Überlebende des Massakers haben begonnen die Verletzungen zu heilen
Nach über 20 Jahren sprechen erstmalig Überlebende des Massakers in La Quesera (Bajo Lempa/Usulután) in der Öffentlichkeit über dieses grausame Geschehen. Sie haben begonnen, den Toten ein würdiges Andenken zu geben und ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Wir geben hier als Übersetzung den Bericht von Gigi Gruenken (US-amerikanische Laien-Missionarin des Maryknoll-Ordens, die in Nueva Esperanza/Bajo Lempa im Pastoralen Zentrum lebt und arbeitet) wider, der auf den Internetseiten des "Maryknoll-Ordens" in spanischer Sprache erschienen ist. Ein weit ausführlicher Bericht ist in der Zeitschrift "Revista - Maryknoll" in der Ausgabe April 2004 erschienen. Hiervon haben wir ebenfalls eine Übersetzung angefertigt. Das Dokument kann in unserem Downloadbereich aufgerufen und heruntergeladen werden.
22.10.04: Die Barmherzigkeitsarbeit macht uns die Würde der Menschlichkeit deutlich – die respektiert werden muss, bis zur Stunde des Todes. Wenn ein Toter keine angemessene Beerdigung erhält, wird seine Würde verletzt. Die Überlebenden leiden; es kann nicht getrauert werden. Es ist wie eine Verletzung, die unaufhörlich blutet.
Gräber der Geschändeten
So hat es die Überlebenden des Massakers von La Quesera in El Salvador getroffen. Im Oktober des Jahres 1981 attackierte das salvadorianische Militär, mit Unterstützung des Luftgeschwaders, die ländliche Zone von La Quesera, in der Provinz Usulután, wo mehr als 2.000 arme Bauern lebten. Das Ziel war, die zivilen Ansiedlungen dem Boden gleich zu machen und die Überlebenden zu terrorisieren. Es war ein Erfolg: zwischen 600 und 800 Kinder, Frauen und Männer wurden brutal ermordet und die Überlebenden vertrieben. So lebten sie mehrere Jahre, denn bereits der Versuch zu entrinnen hätte den sicheren Tod bedeutet. Das Militär zerstörte bei ihrem Einfall die Wohnungen, verbrannte die Ernte und tötete das Vieh.
Auf der Flucht vor dem Terror blieb den Überlebenden keine Zeit ihre Toten zu beerdigen. Nur einigen wenigen Familienangehörigen und Nachbarn gelang es die Körper ihrer Lieben aufzufinden und zu identifizieren. Sie beerdigten ihre Toten in aller Eile, um sie vor den Tieren zu schützen. Bewaffnete Mitglieder der Aufständischen (Guerilla) beerdigten einige Tote, oft, ohne zu wissen, wer sie waren und später erinnerten sie sich nicht mehr, wo sie sie beerdigt hatten. Hunderte wurden verbrannt, aus den Helikoptern in den Río Lempa geworfen, lagen verlassen verletzt im Fluss, oder ertranken beim Versuch die andere Seite des Flusses zu erreichen. Für die Überlebenden war es nicht möglich sie zu finden und die sterblichen Überreste der Opfer zu beerdigen.
Bereits vor 23 Jahren spielten sich diese horrenden Ereignisse ab. Elf Jahre davon herrschte Krieg und während der anderen 12 Jahre wuchsen die tropischen Pflanzen, die das Gebiet überwucherten. Im Jahr 2001 gründeten Personen, die in die Umgebung zurück gekehrt waren, eine Gruppe von Überlebenden. Während der vergangenen zwei Jahre haben sie einige Orte aufgefunden, wo Ermordete beerdigt worden waren. So versuchen sie, ihre Toten zu ehren und ihren eigenen Schmerz zu lindern. Einer von diesen Orten ist "Loma de Pájero" (Hügel des Vogels), wo eine Gruppe von Frauen und Kinder durch das salvadorianische Militär brutal ermordet wurden, nach dem sie zuvor den Zivilisten versprochen hatten, sie zu retten.
Die Bemühungen, sterbliche Überreste der Ermordeten zu finden, wurde in diesem Jahr ausgeweitet, dank der Ankunft einer Gruppe von argentinischen Gerichtsmedizinerinnen, die vom Menschenrechtsbüro der Erzdiözese beauftragt worden waren. Viele Überlebende, wie auch Personen, die Angehörige der Überlebenden beerdigt hatten, waren anwesend. Eine Stelle, wo 15 Kinder beerdigt worden waren, wurde am Ufer eines kleinen Flusses, der in den Río Lempa mündet, aufgefunden. Auch fand man Einzel- oder Familiengräber. Wenn die Regenzeit im November endet, wird die argentinische Gruppe zurück kehren, um mit der schwierigen Aufgabe und des langen Prozesses der Exhumierung und Identifizierung zu beginnen.
Gerichtsmedizinerinnen auf der Suche nach Gräbern
Monoment mit den Namen der Toten
Inzwischen wurde in "Loma del Párajo" eine Wand erstellt. Ein kleines Dach und ein Mausoleum werden bereits gebaut. Die Überlebenden werden die Namen der Toten in die Wand eintragen. Auch werden sie ein Bild fertigen, dass an die Opfer erinnert und die Hoffnung derjenigen ausdrücken soll, die dieses brutale Massaker überlebt haben. Später will man dann die sterblichen Überreste der Opfer in das Mausoleum umbetten. Die Überlebenden von La Quesera durchleben erneut ihr Trauma. Aber, wenn sie die sterblichen Überreste beerdigen und sich mit dem Monument etwas für ihre Erinnerung schaffen, werden ihre Wunden heilen, dank Gott und der Gruppe der Überlebenden von La Quesera. Damit sollen hunderte von Opfern geehrt werden und diese horrenden Geschehnisse dieses traurigen Kapitels der salvadorianischen Geschichte sollen in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden.
Zwischenzeitlich - Dez. 2004 - haben wir die Information erhalten, dass die argentinischen Gerichtsmedizinerinnen wieder nach La Quesera gekommen sind, um mit den Exhumierungsarbeiten zu beginnen. Unter Anwesenheit der zuständigen Richterin von San Agustín, der Staatsanwaltschaft und den Familienangehörigen der Ermordeten, die die Stellen, wo vermutlich ihre Angehörigen verscharrt wurden, lokalisieren. Dies ist nach den vielen Jahren, die seit dem Massaker vergangen sind (24. Oktober 1981), sehr schwierig. Inzwischen konnten die Namen von mehr als 250 ermordeten Personen ermittelt werden. Diese Liste wird man niemals vollständig werden, denn viele Angehörige der Ermordeten leben nicht mehr in diesem Gebiet, sondern in die USA verzogen oder in andere Teile des Landes.
Die Gerichtsmedizinerinnen gehen bei der Exhuminierung mit einer großen Profesionalität vor, mit viel Respekt und großer Vorsicht. Es wurden bereits eine Frau mit ihren drei Jungen, eine Frau mit zwei Mädchen und eine weitere Frau mit drei Jungen exhuminiert.
Details machen das Verbrechen deutlich
Die Kleidung der Kinder sind geflickt, was darauf hinweist, dass es sich um arme und unschuldige Kinder handelt. Bei einer Frau wurden Metallstücke geortet. In der Kleidung entdeckte man in einer Plastiktasche einige Geldstücke. Wahrscheinlich der einzige "Reichtum" dieser Frau, wovon sie wahrscheinlich auf der Flucht, wenn es möglich gewesen wäre, Milch kaufen wollte.
So hart diese Erinnerungen für die Familienangehörigen auch sind, so besteht aber eine Zufriedenheit darüber, dass letztendlich die Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist und dass ihre unschuldigen Familienangehörigen nun eine christliche Grabstätte erhalten.
Ein Video, in englisch, mit Interviews bei einer Gedenkveranstaltung zum Massaker von La Quesera ist bei YouTube unter folgender Adresse zu finden: http://youtu.be/c61xGKvuvNc