Artikel 187-191 (früher: Artikel 70)

Pohutukawa

Die eine Hand gibt, die andere nimmt es weg

Das neuseeländische Rentensystem wird durch zwei Gesetze geregelt: den New Zealand Superannuation and Retirement Income Act (Renten- und Alterseinkünftegesetz) aus dem Jahr 2001 und den Social Security Act (Gesetz zur sozialen Sicherung) 2018, letzteres als Nachfolger des Social Security Act 1964, der wiederum auf dem Gesetz von 1938 (!) basiert.

Nach dem Rentengesetz “ist jede Person, die das 65. Lebensjahr erreicht hat, zum Bezug einer neuseeländischen Rente (New Zealand Superannuation) berechtigt”. Sie muss bei Antragstellung bestimmte Anspruchsvoraussetzungen erfüllen:

  • Vollendung des 65. Lebensjahres

  • legaler Aufenthalt als Permanent Resident über einen Zeitraum von zehn Jahren seit Vollendung des 20. Lebensjahres, fünf Jahre davon nach Vollendung des 50. Lebensjahres.

    Diese 10-Jahre-Aufenthaltsdauer als Voraussetzung für den Anspruch auf NZ Super wird bis 2042 schrittweise auf 20 Jahre erhöht. Das am 15. November 2021 verabschiedete Gesetz tritt am 1. Juli 2024 in Kraft. Die ersten Personen, die davon betroffen sind, sind jene, die nach dem 30. Juni 1959 geboren sind. Für sie gilt eine Aufenthaltsdauer von 11 Jahren.

    In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nur Zeiten angerechnet werden, in denen die betreffende Person auch tatsächlich in Neuseeland anwesend war. Wer also jedes Jahr für vier Wochen in die Heimat geflogen oder anderswohin in Urlaub geflogen ist, erhält - solange noch die 10-jährige Aufenthaltsdauer gilt - NZ Super erst nach 10 Jahren und 280 Tagen. Es genügt nicht, seinen Wohnsitz in Neuseeland zu haben, hier zu arbeiten und Steuern zu zahlen.

    Die Abwesenheiten kann man für Zeiten nach Mitte der 1990er Jahre bei Customs NZ anfordern:
    https://www.customs.govt.nz/about-us/travel-movements-request/

Eine kuriose Vorschrift mit weitreichenden Konsequenzen

Daneben finden jedoch zusätzlich die Artikel 187-191 des Gesetzes zur sozialen Sicherung (bis 2018: Artikel 70) Anwendung, der nähere Auszahlungsbedingungen für die Rente regelt. Er ist quasi das “Kleingedruckte”, dessen Inhalt vielen nicht bekannt ist und oft erst mit Eintritt des Rentenalters zu einem bösen Erwachen führt.

Der englische Gesetzestext ist in einem Stil geschrieben, der dem Juristendeutsch in nichts nachsteht. Wer ihn dennoch lesen möchte, kann ihn hier im Original studieren.

Selbstbedienung auf neuseeländische Art

Die Kernaussagen der Artikel 187-191 lauten:

  • Ausländische staatliche bzw. gesetzliche Renten werden auf die neuseeländische Rente angerechnet, das heißt: vom neuseeländischen Rentenanspruch abgezogen.

  • Bis zum 9.November 2020 wurde bei Paaren, die in einer häuslichen Gemeinschaft lebten, nicht nur der Rentenanspruch eines Bezugsberechtigten von seiner neuseeländische Rente gekürzt oder gestrichen. Wenn sich aus der deutschen Rente eines (Ehe-)Partners ein sogenannter Überschuss ergab, wurde der Differenzbetrag auf den anderen Partner übertragen. Das heißt: Auch der neuseeländische Rentenanspruch des Partners wurde gekürzt oder gestrichen.

    Im schlimmsten Fall gingen beide leer aus. Dann nämlich, wenn die deutsche Rente eines Partners so hoch war wie der neuseeländische Rentenanspruch für ein Paar. So ein Paar musste einzig und allein von der deutschen Rente leben, selbst wenn einer der Partner sein ganzes Leben lang in Neuseeland gelebt hatte.
    Diese Regelung gilt seit dem oben genannten Datum zum Glück nicht mehr. Sie hieß "Spousal Provision" (Ehegattenabzug).

Die Verrechnungspraxis, der so genannte Direktabzug (Direct Deduction Policy) wird angewandt, wenn

  • die ausländische Rente regelmäßig, also zum Beispiel monatlich oder wöchentlich gezahlt wird,

  • es sich um eine Alters-, Hinterbliebenen- oder Arbeitsunfähigkeitsrente handelt und

  • die Rente von einem Staat oder im Namen eines Staates gezahlt wird. Dies ist bei der deutschen Rente nach Auffassung des neuseeländischen Staates der Fall. So wie bei fast jeder ausländischen Beitragsrente.


Eine Milchmädchenrechnung, die sich lohnt

Dieses Vorgehen ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig. Die Tatsache, dass sich die deutsche Altersrente von der neuseeländischen Superannuation (NZ Super) grundlegend unterscheidet und somit für eine Verrechnung nicht eignet, ist für den neuseeländischen Staat jedoch nicht maßgebend. (Deutschland ist aufgrund der Definitionsunterschiede allerdings nicht gewillt, ein Sozialversicherungsabkommen mit Neuseeland abzuschließen. Wobei es im Detail so ist, dass Deutschland ein Abkommen abschließen würde, wenn der Direktabzug darin ausdrücklich ausgeschlossen würde. Das wiederum verweigert Neuseeland.)

Im Gegensatz zur steuerfinanzierten neuseeländischen Universalrente ist die deutsche Rente einkommensabhängig und wird aus individuell erworbenen Ansprüchen auf der Basis von Pflicht- und gegebenenfalls freiwilligen Beitragszahlungen finanziert. (Wobei der aus freiwilligen Beiträgen finanzierte Teil der deutschen Rente nicht abgezogen werden darf! Unbedingt Bescheinigung der DRV besorgen, in der erläutert ist, welcher prozentuale Anteil der DRV-Rente durch freiwillige Beiträge geleistet wurde.)

Die Einbehaltung individuell erworbener Ansprüche in einem Staat durch einen anderen Staat kommt einer Enteignung gleich. Im Fall von Neuseeland natürlich nur indirekt, weil ja nicht die deutsche Rente konfisziert, sondern NZ Super gekürzt oder einbehalten wird.

Auch ist die Deutsche Rentenversicherung (DRV; früher BfA) keine staatliche Behörde, die der Bundesregierung unterstellt ist, sondern eine selbstständige Einrichtung. Die deutsche Rente ist somit keine staatliche oder staatlich verwaltete Rente.

All dies kümmert den neuseeländischen Staat wenig. Er bessert seine eigene steuerfinanzierte Rentenkasse auf, indem er individuell finanzierte ausländische Renten indirekt konfisziert. Protesten gegenüber hat er sich bisher taub gezeigt.

(Letztes Update: 23.11.2021)


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