Ziel meines curricular-orientierten Portfolios war es, im Rahmen des CAS, eine interaktive Lehrressource zu entwickeln. Sie soll den Biotechnologie-Studierenden helfen, den Aufbau eines Bioreaktor besser zu verstehen. Insbesondere dessen räumlicher Aufbau. Das Tool soll auf allen neo-technologischen Geräten (u.a. Rechner, Mobiltelefon oder Tablet) abrufbar sein. Um einen möglichst reibungslosen Gebrauch zu gewährleisten, soll die Lehrressource webbasiert sein.
Der Bioreaktor ist das zentrale Werkzeug der meisten Biotechnolog*innen. Im ersten Studienjahr wird viel über diesen Apparat gesprochen und maximal einige Bilder davon gezeigt. Leider ist es aufgrund von Platz, Zeit und Sicherheit oft nicht möglich, einen Bioreaktor detailliert und real zu betrachten. Aus meiner eigenen Erfahrung sowie von Studierenden weiss ich, dass dies sehr frustrierend ist und den Lernprozess erschwert. Da sich die Rahmenbedingungen für das Bachelorstudium nicht ohne weiteres ändern lassen, musste eine alternative für die Studierenden geschaffen werden.
Durch das interaktive Webtool würde sich zum einen die Variabilität der Lernkanäle (Entwicklungsziel 2) verbessern und zum anderen könnten die Studierenden unabhängig von Labor, Laborbeaufsichtigung, Zeit und Ort den Bioreaktor erkunden. Durch dieses Tool soll die Praxis der Biotechnologie greifbarer werden. Dadurch erhoffe ich mir, dass sich die Studierenden leichter für die technische Seite des Biotechnologiestudiums motivieren lassen (Entwicklungsziel 4).
Durch die Lehrressource soll ein interaktives Entdecken eines Bioreaktors unabhängig von Labor und Zeit möglich werden. Das Tool soll dabei so konzipiert sein, dass zwei unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden können. Zum einen sollen damit Studierende der ersten beiden Semester angesprochen werden. Hier ist das Ziel, dass die Studierenden in der Lage sind, die einzelnen Komponenten eines Bioreaktors aufzuzählen und zu verstehen, weshalb diese Komponenten wichtig für einen erfolgreichen Bioprozess sind. Zudem ist es für den späteren gebrauch essentiell, dass die Studierenden die räumliche Zuordnung der Komponenten sowie den Grund für diese Anordnung kennen. Da wir in unserer Fachgruppe einen edX-Kurs entwickeln, welcher am 01.05.2022 online geht, soll dieses Tool (mit denselben Zielen) für alle Biotechnologieinteressierten zugänglich sein (die keinen Zutritt zu einem Labor haben). Die zweite Zielgruppe sind Studierende aus dem vierten Semester, welche bereits ein grundlegendes Verständnis von einem Bioreaktors besitzen. Hier soll das Tool primär zur Auffrischung und Repetition der Bioreaktorkomponenten dienen sowie zu einem virtuellen Training bevor die Studierenden im Praktikum am realen Reaktor arbeiten. Im vierten Semester lernen die Studierenden das erste Strömungsmechanik kennen. Mit dem Tool können unterschiedliche Strömungsverhalten, ausgelöst von unterschiedlichen Rührern, im Bioreaktor visualisiert werden. Das wäre im Praktikum gar nicht umsetzbar. Ziel ist es, den Studierenden den Einfluss der verschiedenen Rührelementen auf das Strömungsverhalten visuell näherzubringen. Zudem sollen die Studierenden in der Lage sein das Strömungsprofil zweier unterschiedlicher Rührer zu skizzieren.
DDa die Studierenden an der ZHAW papierlos studieren und mit dem Motto «bring your own device» arbeiten, ist es wichtig, dass das Tool auf allen Geräten (Laptop mit Windows oder MacOS, Tablet, Smartphone) verwenden werden kann. Ein weiterer Punkt, der bei der Implementierung beachtet werden muss, ist, dass das Tool eine gewisse Abstraktion machen muss (ohne dabei die entscheidenden Punkte zu vernachlässigen), da sonst die Vielzahl an Rohren und Leitungen bei den Studierenden zu Verwirrungen führen könnte. Da das Tool sowohl im deutschsprachigen (Bachelorstudium) als auch international Raum (edX-Kurs) zum Einsatz kommt, muss der Text im Tool sowohl auf Deutsch wie auch auf Englisch zur Verfügung stehen. Des weiteren muss gewährleistet werden, dass das Tool gewartet und falls nötig aktualisiert werden kann. Sollte diese Lehrressource erfolgreich sein, kann das Konzept leicht auf andere Apparate in der Biotechnologie, oder auch in anderen Studienrichtungen, übertragen werden.
Das gelernte aus Modul 2 ist für meine Implementierung der Lehrressource von grosser Bedeutung. Ziel dieser Lernressource ist es, die Motivation zu steigern. Durch das Tool soll das Bedürfnis nach Autonomie und nach Kompetenz befriedigt werden und somit die Motivation gesteigert werden (Deci & Ryan 1993) Dieses Tool lässt sich auch hervorragend als ein asynchroner Lehrteil in das Blended Learning integrieren (Hetrey et al. 2019).
Qualitativ kann der Erfolg des Tools in einem Jahr überprüft werden, wenn die Studiereden im 4. Semester praktisch an den Reaktoren arbeiten. Quantitativ sollte das Verständnis bereits im Februar 2022 in der Modulprüfung Einführung in die Biotechnologie überprüft werden und mit dem Vorjahr verglichen werden. Jedoch war dies leider nicht möglich, da durch die COVID-19 Situation zwei komplett unterschiedliche Prüfungen von den Modulverantwortlichen durchgeführt wurden und so keine statistische Aussage getroffen werden konnte.
Die aktuelle Situation im Bachelorstudiengang Biotechnologie (insbesondere im Modul Einführung in die Biotechnologie) ist aus eigener Erfahrung als Student und gemäss diversen Rückmeldungen von Studierenden suboptimal. Die Studierenden lernen im klassischen Frontalunterricht anhand von schematischen Darstellungen und einigen Fotos wie ein Bioreaktor aufgebaut ist (Abbildungen unten). Problematisch ist, dass durch die schematischen Darstellungen zwar die einzelnen Komponenten beschrieben werden, jedoch findet kaum eine räumliche Einordnung oder Verknüpfung statt. Abhilfe sollen dazu einzelne Fotos liefern. Hier liegt das Problem, dass oft nur eine Ansicht vorhanden ist und extrem viel auf einem Bild zu sehen ist. Oft sind für ein vollständiges Verständnis all diese Komponente wichtig, jedoch ist dies für die Studierenden im ersten Semester zu umfangreich. Neben dem Frontalunterricht haben die Studierenden die Möglichkeit in einem kurzen Laborrundgang die Reaktoren für einen kurzen Augenblick live zu sehen. Wie bereits beschrieben, ist es aus Platz-, Zeit- und Sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich, den Studierenden im ersten Semester einen tieferen Einblick in den realen Aufbau eines Bioreaktor zu gewähren.
Folie aus dem Unterricht Einführung in die Biotechnologie. Auf dieser schematischen Ansicht werden die wesentlichen Komponenten beschrieben. Hier fehlt jedoch praktisch jegliche räumliche Information. Die Studierenden sind anhand dieser Darstellung nicht in der Lage die einzelnen Komponenten am realen Reaktor zu erkennen.
Foto eines klassischen Bioreaktors welcher im 4. Semester von den Studierenden bedient werden soll. Die Abbildung wird ebenfalls im Unterricht Einführung in die Biotechnologie gezeigt.
Um die Idee eines interaktiven Bioreaktormodells wissenschaftlich zu justifizieren, wurde eine Literaturreview durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Verwendung von 3D-Tools, insbesondere jene welche auf der Web3D Technologie beruhen, keineswegs eine Neuigkeit sind. So beschreibt beispielsweise Aysu Sagun in seiner Masterarbeit 1999 (wenige Jahre nachdem sich das Internet etabliert hatte) über die Anwendung von Web3D Technologien für den Unterricht [1]. Es handelte sich jedoch keineswegs um eine veraltete oder überholte Technologie wie der Artikel aus dem Journal of Chemical Education aus dem Jahre 2020 [2] oder der Artikel aus Pharmacy Education aus dem Jahre 2022 [3] zeigten . Desweiteren hat sich gezeigt, dass diese Technologie in diversen Lehrfeldern eingesetzt wird, wobei der Hauteinsatzbereich in der Medizin liegt [4,5,6]. Diese Art von Lernressourcen wurde aber auch erfolgreich in anderen Disziplinen wie im Studium der Chemie [2] oder Maschinenbau eingesetzt [7].
Die interaktive Visualisierung von 3D-Modellen mittels der Web3D Technologie bietet eine alternative zur 2D-Darstellung mittels Bildern oder Texten [4,5,6]. Dies eignet sich beispielsweise dazu Handbücher zu ersetzen. Kearsley [8] konnte zeigen, dass es für viele Probanden schwieriger ist die Anwendung über ein Benutzerhandbuch zu erlernen als über ein interaktives Web3D-Tool. Einer der grössen Vorteile ist, dass mehr visiospatielle Informationen vorhanden sind und somit der räumliche Lernprozess gefördert wird [2]. Dies ist vielerorts und insbesondere bei komplexen Strukturen unerlässlich für die des Verständniss und die reale Anwendung [6,9,10]. So hilft dieses Tool insbesondere auch jenen Studierenden, welche ein schwächer ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen besitzen [2]. Gemäss Violante [4] wurden in den USA die Anatomielektionen im Zeitraum zwischen 1955 bis 2009 um durchschnittlich 55% gekürzt. Um dennoch genügen Training für die Studierenden zur Verfügung zu stellen, boten sich interaktive 3D Modell an [4]. Auch Chittaro [11] und Loftin [12] sehen in dieser Technologie den Vorteil, dass die Ressource unabhängig vom Ort und vor allem jederzeit und für unbegränzte Zeit zur verfügung steht. Wobei der letzte Punkt, insbesondere bei Laboratorien oder anderen Spezialeinrichtungen, eintscheidend ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Objekte beziehungsweise Apparaturen nicht kaputt gehen können und auch keine unmittlebare Gefahr für die Studierenden bei der Anwendung besteht. Letzteres ist ebenfalls ein Punkt, welcher in meinem Fall, ein konkretes Problem darstellt. Die Studierenden dürfen nämlich nicht ohne Aufsicht und der dazugehörigen Schulung an einem Bioreaktor arbeiten, da die Verletztungsgefahr bei unsachgemässer handhabung zu gross ist. Durch die Anwednung eines interaktiven Tools, können auch Schädigungen von Geräten durch die unsachgemässe Handhabung vorgebeugt werden. Dies kann unter anderem bei sehr teuren Apparaturen, wie zum Beispiel eines Bioreaktors, durchweg entscheidend sein. Ebenfalls sieht Loftin [12] den Vorteil, dass die Ressource schnell, beliebig oft und kostenlos geteilt werden kann. Erolin [6] sieht den Einsatz solch eines Modells vorallem im asynchronen Unterricht, wobei jedoch auch Anwendungen im Klasssenuntericht möglich wären.
Natürlich hat diese Technologie nicht nur Vorteile. Zum einen sind solche Modelle ziemlich aufwendig zu erstellen und zum anderen können sie das reale Training nicht komplett ersetzen. Gewisse Aspekte lassen sich nämlich bis heute nicht in Simulationen einbauen [13,14]. Solche Aspekte sind jedoch, in der von mir entwickelten Applikation, nicht zu finden. Ein weitere Punkt wurde von Sturgill [15] identifiziert, welcher beschreibt, dass bei Studierende mit wenig Computerkentnissen solch eine Applikation zu Frustration führen könnte. Dabei muss jedoch berücksichtigt weden, dass dieser Artikel aus dem Jahr 1999 stammt und die heutigen Studierenden im Normalfall über genügend Computerkenntnisse verfügen, um solch eine Applikation zu bedienen (wurde in der Umfrage belegt, dass dies kein Problem ist). Die durchgeführte Literaturrecherche lässt darauf schliessen, dass sich das gewählte Lehrmittel hervorragend für den Einsatz im Bachelorstudiengang Biotechnologie und dem edX-Kurs eignet.
Quellen:
[1] Sagun, Aysu, 1999, Use of virtual environments in interior design education: a case study with VRML. Bilkent University, Department of Interior Architecture and Environmental Desing, Master Thesis
[2] Fatemah et al. 2020, Interactive 3D Visualization of Chemical Structure Diagrams Embedded in Text to Aid Spatial Learning Process of Students, Journal of Chemical Education, https://doi.org/10.1021/acs.jchemed.9b00690
[3] Martini and Datt, 2022, Virtual patients in clinical decision making–A design-based research approach, Pharmacy Education, https://doi.org/10.46542/pe.2022.221.129141
[4] Violante and Vezzetti, 2015, Design and implementation of 3DWeb-based interactive medical devices for educational purposes, Int J Interact Des Manuf, https://doi.org/10.1007/s12008-015-0277-0
[5] Petriceks et al., 2018, Photogrammetry of Human Specimens: An Innovation in Anatomy Education. Journal of Medical Education and Curricular Development, https://doi.org/10.1177/2382120518799356
[6] Erolin 2019, Biomedical Visualisation, Advances in Experimental Medicine and Biology 1138, Springer Nature Switzerland, https://doi.org/10.1007/978-3-030-14227-8_1
[7] Liarokapis et al., 2004, Web3D and augmented reality to support engineering education. World Transactions on Engineering and Technology Education
[8] Kearsley and Moore, 1996, Distance Education: A Systems View. Wadsworth Publishing Company, Washington
[9] Fredericksen, et al. 2000, Student satisfaction and perceived learning with on-line courses: principles and examples from the SUNY learning network. J. Asynchronous Learn. Netw.
[10] Gironimo and Lanzotti, 2011, Virtual environments and prototyping for human health and safety. In: Research in Interactive Design, https://doi.org/10.1007/978-2-8178-0169-8
[11] Chittaro and Ranon, 2007, Web3D technologies in learning, education and training: Motivations, issues, opportunities, Computers & Education, https://doi.org/10.1016/j.compedu.2005.06.002
[12] Loftin, 2018, https://blogs.oregonstate.edu/inspire/2018/08/15/5-ways-3d-models-can-help-in-education/ , accessed 04.03.2022
[13] Aziz, 2002, The human cadaver in the age of biomedical informatics. Anat Rec., https://doi.org/10.1002/AR.10046
[14] Rizzolo and Stewart, 2006, Should we continue teaching anatomy by dissection when ...? Anat Rec B New Anat., https://doi.org/10.1002/ar.b.20117
[15] Sturgill et al. 1999, Surviving technology: a study of student use of computer-mediated communication to support technology education. Int. J. Educ. Telecommun.