Viele Belege aus der Zeit der Entstehung des Vereins gibt es leider nicht. Die meisten Informationen sind mündliche Überlieferung, die zum 50-jährigen Jubiläum 1994 schriftlich festgehalten wurden
So geht die Entstehung des Vereins auf einem von Frau Lala Führ ins Leben gerufenen Tanzkreises im Rahmen der ihrer Tanzschule in Mainz zurück. Hier fanden sich all diejenigen ehemaligen Tanzschüler zusammen, die auf tänzerischem Gebiet mehr leisten wollten.
So wurde 1949 in der Großen Weißgasse in der Gaststätte „Zum Gebirg“ der Gedanke geboren, einen Tanz-Club zu gründen, der dann im gleichen Jahr in der Eisenbahner-Kantine in Mainz gegründet wurde. Triebfedern des neu gegründeten Clubs waren Frau Führ und das spätere Ehrenmitglied Heinz Frohnweiler. Der Club war räumlich und organisatorisch mit der Tanzschule Führ verbunden und begann mit dem Turniertanzwesen zuerst im Deutschen-Amateur Turnieramt (DAT), als Trainingsraum diente das Ballettstudio Raimonda.
Gesellschaftliche Veranstaltungen fanden im Hotel Neubrunnenhof statt. Der jährliche Herbstball mit Schautänzen von Bill und Bobby Irvine oder Rudi und Mechthild Trautz wurden natürlich im großen Saal des Kurfürstlichen Schloss ausgetragen.
1959, Abschlussball im Neubrunnhof
Der Clubraum in der Tanzschule Lala Führ mit dem Logo des späteren Vereins.
Von Klaus Bastian
Die Geschichte unseres Vereins beginnt im Jahr 1949. Wer sich dazu auf die Spurensuche begibt, findet allerdings nur noch Weniges. Die Quellenlage ist äußerst bescheiden: Gebäude von damals gibt es kaum noch, und auch schriftliche Aufzeichnungen oder Fotomaterial sind nur wenige vorhaben. Zum Glück aber gibt es in unserer Mitte noch ein Gründungsmitglied: Adi Portugall war 1949 dabei und hat neben seinen Erinnerungen noch das eine oder andere Foto aus jenen Tagen. Ihm sei deshalb für seine Hilfe herzlich gedankt.
Wer die Gründungsgeschichte nachvollziehen will muss sich in die Zeit von damals versetzen: Mainz 1949 – auch vier Jahre nach Kriegsende bestimmen Ruinen und Schuttberge das Stadtbild. Wie in
Gaststätte „Zum Gebirg“ in der Großen Weißgasse
kaum einer anderen deutschen Stadt wurde Wohnraum durch die Kriegseinwirkungen zerstört. Wer es nicht schafft, in einem Vorort bei Verwandten unterzuschlüpfen, lebt in notdürftig errichteten Baracken, in Gartenhäuschen oder in Ruinen. Der Wiederaufbau geht nur schleppend voran.
Die Suche nach etwas Lebensfreude in dieser grauen Zeit findet ihr Ventil im Tanzen: Das Café Korso im rückwärtigen Teil des Stadttheaters bietet täglichen Tanz bis 3 Uhr früh und am Sonntag einen Tanztee. Und für 5 DM kann man mit dem „Samba-Express“ der Bahn, in dem es einen eigenen Tanzwagon gab, einen sonntäglichen Ausflug unternehmen, berichtet der Journalist Michael Bermeitinger im Podcast #58 der Allgemeinen Zeitung.
Junge Leute zieht es aber auch in die wiedereröffneten Tanzschulen, wie zum Beispiel die Tanzschule Führ. Sie residiert in der Wallaustrasse, dort wo heute der „Tanzraum Mainz“ zu finden ist. Deren Juniorchefin Lala Führ absolviert gerade ihre Tanzlehrer-Prüfung in Köln und bringt von dort neuen Ideen mit: Alle größeren Tanzschulen – so hat sie in Köln erfahren – haben einen eigenen Tanzclub für diejenigen Tanzschüler und Tanzschülerinnen, die im Tanzen noch weiterkommen wollen. Für sie locken die Wettbewerbe und Meisterschaften des Deutschen Amateur-Turnieramtes (DAT). Und solch einen Tanzclub soll nun auch die Tanzschule Führ bekommen.
6 Paare aus ihrem Tanzkreis wählt sie aus und lädt sie zur Gründung des Clubs in die Gaststätte „Zum Gebirg“ in der Großen Weißgasse Tänzerinnen dort aufschlagen – unter ihnen auch unser Ehrenmitglied Adi Portugall – hält sie schon den Namen des neuen Clubs und eine Liste parat, auf der die „12 Apostel:innen“ des Mainzer Tanzsports nur noch unterschreiben müssen. Seit 2020 ist die Gaststätte ebenfalls Geschichte. Wo heute geschlossene Rollläden und ein leerer Schaukasten ein eher trübseliges Bild abgeben und nur der Kinderlärm der nahen Eisgrubschule noch etwas Lebendigkeit vermittelt, wird im November 1949 aber mit Wein und Bier auf den neuen Tanz-Club Rot-Weiss angestoßen und entsprechend gefeiert.
„Tanzen ist Ausdruck der Lebensfreude und Sport zugleich. Beides haben wir in unserer schnelllebigen Zeit, nach so manchem grauen Alltag sehr nötig.“ – die Gedanken aus einem Programmheft des Clubs aus späterer Zeit beschreiben vermutlich auch die Gefühlslage 1949 recht gut.
Aber aller Anfang ist schwer. Und die Suche nach geeigneten Trainingsstätten ist ein Thema, das den Club bekanntlich über Jahrzehnte begleitet. Organisatorisch mit der Tanzschule Führ verbunden, wird trainiert wo immer es möglich ist, wie zum Beispiel im Ballettstudio Raimonda an der Universität. Aber auch der Clubraum der Tanzschule wird zum Einzeltraining genutzt. Einmal, später zweimal in der Woche werden die Paare von Lala Führ trainiert. Bei den kleinen Anfängen bleibt es nicht. Auch ohne groß angelegte Werbung steigt die Mitgliederzahl stetig an.
In den Anfangsjahren treten die Mitglieder vorwiegend bei Veranstaltungen der Tanzschule und bei Mainzer Volksfesten auf. So wird zum Beispiel der Modetanz „Raspa“, ein nach 1945 in Mexiko und auf Kuba entstandener Gesellschaftstanz im bewegten 6/8-Takt, der seit 1950 auch Verbreitung in Europa findet, auf dem Mainzer Weinmarkt vorgestellt.
Anfang der 1950er Jahre werden dann die ersten Tanzturniere im Mainzer Schloss veranstaltet, andere gesellschaftliche Veranstaltungen finden im Hotel Neubrunnenhof in der Großen Bleiche statt.
Und ab 1953 starten Turnierpaare unseres Clubs auch bei auswärtigen Turnieren des DAT in Darmstadt, Gießen, Wiesbaden, Frankfurt, Bad Nauheim und Heidelberg.
Die erste offizielle Clubmeisterschaft wird 1959 in den Standardtänzen ausgetragen, die Lateintänzer:innen müssen noch bis 1972 warten.
Am 21. August 1960 wird aus dem Tanzschul-Club ein eigenständiger Verein, dessen Eintragung unter der Nr. 999 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Mainz am 01.03.1962 erfolgt. Erster Präsident ist Heinz Kleinow, der neben Lala Führ auch als Trainer fungiert. Inzwischen hat der Club bereits über 100 Mitglieder, die – wie Heinz Kleinow in einem Programmheft aus dieser Zeit schreibt – „Freude am gepflegten Gesellschaftstanz“ haben. Und nicht nur sie, die gesellschaftlichen Veranstaltungen und Bälle sind gut besucht. Ein Bericht der Abendschau des Südwestfunk (jetzt SWR) über die Bundesmeisterschaft des Deutschen Amateur-Turnieramtes (DAT) im kurfürstlichen Schloss im Oktober 1963 macht dies deutlich.
Damit endet die 13-jährige Gründungsgeschichte des Tanz-Clubs Rot-Weiß Casino Mainz, aber natürlich nicht die Vereinsgeschichte, die hoffentlich noch lange weiter geht. Denn ein Stück Lebensfreude im grauen Alltag war nicht nur 1949 wichtig!