Nachtwächterordnung von Geyer aus dem Jahr 1862

Instruction für die Nachtwächter

(Quelle: Stadtarchiv Geyer; Abschrift: L. Brunner, 2001)

§1: Der Nachtwächter hat sich eines streng sittlichen, anständigen und vor Allem nüchternen Lebenswandels zu befleißigen und in seinem Dienste treu, pünktlich und unverdrossen sich zu bezeigen. Er ist dem Stadtrathe als seiner unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde unbedingten Gehorsam, allen hiesigen übrigen Einwohnern aber Achtung und Bescheidenheit schuldig.

§2: Dem Nachtwächter wird Seiten der Stadtgemeinde zur Dienstausrüstung ein Seitengewehr ein großes und ein Signalhorn sowie eine Laterne gewährt. Außerdem erhält der Nachtwächter einen Schlüssel zu dem in seinem Bezirk gelegenen Spritzenhause und Feuerleiterhäuschen.

§3: Die vorstehend erwähnten Utensilien hat der Nachtwächter während der Dienstzeit stets bei sich zu führen und aus keinem Grunde abzulegen, im Übrigen dieselben jeder Zeit sorglich zu gebrauchen und aufzubewahren, auch bei der Niederlegung seines Amtes in gutem Zustande zurückzugeben. Von dem Seitengewehre hat er nur in den äußersten Notfällen und zwar dort, wo sein Leben in Gefahr kommt, notwehrweise Gebrauch zu machen, auch die Laterne nur dann anzuzünden, wen solches aus ganz besonderen Gründen erfordert wird.

§4: Tagtäglich Abends 10 Uhr hat der Nachtwächter seinen Dienst in dem ihm angewiesenen Bezirk anzutreten. Dieser Dienst dauert bis auf weitere Anordnung im Sommerhalbjahre und zwar vom 1.April bis ult. September jeden Jahres bis früh 4 Uhr, während der übrigen Jahreszeit aber bis 5 Uhr Morgens.

§5: Während dieser Dienstzeit hat der Nachtwächter stets wechselnd alle Straßen und Seitengässchen seines Bezirks unausgesetzt zu durchgehen und darf er mit Ausnahme der Fälle wo sein Dienst es erheischt, weder in ein Wirtshaus noch in irgend eine Privatwohnung eintreten und sich daselbst aufhalten. Nur alsdann, wo er wegen zu großer Kälte und Stürme oder derartiger hervorragender Witterungseinflüsse nicht im Stande ist, die ganze Nacht hindurch ununterbrochen Wacht zu halten, ist es ihm gestattet, ein Mal in der Nacht und zwar auch nicht länger als höchstens ¼ Stunde in seiner Behausung abzutreten. Solchenfalls aber hat er stets zuvor den Nachtwächter des zweiten Bezirks davon in Kenntnis zu setzen und nach bezüglicher Vereinigung mit ihm diesen zur Mitaufsicht auf seinen Bezirk zu veranlassen.

§6: Bei seinen Umgängen durch die Stadt hat der Nachtwächter zu öfteren und Dieß vorzugsweise und alle Mal dort, wo er sich kreuzende Straßen der Stadt berührt, durch einmaliges Blasen seines Signalhorns das Zeichen seiner Wachsamkeit zu geben. Sich auch dann und wann von der Wachsamkeit des Türmers zu überzeugen und zu diesen Zwecke den im Turme befindlichen Klingelzug solange zu ziehen, bis der Türmer ihm vom Turme herab ein „Wach !“ zuruft.

§7: Hauptsächlich hat der Wächter während seiner Dienstzeit sein Augenmerk auf etwaige Schadenfeuer zu richten, die sei es im Orte selbst sei es in den unmittelbaren Nachbarschaften ausgebrochen, auch zum Zwecke der Abwendung solcher Gefahr im Orte alsdann, wenn er in Gebäuden ungewöhnlichen Rauch oder in ihrer Nähe Brandgeruch gewahr wird, daß mit unverwahrten Licht, Pfeifen und Zigarren auf Boden, unter die Dächer, in Ställe, Holzschuppen, und der gleichen Orte gegangen wird, Zimmer oder Kammern oder Bodenräume ungewöhnlich hell oder zu außerordentlichen Zeiten besonders erleuchtet sind, die betreffenden davon in Kenntnis zu setzen, resp. Anzeige zu erstatten.

§8: Gewahrt der Nachtwächter innerhalb der Stadt ein entstandenes Feuer, so hat er sofort durch oft wiederholtes starkes Stoßen in sein Horn Alarm zu blassen, die Bewohner des gefährdeten Hauses selbst sowohl als die Bewohner der Nachbarhäuser durch rufen und anklopfen an die Türen und Läden zu ermuntern, nächtlichen Falles den Türmer zum Stürmen aufmerksam zu machen und unverweilt den Bürgermeister so wie den Feuerpolizeikommisar und die Spritzmeister resp. deren Stellvertreter und den Rathsdiener davon in Kenntnis zu setzen, das Schloß an dem in seinem Bezirke gelegenen Spritzenhause und Feuerleiterhäuschen zu öffnen, auch unausgesetzt während alledem das Alarmzeichen zu wiederholen und die Einwohner der Stadt zu ermuntern zu suchen.

§9: Ein zur Nachtzeit außerhalb der Stadt und zwar in den unmittelbaren Nachbarschaften ausgebrochenes Schadenfeuer hat der Nachtwächter sofort den jedesmaligen Bürgermeister anzuzeigen, besondere Feuersignale aber vor dessen weiterer Anweisung nicht zu geben.

Diese Feuersignale übrigens würden im Falle der Anweisung durch dann und wann zu wiederholendes einmaliges Stoßen ins Horn zu erfolgen haben. Auch hat der Nachtwächter in solchen Feuersfällen nach geschehener Benachrichtigung des Bürgermeisters und diesfalls erhaltener Anweisung den Spritzenmeister der Landspritze resp. dessen Stellvertreter von dem Feuer Meldung zu machen.

§10: Nimmt der Nachtwächter Spuren von Diebstahl, Einbruch oder anderen Verbrechen gewahr, oder ruft jemand um Hilfe, so hat er sofort zum Orte des Hilferufes zu eilen, auch zur Verhinderung von Verbrechen das erforderliche vorzunehmen, etwa Verdächtige zu beobachten, möglichst deren Flucht zu verhindern zu suchen, auch vielleicht in aller Stille einige Nachbarn zu wecken und in Gemeinschaft mit ihnen die verdächtigen Personen entweder zu fesseln oder wenigstens zu verjagen, überhaupt das nach der Sachlage Nöthige vorzunehmen ev. auch Notsignale zu geben.

§11: Allem Gaßenunfuge, Erceßen und dergl. hat der Nachtwächter entschieden entgegen zu treten, überhaupt alle die nächtliche Ruhe störende Handlungen zu verhindern zu suchen, ins Besondere hat er gegen das lärmende Umherziehen von Lehrlingen, Dienstboten und anderen Personen auf den Straßen der Stadt nach 10 Uhr einzuschreiten, auch nicht zu dulden, das nach 10 Uhr abends Kinder sowie andere Personen vor einzelnen Häusern der Stadt unter irgendwie die nächtliche Ruhe störender Weise auf Bänken und Steinen vor den Häusern sich aufhalten. In allen derartigen Fällen hat er die Betreffenden zur Ruhe zu verweisen, sie aber, wenn gütliche Ermahnung Nichts fruchtet, zu arretieren und durch ihre sofortige Abgabe an das königliche Gerichtsamt zur Haft zu bringen. Ebenso hat er als dann, wenn innerhalb von Gebäuden oder Schanklocalen lärmende die nächtliche Ruhe störende Gewerbe oder Handlungen vor sich gehen, die Betreffenden zur Ruhe zu ermahnen resp. von den Vorgängen zur Einleitung der Untersuchung und Bestrafung Anzeige zu erstatten. Hilfsbedürftigen hat er Beistand und Unterstützung zu leisten, Trunkene zu entfernen, und sie wie etwaige Obdachlose unter Obdach zu bringen zu suchen.

§12: Der Nachtwächter hat fernerhin darauf zu achten, das nach 11 Uhr keine Haus- oder Gewölbetüren mehr unverschlossen oder Leitern an Häusern oder Mauern angelehnt sind. Vorkommenden Falls hat er die Betreffenden zur Beseitigung dieser Übelstände aufmerksam zu machen, auch die selben, dafern sie ihm nicht sofort eine Ordnungsstrafe von 5 Neugroschen, die zur Hälfte dem Wächter, zur Hälfte in die Stadtschuldentilgungskasse fließen, entrichten, dem Stadtrathe anzuzeigen. Ebenso hat der Nachtwächter darauf zu achten, das nicht Nachts auf offener Straße Waagen oder sonstiges Geschirre ohne Aufsicht und ohne das sie mit Beleuchtung und resp. einem Strohwich an der Deichsel versehen stehen, offene Gruben nicht ohne Sicherheitsmaßregeln sich vorfinden, betreffenden Falles aber darüber Anzeige zum Stadtrathe zu erstatten. In Fällen der Anzeige und darauf zu verfügender Strafe erhält der Nachtwächter ebenfalls 2 ½ Neugroschen von dem jedesmal zu erlangenden und erlangten Strafgelde.

§13: Da des Nachts gar keine Hunde ohne Aufsicht außer den Gehöften herumlaufen dürfen, so hat der Nachtwächter alle des Nachts ohne Aufsicht auf den Straßen herumlaufende Hunde wegzufangen. Wegen der solchenfalls weggefangenen Hunde wird das im Mandat vom 2.April 1796 unter 8 vorgeschriebene Verfahren eingeleitet, dem Nachtwächter aber von Zeit zu Zeit eine nach seiner diesfallsigen dienstlichen Pflichterfüllung zu bemessende Gratifikation bewilligt werden. Sollte das Wegfangen des einzelnen derartig frei herumlaufenden Hundes dem Nachtwächter nicht möglich, ihm gleichwohl aber der Eigentümer des Hundes bekannt sein, so hat er denselben womöglich zu wecken und zur Aufnahme des Hundes in das betr. Haus zu veranlassen, hierüber aber zum Zwecke der Einleitung des Strafverfahrens gegen den Hundebesitzer nächsten Tages Anzeige zum Stadtrath zu erstatten.

§14: Wird der Nachtwächter während des Dienstes von der Polizei zur Unterstützung in Ausübung einer polizeilichen Maßregel aufgefordert, so hat er derselben thätigen Beistand zu leisten.

§15: Der Nachtwächter hat alle seine Dienstverrichtungen möglichst ruhig und geräuschlos und mit Besonnenheit zu verrichten, sich auch vor aller Überschreitung seiner Dienstbefugnisse zu hüten. Hat er auch in der Regel nur den ihn angewiesenen Bezirk zu begehen, so hat er doch auch seine Aufmerksamkeit und Tätigkeit auf den anderen Bezirk mitzuerstrecken, so bald er in diesem etwas Ordnungswidriges und Verdächtiges wahrnimmt, das nach der Sachlage Erforderliche vorzunehmen, auch auf etwaige Notsignale dem Wächter des anderen Bezirks zu Hilfe zu eilen, nach Erledigung der Sache aber sich sofort in seinen Bezirk wiederum zurückzubegeben.

§16: Alle 14 Tage hat sich der Nachtwächter wenigstens zwei Mal bei dem jedesmaligen Bürgermeister zu melden, ihm etwaigen Rapport abzustatten und etwaiger Anordnungen gewärtig zu sein.

§17: Dem Nachtwächter ist es durchaus nicht erlaubt, auch nur eine Nacht oder einen Teil seiner nächtlichen Dienstzeit aus hiesiger Stadt ohne vorgängige spezielle Erlaubnis des Bürgermeisters, an den er sich deshalb zu wenden hat, abwesend zu sein. Diese Erlaubnis wird übrigens nur in ganz besonders wichtigen und dringenden Fällen und nie über drei Nächte hinaus gegeben werden und wird auch für ihre Erteilung die Voraussetzung gemacht, daß der Nachtwächter für die Zeit seiner Abwesenheit auf seine Kosten einen nach Ermessen des Bürgermeisters als tüchtigen und zuverlässig anzusehenden Stellvertreter stellt. Urlaub über die vorstehend gedachte Frist kann nur durch Beschluß des Stadtrathskollegiums erlangt werden.

§18: Als Besoldung erhält der Nachtwächter außer den oben genannten Nebenbezügen von etwaigen Strafgeldern in monatlich postnumerando zu beziehenden Ratenzahlungen für das Jahr die Summe von 73 Thalern und als Entschädigung des Aufwandes für Beleuchtung seiner Laterne 1 Thaler Lichtgeld.

§19: Die Annahme des Nachtwächters Seiten der Stadtgemeinde erfolgt gegen monatliche jedem Teile jederzeit freistehende Kündigung, indes kann der Stadtrath den Nachtwächter bei etwaigen Dienstvernachlässigungen und nicht Beachtung vorstehender Instruction sowie bei sich zu Schulden gebrachten Vergehen sofort und ohne weiteres des Dienstes entsetzen, ohne an irgendwelche Kündigungsfrist gebunden zu sein. Der Dienstgenuß geht solchen falls nur bis zum Tage der Entlassung des Nachtwächters.

§20: Der Nachtwächter ist mittels des Eides unter B. in Verordnung vom 2. November 1837 zu verpflichten und ihm zu seiner Legitimation ein Pflichtschein auszustellen. Die Stempelgebühr des Pflichtscheines hat der zu verpflichtende Nachtwächter zu tragen.

§21: Etwaige Abänderungen, Zusätze und Vermehrung dieser Instruction bleiben dem Stadtrathe jederzeit vorbehalten.

Geyer, im Oktober 1862 Der Stadtrat

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