Das Stück

Leonce und Lena – ein Lustspiel?

„Oh wär ich doch ein Narr! Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke.“ (Shakespeare, Wie es euch gefällt)

Die Handlung des Stückes „Leonce und Lena“ von Georg Büchner ist schnell erzählt: Zwei Königskinder – Prinz Leonce aus dem Reiche Popo und Prinzessin Lena aus dem Reiche Pipi – sollen miteinander verheiratet werden. Beide sind unzufrieden mit dieser Situation, und fliehen aus ihrem jeweiligen Königreich. Unterwegs treffen sie (zufällig?) aufeinander und verlieben sich, ohne zu wissen, dass sie dem jeweils angedachten Ehepartner begegnet sind. Erst nach der Heirat erfahren sie die Identität des anderen – Ende gut, alles gut.

Wirklich?

Das von Georg Büchner zu einem Preisausschreiben eingereichte Stück* bietet viele Interpretationsansätze. Zweifellos ist es ein ästhetisches Sprachspiel und eine Literatursatire auf die Romantik. Daneben hat die Einordnung als Tragikomödie über die Nichtigkeit des Daseins und als gesellschaftskritische Politsatire eine besondere Bedeutung.

Leonce und Lena ist schärfste Kritik an den Systemen des Vormärz und doch hochaktuell. Kunstvoll verpackt (mit federleichter Schleife obendrauf) findet man im Inneren des Päckchens so manche Überraschung, und die ist nicht immer angenehm. Büchner gelingt es – in diesem vergleichsweise heiteren Werk – mit präzisen Dialogen die Zuschauer zum Lachen zu bringen und gleichzeitig vor den Kopf zu stoßen.

Jahrzehntelang fand „Leonce und Lena“ aufgrund der interpretatorischen Offenheit und Unangepasstheit (es war aber auch wirklich befremdlich, nein, innovativ! für die damalige Zeit) keine Anerkennung. Erst am 31. Mai 1895, also fast 60 Jahre später, wurde es in München uraufgeführt. Dies wirft ein Licht auf die Modernität Büchners, dessen literarische Weltgeltung erst im 20. Jahrhundert erkannt wurde.

*(im Februar 1836 veranstaltet der Stuttgarter Verlag Cotta ein Preisausschreiben für das beste neue Lustspiel. Büchner überschreitet aber die Einsendefrist des 1. Juli 1836, und bekommt das Manuskript ungeöffnet zurück)

Der Autor

„Die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen.“ (Büchner)

Georg Büchner wurde nur 23 Jahre alt. In dieser kurzen Lebensspanne hat er es unter anderem geschafft, ein Medizinstudium zu absolvieren, zu forschen, einen Doktortitel zu erlangen, drei Dramen, eine Erzählung und ein Lustspiel zu verfassen, zwei Dramen zu übersetzen, sich zu verloben, die geheime politische Gesellschaft der Menschenrechte in Gießen zu gründen, die Flugschrift Hessischer Landbote zu veröffentlichen und steckbrieflich von der Polizei gesucht und verfolgt zu werden.

Geboren wurde Büchner als erstes von acht Kindern am 17. Oktober 1813 in Goddelau, Hessen. Seine Kindheit verbrachte er in Darmstadt, mit 18 Jahren schrieb er sich in die medizinische Fakultät der Universität Straßburg ein und studierte vergleichende Anatomie. Er wohnte im Haus des evangelischen Pfarrers Johann Jakob Jaeglé, und lernte dessen Tochter Wilhelmine kennen, mit der er sich 1832 verlobte. In Straßburg begann auch sein politisches Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen die Obrigkeit. 1833 wechselte Büchner an die Universität in Gießen, wo er auch die Flugschrift Hessischer Landbote verfasste. Der Inhalt dieser Schrift (Büchner rief das Volk zur Revolution auf) führte dazu, dass Büchner polizeilich gesucht wurde und nach Straßburg floh. Die letzten Monate seines Lebens verbrachte Büchner in Zürich, wo er zum Privatdozenten an der Universität ernannt wurde. Bevor er seine Arbeit aufnehmen konnte, erkrankte er am 2. Februar 1837 schwer an Typhus und starb kurze Zeit später, am 19. Februar, an den Folgen der Krankheit.

Was wir über das Stück denken

„Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen“ (Büchner)

Alkohol, Langeweile, Müßiggang, Belanglosigkeit und wieder Alkohol. Man könnte meinen, im einzigen Lustspiel Georg Büchners ginge es um nichts. Und doch geht es um alles: Den Sinn der eigenen Existenz, die Träume, die Hoffnungen…

Wollen wir uns dieser Thematik wirklich aussetzen? Ja, wollen wir! Denn Büchner schafft es, melancholisch anmutende Fragen mit einem gewissen Hang zum Selbstmitleid in ein luftig-leichtes Gewand zu kleiden. Skurrile Figuren und wortwitzige Dialoge – genau das, was wir als ThimKu so lieben. Der Mensch als Automat, als Anhängsel seines Smartphones, als lächelnder Auftragsempfänger. Wir haben Büchners Polit-Satire ein neues Kleid geschneidert und es passt uns ausgezeichnet – kommen Sie zur Anprobe, wir freuen uns darauf! Aber sagen Sie hinterher nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt: Es könnten Nähte reißen und Knöpfe abspringen…