Mehr als 20 Jahre nach dem brutalen Angriff auf eine Ansiedlung von kleinen Ortschaften finden die Überlebenden dieses bisher nicht öffentlich bekannt gewordenen Massakers die Worte wieder, um dieses Ereignis zu beschreiben, den Tod zu ehren und in ihr Leben aufzunehmen.
Trotzdem viel Zeit vergangen ist, sind für die Überlebenden des Massakers in La Quesera, Usulután die Bilder der Gewalt immer noch sehr lebendig, so, als ob sich das Gemetzel in diesem Moment vor ihren Augen abspielen würde.
„Dieser Luis gab sein Leben für alle 15 Familien unserer Ansiedlung. Er richtete seinen Blick in die Ferne, als wenn er etwas an- schauen würde“, erinnert sich María Marta Luna.
„Es war eine schreckliche Sache mit den Kindern im Fluss. Als wir dies sahen, beeilten wir uns“, sagt Irma García.
„Mein Vater konnte schwimmen. Die Soldaten waren dort, um diejenigen zu töten, die zuerst den Fluss (Río Lempa) verließen, womöglich auch meinen Vater. Ganze Familien ertranken.... Wir werden meinen Vater nie wiedersehen, ihn nicht beerdigen können“, sagt Orbelina Mejía.
„Ich erinnere mich insbesondere an ein kleines Mädchen“, sagt Julia García, die Schwester von Irma und von zwei weiteren Überlebenden, Hermila und Salvador. „Sie kniete nieder. Das Geschoss drang in den Rücken und kam auf der anderen Seite heraus. Ihr kleiner Körper wurde zerfetzt.“
Die Horrorbilder sind mehr als 22 Jahre her; die Worte, die dieses beschreiben, drei Jahre. Für die Überlebenden dieses Massakers in La Quesera war es nicht leicht gewesen, darüber zu sprechen, wovon sie Zeuge wurden. Sie schätzen, dass mindestens zwischen 600 und 800 ihrer Familienangehörigen und Nachbarn bei dem Massaker starben, dass sich vom 20. bis 24. Oktober 1981 ereignete, zu Beginn des Bürgerkrieges. Aufgrund der damaligen Verhältnisse sprach man bis heute nicht darüber. „Wir sprachen nur in der Familie davon“, sagt Salvador García.
Trotz der Niedergeschlagenheit durch ihre Erinnerungen und der Notwendigkeit zu wissen, was sie erlitten haben, begannen etwa 25 Überlebende sich Anfang 2001 in La Limonera zu treffen, einem Ort, der in einer sicheren Entfernung vom Ort des Massakers liegt.
„Es gibt viel mehr Überlebende“, sagt Hermila García, „aber sie wollen darüber nicht sprechen.“
Die Gruppe bildete sich unter der Schirmherrschaft der Kirchengemeinde „Nuestra Señora de Guadalupe del Bajo Lempa“. Vor kurzem hat man sich an die „Tutela Legal“ des Erzbistum in San Salvador und das Büro der Menschenrechtsbeauftragten, das im Zusammenhang mit den Friedensvereinbarungen im Jahr 1992 eingerichtet wurde, gewandt. Sie wollen diese Institutionen von den Geschehnissen informieren und sie um Hilfe für eine Dokumentation über diese Ereignisse bitten.
Inzwischen hat die Gruppe der Überlebenden Voraussetzungen geschaffen, dass sie unter sich über ihre Geschichte sprechen und sich mit Überlebenden anderer Massaker, die während des Krieges in El Salvador geschahen, austauschen können. Sie hoffen, dass sie diese Ereignisse, die sich in La Quesera zutrugen, bei der Regierung vorbringen können und sie in das nationale Bewusstsein eindringen und die Überlebenden zumindest eine moralische Wiedergutmachung erlangen.