Enver Isufi: Dinge, 2014, Aquarell auf Papier, 100 x 70 cm
Zu den Dingen kam ich über einen Stein, den ich im Kosovo fand, während einer Wanderung über die mineralreichen, steinigen Hügel. Diese Steine sind besonders, denn sie sind porös und bestehen scheinbar aus unendlich vielen Schichten, die man leicht in den Fingern zerreiben kann. Aus Aquarellfarbe bildete ich diese Schichten nach. Eine Lage kam nach der anderen, wurde überlagert, wieder abgetragen, wie vom Wind, um wieder von einer anderen Farbe überdeckt zu werden. Es entstanden Gebilde, die in gewisser Weise mir ähnelten. Ich erlebte bei den Aquarellen, den Dingen, wie ich sie nun nannte, was es bedeutete bei sich selbst zu sein. Irgendwann nämlich wurden die Dinge zu eigenständigen Wesen mit einem Charakter. Sie mussten nicht unbedingt vollendet sein. Aber es gab einen Punkt an dem, wenn man selbst nicht in sich ruhte, diese Wesen einem übermannten und es dann unmöglich wurde sie weiterhin zu formen. Überhaupt war das Wort ‘formen‘ hier falsch. Man musste sie sehen, schon am Anfang. Der erste Strich war schon fast egal, da er nur Impulsgeber war für das weitere Handeln. Es war eine Initialbewegung. Ab dann musste man mit dem Strich leben und mit ihm umgehen, ja sogar eins werden mit ihm, damit es zu einem Gebilde kam, das ‘gleich dir‘ war. Denn die inneren und äußeren Bewegungen bestimmten das Aussehen und die Ausstrahlung. Bewegungen oder REGUNGEN, die mit einer gewissen Körperlichkeit und Präsenz gleich zu setzen sind. Bei den Dingen war es mir wichtig, dass sie um sich selbst kreisen und stark zentriert sind. Die Dinge sind im Zwischenraum: Sie sind weder Zeichnung noch Skulpturales als Materie. Oder etwas anders ausgedrückt. Sie sind Materie, Ja! Sie sind Zeichnung: Hier wird es schon schwierig, denn sie sind ja Projektionen und wollen doch eigenständig sein. Sie sind Projektionen des energetischen Selbst. Was das genau ist, weiß ich selbst noch nicht. Ich kann es jedoch fühlen. Man kann die Dinge, die man selbst macht, aufladen. Mit Ladung materialisieren. Sie sind sich ähnlich, da sie eigentlich alle das gleiche Wort sind, nur verschieden ausgesprochen.
Enver Isufi: Behausungen in den Bergen, SW-Kopien, Aquarell, Gouache, Bleistift auf Papier 100 x 70 cm, 2019.
Behausungen von Menschen sind wie eine zweite Haut, die den Menschen vom Außen abschirmen sollen. Sie bieten Sicherheit und sind Schutzräume des Intimen.
Der Kosovo besitzt eine bergige Landschaft. Behausungen der Menschen sind verteilt auf den Bergen und in den Tälern, die durch teils steile Wege verbunden sind. Im Kosovokrieg wurden diese Schutzräume aufgebrochen.
Auf dem Papier sind Schwarz-Weiß-Kopien aus einem Buch verteilt. Dieses Buch dokumentiert auf sehr eindringlicher Weise die Massaker, die im Kosovokrieg an den Menschen begangen wurden.
Ich hatte das Buch bereits einige Jahre bei mir, bevor ich in kleinen Schritten einen ersten Versuch des Ausdrucks wagte.