet. Wichtiger in unserem Zusammenhang ist indes das in klassischem Pavillonsystem errichtete Krankenhaus am Friedrichshain (1868-74). Von ihm — das trotz vielfacher Veränderung und Vereinfachung in wesentlichen Teilen immer noch erhalten ist — ging eine weitgefächerte Wirkung für das gesamte Krankenhausbauwesen aus. Die Entwicklung des Pavillonsystems im Krankenhausbau wurde von diesem in einfacher Ziegelbauweise errichteten Komplex wesentlich gefördert. Für die zahlreichen Stationen von Schmiedens Mittätigkeit in dieser Architekturgattung fehlt es hier an Raum, es sei aber für das engere Berliner Umfeld auf das Wenkebach-Krankenhaus in Tempelhof (1875-78), das noch dem in Friedrichshain eng verwandt ist, und auf das bereits nach dem Tode des Compagnons in Zusammenarbeit mit dem jungen Regierungs-Baumeister Boethke (1865-1917) errichtete, sich im Dahlemer Ortsteil von Zehlendorf befindliche ehemalige Kreiskrankenhaus Teltow verwiesen. Zusammen mit dem heutigen Krankenhaus Neukölln im Ortsteil Rudow und vor allem dem Klinikum Westend nähert sich Schmiedens Architekturform bereits derjenigen der großen, ebenfalls nach seinen Plänen errichteten Heilstätten in Sorge/Harz, Werden an der Ruhr, Melsungen in Hessen und Moltkefels in Schlesien an, die jeweils knapp vor bzw. bald nach der Jahrhundertwende entstanden. Es läßt sich zusammenfassend sagen, daß Heino Schmieden, der in seinen früheren Schaffensjahrzehnten nie aus dem Schatten Martin Gropius' hatte heraustreten können, sich gegen Ende seines Lebens zum führenden Krankenhausbauer auch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus entwickelt hatte. Ausdruck dieser Charakterisierung war nicht zuletzt seine Mitgliedschaft im Präsidium des »Deutschen Central-Komitees zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke« bzw. seine Berufung in den Vorstand des Berliner Vereins vom Roten Kreuz. In seinem Büro erwarben sich Architekten wie Victor von Weltzien (1836-1927), der jung verstorbene A. Speer und vor allen Julius Boethke klingende Namen. Nach seinem Tode führte neben Boethke auch sein ältester Sohn Heinrich Schmieden (der Name führt immer wieder zu Verwechslungen mit dem Vater) die Geschäfte im Sinne des gefeierten Architekten weiter.

So war es also naheliegend, daß sich die Landesversicherungsanstalt mit ihren weitreichenden Plänen auch mit Schmieden in Verbindung setzte. Sowohl für den Entwurf als auch die Gesamtplanung und Oberbauleitung berufen, war Schmieden bzw. sein langjähriger technischer Vertreter Carl Reinhard schon an der Auswahl des Bauplatzes im Beelitzer Wald beteiligt »Während also auch die Ausführung der auf zahlreichen Sitzungen im Zusammenwirken einer Kommission der Landesversicherungsanstalt festgelegten Baukörper beim Büro Schmieden angesiedelt war, wurde seitens der Bauherrin ein örtliches Baubüro eingerichtet, in dem eigene »Beamte« angestellt waren, zunächst der Regierungsbaumeister Scholz, nach seinem frühen Tod der Architekt Zwick. Letzterer behielt bis zur Vollendung des ersten Bauabschnitts die Bauleitung. Vermutlich bildete sich 1904 aus diesem Baubüro eine eigene Bauabteilung, deren Zuständigkeit sich auf die anderweitigen Projekte der Versicherungsanstalt ausdehnte. Die Realisierung der anstehenden Bauaufgaben wickelte nun dieses Baubüro ab. An die Spitze wurde noch 1904 mit Fritz Schulz ein Architekt berufen, der sich zuvor noch keinen Namen machen konnte. Die Hintergründe seiner Berufung als »Landesbaumeister« blieben bislang unklar. Für Schulz ergaben sich nun ebenfalls umfangreiche Baumaßnahmen, die neben weiteren Krankenpavillons auch Fleischerei-, Bäckerei- und Wäschereigebäude sowie Wohnhäuser für die Bediensteten im näheren und weiteren Umfeld der Heilstätten umfaßten. Mit dem von ihm entworfenen neuen Operationsgebäude aus dem Jahre 1927/28 auf dem Gelände der Männerheilstätten (A 11) kamen die Bautätigkeiten der Gesamtanlage 1930 zum vorläufigen Abschluß. Während also die Tätigkeit von Fritz Schulz den langen Zeitraum von ca. 25 Jahren umfaßte, wirkte das Büro Schmieden nur fünf Jahre in Beelitz-Heilstätten. Andererseits gaben Schmieden und Boethke durch ihr strenges Ordnungsschema und die Fülle der ausgeführten Bauten ein System vor, das weiterhin bestimmend blieb, auch wenn Schulz seinen Bauwerken einen von diesem Prinzip abweichenden Standort geben mußte. Die Leitung der Ausführung der ausgedehnten Gartenanlagen lag bei dem Kgl. Gartenbaudirektor Karl Koopmann. Nach einem erfolgreichen Abschluß der Lehre an der Kgl. Gärtnerlehranstalt in Potsdam-Wildpark 1873 war Koopmann von 1883-1894 als Inspektor an dieser Ausbildungsstätte tätig. Danach hatte er die Stellung eines Leiters der Fürstlichen Gartenverwaltung in Wernigerode bis zu seiner Aufnahme der Tätigkeit in Beelitz-Heilstätten 1901 inne.

Abb. oben: Die heilstätteneigene Wäscherei um 1930 / Abb. rechts: Das neue Chirurgiegebäude um 1930

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