Visionen


(Text aus dem spiritistischen Magazin „Revue Spirite“ – Allan Kardec – Jan.1858)

Es kam in der Zeitung „ Courrier de Lyon“, den folgenden Bericht:

„In der Nacht zum 28.08.1857 geschah eine einzigartige intuitive Vision in der Croix-Rousse:

Vor drei Monaten ungefähr hat das Ehepaar B..., einfache Weber, aus einem lobenswerten Gefühl des Mitleids, ein Mädchen als ihre Dienerin, aufgenommen. Es kam von der Nähe Bourgoing und war ein bisschen schwachsinnig.

In dem letzten Sonntag, zwischen 2 und 3 Uhr nachts, wurde das Ehepaar B... von schrillen Schreien aufgeschreckt. Es waren Schreie der Dienerin, die im Dachgeschoss schlief.

Die Frau B... zündete eine Lampe an und ging zu ihr. Ihre Dienerin weinte in so einem überreizten Seelezustand, dass es schwer zu beschreiben ist. Sie verrenkte die Arme in schrecklichen Zuckungen und sagte, sie hätte gesehen, wie ihre Mutter vor ihren Augen gerade gestorben war.

Nachdem die Frau B... das Mädchen so gut wie möglich getröstet hatte, kehrte sie in ihr Zimmer zurück.

Dieses Ereignis wäre schon fast vergessen gewesen, wenn nicht am Dienstag ein Brief von dem Vormund des Mädchens gekommen wäre. Er teilte Herrn B... mit, dass die Mutter seiner Dienerin in der Nacht zum Montag, zwischen 2 und 3 Uhr, durch einen Sturz von einer höheren Stufe in ihrem Treppenhaus, umgekommen sei.

Das arme Mädchen brach gestern nach Bourgoing auf, begleitet von Herrn B..., um ihren Teil des Erbes der Mutter anzutreten, deren bedauerliches Ende sie auf traurige Weise im Traum gesehen hatte.“

Ereignisse dieser Natur sind nicht selten. Und oft haben wir die Gelegenheit gehabt, sie zu erzählen. Sie passieren manchmal während des Schlafens im Traumzustand. Die Träume sind nichts anderes als ein natürlicher unvollsständiger Somnambulismuszustand. Die Visionen, die bei solchen Zuständen auftreten, nennen wir somnambulische Visionen, um sie von denen, die während des Wachszustandes geschehen, die wir zweites Gesicht nennen, zu unterscheiden.

Ekstatische Visionen nennen wir diejenigen, die in der Ekstase passieren. Diese haben als Objekt die Wesen und die Dinge der unkörperlichen Welt.

Der zweite Fall, den wir jetzt erzählen werden, gehört zu der zweiten Kategorie, das zweite Gesicht.

Ein Reeder, unser Bekannter, der in Paris wohnt, erzählte uns vor einigen Tagen das folgende:

„In dem letzten April war ich ein wenig krank und ging mit meinem Partner nach Tuileries spazieren. Das Wetter war herrlich und der Garten war voller Leute. Plötzlich verschwand die Menge vor meinen Augen, ich fühlte meinen Körper nicht mehr und wurde wie transportiert. Dann sah ich ein Schiff, das in den Hafen von Havre hineinfuhr. Ich erkannte es als das Schiff Clemence, das wir auf den Antilien warteten. Ich sah als er am Kai festmachte. Ich konnte seinen Mast, seine Segel, seine Seemänner und die geringsten Details unterscheiden, als ob ich gerade dort wäre.

Als ich nach Hause zurückkam, erhielt ich ein Telegramm. Bevor ich es geöffnet hatte, wusste ich schon, dass es mir die Ankunft der Clemence ankündigen würde. Das Telegramm bestätigte in der Tat ihre Ankunft, genau zu der Uhrzeit, wie ich es in Tuileries sah.“

Wenn die Visionen die Wesen der unkörperlichen Welt als Objekt haben, könnte man sie, aus Vernunft, als eine Phantasie halten, und sie Halluzinationen nennen. Denn nichts kann ihre Richtigkeit beweisen.

In den beiden Fällen, die wir gerade erzählt haben, zeigt sich die Realität als eine der materiellsten und der positivsten.

Wir fordern alle Wissenschaftler und Philosophen heraus, sie mit allgemeinen Methoden zu erklären.

Nur die spiritistische Lehre kann sie, durch das Phänomen der Loslösung der Seele, die sich außerhalb der körperlichen Sphäre begibt, erklären.

In dem ersten Fall ist es möglich, dass die Seele der Mutter zu dem Mädchen kam, um sie vor ihrem Tod zu warnen. In dem zweiten Fall, jedoch, ist es sicher, dass das Schiff den Reeder in Tulieries nicht gesucht hat. Die Seele des Reeders hat es in Le Havre gesucht.