Was ist der Unterschied zwischen Prüfung und Sühne?
Sühne ist die Begleichung einer Schuld, die die göttliche Gerechtigkeit den störrischen Geistern auferlegt.
Prüfung ist die Aufgabe, die die Geister, die sich ihrer Schuld und ihrer Bedürfnisse bewusst sind, sich selbst wählen.
Wie können wir einen Geist, der sühnt, erkennen?
Normalerweise ist er ein Mensch, der sein Leiden und seine Schwierigkeiten nicht akzeptiert und sich dagegen auflehnt. Er beschwert sich sein ganzes Leben über die Last seines Kreuzes.
Und wie können wir den, der in einer Prüfungssituation ist, erkennen?
Er ist ein Mensch, der den Schwierigkeiten auf eine ausgeglichene Weise entgegentritt. Er akzeptiert sie, ohne zu murmeln und zu schimpfen. Wie ein Schüler, der sich den Prüfungen unterwirft, sein Bestes zu tun versucht, um eine höhere Stufe zu erreichen.
Ist es immer so?
Nichts ist endgültig im menschlichen Verhalten, denn wir üben den freien Willen. Ein Geist in Prüfung, der lobenswerte Pläne für das jetzige Leben entwarf, kann das Geplante ablehnen. Und es kann passieren, dass ein Geist in Sühne sein Bewusstsein erweckt und bereit wird, seinen Schmerzen mit Würde entgegenzutreten, und sein Bestes tut.
Ist das Elend eine Sühne?
Der Sozialstandard bestimmt nicht die Natur der Erfahrungen, die der Geist macht. Ein reicher Mann kann in einem Sühneprozess sein und ernste Probleme haben. Anderseits kann die äußerste Armut eine Wahl des Geistes in Prüfung sein, der sein Gewissen zu reinigen versucht.
Welche bilden die Mehrheit: die Geister in Prüfung oder die Geister in Sühne?
Die Menschheit besteht zumeist aus unreifen Geistern, die nicht genug Unterscheidungsvermögen besitzen, um ihre Erfahrungen zu planen. So befindet sich die Mehrheit in Sühne.
Zwei Geister leben die gleiche schwierige Situation. Beide sind behindert geboren. Einer ist in Sühne, der andere in Prüfung. Leiden beide gleich?
Wahrscheinlich leidet der Geist in Prüfung weniger. Denn er hat seine Behinderung geplant und neigt dazu, sie besser zu akzeptieren. Das wird „sein Kreuz“ leichter machen. Verstocktheit, Auflehnung, Empörung und Verzweiflung sind eine zusätzliche Last, die unsere irdische Reise schmerzvoller macht.
Wann wird die Erde nicht mehr ein Planet der Prüfung und der Sühne sein?
Wenn der Mensch das Evangelium nicht mehr als eine Sammlung von unerreichbaren Tugenden betrachtet, sondern als einen göttlichen Führer für jeden Moment; und bereit ist, seine Prinzipien in ihrer ganzen Fülle zu leben.
Wahl der Prüfungen
Hat der Geist im Zustande des Herumirrens bevor er eine neue leibliche Existenz annimmt, ein Bewusstsein für das, was ihm während des kommenden Lebens geschehen wird?
Er wählt selbst die Art der Prüfungen, die er übernehmen will, und darin eben besteht sein freier Wille.
Wenn der Geist die Wahl zwischen den Arten der Prüfungen hat, folgt daraus, dass alle Trübsal des Lebens von uns vorausgesehen und vorausgewählt wird?
Das Wort „alle“ ist nicht der rechte Ausdruck, denn man kann nicht sagen, dass von euch alles vorausgesehen wird, was sich auf eurer Welt ereignet. Ihr wähltet die Art der Prüfung, die Einzelheiten sind Folge euer Lage und oft auch eurer eigenen Handlungen. Wollte der Geist unter Übeltätern geboren sein, so wusste er, was für Versuchungen er sich aussetzte, aber er kannte nicht jede Handlung, die er begehen würde. Sie sind die Folgen seiner Wahlfreiheit. Der Geist weiß, schlägt er diesen oder jenen Weg ein, hat er diese oder jene Art von Kämpfen zu bestehen. Er kennt die Natur der Wechselfälle, auf die er stoßen wird, aber nicht die Ereignisse, daraus sie bestehen werden. Diese entstehen aus den Umständen und der Gewalt der Tatsachen. Nur die großen Ereignisse, die auf sein Schicksal Einfluss üben, sieht er voraus. Schlägst du eine ausgefahrene Straße ein, so weißt du, dass du leicht fallen kannst. Du weißt aber nicht, wo du fallen wirst, möglicherweise fällst du überhaupt nicht, wenn du dich gut in Acht nimmst. Fällt dir auf der Straße ein Ziegel auf den Kopf, glaube nicht, dass es so geschrieben stand.
Hängt die Wahl der leiblichen Existenz des Geistes, wenn er seinen freien Willen hat, immer nur von diesem ab, oder kann ihm diese Existenz vom Willen Gottes als Sühne auferlegt worden sein?
Gott beschleunigt die Sühne nicht. Er kann jedoch einem Geist eine bestimmte Existenz auferlegen, wenn dieser wegen seiner niederen Stufe oder seines bösen Willens wegen nicht zu begreifen fähig ist, was ihm am heilsamsten wäre, oder wenn er sieht, dass diese Existenz zu Reinigung und Fortschritt beiträgt und zugleich Sühne ist.
Was leitet den Geist bei der Wahl der Prüfungen, denen er sich unterziehen will?
Er wählt solche, die ihm ihrer Natur nach Sühne sein können und die seinen Fortschritt beschleunigen. Die einen können sich ein Leben voller Not und Entbehrungen auferlegen, um es mutig zu ertragen, andere sich durch Versuchungen des Reichtums oder der Macht prüfen lassen, andere wieder im Kampfe mit dem Laster bestehen.
Scheint es nicht natürlich, die am wenigsten schmerzlichen Prüfungen zu wählen?
Für euch wohl, aber nicht für den Geist. Ist er vom Stoff befreit, schwinden alle Illusionen und er denkt anders.
Auf Erden steht der Mensch unter dem Einfluss fleischlicher Gedanken und erblickt in jenen Prüfungen nur die schmerzliche Seite. Darum scheint es ihm natürlich, solche Prüfungen zu wählen, die von seinem Gesichtspunkte aus sich mit sinnlichen Genüssen vereinigen lassen. Im Geisterleben aber vergleicht er jene flüchtigen und groben Genüsse mit der unveränderlichen Glückseligkeit, die er ahnt. Was liegt ihm dann noch an einigen vorübergehenden Leiden?
Haben wir auf Erden nicht auch täglich Beispiele solchen Wählens vor Augen? Der Mensch, der einen großen Teil seines Lebens sich ohne Rast und Ruh abarbeitet, um zu Wohlstand zu gelangen, was ist es weiter als eine Aufagbe, die er sich selbst auferlegte im Hinblick auf eine bessere Zukunft?
Alle Geister sagen aus, dass sie im herumwandernden Zustande nur suchen, forschen und beobachten, um ihre Wahl zu treffen. Besitzen wir nicht ein Abbild davon in unserem leiblichen Leben? Jeder Weg, den wir einschlagen, ist eine Gestaltung, ein Abschnitt unseres Lebens. Denken wir nicht jeden Tag, was wir morgen tun werden? Was sind die verschiedenen leiblichen Existenz für den Geist anderes, als die Gestaltungen, Abschnitte, Tage seines spirituellen Lebens, das sein eigentliches und regelmäßiges Leben ist, während sein leibliches nur ein vorübergehendes sein kann?
Hat der Geist bis zur Erlangung vollendeter Reinigung beständig Prüfungen zu bestehen?
Ja, aber es sind keine Prüfungen wie ihr sie meint. Ihr nennt stoffliche Trübsale Prüfungen. Der bis zu einer gewissen Stufe gelangte Geist hat aber solche nicht mehr zu bestehen. Dagegen hat er immer Pflichten zu erfüllen, die seiner Vervollkommnung dienen und nichts Peinliches für ihn haben. Viele davon bestehen nur darin, andern zu ihrer Vervollkommnung behilflich zu sein.
Kann sich der Geist auch in der Wirksamkeit der von ihm gewählten Prüfung täuschen?
Er kann eine wählen, die über seine Kräfte geht, dann unterliegt er. Oder eine solche, die ihm gar nichts nützt, und einer untätigen oder unnützenden Lebensweise gleicht. Tritt er aber danach wieder in das Geistleben ein, so erkennt er, dass er nichts gewonnen hat und wünscht die verlorene Zeit wieder gutzumachen.
Könnte ein Angehöriger der Zivilisation zur Sühne in einem wilden Stamm reinkarniert werden?
Ja, aber das hängt von der Art der Sühne ab. Ein Herr, der hart gegen seine Sklaven war, kann selbst ein Sklave werden und seine Behandlung nun umgekehrt am eigenen Leibe erfahren. Wer herrschte, kann im neuen Dasein zum Dienen bestimmt sein. Das ist von Gott auferlegte Sühne für den Missbrauch seiner Gewalt. Ein guter Geist kann sich auch eine einflussreiche Existenz unter tieferen Stämmen auswählen, um sie zu fördern, dies ist dann eine Sendung.
Joseana war ernsthaft krank. Sie hatte ein Problem mit den Nieren. Die Krankheit rückte unerbittlich vor.
Sie war eine überzeugte Spiritistin. Sie nahm an einer spiritistischen Gruppe teil, und unterrichtete dort die Kinder gern.
Ihre Krankheit zwang sie, ihre Tätigkeit in der Gruppe zu unterbrechen.
Sie fühlte sich depressiv, entmutigt, und akzeptierte fast die Tatsache, dass sie bald ins Jenseits gehen würde, trotz aller ihrer Bemühungen, im Leben zu bleiben. Sie hatte doch drei Kinder zu erziehen und eine schöne Aufgabe in der Gruppe.
Dann kamen die Träume. Sie sah sich selbst in Krankenhäusern, wo sie behandelt wurde, durch unbekannte Geräte, die offensichtlich durch Magnetismus betrieben wurden. Die Erinnerungen an die Träume waren fragmentarisch. Nur weniges konnte sie sich merken. Ein Detail blieb aber in ihrem Gedächtnis: man sagte ihr, sie würde von ihrem Sohn Mauro geheilt.
Das Resultat dieser Behandlungen zeigte sich bald. Joseana gewann Mut durch die Träume. Es ging ihr besser. Die Schwäche nahm wahrnehmbar ab. Sie hatte wieder Appetit. Sie kehrte in die Gruppe zurück. In einigen Monaten erholte sie sich völlig.
Es blieben aber die Erinnerungen einer schwierigen Erfahrung, die sicherlich mit den Fehlern eines vergangenen Lebens zu tun hatte, und einer merkwürdigen Enthüllung: der Sohn war der Agent ihrer Heilung.
Warum? Wie? Er war kein Arzt oder Wundertäter. Er war einfach ein geliebtes Kind, sechs Jahre alt, wie Júnior, auch sechs, und Magali, fünf Jahre alt. Die Jungen waren kein Zwillingspaar. Es gab einen Altersunterschied von drei Monaten zwischen beiden. Etwas, was man erklären kann: Mauro wurde adoptiert. Ein verlassenes Kind... Er kam zu ihnen, als sie im sechsten Monat einer komplizierten Schwangerschaft war. Sie hatte Schmerzen und es bestand die Gefahr einer Fehlgeburt. Trotzdem verliebte sie sich in das Findelkind. Ihr Mann, ein großzügiger und sensibler Mensch, war auch bewegt. So wurde die Familie in wenigen Monaten mit zwei Jungen bereichert.
Sie wünschte aber sehr zu erfahren, was Mauro mit ihrer Heilung zu tun hatte. In der spiritistischen Gruppe fragte sie einen spirituellen Freund, der Juvêncio hieß. Juvêncio war der Geistführer der mediumistischen Arbeit. Der liebe Geist hörte ihr aufmerksam zu und erklärte:
- Wirklich, meine Tochter, dank dem Jungen, hast du die Heilung erlangt. Es wäre ein Teil deiner Prüfungen auf der Erde gewesen, früh ins Jenseits zurückzukehren. Dadurch wären deine irdischen Träume und Ideale frustriert worden. Aber als du den Kleinen aufgenommen hast, und ihm äußerste Zuneigung widmetest, obwohl du eine schwierige Schwangerschaft hattest, hast du einen Teil des Karmas wiedergutgemacht. Deine heutige Inkarnation wurde dann um einige Jahrzehnte verlängert. Du wirst die Freude haben, deine Kinder aufwachsen zu sehen, und sie zu orientieren. Außerdem gibt es viel Arbeit für dich in der spiritistischen Gruppe.
Sie war gerührt und ließ einige Tränen fließen. Juvêncio sagte weiter:
- Freue dich darauf! Viele Leute kommen frühzeitig in die spirituelle Welt zurück, nachdem sie ihre physischen Körper durch undiszipliniertes Denken und unausgeglichenes Verhalten schwer geschädigt haben. Du bist einer der seltenen Menschen, deren Aufenthalt auf der Erde ein verheißungsvolles Investment Gottes ist.
So hat Joseana verstanden, dass, indem sie einem Kind geholfen hat, sie sich selbst geholfen hat.
Die karmischen Erfahrungen sind keine blinde Bestimmung. Das Leiden ist nicht das einzige Mittel, unsere Schuld der Vergangenheit zu bezahlen.
Wir können unsere Möglichkeiten, auf der Erde glücklich zu werden, erweitern, wenn wir das Gute tun. Das Gesetz von „Ursache und Wirkung“ wird abgeschwächt, und wir können sogar eine längere und produktive Existenz verdienen.
Das ist keine Neuheit. Simon Petrus sagte in seinen ersten Brief an die christliche Gemeinschaft :
„ Die Liebe deckt viele Sünden zu“.