Die Vorstellung, die Populationen des Grünen Besenmooses in Maulbronn „vollständig“ zu erfassen zu können, beruhte zum einen auf anfänglichen Funden in geringer Anzahl in den malerischen Buchenaltholzinseln. Und zum anderen sollte mit der Suche über die gesamte Waldfläche auf Maulbronner Markung der Mangel an Kenntnissen über die Standortsansprüche des Mooses umgangen werden. In der Theorie schien dieser Ansatz plausibel und zielführend, zumal sich ein besonders umfangreiches Vorkommen in den Wäldern abzeichnete. Der Anspruch auf Vollständigkeit war aber trotz Zeit intensiver Suche über zwei Jahre nicht zu erfüllen. Wie hoch die „Dunkelziffer“ ist, lässt sich schwer abschätzen. Gwendoline Percel hat in ihrer umfangreichen Untersuchung zum Vorkommen des Grünen Besenmooses im Compiègne-Massiv (Frankreich) Erfolgsquoten 74% und 87% bei der Suche nach Trägerbäumen des Grünen Besenmooses ermittelt [3]. Vorkommen in Maulbronn waren an Buche deutlich leichter zu finden als an Eiche. Trägerbaumgruppen mit drei oder mehr Bäumen dürften wahrscheinlich selten übersehen worden sein, einzeln stehende Trägerbäume hingegen schon eher. In Eichenbeständen liegt die „Dunkelziffer“ vermutlich höher als in Buchenbeständen. Es wurden drei frisch abgebrochene, große Eichenäste mit Polstern in beachtlicher Größe gefunden. In den Kronen von zahlreichen, gefällten Buchen konnte kein Dicranum viride festgestellt werden. Es scheint möglich, dass es in den Kronen von (älteren) Eichen ein „stille“ Reserve von Populationen gibt.
Die Kartiermethode hat sich mit zunehmender Zahl der Funde durch „Learning by doing“ entwickelt. Es ergab sich eine Mischung aus systematischer und auf zunehmender Erfahrung basierter Suche nach Trägerbäumen. Im Umkreis (ca. 30 - 50 Metern) von Trägerbäumen wurde intensiv nach weiteren Trägerbäumen gesucht. Isoliert stehende, einzelne Trägerbäume wurden selten gefunden. Diese Art der Trägerbaumsuche findet sich fast identisch in der dem Autor zugänglichen Literatur zu Kartierungen des Grünen Besenmooses (z.B. Wolf [4]). Zur Aufteilung der gesamten Fläche in überschaubare Teilbereiche wurde die vorhandene Erschließung durch Forststraßen verwendet. In den so abgegrenzten Teilflächen wurden Rückegassen zur Orientierung verwendet, um eine flächendeckende Suche in möglichst gleichmäßiger Intensität zu gewährleisten. Zwischen den Rückegassen wurden die Flächen in Schlangenlinien abgegangen. In Buchenaltholzbeständen wurde versucht, alle „dicken“ und auffällig bemoosten Bäume mit Habitatbaumeigenschaften zu begutachten. In Eichenbeständen wurden auffällig bemooste Eichen und Hainbuchen und soweit vorhanden starke Buchen abgesucht. Nadelholzbestände (mit und ohne Laubholzbeimischung) wurden nur anfänglich abgesucht und nachdem keine Funde zu verzeichnen waren nicht mehr.
Abb.: 3 links: Notizheft Nr.2/Seite 154-155 - Karte 1 mit den punktuellen Funden bzw. Untersuchungsflächen südlich der B35 – Stand Juni 2020, rechts: Notizheft Nr.5 /Seite 152-153 – Karte 1 mit den nummerierten Untersuchungsflächen Stand September 2021
Während in Buchenalthölzern das Ziel einer vollständigen Erhebung noch weitgehend möglich war, stieß dies in Eichenmischwäldern mit heterogener Altersstruktur und Nebenbestand, sowie in jüngeren Beständen mit hohen Stammzahlen an Grenzen.
Um die sich im Laufe der Zeit einstellende Routine und Erwartungshaltung zu durchbrechen, wurden immer wieder auch Bereiche abgesucht, in denen eigentlich keine Funde zu erwarten waren. Die Intensität der Suche wurde zudem an manchen Stellen für eine gewisse Zeit durch Absuchen der Stämme mit einer Lupenbrille auf die Spitze getrieben. Dabei gab es unerwartete Funde und zusätzliche Einsichten über die Verbreitung am Stamm. Art und Umfang der Moosdecken an den Stämmen und die Entdeckung von Tierspuren in den epiphytischen Moosdecken wurden zu wichtigen Indikatoren für Waldungen mit potenziellen Trägerbäumen. In manchen Buchenalthölzern ohne Dicranum viride waren die Moosdecken nur sehr spärlich entwickelt und auf die Wurzelanläufe beschränkt. Die Rinde der Bäume war hellgrau und vergleichsweise glatt. Auch der Bewuchs mit Flechten war hier kaum vorhanden.
Einige Stangenhölzer und Dickungen wurden durchsucht, um festzustellen, ob auch schon in jüngeren Phasen der Waldentwicklung eine Besiedelung mit Grünem Besenmoos stattfindet, dabei ergaben einzelne „Zufallsfunde“. Auch Laubholzmischbestände mit Nadelholzbeimischung wurden durchsucht.
Es wurde folgende Daten erhoben:
1. Der Standort der Trägerbäume wurde im Mobiltelefon mit den Applikationen „Maps.me“ und später „Locus Gis“ festgehalten und mit einer Baumnummer gekennzeichnet, die Auskunft gibt, auf welchem Kartenblatt in welcher Untersuchungsfläche der Baum gefunden wurde. Beispiel: die Bezeichnung K1F6B2 identifiziert in Karte 1 in Fläche 6 den Baum 1. Die untersuchten Wälder wurden auf insgesamt 4 Karten (Ausschnitte aus der topographischen Karte) erfasst.
2. Die mit Mobilfunk App erfassten GPS-Daten der Trägerbäume wurden in QGis [5] importiert und in einer Karte dargestellt, um eine Übersicht über Lage und Häufungen von Funden zu ermöglichen (Abb.:17 Seite 17).
3. Je Trägerbaum wurden notiert: Baumart, Umfang des Trägerbaumes in Brusthöhe (BHD „gemessen“ in Anzahl Handspannen von ca. 18 cm) und Grad der Besiedelung in drei Kategorien nach Anzahl der Polster bzw. besiedelter Fläche:
1 - Bäume mit 5 oder weniger Polstern (Kategorie: einzelne Polster)
2 - Bäume mit mehr als 5 Polstern (Kategorie: zahlreiche Polster)
3 - Bäume mit auffällig vielen gut entwickelten Polstern und/oder flächig ausgedehnten Polsterfeldern (Kategorie: sehr viele Polster).
Die Expositionen der Moospolster am Stamm wurden notiert.
Der Besiedelungsgrad 3 (sehr viele Polster) wurde erst nach einiger Zeit in die Aufnahmeroutine eingeführt als der erste Trägerbaum mit auffällig starker Besiedelung angetroffen wurde. Hinzu kamen handschriftliche Notizen über Zustand und Besonderheiten der Trägerbäume, Begleitmoosen, Zustand der Moosdecke, Tierspuren und Umgebung. Durch diese Notizen wurden wiederkehrende Merkmale der Trägerbäume wie Selbst- oder Fremdbeschattung, Hack- und Wühlspuren in Moosdecken, bevorzugt besiedelte Bereiche am Stamm oder auch die für das Grüne Besenmoos typische, ungleichmäßige flächige Verteilung der Mooskissen auf den Trägerbäumen deutlich. Diese Beobachtungen wurden zusammen mit weiteren naturkundlichen Beobachtungen, Skizzen und Notizen zu einschlägiger Literatur handschriftlich in Notizbüchern festgehalten. Diese Notizen sollen mithilfe von Zotero [6] katalogisiert und später systematischer ausgewertet werden.