Der Victoriasee

Im Herzen Afrikas liegt einer der größten Seen der Erde, der Viktoriasee. Er liegt im Grenzraum der Länder Kenia, Uganda und Tansania.

Mit einer Größe von etwa 68 500 km2 ist er ungefähr so groß wie Bayern. An seiner tiefsten Stelle ist er ca. 82 m tief. Seine Ufer sind relativ dicht besiedelt. Die Anrainerbevölkerung lebt vor allem vom Fischfang und von der Landwirtschaft.

Die Wasserwerte des Sees: Wassertemperatur 21°C – 30° C, pH-Wert 6,9 – 9,0, KH 1 – 8, dGH 2 – 3, Leitwert 60 – 145 mS/cm3

Im Vergleich zu den ostafrikanischen Grabenseen ist der Viktoriasee noch ein relativ junger See. In seiner Entwicklungsgeschichte hat er mehrfach seine Form verändert und war vor ca. 12600 Jahren vorübergehend fast vollständig ausgetrocknet. Man geht davon aus, dass er in seiner jetzigen Form erst ca. 12000 Jahre alt ist.

Seine Fischarten hatten dadurch im Vergleich zu ihren Verwandten im Malawisee oder im Tanganjikasee wesentlich weniger Zeit für ihre Entwicklung. Dennoch hat sich in dieser Zeit aus einer oder wenigen Buntbarsch-„Urformen“ eine Artenvielfalt entwickelt, die mehrere hundert Arten umfasst. Die Anzahl der Arten variiert je nach Autor zwischen 300 und über 600 Arten.

Die landläufige Meinung ist, dass man sehr lange Zeiträume ins Auge fassen muss, wenn man die Entwicklung einer Art verfolgen will. Die Forschungen im Viktoriasee haben jedoch gezeigt, dass die Entstehung neuer Arten sehr viel schneller vonstatten gehen kann. Die jüngsten Untersuchungen haben ergeben, dass sich sogar innerhalb eines viertel Jahrhunderts, bedingt durch Umwelteinflüsse, körperliche Merkmale bei Fischen anders ausprägen können.

Die Tatsache, dass sich im See die Spuren der Evolution besonders gut nachvollziehen las- sen, hat in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhundert eine Gruppe von Wissenschaft- lern bewogen, im See zu forschen. Die HEST-Gruppe (Haplochromis Ecology Survey Team) der Universität Leiden/NL war darin Vorreiter. Sie untersuchte den Artenbestand der Haplochrominen (das sind die verschiedenen Arten der im See vorkommenden Buntbarsche) im See, vor allem im südlichen Teil des Sees und hier speziell im Mwanza Golf und Speke Golf.

Allerdings musste die Gruppe feststellen, dass im Vergleich zu Sammlungen aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts viele Fischarten nicht mehr nachgewiesen werden konnten. Auf Grund ihrer Fangauswertungen - es wurden mit einem Fischtrawler regelmäßig bestimmte Sektoren im See befischt - kam man zu der Erkenntnis, dass vor allem fischfressende Haplochrominen nicht mehr im Fang auftauchten und daher als ausgestorben galten. Auch andere Haplochromis-Arten, die anfangs noch in die Netze gingen, wurden später nicht wieder gefangen. Ein Artensterben schien im vollen Gange zu sein. Man forschte nach den Ursachen und fand mehrere Faktoren, die den Fischen, hauptsächlich den Haplochrominen, das Leben schwer machten:

a) die Einbringung des Nilbarsches (Lates niloticus) in den See,

b) die Einbringung der Wasserhyazinthe (Eichhornia crassiceps) in den See,

c) die Bevölkerungsdichte,

d) das Ernährungsproblem.